Zum Inhalt springen

Yukos

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. September 2006 um 23:19 Uhr durch Bota47 (Diskussion | Beiträge) (Bot: Ergänze: ja:ユコス). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Logo
Logo

JUKOS (russisch ЮКОС) war einer der großen Konzerne Russlands für Erdölförderung und Petrochemie und gehörte auch weltweit zu den größten nicht-staatlichen Konzernen. Nach der Festnahme des Firmengründers Michail Chodorkowski im Jahr 2003 geriet die Firma in finanzielle Schwierigkeiten, was dazu führte, dass Jukos am 1. August 2006 von einem Moskauer Gericht für bankrott erklärt wurde.

Der Name JUKOS ist ein Akronym der Firmen, die an der Gründung des Erdölkonzers beteiligt waren, „JUganskneftegas“ und „KuibyschewnefteOrgSintesa“ (Юганскнефтегаз, КуйбышевнефтеОргСинтеза).


Das Unternehmen

Jukos wurde in den letzten Jahren von Michail Chodorkowski geleitet, einem politisch und sozial engagierten Milliardär. Das Unternehmen hatte bis zu Chodorkowskis Verhaftung im Oktober 2003 den zweiten Platz am Markt inne.

Durch die Verhaftung und restriktive Maßnahmen des Kreml ist der Konzern international bekannt geworden, aber auch in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Chodorkowski wurde (wie auch einem zweiten Manager) Steuervergehen vorgeworfen, doch ließ der Prozessbeginn bis Juni 2004 auf sich warten. Als eigentliche Gründe werden vermutet, dass Chodorkowski (der zu Russlands „Oligarchen“ zählt), als Präsidentschaftskandidat vorgeschlagen war, bzw. weil die russische Regierung den Konzern (wie schon früher) in ihren Einflussbereich bringen will. Auch hatte sich Präsident Putin negativ zur Unterstützung von Bildungseinrichtungen und Medien durch Jukos geäußert. Als Grund hierfür gilt, dass die Förderung des politischen Pluralismus sowie der Meinungs- und Medienvielfalt nicht mit allen politischen Bestrebungen Putins in Einklang steht.

Jukos wurde im Zuge der großen Privatisierungswelle nach Auflösung der Sowjetunion unter kontroversen Umständen von der russischen Regierung erworben. Der Erwerb erfolgte im Rahmen einer Versteigerung, welche von der durch Chodorkowski mitgegründeten Bank MENATEP organisiert wurde, die dann selbst als einziger Bieter auftrat. MENATEP war in den Jahren zuvor selbst zu einer finanzkräftigen Privatbank geworden, da Chodorkowski ihr als stellvertretender Öl- und Energieminister unter Boris Jelzin zahlreiche Aufträge zur Verwaltung von Investitionsprogrammen hatte zukommen lassen. Später ging Jukos an eine Gruppe (auch internationaler) Investoren. Hauptanteilseigner wurde Chodorkowski.

Westliche Ökonomen schätzen einerseits die Flexibilität und Ertragskraft des Konzerns, werfen ihm aber auch eine dubiose Politik gegenüber den Kleinaktionären vor. Dies soll sich ab etwa 2001 gebessert haben. In den letzten Jahren konnte Jukos Umsatzsteigerungen von 30 % bis 104 % und Gewinnmargen bis 50 % vorzeigen und wurde zum Börsenmagneten, nicht nur in Russland (2000: 9,8 Mrd. US-Dollar). Er investierte kräftig in den Energiebereich:

Die tägliche Erdölfördermenge von Jukos beträgt etwa 1,7 Millionen Barrel, was etwa 15 % der gesamten russischen Ölförderung entspricht.

Im Juli 2006 erklärte der Vorstandsvorsitzende Steven Theede seinen Rücktritt zum 1. August 2006. Er begründete dies mit dem Insolvenzverfahren, welches eine Farce sei. Nach Einschätzung von westlichen Beobachtern ist Ziel der russischen Regierung, die zusammen mit dem staatlichen Ölkonzern Rosneft 100 Prozent des Unternehmens besitzt, die Auflösung und Eingliederung in Rosneft.[1] Am 1. August 2006 stellte ein Moskauer Gericht den Bankrott der Firma fest und beschloss somit die Auflösung von Jukos.

Der „Fall Jukos“

Im April 2003 vereinbarte Jukos eine Verschmelzung mit Sibneft (nach dem Umsatz etwa die Nr. 5 in Russland), doch unterblieb die Fusion durch die Nachwirkungen der Verhaftung Chodorkowskis. Ende Oktober 2003 fror die Regierung 44 Prozent der Aktien ein, um ihre Übernahme durch eine mit Chodorkowski kooperierende Investorengruppe zu verhindern.

