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Am-Progressiv

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Als Rheinische Verlaufsform bezeichnet man eine im Rheinischen Dialekt übliche grammatikalische Variante. Diese ist auch in angrenzenden Gebieten und Dialekten bekannt und wird dort entsprechend als Ruhrpott-Verlaufsform oder Westfälische Verlaufsform bezeichnet. Solche Klassifizierungen sind allerdings irreführend, da sich solche Satzkonstruktionen im gesamten westdeutschen Sprachraum bis in die Schweiz nachweisen lassen. Sie besteht darin, statt der standarddeutschen Konstruktion wie zum Beispiel „Ich arbeite gerade“ eine der englischen Konstruktion ähnliche Form zu verwenden: „Ich bin am arbeiten“ oder „Als es an der Haustür klingelte, war ich gerade am essen“.

Diese Form wird in ihrem Entstehungsgebiet nicht nur von klassischen Dialektsprechern verwendet, sondern hat sich auch im umgangssprachlichen Gebrauch der eigentlich Hochdeutsch sprechenden Mehrheit erhalten. Extremere und abgewandelte Formen („Wenn das Kind erstmal am Laufen fängt, ...“ (drückt nicht zwingend, aber potenziell einen Verlauf aus) oder „Ich bin grad einen Brief am Schreiben dran“ sind jedoch tatsächlich vor allem im Rheinischen anzutreffen.

Im offiziellen Sprachgebrauch und im Deutschunterricht wird die Rheinische Verlaufsform naturgemäß bekämpft, während Englischlehrer zwecks Eselsbrücken gerne darauf zurückgreifen. Im Laufe der Zeit hat sich der Gebrauch der einfachen Verlaufsform auch über die klassischen Dialektgrenzen hinaus auf die Umgangssprache anderer Teile des deutschen Sprachraums ausgeweitet. Die erweiterte Verlaufsform in Form einer Satzklammer ist allerdings in den Gebieten mit den dazugehörigen Dialekten verblieben. Ein Satz wie „Ich kann nicht ans Telefon kommen, ich bin gerade den Rasenmäher am reparieren“ wäre in Sachsen oder Österreich äußerst unüblich. Im Ruhrgebiet oder Rheinland hingegen ist eine solche Satzkonstruktion geläufig und wird auch häufig verwendet. Gelegentlich wird dort diese Sprechweise auch selbstironisch mit Sätzen wie „Ich bin die Kuh am Schwanz am Stall am raus am ziehen“ karikiert.

Die Ripuarischen Sprachen kennen eine weitere Verlaufsform, die mit „tun“ + Infinitiv gebildet wird, wie die englischen Verstärkungen, aber in der Bedeutung von diesen abweichen. In der Kölschen Sprache sagt man z.B. „Dä deijt do wunne“ um auszudrücken, dass jemand dauerhaft und ganz gewiss dort wohnt. Im Gegensatz dazu würde „Dä eß do am wunne“ bedeuten, dass er nur vorübergehend, für eine gewisse überschaubare Zeit, gerade dort wohnt, etwa für einen Urlaub. Auch diese Form findet man in die Umgangssprache übernommen, aber deutlich seltener und regional begrenzter, als die erste Form.