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Monatsbilder

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Monatsbild September aus den riches heures des Herzogs von Berry

Bei Monatsbildern handelt es sich um eine Zusammenstellung visueller Repräsentationen der vom Menschen vorgenommenen Unterteilung des Sonnenjahres in die zwölf nahezu gleich großen Zeitabschnitte der Monate zu einem geschlossenen Zyklus. Sie stellen ein klassisches Thema der vormodernen europäischen Kunst dar und finden sich besonders prominent als Teil der Bildprogramme der gotischen Kathedralen, der spätmittelalterlichen Buchmalerei und des profanen Wandschmucks der frühen Neuzeit.

Die Monatsbilder stehen in der Regel in enger Verbindung zu den zwölf Tierkreiszeichen. Mit den vierteiligen Zyklen der Jahreszeitendarstellungen sind sie nahe verwandt. Ihnen wird eine entscheidende Rolle für die Ausbildung der nachantiken Landschafts- und Genremalerei in Europa zugeschrieben.

Geschichte

Während die frühesten Zyklen zunächst symbolische oder mit spezifischen Attributen ausgestattete, frontale Halb- oder Ganzfiguren verwendeten, entwickelten sich während des Mittelalters langsam kleine Genreszenen, die größtenteils durch monatstypische, zur jeweiligen Zeit existenziell bedeutsame land-, jagd-, forst- oder hauswirtschaftliche Arbeitsvorgänge, später auch vergnüglichen Tätigkeiten, geprägt sind. In beiden Gestaltungsformen wird dabei in vielfältiger Weise auf den jahreszeitlichen Vegetationszyklus verwiesen, indem mit verschiedenen eindeutigen Symbolen, Attributen oder der Abbildung saisonaler Produktionsprozesse - die so genannten "Monatsarbeiten" bzw. später auch "Monatsfreuden" - auf diesen Bezug genommen wird.

Antike

Die frühen Hochkulturen verbildlichten den annualen Zeitrhythmus gerne durch Darstellungen der Jahreszeiten oder Tierkreiszeichen. Erst aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. sind die frühesten Repräsentationen einzelner Monate bekannt. Cäsars Kalenderreform von 46 v.Chr. war der entscheidende Faktor zur Ausbildung einer europäischen Monatsbildtradition, da die Ablösung des Mond- durch den Sonnenmonat die landwirtschaftlichen Planungs- und Organisationsvorgänge, die stets vom Sonnenjahr abhängig sind, vereinfachten und vereinheitlichten.

Griechische Tradition

Die frühesten Monatsbildzyklen werden in zwei ursprüngliche Traditionsstränge eingeteilt. Die griechische Tradition gibt die Abfolge "heidnisch"-liturgischer Feste im Jahreskreis wieder. Fragmente der ältesten Monatsbildzyklen, die heute noch erhalten sind, finden sich in Athen, etwa als attischer Fries an der Metropolitankirche Hagios Eleutherios. Jedem Monat wurden dabei Götter und Kulthandlungen zugeordnet, die eine Funktion als illustrierter Festkalender nahelegen. Bereits damals nahmen die um Vegetation und Ernte kreisenden Dionysos-Feste eine besondere Stellung ein. Die Tendenz zur Personifizierung abstrakter Begriffe und Ideen erleichterte später die Rezeption und Adaption durch das Christentum, da sich hierdurch später leicht geistige Sinngehalte und christlich-religiöse Symbolik miteinander verbinden konnten.[1]

Römische Tradition

Die römische Tradition besteht hauptsächlich aus profanen Motiven landwirtschaftlicher Arbeiten, die an bukolische Szenen angelehnt sind. Die Darstellungen begründeten sich wohl aus der schwärmerischen Sehnsucht nach dem Ideal eines "einfachen" und "natürlichen" Lebens auf dem Lande. Sie waren oftmals Teil der Ausstattung bürgerlicher römischer Villen und dienten damit vornehmlich dekorativen Zwecken. Die notwendigen Voraussetzungen für ein allgemeines Interesse an Monatsbildern hatten die römischen Steckkalender geschaffen, die bereits Abbildungen der Zeitgötter und Tierkreiszeichen als symbolische Repräsentanten der Tage, Wochen und Monate verwendet hatten.[2]

Spätantike und frühes Mittelalter

Handschriften

Datei:Calendar of 345 - March.png
März, Kalender von 345

Die grundsätzliche Voraussetzung für die Weiterführung der Monatsbildtradition und ihre christianisierende Umformung in den frühmittelalterlichen Handschriften war der teilweise Erhalt von Bildungs- und Kulturgütern der Antike im Abendland. Eine Schlüsselstellung nimmt der in mehreren Kopien seit dem 9. Jahrhundert erhaltene Kalender von 354 (auch "Chronograph des Philocalus" oder "Fasti Philocaliani" genannt) ein, der noch keine sichtbaren christlichen Einflüsse aufweist. Er stellt das früheste Werk dar, welches neben einem Kalender auch einen zwölfteiligen Monatsbildzyklus umfasst, der von vierzeiligen erläuternden Monatsversen begleitet wird.

Die antiken Protagonisten des "heidnisch"-religiösen Festzyklus' wurden hier nicht durch christliche Symbole, sondern problemlos durch religiös "neutrale" Figuren und Attribute der jahreszeitlich bedingten Arbeiten ersetzt, da sich der ursprüngliche Festkreis bereits auf saisonale Eigenheiten bezogen hatte. Eine "Verchristlichung" des Sinngehalts der Monatsbilder fand dann erst ganz allmählich im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte statt. Dabei tendierte die Entwicklung zunehmend auf die Entwicklung von kleinen Szenen, die durch im weitesten Sinne agrarwirtschaftliche Arbeiten geprägt waren.

Diese Entwicklung von einer unmittelbar sakralen Bedeutung hin zu (wenigstens oberflächlich betrachtet) höchst profanen Themen verhinderte allerdings nicht, dass die Monatsbilder in liturgische Handschriften integriert wurden - offenbar als Symbolisierung der irdischen Zeit. Dieser Verwendungskontext bezeugt auch die große Bedeutung des Naturrhythmus des Jahres und der Jahreszeiten für den Lebensvollzug in der agrarisch strukturierten Gesellschaft des frühen Mittelalters.