Seither sank die Ertragskraft von Jukos kontinuierlich – was nach den kräftigen Zuwächsen der letzten Jahre umso auffälliger war. Der Kurs fiel gegenüber dem Jahresmittel (etwa 40 Euro) um bis zu 80 %, was alle russischen Aktienbörsen beeinträchtigte. Anfang 2004 tauchten Gerüchte über Zahlungsunfähigkeit auf – und der Verdacht, dass die Restriktionen einer Insolvenz und einem billigen Kauf durch den Staat dienen würden.

Am 31. Mai 2004 erklärte ein Moskauer Schiedsgericht die für die Zusammenlegung mit Sibneft bestimmte Zusatzemission von Jukos-Papieren für nichtig, wodurch der Konzern das Recht auf 57,5 % der Sibneft-Aktien einbüßt. Im Juni erklärte Gasprom, der weltweit größte Erdgasproduzent, im Falle einer Versteigerung Jukos-Aktiva zu erwerben.

Am 29. Juni 2004 wurden die Steuernachzahlungen in Höhe von umgerechnet 2,8 Milliarden Euro für das Jahr 2000 gerichtlich bestätigt und somit rechtskräftig. Gerichtsvollzieher leiteten nach dem Urteil ein Vollstreckungsverfahren ein. Das Unternehmen muss nach deren Beschluss diesen Betrag bis Ende August 2004 begleichen. Die Steuerschuld für 2001 beträgt ebenfalls umgerechnet 2,8 Milliarden Euro. Für 2002 und 2003 werden jeweils Forderungen in etwa gleicher Höhe gestellt. Das Unternehmen bot an, eine Zahlung von einer Milliarde Euro bei Erlass der Restsumme zu leisten. Seitens der Behörden wurde hierauf jedoch nicht eingegangen. Das russische Finanzministerium beharrte weiter auf der Begleichung der gesamten Steuerschuld. Bei einer Zwangsvollstreckung drohte Jukos nach eigenen Angaben die Insolvenz. Das Vollstreckungsverfahren wurde inzwischen eingeleitet. Hierbei ist zu bedenken, dass in der Rangordnung der Gläubiger die Steuerbehörden über den Geldgebern sowie den Zulieferern stehen. Somit würde der russische Staat seine Interessen über das Steuerrecht durchsetzen.

Ende Juli 2004 wird in russischen Medien berichtet, ein britisches Konsortium aus privaten Investoren wolle Jukos vor der Pleite retten, indem es die Steuerschuld für Jukos tilge und im Gegenzug Vermögenswerte des Konzerns übernehme. Hinter der Initiative sollte unter anderem auch der frühere Jukos-Minderheitsaktionär Konstantin Kagalowski stehen, der an der Privatisierung des Unternehmens beteiligt war. Auf Anweisung der Gerichtsvollzieher mussten die vier Fördergesellschaften von Jukos den Verkauf anderer Vermögenswerte mit sofortiger Wirkung stoppen. Förderung, Verarbeitung und Verkauf von Erdöl konnten jedoch fortgesetzt werden. Anfang August 2004 wurden die zuvor eingefrorenen Konten des Konzerns für die Finanzierung der Kernoperationen des Unternehmens vom Gerichtsvollzieher zunächst kurzzeitig wieder freigegeben. Dieser Beschluss wurde vom Justizministerium jedoch noch am selben Tage wieder zurückgenommen.

Im November 2004 wurde bekannt, dass am 19. Dezember 2004 die Mehrheit des Hauptunternehmens Juganskneftegas versteigert werden sollte, um die Steuerschuld der zurückliegenden Jahre zu begleichen. Auf Juganskneftegas entfielen rund 60 % der gesamten Ölförderung von Jukos. Dieses Unternehmen fördert in Westsibirien täglich eine Million Barrel Rohöl. Dieser Schritt ist nahezu gleichbedeutend mit einer Zerschlagung des Konzerns Jukos.

Am 19. Dezember 2004 wurde dann die wichtigste Tochter des russischen Energiekonzerns Jukos für sieben Milliarden Euro aufgekauft. Jukos-Manager hatten Tage zuvor angekündigt, dass sie den potentiellen Käufer vor internationalen Gerichten verklagen würden. Auch hatten die Jukos-Manager in Houston/Texas Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragt. Bei der Versteigerung setzte sich das bislang völlig unbekannte russische Unternehmen „Baikalfinanzgruppe“ durch und übernahm somit drei Viertel des Kerngeschäfts von Jukos. Im Bieterwettstreit standen sich die „Baikalfinanzgruppe“ und Gasprom gegenüber.

Drei Tage später erfolgte die vollständige Übernahme der „Baikalfinanzgruppe“ durch den staatlichen russischen Ölkonzern „Rosneft“. Somit war es dem russischen Staat gelungen, Jukos aufzuspalten und die Kontrolle über den größten Bestandteil des Unternehmens zu übernehmen.

