Elektrizität
Elektrizität (von griechisch ήλεκτρον (elektron) „Bernstein“) ist der Oberbegriff für alle Phänomene, die ihre Ursache entweder in ruhender elektrischer Ladung oder bewegter Ladung (Ströme) sowie deren elektrischen und magnetischen Feldern haben. Die Träger der elektrischen Ladung sind negativ geladene Elektronen und positiv geladene Protonen und Ionen. Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab, ungleichnamige Ladungen ziehen einander an. Die Kraft, die auf Ladungen gleichen Vorzeichens wirkt, wird als Abstoßung bezeichnet, die Kraft auf Ladungen mit entgegengesetzten Vorzeichen als Anziehung. Wegen der Wechselwirkungskräfte kommt der Elektrizität auch eine Bedeutung als Energieträger zu. Elektrische Ladungen sind die Quellen des elektrischen Feldes, bewegte Ladungen die Ursache für magnetische Felder. Elektromagnetische Wellen (wie z. B. Licht) sind Erregungen des elektromagnetischen Feldes und können sich nach Entstehung unabhängig von Ladungsträgern im Raum (als Photonen) ausbreiten, d. h. fortbewegen, sie wechselwirken aber auch mit Materie.
Bewegung elektrischer Ladung findet in elektrischen Leitern durch Bewegung freier Elektronen und in Flüssigkeiten durch Ionenbewegung statt. Bei den Festkörpern unterscheidet man zwischen Leitern, Nichtleitern und Halbleitern.
Elektrische Phänomene in der Natur

Das wohl bekannteste und spektakulärste natürliche Auftreten von Elektrizität ist der Blitz. Mit einem Blitz entladen sich hohe, durch Reibung in den Gewitterwolken aufgebaute elektrostatische Ladungen (Reibungselektrizität). Im Verlauf einer solchen Entladung werden sowohl positive wie auch negative Ladungen bewegt.
Aber Elektrizität tritt auch in weniger spektakulärer Form auf. So beruht z. B. die Informationsverarbeitung im Nervensystem von Lebewesen zum Teil auf elektrischen Signalen.
Verschiedene Fische (z. B. der Zitterrochen und der Zitteraal) können hohe elektrische Spannungen aufbauen, um sich damit zu verteidigen. Umgekehrt gelingt es ihnen durch Wahrnehmung elektrischer Signale, die durch die Muskelbewegungen der Fische ausgelöst werden, ihre Beute zu orten.
Elektrizität im Alltag
Umgangssprachlich wird unter Elektrizität meistens elektrische Energie verstanden. Zur Charakterisierung von elektrischer Energie wird im Sprachgebrauch meistens nur von Strom oder Spannung gesprochen. Dieses ist in vielen Fällen falsch, da Auswirkungen von Elektrizität nur bei gemeinsamer Betrachtung von Strom und Spannung zu erklären sind. So erzeugen beispielsweise piezoelektrische Feuerzeugzünder sehr hohe Spannungen (~1 kV), sind jedoch wegen der geringen Stromstärke nahezu unschädlich. Analog dazu ist das Beispiel bei einer Autobatterie, die eine Spannung von 12 V liefert, aber dabei vergleichsweise hohe Ströme erzeugt.
Im heutigen Alltag ist Elektrizität im Sinne von elektrischer Energie kaum mehr entbehrlich, was dem Menschen meistens erst durch Ausfälle von Versorgungsnetzen wieder bewusst wird. Seit über einem Jahrhundert bestimmen Anwendungen von Elektrizität, wie Licht, Wärme und Kraft mehr und mehr das menschliche Leben. Eine ständig wachsende Bedeutung erlangt heute elektrische Energie in der Kommunikations- und Informationstechnologie.
Elektrizität hat je nach Stärke unterschiedliche Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Entscheidend für die Auswirkung ist die Stärke der Durchströmung in der Maßeinheit A (Ampere). Geringe Durchströmungen werden beispielsweise zur Förderung von Heilungsprozessen in der Elektrotherapie eingesetzt oder als Impulsgeber für das Herz (Herzschrittmacher). Starke Durchströmungen ab ca. 50 mA können gefährlich sein und tödlich wirken. Die Elektroschockpistole beispielsweise gibt mehrfach starke elektrische Impulse an das Opfer ab und verursacht schmerzhafte, nicht kontrollierbare Muskelkontraktionen. Bei empfindlichen Personen können Atemlähmungen und Herzstillstand auftreten. Derartige Durchströmungen werden auch eingesetzt, um Menschen gezielt zu töten, wie dieses auch mit dem elektrischen Stuhl geschieht.