Zu den ältesten bekannten, bereits genrehaft ausgebildeten Monatsbildzyklen in frühmittelalterlichen Handschriften gehören die Miniaturen in zwei Salzburger Handschriften aus der Zeit um 818 (Clm. 219 und Wien, ÖNB, Cod. 387). In einer byzantinischen Ptolemäushandschift des Vatikans (Rom, Mitte des 9. Jahrhunderts), der karolingischen Kopie einer antiken Handschrift (der so genannte "Leidener Germanicus") zeigt sich der Übergang von den repräsentativen Personifikationen zu den Monatsarbeiten.

Ein wichtiger Angelpunkt für die Entwicklung der Monatsbilder ist das Martyrologium des Wandalbert von Prüm (entstanden nach 850), welches wie der Kalender von 345 auch Monatsgedichte enthält. Weitere wichtige Handschriften, die Monatsbildzyklen aufweisen sind das Sakramentar von Fulda (10./11. Jahrhundert, SB-PKK, theol. lat. 2° 192), das Ms. Cott. Julius A VI aus Winchester (11. Jahrhundert, London, Britisches Museum), der Festkalender von St. Mesmin (um 1000, Britisches Museum), der Landgrafenpsalter (13. Jahrhundert, Stuttgart) und der Elisabethpsalter (13. Jahrhundert, Cividale).

Hohes Mittelalter

Zwei wichtige literarische Einflüsse sind für die hoch- und spätmittelalterlichen Monatsbilder azusetzen, die Monatsgedichte und das landwirtschaftliche Handbuch des Palladius. Letzteres behandelt in 13 Bänden die Arbeiten der einzelnen Monate wurde und wurde während des Mittelalters häufig auch von Gelehrten wie Albertus Magnus, Vincenz von Beauvais oder Petrus de Crescentiis verwendet. Es ist in über 60 Handschriften überliefert und wurde sogar in die Volkssprachen übersetzt.

In Oberitalien und Frankreich wurden die Monatsdarstellungen seit dem 12. Jahrhundert vor allem als Teil der großen Portalprogramme der gotischen Kirchenbauten realisiert; sehr häufig erscheinen sie gemeinsam mit den Tierkreiszeichen an prominenter Stelle als Gewändefiguren im Bogenfeld eines wichtigen Portals. Kunstgeschichtlich bedeutende Zyklen finden sich an der Kathedrale Notre Dame von Amiens (Westfassade, linkes Seitenportal, um 1230), Kathedrale St. Lazare in Autun, St. Pierre in Aulnay, St. Ursin (?) in Bourges, Kathedrale Notre-Dame-de-Chartres (z.B. Portail Royale, Bogenfeld, 1145-55), Abteikirche Saint-Denis in Paris (westliche Vorhalle, etwa 1140-50), Kathedrale Notre-Dame in Paris (Westfassade, "Marienportal", etwa 1220-30), Kathedrale Notre-Dame von Reims, Kathedrale Notre-Dame von Senlis, Straßburger Münster (Westbau, rechtes Portal, Gewände, begonnen 1276), Basilica San Marco in Venedig (Hauptportal) und Basilika Sainte-Marie-Madeleine Vézelay (Vorhalle, Mittelportal, Relief des Tympanons, Chorweihe 1104).

Auchg innerhalb der Kirchen finden sich Monatsdarstellungen, etwa als Teil des Chorgestühls (Misericordie) oder an Einrichtungen, die der Taufzeremonie dienten, wie z.B. am Taufstein in Eschau im Musée Notre Dame in Straßburg zu sehen.

Dank ihrer kreisrunden Form, die einen geschlossenen, prinzipiell endlosen Zyklus am besten aufnehmen kann, waren die großen Fensterrosen der gotischen Kathedralen ein besonders geeigneter Ort, um den Jahreslauf mittels der Monatsdarstellungen zu verbildlichen. Die geometrische Struktur erlaubte die synoptische Darstellung der unterschiedlichen kosmologischen Systeme des Mittelalters, also z.B. die Parallelität von Jahreslauf zu liturgischer Heilsgeschichte, Monatsheiligen, Aposteln etc. Prominentestes Beispiel für diese Gattung ist die Fensterrose der Kathedrale Notre-Dame in Lausanne (1235), die eine enzyklopädische Darstellung der mittelalterlichen Kosmologie im Kreisschema bietet.[3] Andere kunstgeschichtlich bedeutsame Glasfenster finden sich z.B. in der Kathedrale in Chartres und im Dom in Münster.

Auch die neu installierten Uhren der Kirchen und Rathäusern wurden seit dem späten Mittelalter bisweilen mit kosmologischen oder astrologischen Programmen ausgestattet. Beispiele für Monatsbilder finden sich im Umlauf um das Ziffernblatt in der Rostocker Marienkirche (1379 bzw. 1472) oder (später) am Rathaus in Prag. Diese Zyklen entsprechen der traditionellen Ikonographie.

Monatsbilder sind auch in oberitalienischen Fußbodenmosaiken mit konzentrischen Kalenderdarstellung des 11. und 12. Jahrhundert erhalten, etwa in San Michele Maggiore in Pavia, in der Kathedrale von Otranto, in der Basilika San Savino in Piacenza (polychrome Mosaiken, Krypta, 12. Jahrhundert) und im Dom in Aosta. Im 12. und 13. Jahrhundert finden sich in Oberitalien auch bedeutende Reliefs, etwa von Benedetto Antelami die ursprüngliche erste Säulengalerie des Baptisteriums in Parma (nach 1196) oder der Reliefzyklus an der Basilika San Zeno in Verona (Portikus). In Deutschland dominierte in dieser Zeit die Wandmalerei. Ein Beispiel für einen gemalten Monumentalkalender ist der Triumphbogen in Notre-Dame de Pritz, Dep. Mayenne (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts).

Nach dem sakralen eroberten die Monatsbildzyklen im späten Mittelalter auch den profanen Bau. Damit waren sie nun auch im öffentlichen Raum gegenwärtig. Das Fresko der "Guten und der Schlechten Regierung" im Palazzo Pubblico in Siena (um 1338) von Ambrogio Lorenzetti ist eines der berühmtesten Beispiele.[4] Das Züricher Bürgerhaus "Zum langen Keller" verfügte vermutlich seit dem frühen 14. Jahrhundert über eine Ausschmückung mit Monatsbildern, ebenso das Kloster Wienhausen. Die Ausmalungen legen eine enge Verwandtschaft zu den Bildprogrammen der Handschriften und Kathedralen nahe.

Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts

Kalenderblätter von 1439

Nachdem die städtische Hallenkirche die gotische Kathedrale abgelöst hatte, erstellte man Monatsbilder vornehmlich in den Handschriften, häufig als Teil der Illustrationen der Kalendertafeln in Stundenbüchern, Gebetbüchern und Kalendarien. Dieser Medienwechsel verursachte eine grundlegende Wandlung der Funktion und der Gestaltung der Zyklen. Sie wurden zu bereicherndem, luxuriösen Buchschmuck, der der privaten Kontemplation über den Jahreslaufs in Bildern dienen konnte.[5] Deutlich zu erkennen ist dies etwa beim Fall der Miniaturen der Stundenbücher des Herzogs von Berry. Die Monatsbilder der Tres riches heures (1413/16, Chantilly, Musee Condé, Ms. 65) gehören mit der minutiösen Wiedergabe der königlichen Schlösser "um ihrer selbst willen" außerdem zu den ersten "realistischen" Landschaftsdarstellung in Europa nach der Antike.

Nachdem bereits Anfang des 15. Jahrhunderts illuminierte Handschriften der Eklogen und der Georgica des Vergil hergestellt wurden, die mit Miniaturen eines idealisierten Landlebens ausgestattet waren, kam - nicht unähnlich der römischen Tradition - das schwärmerische Ideal des "einfachen Landlebens" wieder in Mode. In der Folge wurden, ausgehend von den Entwicklungen am französischen Hof, die "Monatsarbeiten" der reich illustrierten Stundenbücher aus Flandern allmählich immer mehr durch "Monatsfreuden" ersetzt.

Ein Einblatt-Kalender des Johann von Gmunden aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts in der Holzschnitt-Technik (irreführend als Xylographischer Kalender von 1439 bezeichnet)[6] bietet den ersten bekannten Druck der Monatsbilder.

Mitte 15. Jahrhundert bis 18. Jahrhundert

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts werden Kalenderhandschriften und -drucke produziert, die reich mit medizinischen, astrologischen und kosmologischen Bildern ausgestattet werden. Strassburg, Leipzig und Nürnberg sind wichtige Produktionstätten, aus dem oberdeutschen Raum sind zahllose Manuskripte bekannt.[7]

Kunsthistorisch bedeutende Monatsbildzyklen aus dieser Zeit sind die Illustrationen von U. Graf zu Kunspergers Kalender sowie die Bilder von H. S. Beham zum Calendarium historicum (1557) von M. Beuthers, das früher als "Sforza-Stundenbuch" bezeichnete "Schwarze Stundenbuch von Karl dem Kühnen", dem letzten Herzogs von Burgund, welche in Flandern um 1470 entstanden ist (Wien, Österreich. Nat. Bibl., Cod. 1856), die Bilder von Lucas Cranach d.Ä. nach dem Philocaluskalender sowie der Arbeitskalender auf das Jahr 1483 aus der Offizin des Peter Drach in Speyer, der dem Meister des Hausbuchs zugeschriebenen Monatsarbeiten enthält.

Neben der Tradition der Kalenderillustrierung, die ihren Höhepunkt mit S. Bening erreicht, sind aus dem 16. Jahrhundert auch mehrere graphische Zyklen aus Deutschland bekannt, etwa der Kupferstichzyklus "Das Bauernfest" von S. Beham, der einen "Zwölfmonatstanz" präsentiert. Pieter Breughel d.Ä. übersetzt die Monatsbilder in seinem berühmten, (vermutlich) sechsteiligen Zyklus "Die Jahreszeiten" in die Tafelmalerei. Er vereint die Darstellungen von Landschaft und Jahreszeitenwandel, wobei er unzählige Elemente der Monatsdarstellungen aufgreift und zitiert.[8]

Aus dem 17. Jahrhundert sind aus den Niederlanden und vereinzelt aus Italien Gobelin- und Gemäldefolgen bekannt wie der Gobelin n. J. van den Hoecke aus Brüssel um 1650 (heute Wien).Der Nürnberger J. B. Herold ertsellte um 1708 zwölf Geschützrohre ("Monatsrohre"), von denen jedes ein anderes Monatsbild trägt (Wien, Heeresgeschichtl. Mus.), ähnliche Geschützserien sind auch für die Kurfürsten von Sachsen gegossen worden (Festung Königstein).

Weitere Rezeption

Mit Beginn des 18. Jahrhunderts zerfällt langsam die Tradition der Monatsbildzyklen zugunsten der vierteiligen Zyklen der Jahreszeiten, die parallel zu den Monatsdarstellungen seit der Antike koexistiert und sich gegenseitig ikonographisch beeinflusst hatten. Seitdem sind nur noch wenige Einzelarbeiten von Bedeutung bekannt, etwa ein nationalbewusster-heroisierender Medaillonzyklus des Pragers J. Manes, die idyllisierender Holzschnitte von Schwind zum Kalender des Jahres 1844 oder die Darstellungen des Wieners A. Krejacar im 20. Jahrhundert.

Da eine umfassende kunsthistorische Aufarbeitung der Monatsbildtradition noch aussteht, fehlt eine verbindliche Systematisierung der Gesamtüberlieferung und ein abschließender Überblick über die historischen Entwicklungslinien der Monatsbildreihen.[9]

Gesamtanlage der Zyklen

Von den Schemata der "Kosmologien"...
...zu den Szenen der "Monatsfreuden"

Ein "klassischer" Monatsbildzyklus kann dann als vollständig gelten, wenn er wenigstens die zwölf Repräsentationen der Monate und die diesen beigeordneten Tierkreiszeichen enthält. Auch für die mittelalterlichen Monatsbildzyklen war letztlich immer die Verknüpfung eines i.w.S. agrarwirtschaftlichen Arbeitskalenders mit den Tierkreiszeichen bestimmend. Letztere können dabei als selbständige Einheiten den Monatsdarstellungen gegenübergestellt sein, etwa in separaten Medaillons, jedoch auch beliebig weit in die Monatsbilder selbst integriert werden, etwa als szenischer Bestandteil.[10] Durch diese In-Beziehung-Setzung der jahreszeitlichen Verrichtungen mit den Abläufen am Himmel ordnete sich der irdische Jahreslauf und der in ihm agierende Mensch quantitativ wie qualitativ in die von Gott gesetzte kosmische Ordnung ein.[11]