Stimmen

Der Anwalt des ehemaligen Mehrheitsaktionärs des russischen Ölkonzerns Jukos, Robert R. Amsterdam, hat nach der Versteigerung von Juganskneftegas Bundeskanzler Gerhard Schröder als „Mafioso“ bezeichnet, da er im Interesse deutscher Konzerne zusammen mit der Deutschen Bank den Rechtsbruch in Russland toleriere.

Zahlreiche Bundestagsabgeordnete, darunter die ehemalige deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wiesen darauf hin, dass Jukos durch eine Regierung zerschlagen worden sei, die bereit sei, jedes in ihrer Macht stehende Instrument zu nutzen, um ihre Interessen durchzusetzen.

Am 28. Dezember 2004 erklärte der russische Präsidentenberater Andrei Illarionow auf einer Pressekonferenz, beim Fall Jukos habe es sich um die „Affäre des Jahres 2004“ gehandelt.

Geheimdienstspekulationen

Seit Anfang 2005 berichtet die Online-Zeitung „Saar-Echo“ über die Hintergründe der Jukos-Affäre [1]. Sie verfolgt die – von den mündlichen Aussagen des ehemaligen BND-Mitarbeiters Ernest Backes gestützte – These, dass amerikanische Interessengruppen der russischen Justiz über Michail Chodorkowski Informationen über Geldwäscheaktivitäten zuspielten. Diese Informationen entstammten einem von Ernest Backes und seinem Mitarbeiter André Strebel erstellten BND-Dossier, das an russische Behörden übergeben worden sein soll. Backes und Strebel waren über Jukos informiert, weil sie im gleichen Zeitraum gegen Chodorkowski und andere Menatep-Manager in der Schweiz Anzeige erstattet hatten. Ziel der von den USA eingefädelten Aktion sei es laut Saar-Echo gewesen, den Jukos-Chef zu stürzen und so selbst Einfluss auf den größten eurasischen Erdölproduzenten zu erhalten. Die USA wollten Russland zu einer zügigen Verurteilung Chodorkowskis verleiten, in diesem Falle wäre Jukos an seinen Stellvertreter, den ebenfalls jüdischen Alexander Newslin gefallen, der im Gegensatz zum russlandfreundlichen Chodorkowski v.a. den Israelis und den Amerikanern zuarbeitet. Putins Berater erkannten die Attacke und enteigneten zuerst Chodorkowski durch einen Kauf von Jukos durch eine Tarnfirma des Kreml, bevor sie ihn anklagten und verurteilten. Putin sei sehr ärgerlich über die Bundesrepublik, die USA und insbesondere den damaligen Bundeskanzler Schröder gewesen. Es zeigte sich, dass hinter der der Freundschaft zwischen Schröder und Putin in Wirklichkeit ein Konflikt schwelte zwischen dem stalinistischen, seit den 1990er Jahren tendenziell antisemitischen Russland und dem sehr israel- und amerikafreundlichen Deutschland, das Amerikas Streben nach den riesigen eurasischen Wirtschaftsressourcen unterstützt (vgl. Zbigniew Brzeziński, The Grand Chessboard, 1997). Die Serie im Saar-Echo wurde von kleinen Internetmedien weltweit aufgegriffen, erreichte jedoch nirgends meinungsführende Blätter. Vorher hatte bereits das französische Geheimdienstblatt Intelligence Online über das angebliche BND-Dossier berichtet, aber auch dieser Bericht wurde sonst nicht aufgegriffen.

Laut Saar-Echo habe der BND nach Erhalt des von Backes und Strebel erstellten Jukos-Dossiers, das über den BND und das Bundeskanzleramt auf den Schreibtisch Putins lanciert worden sei, den beiden ehemaligen Bankern in Saarbrücken eine Firma finanziert (IWR – Institut für Wirtschaftsrecherchen GmbH), die fortan als Tarnfirma des deutschen Auslandsgeheimdienstes betrieben wurde. Über die IWR hatten Backes und Strebel anschließend auch die Strafanzeigen in der Schweiz erstattet, die – ohne dass es für die dortige Bundesanwaltschaft erkennbar gewesen wäre – damit faktisch eine Strafanzeige des BND war.

Backes hatte seine Tätigkeit für den BND zugegeben, nachdem der deutsche Auslandsgeheimdienst im Herbst 2004 die Finanzierung der IWR plötzlich eingestellt und damit die BND-Tarnfirma abgeschaltet hatte.

Siehe auch

Literatur

  • Heiko Pleines und Hans-Henning Schröder (Herausgeber): Die Jukos-Affäre - Russlands Energiewirtschaft und die Politik; Arbeitspapiere und Materialien Nr. 64 der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, Juni 2005, zweite, aktualisierte Auflage; ISSN 1616-7384; 4 Euro + Porto

Fußnoten

  1. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Juli 2006, S. 17