Elektroantriebe werden im Alltag in den unterschiedlichsten Gebieten eingesetzt. Ob im Lüfter eines Computers, zum Kühlen des Motors im Auto oder zum Herunterlassen der Jalousien und Rollläden im Haus. Ihren Einsatzgebieten sind keine Grenzen gesetzt.
Behandlung in den Naturwissenschaften
Die verschiedenen Phänomene der Elektrizität sind Betrachtungsgegenstände in Teilen der Physik und der Chemie:
- Elektrostatik: ruhende elektrische Ladungen, Ladungsverteilungen und elektrische Felder geladener Körper
- Elektrodynamik: elektromagnetische Wellen, elektrische und magnetische Felder, Potenziale und Dynamik elektrisch geladener Teilchen und Objekte
- Quantenelektrodynamik: quantenfeldtheoretische Beschreibung des Elektromagnetismus
- Festkörperphysik: Verhalten elektrischer Ladungen in Leitern, Halbleitern und Nichtleiter, sowie Thermo-, Pyro- und Piezoelektrizität
- Elektrochemie: Zusammenhang zwischen elektrischen und chemischen Vorgängen
Behandlung in den Ingenieurwissenschaften
Die Elektrotechnik bezeichnet denjenigen Bereich der Ingenieurwissenschaft und Technik, der sich mit allen Aspekten der Elektrizität befasst. Hierzu gehören die elektrische Energieerzeugung, die Energieübertragung sowie alle Arten ihrer Nutzung. Dieses reicht von den elektrisch betriebenen Maschinen über alle Arten elektrischer Schaltungen für die Steuer-, Mess-, Regelungs- und Computertechnik bis hin zur Nachrichtentechnik.
Elektrizität als Energieträger
Die elektrische Energie berechnet sich als das Produkt aus elektrischer Spannung(U), Stromstärke(I) und Zeitdauer (t).
Gewinnung elektrischer Energie
Siehe dazu eigenständigen Artikel Stromerzeugung
Bei der Gewinnung oder auch Erzeugung elektrischer Energie werden verschiedene der oben beschriebenen Phänomene genutzt. Der größte Anteil des weltweiten (elektrischen) Energiebedarfs wird durch Generatoren in Kraftwerken erzeugt. Dabei kommen unterschiedliche Primärenergieträger zum Einsatz. Die verwendeten Generatoren sind vom Grundprinzip her identisch. Sie nutzen die elektrodynamische Induktion zur Ladungstrennung und damit zur Spannungserzeugung.
In Batterien und Akkumulatoren wird elektrische Energie aus chemischen Reaktionen gewonnen.
In Brennstoffzellen wird elektrische Energie in einem kontinuierlichen Prozess aus chemischer Energie gewonnen.
Die vergleichsweise junge Technologie der Photovoltaik nutzt mit Solarzellen den photoelektrischen Effekt.
In Thermoelektrischen Generatoren (z. B. Isotopenbatterien) wird elektrische Energie mit Thermoelementen direkt aus Wärmeenergie gewonnen.
Im Thermoionischen Generator emittiert eine heiße Metallfläche durch Glühemission Elektronen im Vakuum, die von einer Elektrode in geringem Abstand aufgefangen werden.
Der magnetohydrodynamische Generator (MHD-Generator) trennt mit einem Magnetfeld ein zwischen Elektroden schnell strömendes ionisiertes Gas aus einem Verbrennungsprozess, in dessen positive und negative Teilchen.
Transport elektrischer Energie
Der Transport elektrischer Energie geschieht in den meisten Fällen durch die Bewegung von Elektronen in Festkörpern. Es werden dazu Leitungen aus Materialien mit einem geringen spezifischen Widerstand (meistens Metalle) verwendet. Kupfer und Silber gehören zu den besten Leitern, teilweise wird auch Aluminium wegen des geringeren Gewichtes verwendet. Durch den elektrischen Widerstand der Leitungen entstehen Leitungsverluste (Energieverluste) die umso höher sind, je höher die Stromstärke und je länger und dünner die Transportleitung ist. Bei höheren Spannungen kann die gleiche Energiemenge bei geringeren Stromstärken übertragen werden.
