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Bildungsbenachteiligung in der Bundesrepublik Deutschland

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Mit Bildungsbenachteiligung in Deutschland wird die bildungsspezifische Benachteiligung von Gruppen in Deutschland bezeichnet, die über weniger kulturelle, soziale oder finanzielle Ressourcen verfügen.

Laut Grundgesetz darf in der Bundesrepublik Deutschland niemand aufgrund seiner Herkunft - womit die soziale Herkunft gemeint ist[1] - benachteiligt werden. Im Widerspruch hierzu stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf seiner Internetpräsenz fest: Es "... entscheidet in keinem anderen Industriestaat die sozio-ökonomische Herkunft so sehr über den Schulerfolg und die Bildungschancen wie in Deutschland."[2]

Tatsächlich konstatieren diverse Bildungsstudien eine Benachteiligung von Menschen mit einer niedrigen sozialen Herkunft. Dabei hat sich die soziale Benachteiligung verschoben: während noch in den 1970er Jahren "Katholische Arbeitertochter vom Land" eine Formel für Mehrfachbenachteiligung war, wird heute eher vom "Türkische Jugendliche aus dem Problemviertel"[3] gesprochen. Geblieben ist als Merkmal für Bildungsbenachteiligung die Herkunft aus Arbeiterfamilien.


Bildungsbenachteiligungen in den jeweiligen Bildungssektoren

Um Bildungsleistungen und Bildungsbenachteiligungen im internationalen Kontext vergleichen zu können, hat die UNESCO das Klassifizierungssystem ISCED (International Standard Classification of Education) entwickelt, welches Bildungssysteme nach Bildungssektoren klassifiziert. In Deutschland findet Bildungsbenachteiligung in allen Sektoren statt, wie im folgenden zu sehen ist.

Vorschulbereich: Kindergärten

Mit der OECD-Studie zur Bildung in der frühen Kindheit (Early Childhood Policy Review 2002-2004)[4] wird darauf verwiesen, dass vergleichsweise wenige Menschen mit einem geringen Einkommen ihre Kinder in den Kindergarten bringen:

Rund 80 % der Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren mit verheirateten Eltern und einem monatlichen Einkommen von mindestens 3.800 € (7.500 DM) besuchten 1999 einen Kindergarten. In der Einkommensgruppe zwischen rund 500 und 900 € (1.000 und 1.800 DM) besuchten nur 64 % dieser Gruppe einen Kindergarten.

Die private Fianzierung ist für Kindergärten in Deutschland sehr hoch im Vergleich mit den OECD-Staaten (durchschnittlich 18,5%). Sie ist von 1995 bis 2003 von 19% auf 27,9% gestiegen.[5]

Die Arbeiterwohlfahrt machte in einer AWO-Studie darauf aufmerksam, dass für die Entscheidung über die Einschulung auch die soziale Herkunft eine Rolle spielt:

Während etwa neun von zehn (91 Prozent) sozial unauffälligen nicht-armen Kindern (regulär) mit etwa sechs Jahren eingeschult werden, sind es unter den sozial auffälligen nicht-armen Kindern nur sieben von zehn (70 Prozent). Bei den armen Kindern sind es unter den sozial unauffälligen Kindern etwa acht von zehn (78 Prozent) und bei den sozial auffälligen Kindern nur etwa die Hälfte (53 Prozent), die regulär eingeschult werden.[6]

Primarbereich: Grundschule (Grundbildung)

Die Hamburger LAU-Studie, die IGLU-Studie, die PISA-Studie und die AWO-Studie weisen darauf hin, dass Kinder mit einer niedrigen sozialen Herkunft bei gleicher Kompetenz sehr viel seltener eine Gymnasialempfehlung erhalten als Kinder mit einer höheren sozialen Herkunft. Darüber hinaus konstatierte die LAU-Studie, dass Eltern aus "höheren Schichten" dazu neigen würden, selbst dann ihre Kinder zu einer höheren Schule zu schicken, wenn die Lehrkräfte hiervon abrieten. Eltern aus "niedrigeren Schichten" hingegen würden sich genau an die Empfehlung der Lehrkräfte halten. Von der OECD wird beanstandet, dass Deutschland im Primarbereich deutlich zu wenig Geld pro Schüler und Schülerin ausgibt, was zu einer schlechten Schüler/Lehrer-Quote (im Durchschnitt betreuen in Deutschland Lehrkräfte zwei Kinder mehr als im Mittel der OECD-Staaten), wesentlich weniger Unterrichtszeit (als im OECD-Schnitt) und geringere Sachaufwendungen führt.[5]

