Doppelfüßer
Doppelfüßer | ||||||||
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Systematik | ||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||
Diplopoda | ||||||||
de Blainville in Gervais, 1844 |
Die Doppelfüßer (Diplopoda) sind eine Klasse der Gliederfüßer (Arthropoda) und werden bei den Tausendfüßern (Myriapoda) eingeordnet. Weltweit sind über 11.000 Arten dieser Tiere bekannt, damit stellen sie die größte Gruppe der Tausendfüßer dar. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass etwa 15.000–80.000 Arten existieren.[1]
Tausendfüßer gibt es bereits seit rund 410 Millionen Jahren (Silur); sie gehörten zu den ersten Landbewohnern und stellen damit eine sehr urtümliche Tiergruppe dar. Arten der Gattung Arthropleura lebten vor 310 Millionen Jahren und erreichten eine Länge von mitunter zwei Metern. Damit waren es die größten bislang bekannten Landarthropoden, die jemals auf der Erde lebten.[2]
Lebensweise der Doppelfüßer
Fast alle Diplopoden leben im Boden oder in zerfallenem Holz und ernähren sich dort von pflanzlichem Abfall, die überwiegende Mehrzahl lebt dabei in den Tropen. Nur sehr wenige Arten sind als Räuber bekannt.
Ein oft anzutreffender Vertreter ist der Tüpfeltausendfuß (Blaniulus guttulatus). Dieser legt im Frühjahr und im Sommer seine Eier in kleine Bodenhohlräume ab. Die Larven besitzen zur Zeit des Schlüpfens nur wenige Körpersegmente. Nach jedem Entwicklungsstadium, das mit einer Häutung abschließt, besitzt er mehr Segmente. Der Tüpfeltausendfuß ist etwa nach einem Jahr ausgewachsen und voll entwickelt. Er ist nachtaktiv, tagsüber hält er sich in feuchten dunklen Verstecken wie beispielsweise Laub und Mulch auf. Er ernährt sich vor allem von verwesenden organischen Substanzen, so ist er ein gerne gesehener Gast in jedem Komposthaufen. Auch wenn er sich manchmal durch Fraßlöcher an verschiedenen Pflanzen unbeliebt macht, ist er ein wichtiger Nützling.
Bau der Doppelfüßer



Wie alle Angehörigen der Myriapoden zeichnen sich die Doppelfüßer vor allem durch eine einheitliche Gliederung der Körpersegmente aus. Das auffälligste und namensgebende Merkmal der Gruppe ist eine Verschmelzung der Segmente (beginnend vom 4. Rumpfsegment) zu Doppelsegmenten, wodurch jedes dieser Diplosegmente zwei Beinpaare besitzt. Vor allem diese Gruppe wird mit der Bezeichnung "Tausendfüßer" gemeint, da sie von allen Gruppen der Myriapoden die meisten Beinpaare besitzt. Die maximale Anzahl der Beinpaare liegt jedoch bei "nur" 350 Paaren. Die ursprünglichsten Formen der Doppelfüßer (die Penicillata) besitzen maximal 17 Beinpaare und stellen sehr kleine, weichhäutige Formen dar. Bei den abgeleiteten Formen wird in die Chitinhaut Kalk zur Versteifung eingelagert.
Der stark gewölbte Kopf der Doppelfüßer besitzt sehr kleine Antennen, die nach unten gebogen werden und mit speziellen Sinnesorganen den Boden abtasten. Die Tiere besitzen an jeder Kopfseite Augenfelder, die aus Einzelaugen (Ocellen) bestehen, sowie ein Schläfenorgan (Tömösvárysches Organ) ebenfalls beiderseits des Kopfes, bei den Penicillata finden sich außerdem Sinneshaare (Trichobothrien) am Kopf. Die kräftige Mandibel ist dreiteilig, der Mundraum wird hinten durch eine von der 1. Maxille gebildeten Unterlippe (Gnathochilarium) abgeschlossen. Die 2. Maxille bleibt rudimentär und bildet nur den Hinterrand der Unterlippe.
Die Geschlechtsöffnung befindet sich bei allen Doppelfüßern hinter dem 2. Laufbein, wobei die Männchen zwei kompliziert gebaute Penes besitzen. Die Tracheenöffnungen liegen knapp oberhalb der Beinbasen, beginnend am 3. Laufbeinpaar. Viele Doppelfüßer der Gruppe Chilognatha besitzen Wehrdrüsen, die im Fall der Glomerida die Chinazonilone Glomerin und Homoglomerin enthalten. Julidae bilden in ihren Wehrdrüsen Benzochinone, die Polydesmida freie Blausäure und Benzaldehyd. Viele Arten können diese Sekrete über mehrere Zentimeter verspritzen.