Entscheidend für die spezifische Ausprägung eines Zyklus waren zum einen der Kontext (sakral oder profan), der Zweck (didaktisch oder ornamental) und natürlich die individuelle Intention des Künstlers bzw. Auftraggebers. Doch auch wenn die Monatsbildzyklen zwischen frühem Mittelalter und der Mitte des 15. Jahrhunderts im einzelnen Unterschiede in Inhaltswahl und Komposition für jeden Monat aufweisen, so blieb doch das Gesamtkonzept trotz erkennbarer Unterschiede bemerkenswert gleichförmig.[12] Das Reifen, Ernten (bzw. Schlachten) und die Weiterverarbeitung von Naturprodukten während eines gewöhnlichen Jahreslaufs bestimmte die Gestaltung der frühen Kalenderordnungen und damit der Monatsbildzyklen. Da die einzelnen Kompartimente für die Monate recht bald mit jahreszeitlich festliegenden Sujets verbunden worden waren, konnten sich neue Elemente zunächst nur schwer durchsetzen. Damit bilden die Monatsbilder aufgrund der Konstanz der Motive einen eigenständigen ikonographischen Typus. Stilistische und kompositorische Veränderungen über die Jahrhunderte hinweg weisen allerdings auch auf eine allmähliche Weiterentwicklung hin, bis sich nach 1420 die Inhalte und Intentionen stärker zu verändern begannen.[13]

Mit den Très Riches Heures (um 1412/16) wandelte sich der Charakter der Zyklen grundlegend. Die frühen Monatsbilder hatten noch mehr oder weniger statische Personen oder Personifikationen mit Attributen bzw. symbolischen Funktionen gezeigt, aus denen sich kleine Handlungsszenen entwickelten, die vor allem für den Zeitraum repräsentative jahreszeitliche Arbeiten ins Bild brachten. Im diesem Stundenbuch des Herzogs von Berry nahm zum ersten Mal jedes einzelne Monatsbild in einer Handschrift exklusiv eine eigene, komplette Seite ein.[14] Auch wenn solche Einzelblätter weiterhin als Teil einer nur im Zusammenhang verständlichen Gesamtkonzeption erkennbar bleiben, ist doch (wie auch bei den Kalenderbättern, die allerdings die Monatsbilder noch in ihren eigenen Kontext einbeziehen) durch die Reihung auf Einzelseiten der Gesamtzyklus nicht mehr unmittelbar erfassbar. Solche vergleichsweise großformatigen Bildanlagen führten andererseits aber auch zu neu verfügbaren Gestaltungsräumen, die es den Künstlern erlaubte, die traditionelle Themenvorgabe durch zusätzliche Motive, etwa im Hintergrund der Bilder, aufzubrechen.[15] In den folgenden Jahrhunderten setzte sich das Konzept der ausgearbeiteten und variableren Szenen in den Handschriften dann nach und nach durch.

Monatsmotive

Die Zuordnung der zur Nahrungsmittelproduktion notwendigen Verrichtungen in der Natur zu dem zugehörigen Monat nimmt seit dem frühen Mittelalter den größten Raum in den Zyklen ein. Die traditionellen Arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft sind stark von der Witterung abhängig, wodurch die genauen Termine erheblichen Schwankungen unterliegen können. Es ist davon auszugehen, dass die Monatszyklen langjährige Durchschnittserfahrungen spiegeln. Weiterhin sind die klimatischen Unterschiede der verschiedenen europäischen Regionen Europas für die Abweichungen in der Aufeinanderfolge der landwirtschaftlichen Arbeitsabläufe in den Zyklen verantwortlich. Die Abläufe der "deutschen" Serien des Mittelalters sind gut an die örtlichen Klimaverhältnisse angepasst, auch wenn es in den anpassungsfähigen Zyklen keine verbindliche Reihenfolge gibt.

Natürlich entspricht die Beschränkung der Darstellung auf eine ausgewählte Tätigkeit für einen Monat nicht der Lebenswirklichkeit. Das formale Prinzip beschränkte jedoch bis ins Spätmittelalter hinein die Bilder auf ein einzelnes Thema pro Monat und zudem weitestgehend auf elementare Vorgänge. Es sind "einfache" Tätigkeiten, die zu einem "einfachen" Ertrag führen. Auf diese Weise wurde allerdings ein mit einer bestimmten Monatsarbeit belegtes Kompartiment für andere Inhalte blockiert. Das führte auch zu gewissen, in der natürlichen Abfolge der Arbeitsabläufen begründeten quasi-Automatismen der Monatsarbeitensequenz. Wird etwa im Juli die Heuernte dargestellt, sind Juni-Brache und August-Ernte obligatorisch.

Die dichter werdende Überlieferung im 12. Jahrhundert erlaubt zum ersten Mal eine Zusammenstellung typischer Szenen und Zyklen. Die Monatsbilder der Kathedralen zeichnen sich durch ein vergleichsweise uniformes Programm aus, an das sich die Zyklen der Handschriften anlehnen.

Themengruppen

Brot

Le Grant Kalendrier (1541)

Die Monatsbilder, die sich mit der Getreideproduktion beschäftigen, nehmen in den mittelalterlichen Zyklen den größten Raum ein. Typisch sind folgende Zuordnungen: erstes Pflügen und Aussaat erfolgt im März (die Zweiteilung des Getreideanbaus in Sommer- und Wintersaat erfordert ein Pflügen der Felder zu diesem Zeitpunkt), im August ("Erntemond") wurde das Getreide geerntet, im September ein Teil der Ernte als Wintersaat wieder ausgebracht. Außerdem können in den Herbstmonaten das Dreschen und in den Wintermonaten das Brotbacken dargestellt sein. Im Januar- oder Februarbild schließlich taucht das Getreide meistens als zubereitete Nahrung auf der (Fest-)Tafel wieder auf.

