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Herodot

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Herodot von Halikarnassos (griech. Vorlage:Polytonisch, Hēródotos, ca. * 484 v. Chr., † 425 v. Chr.) war ein griechischer Historiker, Geograph und Völkerkundler. Er wurde von Cicero (De leg. 1,5) zugleich als „Vater der Geschichtsschreibung“ (lat. pater historiae) und als Erzähler „zahlloser Märchen“ (lat. innumerabiles fabulae) bezeichnet. Sein einziges erhaltenes Werk sind die neun Bücher umfassenden Historien, die die Kriege der Griechen mit den Persern im 6. und 5. Jahrhundert vor Christus schildern.

Leben

Herodot (lat. Herodotus) wurde in Halikarnassos in Kleinasien, heute Bodrum/Türkei, geboren. Er unternahm eigenen Angaben zufolge lange Reisen nach Persien, Ägypten, Babylonien und zum Schwarzen Meer. Zeitweise lebte er auch in Süditalien in Thurioi, an dessen Gründung er beteiligt war. Ca. 447 v.Chr. kam er nach Athen, wo er wohl engen Kontakt zu großen Persönlichkeiten dieser Zeit pflegte. Dazu gehörten Sophokles und Perikles.

Werk und Autor

Herodot schrieb eine Geschichte der Auseinandersetzung zwischen Griechen und Persern zu Beginn des 5. Jahrhundert v. Chr. (Perserkriege), die unter dem Titel Historien (gleichbedeutend mit: Erkundungen, Forschungen) bekannt sind. Ursprünglich trug Herodot einzelne inhaltlich in sich geschlossene Abschnitte (so genannte logoi) einem Publikum vor. Seine Schriften wurden als eine neue Form der Literatur bald nach ihrer Veröffentlichung anerkannt. Herodots Prosawerk ist zudem auf einem hohen literarischen Niveau verfasst worden, so dass sein Stil noch nachhaltigen Einfluss auf die zukünftige Geschichtsschreibung ausüben sollte.

Herodot als Theoretiker

In den Historien befindet sich die Verfassungsdebatte, in der die einzelnen Staatsformen gegeneinander abgewogen werden. Sie haben bis heute eine wichtige Bedeutung in der Demokratieforschung (Herodot 3,80-84 [1]).

Geograph und Völkerkundler

Im Rahmen seiner Abhandlungen wird vor der Darlegung des Verlaufs der Perserkriege gleichsam als Bühne des Geschehens das Panorama der Länder und Völker der gesamten damals bekannten Welt aufgespannt. Damit leistete Herodot frühe Beiträge zur Völkerkunde. Herodot legt dar, wie eine Weltkarte seiner Meinung nach aussehen sollte, und verschafft uns somit Einblick in den Welthorizont der gebildeten Menschen seiner Zeit. Seine Beschreibung gehört zu den frühesten Anfängen der Kartografie.

Philosoph und Erzähler

Vor Herodot gab es nur Chroniken und Epen als Formen der Geschichtsbeschreibung. Herodot war jedoch der Erste, welcher nicht nur die Vergangenheit registrierte, sondern sie zusätzlich als philosophisches Problem oder Forschungsprojekt behandelte, welche Kenntnisse des menschlichen Verhaltens ergeben konnte. Die Komposition der Historien folgt dabei meist weniger "wissenschaftlichen" Kriterien als vielmehr künstlerischen und philosophischen Überlegungen. Von Teilen der Forschung wird Herodot aber auch sehr kritisch gesehen. Ihm wurde vorgeworfen, nicht zwischen Mythen und historischen Ereignissen unterschieden zu haben, wobei als Gegenentwurf das Werk des Thukydides gelten könne; über die Frage, welchen Wert die Historien als Quelle haben, ist in der Forschung bis heute keine Einigung erzielt worden (Lit.: vgl. Bichler/Rollinger, S. 161ff.).

Moralist

Herodot unterscheidet in den Historien die Leitvorstellungen menschlicher Selbstwertsuche. Ungebundenem, bedenkenlosem Handeln, wie in der Rhampsinit-Geschichte, in der zwei Brüder in die Schatzkammer des Königs einbrechen und, um nicht entdeckt zu werden, der eine dem anderen den Kopf abschlägt, nachdem er in eine Falle getreten war aus der er sich nicht mehr befreien kann, stellt er Bewusstsein für Verantwortung und Schuldbewusstsein (vgl. Gyges-Geschichte) gegenüber.

Ein wichtiger Aspekt in den Historien ist auch die Hybris. Sie wird mit Nemesis, bei Schrankenübertretungen, oder Tisis, bei Unrecht, vergolten - diese Warnung vor Hochmut zieht sich wie ein Leitmotiv durch das gesamte Werk und richtet sich wohl an die Athener, deren Großmachtpolitik Herodot sehr kritisch bewertet. Er will seine Leser offenbar am Beispiel des gescheiterten Angriffs der Perser auf Griechenland davor warnen, einen ähnlichen Fehler zu begehen.