Fortpflanzung und Entwicklung
Innerhalb der Doppelfüßer gibt es ursprüngliche Arten mit indirekter sowie weiter entwickelte Arten mit direkter Spermienübertragung.
Die Männchen der Penicillata spinnen ein Fadenkonstrukt, auf dem sie einen Spermatropfen platzieren. Mit Hilfe von Signalfäden finden die Weibchen das Gespinst und nehmen das Sperma auf. Diese Form der Befruchtung entspricht weitestgehend der der Wenigfüßer.
Bei allen anderen Doppelfüßern kommt es zu einer direkten Begattung der Weibchen durch die Männchen. Die Spermienübertragung erfolgt durch speziell ausgebildete Kopulationsorgane, die innerhalb der Gruppen auf unterschiedliche Weise aus Extremitäten entwickelt wurden. So haben die Vertreter der Pentazonia speziell umgebildete Endbeine, mit denen sie das Weibchen festhalten und begatten können. Die Männchen der Helminthomorpha besitzen mehrere vordere Laufbeine (im Bereich des 7. bis 11. Laufbeinpaares), die umgebildet wurden.
Auch Parthenogenese ist bei vielen Arten der Doppelfüßer nachgewiesen worden. Die Eier legt das Weibchen in Erdritzen ab oder platziert sie in Erdkämmerchen. Die Nematophora umgeben sie mit einem Gespinst und innerhalb der Colobgnatha findet man auch Brutpflege. Dabei rollen sich die Weibchen und (seltener) auch die Männchen um die Eier. Aus diesen Eiern schlüpft eine Larve mit drei Beinpaaren, weitere Beinpaare werden im Laufe der vielen Häutungen hinzugefügt.
Systematik der Doppelfüßer
Die Doppelfüßer bilden gemeinsam mit den Wenigfüßern die Dignatha aufgrund der Verschmelzung der basalen Glieder der 1. Maxille zu einer Unterlippe (Gnathochilarium), des Verlusts der 2. Maxille beziehungsweise der rudimentären Anlage derselben in der Embryonalentwicklung, der Genitalöffnungen im zweiten Segment, der Tracheenöffnungen nahe der Beine sowie eines Jungtiers mit nur drei Beinpaaren.
Mit den Zwergfüßern bilden die Dignatha das Taxon Progoneata aufgrund der Darm- und Fettkörperbildung innerhalb des Dotters sowie dem Aufbau der Mechanorezeptoren (Trichobothrien). Dieser Gruppe werden gemeinhin die Hundertfüßer als Schwestergruppe gegenübergestellt.
Intern werden die Doppelfüßer wie im Text bereits erwähnt in die ursprünglichen Penicillata sowie die abgeleiteten Chilognatha aufgeteilt. Innerhalb der Chilognatha gibt es eine weitere Aufspaltung in verschiedene Taxa. Das folgende Kladogramm gibt eine Übersicht über die Ordnungen der Doppelfüßer:
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Die in Mitteleuropa vorkommenden Vertreter der Doppelfüßer werden wie folgt eingeordnet (Arten unvollständig):
- Penicillata
- Pinselfüßer – Polyxenida
- Polyxenidae
- Kleiner Pinselfüßer (Polyxenus lagurus)
- Polyxenidae
- Pinselfüßer – Polyxenida
- Chilognatha
- Pentazonia
- Saftkugler – Glomerida
- Glomeridae
- Geoglomeris subterranea
- Vierbänder-Saftkugler (Glomeris connexa)
- Schweizer Saftkugler (Glomeris helvetica)
- Östlicher Sechsstreifen-Saftkugler (Glomeris hexasticha)
- Westlicher Sechsstreifen-Saftkugler (Glomeris intermedia)
- Bunter Saftkugler (Glomeris klugii)
- Gerandeter Saftkugler (Glomeris marginata)
- Geschmückter Saftkugler (Glomeris ornata)
- Zweireihen-Saftkugler (Glomeris pustulata)
- Vierreihen-Saftkugler (Glomeris tetrasticha)
- Alpen-Saftkugler (Glomeris transalpina)
- Trachysphaera costata
- Trachysphaera gibbula
- Trachysphaera schmidti
- Glomeridellidae
- Glomeridae
- Riesenkugler – Sphaerotheriida
- Urtausendfüßer – Glomeridesmida
- Saftkugler – Glomerida
- Helminthomorpha
- Platydesmida
- Saugfüßer – Polyzoniida
- Siphonocryptida
- Siphonophorida
- Callipodida
- Samenfüßer – Chordeumatida
- Anthroleucosomatidae
- Attemsiidae
- Brachychaeteumatidae