Wein und Obst

Die Produktion von Wein hat im Zyklus zwei relativ feste Plätze: das Schneiden und Pfropfen der Reben bzw. Obstbäume im April oder Mai sowie im September oder Oktober die Weinlese und (seltener) die Obsternte.

Das entsprechene Monatsbild im Frühjahr, das im Weinberg bzw. im Obstbaumbestand angesiedelt ist, besteht ursprünglich nur aus der Darstellung einer einzelnen, in die Arbeit vertieften Person mit einem Werkzeug. Mit der Zeit werden die Szenen immer umfangreicher, oftmals sind dabei die Tätigkeiten im Weinberg und an den Obstbäumen in einem einzelnen Bild zusammengerückt. Das Stutzen der Pflanzen, verschiedene Erdarbeiten und das Düngen sowie der Transport, das Setzen und das anschließende Befestigung der Rebstöcke an die Rebpfähle können hinzutreten. Die Weinlese wird entweder als das Pflücken, das Keltern oder als Kombination beider Vorgänge gezeigt. Die Lese der Trauben wird schon früh als arbeitsteilige Gruppenarbeit dargestellt. Die Beeren werden von Pflücken geerntet und in Körbe oder Tragekiepen gesammelt, die von Trägern oder auf Holzfuhrwerken zur Kelter gefahren werden. Manchmal ist die Kelter in großen Bottichen - fast immer noch die traditionelle Form durch Zerquetschen mit den Füßen, sehr selten auch mechanisch - und das Abfüllen des Mosts in Fässer auch im Bild zu sehen. Erst später werden das Abfüllen des Weins, der sogenannte Probetrunk und der Verkauf des Endproduktes thematisiert.

Wein diente nicht nur als Symbol für den gehobenen Lebensstandard des Grundherren, sondern war auch für die Kleriker als Bestandteil des Altarsakraments unverzichtbar. Der Weinstock kann immer auch als christliches Symbol verstanden werden, um so mehr in einem Zyklus, der sich inhaltlich schwerpunktmäßig mit der Grundlage des anderen Altarsakraments, des Brots, beschäftigt. So kann auch mit der Darstellung des Sämanns stets das Gleichnis von "Christus als Sämann" (Mk 4,3-8, Mt 13,1-8, Lk 8,5-8) konnotiert werden. Für die Gesamtkonzeption des Zyklus ist jedenfalls festzuhalten, dass die Weinlese keine bäuerlich-landwirtschaftliche Arbeit darstellte.

Fleisch

Talbot Meister, Dezember

Der Umfang des Themenkomplexes Fleischproduktion schwankt in den Zyklen erheblich. Dem Monat November wird häufig die (Eichel-)Mast der Schweine, dem Dezember das Schlachten oder der Verkauf von Vieh und die Zubereitung von Würsten zugeordnet. Die Heuernte und die Mahd, die der Herstellung des (winterlichen) Viehfutters dienten, wird in den Monaten Juni bzw. Juli gezeigt. Dabei gilt die Bodenbearbeitung nicht dem Getreideanbau, der für den Sommer bereits zu spät, für den Winter noch zu früh erfolgt wäre. Wie schon der Name "Brachmonat" vermuten lässt, gilt das Pflügen im Juni dem Aufbrechen der als Weideland brach liegenden Anbauflächen, deren Freihaltung von unerwünschten Unkräutern und Gräsern ein bis zu dreimaliges Aufpflügen zwischen Juni und September erforderte. Im Januar oder Februar schließlich werden bisweilen Zubereitung von Fleisch oder Würsten (an der offenen Kochstelle) dargestellt oder aber ihr Verzehr bei Tisch.

Holz

S. Bening, Januar

Das Holzschlagen bzw. -tragen als Tätigkeit in einem der Wintermonate November oder Dezember ist eher lose in der Tradition verankert. Das Holzfällen im Wald ist nicht der bäuerlich-landwirtschaftlichen Sphäre zuzuordnen, sondern fand im forstwirtschaftlichen Metier statt. Hier wurden in der Regel Lohnarbeiter eingesetzt, da frondienstpflichtige Bauern kaum zu beaufsichtigen waren und erheblichen Schaden im empfindlichen Wald hätten verursachen können. Im so genannten "Kältemotiv" des Januars oder Februars erscheint stets eine Person, die sich am Feuer wärmt - die sogenannte "Janus wärmt sich am Feuer"-Ikonographie, in der das gewonnene Produkt Holz zur Wärmeerzeugung wieder verbraucht wird. Dabei können das Motiv des Winterschmauses und des Kaminfeuers auch zusammenfallen.

Zu den späteren Erweiterungen des Themenkreises gehören das Holzhacken und -sägen und der Holztransport mit dem Esel.

Feste

J. Collier, Maying

Als besondere Monate durchbrechen Mai bzw. April die Sequenz der Arbeiten mit dem Topos des locus amoenus. Im Garten oder der kultivierten Natur wird die reine Versorgung mit Grundnahrungsmitteln transzendiert, das Maibild ist Schmuck und eine Station von Erholung und Freude. Zugleich tragen Blumen und grüne Blätter seit der Antike konventionell die Bedeutung von Erneuerung und Wiedergeburt mit sich. Ausgehend von der Darstellung höfischer Reiter, Liebespaaren mit Musikanten bzw. den an die Tacuina sanitatis angelehnten April floridus-Figuren werden seit Ende des 15. Jahrhunderts die Vergnügungen und schönen Momente des Jahres in den Zyklen immer stärker betont.