Die unvermeidbaren Verluste beim Transport können daher durch Verwendung von hohen Spannungen reduziert werden. Elektrische Hochspannungsleitungen werden z. B. mit Wechselspannungen im Bereich von 10 kV bis 380 kV betrieben. Zur Veränderung von Wechselspannungen werden Transformatoren eingesetzt. Da die Energie, die häufig in Kraftwerken erzeugt wird, teilweise recht weit von den Verbrauchern generiert wird, hat der Energietransport einen großen Einfluss auf den Wirkungsgrad des Gesamtsystems.
Zur Zeit versucht man in ersten Pilotprojekten Supraleiter für den Transport elektrischer Energie anzuwenden, da in diesen die Elektronen nahezu widerstandslos transportiert werden.
Historische Daten
- Schon in der Antike war den alten Griechen bereits die elektrostatische Aufladung des Bernsteins bekannt, der von ihnen als elektron bezeichnet wurde. Diese Erkenntnis wird Thales von Milet zugeschrieben.
- 1. Jahrhundert v. Chr: Ein parthisches Tongefäß aus der Nähe von Bagdad, das 1936 von Dr. Wilhelm König gefunden wurde, enthält einen Eisenstab und einen Kupferzylinder, der mit Asphalt abgedichtet war. Versuche des Römer- und Pelizaeus-Museums in Hildesheim zeigten, dass mit dieser Anordnung und Traubensaft als Elektrolyt eine Spannung von 0,5 V erreicht werden konnte. Sie könnte zum galvanischen Vergolden verwendet worden sein.
- 1601: William Gilbert untersucht die elektrische Aufladung an vielen Substanzen und führt die Bezeichnung „Electrica“ ein.
- 1663?: Der Magdeburger Bürgermeister Otto von Guericke entwickelt die (Reibungs-)Elektrisiermaschine.
- 1672: Gottfried Wilhelm von Leibniz entdeckt elektrische Funken durch Reiben (Aufladen) einer kindskopfgroßen Schwefelkugel.
- 1745: Der niederländische Physiker Pieter van Musschenbroek (* 1692 in Leiden), erfindet - unabhängig von, und ein Jahr nach Ewald Jürgen Georg von Kleist - die Leidener Flasche (in Deutschland auch "Kleistsche Flasche"), den ersten Kondensator.
- 1752: Der Amerikaner Benjamin Franklin, erfindet den Blitzableiter und interpretiert das Phänomen Pluspol und Minuspol.
- 1770: Der italienische Mediziner Luigi Galvani, beobachtet „tierische“ Elektrizität an Froschschenkeln (elektrochemische Energie).
- 1776: Der italienische Physiker Alessandro Volta, erfindet das Elektrophor und die Batterie.
- André Marie Ampère (1775–1836), französischer Physiker, erfindet das Amperemeter, die Theorie des elektrischen Telegraphen (erstmals angewandt von Gauß und Weber) und den Elektromagneten. Er ist Begründer der Theorie vom Elektromagnetismus.
- Ende des 18. Jahrunderts: Charles Augustin de Coulomb, Joseph Priestley, Henry Cavendish und John Robison finden unabhängig voneinander das Gesetz zur Beschreibung der Kraft zwischen zwei elektrischen Ladungen (Coulomb-Gesetz).
- Georg Simon Ohm (1789–1854), deutscher Physiker, formuliert den grundlegenden Zusammenhang zwischen elektrischer Stromstärke und Spannung (siehe Ohmsches Gesetz).
- Hans Christian Ørsted (1777–1851) erkannte den Zusammenhang von Elektrizität und Magnetismus
- Michael Faraday (1791–1867), britischer Physiker, Begründer der Elektrodynamik (Induktionsgesetze), formulierte u. a. auch die Gesetze der Elektrolyse und ermöglichte so die Erfindung der Telegraphie.
- James Prescott Joule (1818–1889), britischer Physiker, beobachtet und formuliert die Gesetzmäßigkeiten der Wärmeerzeugung durch stromdurchflossene Leiter.
- 1810–1812: Der Chemiker Humphry Davy erzeugt zwischen zwei Kohlestiften, die mit einer Batterie als Stromversorger verbunden waren, einen Lichtbogen und schaffte damit die Grundlagen für die Bogenlampe.