Autor und Rationalist

In den Historien will Herodot persönlich historische Fakten ordnen, deuten, kausal verbinden und im Zusammenhang darstellen. Dies ist ein Aspekt des Kontrastes zwischen der rationalen Weltsicht Herodots und beispielsweise Homers archaischer Anschauung.

Homer tritt als Erzähler göttlichen Wesen gegenüber zurück und lässt sie berichten. Beispielhafter Vergleich der Einleitungen:

Proömium von Herodots Historien

Von Herodot aus Halikarnaß ist dieser Forschungsbericht, damit weder das, was durch Menschen entstanden ist, durch die Zeit ausstirbt, noch große und wunderliche Taten, die von Helden und Barbaren ausgeführt wurden, ruhmlos werden, und aus welchem Grund sie gegeneinander kämpften.

Proömium von Homers Ilias

Den Zorn singe, Göttin, des Peleus-Sohns Achilleus, Den verderblichen, der zehntausend Schmerzen über die Achaier brachte Und viele kraftvolle Seelen dem Hades vorwarf Von Helden, sie selbst aber zur Beute schuf den Hunden Und den Vögeln zum Mahl, und es erfüllte sich des Zeus Ratschluß...

Proömium von Homers Odyssee

Den Mann nenne mir, Muse, den vielgewandten,….

Wichtige Zitate aus den Historien

  • Der Mensch ist Spielball des göttlichen Schicksals. (pan esti anthropos symphoré)
  • Der Mensch ist schicksalsverhaftet und sterblich und hat ein Bewusstsein dafür.
  • Die Götter sind gänzlich neidisch und wankelmütig. (to theion pan phthoneron te kai tarachodes)
Zeugt von einer anthropomorphen Göttervorstellung, die dem subjektiven Empfinden eines Geschädigten entspringt. Der Mensch wird durch göttliche Eingriffe in Grenzen verwiesen => Erklärungssuche des Menschen für jedes Geschehen
  • Niemand wird so dumm sein, dass er Krieg statt des Friedens wählt. (oudeis gar huto anoétos esti, ostis polemon pro eirénés hairëetai)
  • Im Frieden begraben Söhne ihre Väter. Im Krieg Väter ihre Söhne.

Literatur

Übersetzungen

  • Das Geschichtswerk des Herodot von Halikarnassos. Insel, Frankfurt 2001. ISBN 3-45834-443-8
  • Herodot: Historien. Reclam, Ditzingen 2002. ISBN 3-15018-221-2
  • Herodot: Historien. Gesamtausgabe (Buch I-IX). H. W. Haussig (Hrsg.). Kröner, Stuttgart 1971. ISBN 3520224046
  • Herodot: Historien. Hrsg. und übers. von Josef Feix. Bibliothek der Alten Welt. Artemis & Winkler, Düsseldorf 2004 (dt.). ISBN 3-7608-4111-2

Sekundärliteratur

  • Reinhold Bichler, Robert Rollinger: Herodot. Olms, Hildesheim u. a. 2000. (Das derzeitige Standardwerk) ISBN 3-487-10931-X
  • H. Erbse: Fiktion und Wahrheit im Werk Herodots. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1991.
  • François Hartog: Le Miroir d'Hérodote. Paris 2001.
  • James A. S. Evans: Herodotus, explorer of the past. Three essays. Princeton 1991.
  • Detlev Fehling: Die Quellenangaben bei Herodot. Berlin, New York 1971. (Eine ebenso einflussreiche wie umstrittene Arbeit, die die These vertritt, Herodot habe die referierten Daten fingiert bzw. erfunden und die angeblichen Forschungsreisen nie unternommen.)
  • John Hart: Herodotus and Greek history. London 1993.
  • Walter Marg (Hrsg.): Herodot. Eine Auswahl aus der neueren Forschung. Wege der Forschung. Bd 26. Darmstadt 1982 (3. Aufl.).
  • Martin Hose: Am Anfang war die Lüge? Herodot, der "Vater der Geschichtsschreibung". in: Martin Hose (Hrsg.): Große Texte alter Kulturen. Wiss. Buchges., Darmstadt 2004, S. 153-174. ISBN 3-534-17561-1
  • Werner Keller: Da aber staunte Herodot. Zürich 1972. ISBN 3-426-05571-6
  • William K. Pritchett: The liar school of Herodotos. Amsterdam 1993.
  • Wolfgang Schadewaldt: Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen. Bd 2. Frankfurt a. M. 1990 (3. Aufl.). (Zur Einführung) ISBN 3-518-27989-0
  • Aubrey de Sélincourt: Die Welt Herodots. Wiesbaden 1967.
Wikisource: Herodot – Quellen und Volltexte
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