Die mit Angst vor Hunger, Kälte und Krankheit einhergehende Zeit des Winters wurde im Januar oder Februar mit einem Fest an reich gedeckten Tafeln "entschärft". Die Januarikonographie mit dem oftmals doppelköpfigen Janus beruht u.a. auf dem volkstümlichen Neujahrsbrauch, die Tische an diesem Tag üppig mit Speisen zu versehen und diese unberührt über Nacht stehen lassen, in dem Analogiewunsch, dass der Tisch für den Rest des Jahres ebenso reichhaltig gedeckt sein möge. Die winterliche Festtafel ist für die zeitgenössischen Verhältnisse stets reich gedeckt, fast immer finden sich Brot und Geflügel, oftmals auch wertvolles Geschirr, Salzfässchen, Kännchen und Besteck aus Metall. Häufig ist aufgrund der reichen Ausstattung bzw. angesichts des verfügbaren Hauspersonals zu erkennen, dass die Mahlzeit in Räumen stattfindet, die entweder der Sphäre der Patrizier oder des Adels zuzuordnen sind. Auffällig ist die häufige Beigesellung von Hunden und Katzen zu der Szene, die eine symbolisch-allegorische Deutungen herausfordern.[16] Spätere Erweiterungen rücken auch Darstellungen des Emmausmahls sowie häusliche Szenen der heiligen Familie in diesen Zusammenhang.[17]


Sonstiges

Die Stundenbücher des 16. Jahrhunderts beginnen, den ursprünglichen Themenkreis der Monatsbildzyklen stark zu erweitern. Sie zeigen weitgehend idealisiertes zeitgenössisches städtisches und dörfliches Treiben in kleinen Genreszenen ("Miniaturen" sowohl im eigentlichen als auch im übertragenen Sinne). Diese sind zunächst in den Kalenderteilen, die in dieser Zeit i.d.R. pro Monat zwei Seiten umfassen, dem eigentlichen Monatsbild auf der gegenüberliegenden Seite ergänzend gegenübergestellt - oftmals auch durch Gruppen von Bildern, die durch entsprechende Rahmung oder geschickte räumliche Aufteilung der Seite neben- und übereinander angeordnet werden konnten. Später werden sie zunehmend selbständig bzw. vereinen sich mit den klassischen Monatsdarstellungen und bilden den Stoff für die frühe Genremalerei insbesondere der Niederlande.

Zu den neuen Szenen seit etwa 1500 gehören Darstellungen des winterlichen Kirchgangs, von Schneeballschlachten, Schlittenfahrten und dem Treiben auf zugefrorenen Eisflächen, Arbeiten im bürgerlichen Hausgarten, verschiedensten Spielen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene (Sportspiele), vom Badevergnügen, Melken und Buttern, der Obsternte, der Schafschur und dem Viehaustrieb, der Jagd auf Vögel, Hasen und Fische sowie von städtischen Marktszenen.

Es gilt auch festzuhalten, welche Personengruppen und Tätigkeiten nicht auf den Monatsbildern zu sehen sind: so kommen etwa Handwerker bis zu einem bestimmten Zeitpunkt grundsätzlich nicht vor; auch wenn es Beispiele für Abbildungen der Schafschur in Monatsbildern schon aus karolingischer Zeit gibt,[18] werden die Belange der (Rinder- und) Schafzüchter erst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts regelmäßig in die Zyklen mit aufgenommen.

Menschen

In der Geschichte der künstlerischen Darstellungen von Bauern in Europa wurden diese bis weit in die Neuzeit hinein als anonyme, sozial untergeordnete Personen dargestellt, die ihren Lebensunterhalt mit Hilfe von Arbeiten im ländlichen Raum erwarben. Erkennbar sind sie in der Regel durch ihre spezifischen Geräte und Arbeitstiere. In der Kunst wurde der Stand der Bauern traditionell in einer Art dargestellt, die nicht deren eigenen Interessen diente, sondern vielmehr die Wünsche, Ängste und Attitüden der Auftraggeber - der "Mächtigen" und Wohlhabenden - widerspiegelte. Die ländliche Bevölkerung fungierte in den spätmittelalterlichen Monatsbildzyklen vor allem als dekoratives Beiwerk, dass das besser gestellte, von den tatsächlichen Mühseligkeiten der landwirtschaftlichen Arbeit freigestellte Publikum unterhalten sollte. Allerdings überrascht es, dass die Bauern bis ins 16. Jahrhundert hinein auf den Bildern ohne erkennbare Aufsicht ganz selbständig zu arbeiten scheinen.[19]

Nach Gen 3,19 ist die harte Feldarbeit Aufgabe des Mannes, so dass das Fehlen von Frauen in den frühen Monatsbilderzyklen nicht ungewöhnlich ist. Erst später wurden sie, ohne Misogynie, vor allem innerhalb ihrer damaligen Domänen gezeigt, d.h. bei der Hausarbeit, Textilproduktion, Zubereitung von Nahrungsmitteln und Kinderbetreuung. Vereinzelt wurden sie schon bis zum 12. Jahrhundert vereinzelt beim Spinnen, Melken, Säen, Erntearbeiten und der Geflügelzucht als Teil bäuerlicher Arbeitsbilder dargestellt.[20]

Arbeitende Kinder sind, soweit erkennbar, in den frühen Monatsbildern eher selten zu sehen, doch kann die Einführung dieses Motivs in die Tradition im 15. Jahrhundert insofern als realistisches Element gewertet werden, als hierduch möglicherweise tatsächliche Verhältnisse der Arbeitsteilung widergespiegelt worden sein könnten. Schon die Portalskulpturen hatten bisweilen Unterschiede in den soziologischen Strukturen erkennen lassen, indem sie eine Aufgabenteilung zwischen jüngeren und älteren Protagonisten zeigen. Für die spätere Zeit gilt insbesondere, dass die Anwesenheit von Kindern und Tieren in gewisser Weise zur "Verniedlichung" einer Szene beitragen kann.[21]

Landschaft und Architektur

Mit dem 14. Jahrhundert begann sich die Landschaft in der europäischen Kunst zu emanzipieren, allerdings ist sie zunächst stets nur fragmentarisch vorhanden, während sie im 15. Jahrhundert - auch in der Tafelmalerei - stets an Bedeutung gewinnt. Mit den Monatsbildern in den Stundenbüchern der Brüder von Limburg beginnt die Gattung des "Architekturbildes", das ein bestimmtes Bauwerk möglichst detailgetreu und perspektivisch korrekt wiedergeben will. Sowohl in den Monatszyklen, als auch in der sienesischen Malerei, den Jagdbüchern und Bestiarien der Zeit entwickelte sich ein neuer Sinn für präzise Naturbeobachtung und perspektivivische Raumerfassung, der mit dem Breviarium Grimani (um 1510, Venedig, Bibl. Marc.) voll ausgebildet ist.