- Der schottische Physiker James Clerk Maxwell (1831–1879) konzipiert die bis heute grundlegende Theorie der Elektrizität und des Magnetismus ruhender und bewegter Ladungen und Felder. Er stellte die Maxwell-Gleichungen zur Beschreibung elektromagnetischer Phänomene auf, die in leicht abgeänderter Form bis heute gültig sind. Aus Ihnen folgerte er die Existenz der elektromagnetischen Wellen. Er identifiziert das Licht als eine Erscheinungsform derartiger Wellen.
- 1833: Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Eduard Weber senden in Göttingen das erste Telegramm über eine 8.000 Fuß lange Telegraphenleitung. Der Text soll „Michelmann kommt“ gewesen sein.
- 1844 nimmt Samuel F. B. Morse die erste Telegraphenlinie Amerikas in Betrieb.
- 1844 installiert Louis Joseph Deleuil erstmals die Beleuchtung eines öffentlichen Platzes, des Place de la Concorde in Paris, mit Bogenlicht
- 1860 der Belgier Zénobe-Theophile entwickelt eine Maschine zur Stromgewinnung
- 1866 entwickelt Werner von Siemens den Dynamo.
- 1877 erfindet Thomas Alva Edison den mechanischen, noch nicht elektrischen Phonographen, er verbessert unter anderem auch das Telefon und macht die elektrische Glühlampe anwendungstauglich, was zu einer Revolution der Straßenbeleuchtung und damit zur erstmaligen Erstellung größerer Stromnetze führt (gleichzeitig in Europa: Zénobe Gramme und Werner von Siemens).
- 1884: Heinrich Hertz erzeugt erstmals experimentell elektromagnetische Wellen
- 1886: Nikola Tesla begründet durch seinen Sponsor Westinghouse die heute gebräuchliche elektrische Energieübertragung mittels Wechselstrom.
- 1888: Heinrich Hertz (1857–1894) erzeugt elektromagnetische Wellen und weist diese in Experimenten nach.
- 1895: Guglielmo Marconi (1874–1937) führt in Bologna Funkversuche durch. Er baut hierbei auf den Entdeckungen von Hertz, Popow und Branly auf.
- 1896: Alexander Stepanowitsch Popow (1859–1905) gelingt auf funktechnischem Wege die Übertragung der Worte „Heinrich Hertz“ während einer Demonstration vor der Russischen Physikalischen Gesellschaft.
- 1897: Ferdinand Braun (1850–1918) erfindet die später nach ihm benannte Braunsche Röhre (Kathodenstrahlröhre)
- 1948: Walter H. Brattain und John Bardeen und William Shockley entwickeln den Transistor
Physikalische Größen
- Die kleinste elektrische Ladung ist die Elementarladung e (Naturkonstante), die Ladung eines Elektrons. Sie beträgt ca. 1,602 · 10 -19 C. Die nicht frei beobachtbaren Quarks haben noch kleinere, drittelzahlige Ladungen von .
- Stromstärke in A (Ampere)
- Ein Ampere ist die Stärke eines konstanten Stromes, der durch zwei parallele, geradlinige, unendlich lange und im Vakuum im Abstand von einem Meter voneinander angeordnete Leiter von vernachlässigbar kleinem, kreisförmigem Querschnitt fließend, zwischen diesen Leitern pro Meter Leiterlänge die Kraft von 2 · 10 −7 Newton hervorruft.
- Widerstand in Ω (Ohm)
- Wirkleistung in W (Watt) (umgangssprachlich Leistung genannt; entspricht Arbeit pro Zeit)
- Im Gleichstromkreis:
- Im Wechselstromkreis:
- Wirkarbeit in kWh (Kilowattstunde), Wh (Wattstunde), Ws oder Joule
- Blindleistung in Var (von Volt-Ampère-réactif)
- Scheinleistung in VA (Voltampere)
- Blindarbeit in Vars; Varh oder kVarh
- Scheinarbeit in VAs; VAh oder kVAh
Siehe auch
Weblinks
- Die Elektrizität der Zelle / Membranpotentiale und elektrische Spannungen
- Berechnung von Elektrizität: Leistung Spannung Stromstärke Widerstand
- Elektrische Berechnungen – Das ohmsche Gesetz und das magische Dreieck
- Stromerzeugung in einzelnen Ländern und weltweit
- Fachkunde Elektrotechnik: Vorschriften - Rechenbeispiele - Formelsammlung - Schaltungen
- Elektrizitätslehre bei Lern-Online.net