- Craspedosomatidae
- Atractosoma meridionale
- Bergamosoma canestrinii
- Bunter Höckersamenfüßer (Craspedosoma rawlinsii)
- Craspedosoma slavum
- Craspedosoma taurinorum
- Julogona tirolensis
- Listrocheiritium cervinum
- Megalosoma canestrinii
- Nanogona polydesmoides
- Ochogona brentana
- Ochogona caroli
- Ochogona regalis
- Pyrgocyphosoma titianum
- Rhymogona montivaga
- Rhymogona serrata
- Rhymogona verhoeffi
- Rhymogona wehrana
- Stenalpium brentanum
- Chordeumatidae
- Haaseidae
- Mastigophorophyllidae
- Neoatractosomatidae
- Trachygonidae
- Stemmiulida
- Schnurfüßer – Julida
- Schnurfüßer (Julidae)
- Allajulus groedensis
- Allajulus nitidus
- Alpityphlus seewaldi
- Gefleckter Doppelfüßer (Blaniulus guttulatus)
- Brachyiulus pusillus
- Castaneoiulus salicivorus
- Cylindroiulus arborum
- Cylindroiulus boleti
- Cylindroiulus britannicus
- Gemeiner Feldschnurfüßer (Cylindroiulus caeruleocinctus)
- Cylindroiulus fulviceps
- Cylindroiulus latestriatus
- Cylindroiulus luridus
- Cylindroiulus meinerti
- Cylindroiulus parisiorum
- Gepunkteter Schnurfüßer (Cylindroiulus punctatus)
- Cylindroiulus truncorum
- Cylindroiulus vulnerarius
- Cylindroiulus zinalensis
- Enantiulus nanus
- Hypsoiulus alpivagus
- Julus montivagus
- Gemeiner Dunkler Schnurfüßer (Julus scandinavius)
- Julus scanicus
- Julus terrestris
- Kryphioiulus occultus
- Leptoiulus alemannicus
- Leptoiulus belgicus
- Leptoiulus bertkaui
- Leptoiulus cibdellus
- Leptoiulus kervillei
- Leptoiulus marcomannius
- Leptoiulus nigrofuscus
- Leptoiulus noricus
- Leptoiulus proximus
- Leptoiulus saltuvagus
- Leptoiulus simplex
- Leptoiulus trilobatus
- Megaphyllum projectum
- Megaphyllum sjaelandicum
- Megaphyllum unilineatum
- Sandschnurfüßer (Ommatoiulus sabulosus)
- Ommatoiulus vilnensis
- Ophyiulus germanicus
- Ophyiulus major
- Ophyiulus pilosus
- Pachypodoiulus eurypus
- Pteridoiulus aspidiorum
- Schwarzer Schnurfüßer (Tachypodoiulus niger)
- Unciger foetidus
- Velophyllum rutilans
- Xestoiulus laeticollis
- Fadenfüßer (Blaniulidae)
- Schnurfüßer (Julidae)
- Spirobolida
- Spirostreptida
- Bandfüßer – Polydesmida
- Polydesmidae
- Gemeiner Kleiner Bandfüßer (Brachydesmus superus)
- Großer Westlicher Bandfüßer (Polydesmus angustus)
- Großer Östlicher Bandfüßer (Polydesmus complanatus)
- Polydesmus coriaceus
- Sommer-Bandfüßer (Polydesmus denticulatus)
- Höckriger Bandfüßer (Polydesmus inconstans)
- Polydesmus monticola
- Polydesmus susatensis
- Propolydesmus germanicus
- Schweizer Bandfüßer (Propolydesmus helveticus)
- Rundflügel-Bandfüßer (Propolydesmus testaceus)
- Macrosternodesmidae
- Pyrgodesmidae
- Paradoxosomatidae
- Gewächshaus-Tausendfüßer (Oxidus gracilis)
- Stosatea italica
- Strongylosoma stigmatosum
- Pentazonia
Literatur
- Wolfgang Dohle: Progoneata. In: Wilfried Westheide, Reinhard Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie. Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere. 2. Auflage. Gustav Fischer u. a., Stuttgart u. a. 2007, ISBN 978-3-8274-1575-2, S. 592–600.
- Harald Hauser, Karin Voigtländer: Doppelfüßer (Diplopoda) Ostdeutschlands. Bestimmung, Biologie und Verbreitung. 2. Auflage. DJN – Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung, Hamburg 2009, ISBN 978-3-923376-25-1.
Weblinks
- Diplopoda Taxonomy Site
- Diplopoda.de : Informationen über Biologie, Systematik und Haltung von einheimischen und exotischen Doppelfüßern
Einzelnachweise
- ↑ Pavel Stoev, Leif Moritz & Thomas Wesener: Dwarfs under dinosaur legs: a new millipede of the order Callipodida (Diplopoda) from Cretaceous amber of Burma. Zookeys 2019, 841: 79–96. doi:10.3897/zookeys.841.34991
- ↑ Wissenswertes auf diplopoda.de.