Auch wenn botanisch zuzuordnende Blumen und Früchte bzw. Stadtpanoramen mit wiedererkennbaren Gebäudeansichten eine deutliche Tendenz zum Naturalismus aufweisen, blieb doch für lange Zeit die symbolische Bedeutung der Naturdinge in der Malerei erhalten (etwa in den Stilleben oder den Genreszenen der niederländischen Maleier bis weit in das 18. Jahrhundert). Eine Charakterisierung der Bilder als "realistisch" kann sich daher in aller Regel nur auf die Darstellung der Personen und ihrer unmittelbaren Tätigkeiten oder Gerätschaften beziehen. Italienische wissenschaftliche Werke mit Vorbildcharakter, wie die Herbare bzw. Tacuina, zeigen hingegen oftmals Illustrationen mit erheblich naturalistischem Anpruch, d.h. basierend auf einer genauen Beobachtung der Wirklichkeit.[22]

Funktion und Bedeutung

Monatsbilderzyklen sind durch zwei komplementäre Elemente definiert: zum ersten die Repräsentationen der Tierkreiszeichen, die eine klar definierte, diskrete Sequenz von Zeitabschnitten konstituieren und zweitens die Repräsentationen der Monate, die als "humaner Faktor" das zugeordnete Tun auf der Erde widerspiegeln.[23] Das Verhältnis von Monatsbildern und Tierkreiszeichen verkörpert dabei gleichzeitig den Kontrast und die gegenseitige Beziehung zwischen der siderischen (sublunaren) und der tellurischen (supralunaren) Sphäre.

Die eigentlich strukturlose Zeit, die nicht unmittelbar bildlich darstellbar ist, wird mit Hilfe dieser komplementären Verbindung von elementaren Tätigkeiten und den zwölf Monaten in eine Ordnung gebracht. Dabei erlaubt die gemeinsame Darstellung von Irdischem und Himmlischen die perfekte Illustrierung der mittelalterlichen Vorstellung des Zusammenhangs zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos.

Die Wahl konkreter Arbeiten statt abstrakter Personifikationen z.B. an den Kathedralen zeigt nicht nur Rolle der irdischen Zeit, sondern auch der irdischen Arbeit für den individuellen wie kollektiven Heilsweg. Der auf- und absteigende Rhythmus des (profanen) Jahres wird durch die Positionierung der Monatsbilder in den Archivolten der großen Portale sichtbar, zugleich die zyklische Wiederkehr der Zeiträume und ihre Bezogenheit auf kosmische Vorgänge und die Heilsgeschichte (deren zentrale Ereignisse meist im Tympanon gezeigt wurden). Bürgerliches Jahr und Kirchenjahr werden miteinander verknüpft. Die öffentlich einsehbaren Zyklen der Monate boten damit eine geistliche Lehre für die Angehörigen aller Stände an. Der Funktions- und Bedeutungswandel, der durch den Medienwechsel von den Bauten in die Handschriften verursacht wurde, führte hingegen dazu, dass die Zyklen nun auch als dekoratives Beiwerk in anderen Zusammenhängen dienen konnten.

Die Beschränkung der Darstellungen auf Produktionsprozesse, die mit Lebenswelt und Interessen der Auftraggeber - nämlich Klerus und Adel - zusammenhingen, deuten darauf hin, dass es sich bei den Monatsbildern nicht um eine reine Verbildlichung des bäuerlichen Arbeitsjahrs handelt. Dies wird besonders deutlich, wenn man erkennt, dass die Zyklen kein einheitlich zuzuordnendes Arbeitsfeld behandeln: Weinbau und Holzwirtschaft gehörten im Mittelalter nicht zur bäuerlichen Sphäre, sondern waren Teil der Guts- oder Klosterwirtschaft. Mönche hingegen konnten etwa wegen des einzuhaltenden Stundengebets prinzipiell nicht alle der gezeigten Monatsarbeiten ausführen. Somit ginge eine Qualifizierung der Monatsbilder als "landwirtschaftlicher Arbeitkalender" fehl, denn es handelt sich nur teilweise um "bäuerliche" Tätigkeiten.

Die Darstellung der profanen Arbeiten an prominenter Stelle in der christlichen Kunst rechtfertigte sich aus zwei Überlegungen: einerseits betrachtete man die körperliche Arbeit zunehmend als komplementäre Ergänzung zur geistigen Arbeit, die beide die Folgen des Sündenfalls abschwächen sollten und zur Rettung des Menschen beitrugen. Die geistige Arbeit vermochte die geistliche Not zu lindern, die körperliche Arbeit die leibliche Not;[24] eine Mahnung an den menschlichen Ungehorsam gegen Gott in Gen 3,17ff. Zugleich führte die mönchische Wertschätzung körperlicher Arbeit zu einem neuen Verständnis von landwirtschaftlicher Produktion für die Gemeinschaft. Beides führte zu einer Akzeptanz der praktischen Arbeit, die eine Darstellung im Bild erlaubte.

Das "Totschweigen" all der ganz gewöhnlichen Elemente der mittelalterlichen Speisekammer wie Kohl, Bohnen, Lauch, Erbsen oder Salat in den Zyklen weist zudem darauf hin, dass die Betonung der Produktion von Brot und Wein in Verbindung mit dem Schlachtvorgang als eine subtile religiöse Anspielung auf die Eucharistie interpretiert werden könnte.

Die bildliche Gestaltung der mit viel Mühe und Schmutz verbundenen Arbeiten in der Agrarwirtschaft in einer ästhetisch ansprechenden Form war für die Künstler mit Schwierigkeiten verbunden. Daher wurden entweder die Tätigkeiten stark stilisiert oder später die vergnüglichen Momente (v.a. auch die Pausen) betont. Für die gesamte Tradition gilt jedoch ausnahmslos, dass systematisch alle realen sozialen, wirtschaftlichen oder logistischen Probleme ausgeklammert wurden. Es herrscht beständig gutes Wetter, den Arbeitenden stehen stets die richtigen Werkzeuge zur Verfügung, Probleme oder gar Unfälle sind niemals dargestellt. Die Monatsarbeiten finden in einer ruhigen, wohlgeordneten Idylle statt, in der die Menschen das verlorene Paradies gleichsam wiedergefunden zu haben scheinen.

Die Auffassung der mittelalterlichen Monatsbilder als "Alltagsszenen" oder künstlerische "Momentaufnahmen" wäre naiv zu nennen, denn die mühseligen, dem Jahreskreislauf zugeordneten Produktionsprozesse wurden durch die Künstler in eine Form gebracht, die das befriedigende Bild einer harmonischen Welt und einer wohlgeordneten Gesellschaft zeichnen sollten. Der augenscheinliche Realismus der Zyklen trügt also, stehen die genrehaften Monatsbilder doch eher der Tradition der "romantisierenden" Verklärung des Landlebens nahe. Damit sind sie Fiktion und als historische Quelle, auch aufgrund ihres häufig nur dekorativen Einsatzes, für die mittelalterliche Lebenswelt nur unter größten Vorbehalten verwendbar, etwa im Detail für die agrarhistorische Realienkunde. Die Verwendung der Monatsbildzyklen zur Illustrierung eines vorgeblichen "Alltagslebens im Mittelalter" ist dagegen in jedem Falle unzulässig.

Literatur

  • Achilles, Walter: Monatsbildzyklen in Hildesheimer Prachthandschriften des 13. Jahrhunderts. Gerstenberg, Hildesheim 2003. (Quellen und Dokumentationen zur Stadtgeschichte Hildesheims 14) ISBN 3-8067-8595-3
  • Gravenkamp, Curt: Monatsbilder und Tierkreiszeichen an Kathedralen Frankreichs. Scherer, Willsbach [u.a.] 1949. (Der Kunstspiegel)
  • Hansen, Wilhelm: Kalenderminiaturen der Stundenbücher: Mittelalterliches Leben im Jahreslauf. Callwey, München 1984. ISBN 3-7667-0708-6
  • Henisch, Bridget Ann: The Medieval Calendar Year. Pennsylvania State Univ. Press, University Park, PA 1999. ISBN 0-271-01903-4, 0-271-01904-2
  • Pearsall, Derek u. Elizabeth Salter: Landscapes and Seasons of the Medieval World. Elek, London 1973. ISBN 0-236-15451-6
  • Strohmaier-Wiederanders, Gerlinde: Imagines anni / Monatsbilder: Von der Antike bis zur Romantik. Gursky, Halle 1999. ISBN 3-929389-30-4
  • Webster, James Carson: The Labors of the Months in Antique and Mediaeval Art to the End of the Twelfth Century. Princeton 1938. (Princeton Monographs in Art and Archaeology 21) [Repr. New York 1970. (Northwestern University Studies in the Humanities 4)]
Commons: Monatsbilder – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Vgl. Strohmeier-Wiederanders, a.a.O., S. 14.
  2. Vgl. Strohmeier-Wiederanders, a.a.O., S. 8f. u. 13.
  3. Vgl. dazu Beer, Ellen J[udith]: Die Rose der Kathedrale von Lausanne und der kosmologische Bilderkreis des Mittelalters. Bern 1952. (Berner Schriften zur Kunst 6)
  4. Vgl. Blume, Dieter: Regenten des Himmels: Astrologische Bilder in Mittelalter und Renaissance. Berlin 2000, S. 90ff. u. Abb. 89-94. (Studien aus dem Warburg-Haus 3)
  5. Vgl. Plotzek, Joachim M.: ‚Gebetbuch. 2. Illustration‘, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, Sp. 1160f.
  6. Vgl. Geburt der Zeit: Eine Geschichte der Bilder und Begriffe. Ausstellung im Museum Fridericianum Kassel vom 12. Dezember 1999 - 19. März 2000. Hgg. v. Hans Ottomeyer u.a. Wolfratshausen 1999, S. 229.
  7. Vgl. ZHV.
  8. Vgl. die eingehenden Untersuchungen und Nachweise bei Herold, Inge: Pieter Bruegel: Die Jahreszeiten. Prestel, München [u.a.] 2002
  9. Vgl. Achilles, a.a.O., S. 13.
  10. Vgl. Pearsall/Salter, a.a.O., S. 144.
  11. Vgl. Nobis, Heribert M.: Zeitmaß und Kosmos im Mittelalter., S. 274, in: Mensura: Mass, Zahl, Zahlensymbolik im Mittelalter. Hg. v. Albert Zimmermann. HBd. 2. Berlin [u.a.] 1984, S. 261-276. (Miscellanea Mediaevalia 16,2)
  12. Vgl. Webster, a.a.O., S. 94.
  13. Vgl. Strohmaier-Wiederanders, a.a.O., S. 8.
  14. Vgl. Adler, Shane: ‚Months‘, S. 626, in: Encyclopedia of comparative Iconography: Themes depicted in works of art. Ed. by Helene E. Roberts. 2 Bde. Chicago [u.a.] 1998, S. 623-628.
  15. Vgl. Henisch, a.a.O., S. 184.
  16. Vgl. Dittrich, Lothar u. Sigrid Dittrich: Lexikon der Tiersymbole: Tiere als Sinnbilder in der Malerei des 14.-17. Jahrhunderts. Petersberg 2004. (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 22)
  17. Vgl. z.B. Hansen, a.a.O, S. 70 (Abb. 24-26)
  18. Vgl. Hägermann, Dieter: ‚Schaf. II. Wirtschaft‘, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, Sp. 1433.
  19. Vgl. Sullivan, Margaret A.: ‚Peasantry‘, S. 709f., in: Encyclopedia of comparative Iconography: Themes depicted in works of art. Ed. by Helene E. Roberts. 2 Bde. Chicago [u.a.] 1998, Bd. 2, S. 707-715.
  20. Hundsbichler, Helmut: ‚Bauer, Bauerntum. C. Bäuerliches Alltagsleben‘, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, Sp. 1572ff.
  21. Vgl. Henisch, a.a.O., S. 37, 136, 147f., 167ff. u. 200.
  22. Vgl. Persall/Salter, a.a.O., S. 139 u. 145
  23. Abweichend dazu Sniezynska-Stolot, Ewa: Das ptolemäische Weltbild und die mittelalterliche Ikonographie, S. 700ff., in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Bd. XLVI/XLVII, Teil 2 (1993/94), S. 699-713. (Monatsarbeiten als Darstellung von Sternbildern, die die Tierkreiszeichen begleiten, so genannte Paranatellonten)
  24. Vgl. Grams-Thieme, Marion: ‚Jahresdarstellung, Jahreszeiten‘, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, Sp. 277-279.