Sekundarbereich I: Grundbildung mit Fachlehrer

Die TIMSS-Studie, DESI-Studie und die PISA-Studien stellten für die Sekundarstufe I fest, dass sich die mathematischen und die literarischen Kompetenzen zwischen Hauptschülern, Realschülern und Gymnasiasten zu einem großen Prozentsatz überschneiden. Hieraus schloss die UNICEF-Studie Disadvantages In Rich Nations, dass die Kinder in Deutschland zu früh und falsch sortiert würden[7]. Die Studie fasste die Situation in Deutschland unter dem Titel: Germany: Children Sorted For A Life (Deutschland: Kinder für ihr ganzes Leben einsortiert) zusammen, um zu verdeutlichen, dass diese frühe Einsortierung kaum rückgängig zu machen sei. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeige sich, dass nicht nur der Zugang, sondern auch das vorzeitige 'Aus' auf dem Gymnasium durch soziale Auslese geprägt sei. Verfolge man die Wege der Kinder, die nach der Grundschule auf das Gymnasium wechseln, dann zeige sich, dass innerhalb von 6 Jahren 35% der Kinder mit niedriger sozialer Herkunft die Ausbildung abbrechen. Habe mindestens ein Elternteil das Abitur, liege die Quote nur bei 20%[8].

Sekundarbereich II: gymnasiale Oberstufe in allgemeinbildenen Schulen

Die Bildungstrichter:
Die zweite und die vierte Schwelle im Bildungssystem

Die DSW-Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes stellte fest, dass die Bildungstrichter (siehe Abbildung) herkunftsspezifisch unterschiedlich verlaufen. Während von 100 Kindern der höchsten Herkunftsgruppe, die eingeschult werden, ca. 85% eine gymnasiale Oberstufe erreichen und von diesen dann 95%, also 81 Kinder ein Studium aufnehmen, erreichen von 100 Kindern der niedrigsten sozialen Herkunftsgruppe nur 36%, also 11 Kinder die gymnasiale Oberstufe und von diesen nehmen dann wiederum nur 31% ein Studium auf.[9]

Die Arbeitsgruppe Hochschulforschung der Universität Konstanz stellte in einer Langzeitstudie dar, dass Schüler mit einer niedrigen sozialen Herkunft selbst dann nur zu 51% ein Studium aufnehmen, wenn sie eine Durchschnittnote zwischen 1 und 2 im Abiturzeugnis haben. Je höher die soziale Herkunft sei, desto eher seien Schüler bereit, auch bei einem schlechten Abiturzeugnis ein Studium aufzunehmen. So würden Schüler der höchsten Herkunftsgruppe, die eine Durchschnittsnote zwischen 2 und 3 erhielten, zu 54% ein Studium aufnehmen.[10]

Die PISA-Sonderstudie zu Erfolgschancen von Migrantenkindern[11] kritisiert das deutsche Bildungssystem. Migrantenkinder der zweiten Generation, also Schüler und Schülerinnen, die in Deutschland geboren sind, aber ausländische Eltern haben, erbringen noch schlechtere Leistungen als Migrantenkinder der ersten Generation. 40% von ihnen erreichen nicht die Kompetenzstufe 2. Auch in Dänemark und Neuseeland schneiden Migrantenkinder der zweiten Generation schlechter ab als die der ersten Generation - allerdings nicht in einem derartigen Umfang wie in Deutschland. Die Bildungsforscherin Mechthild Gomolla spricht hier von Institutionalisierter Diskriminierung[12].

Sekundarbereich II: Berufsbildende Schulen, Bildung im Dualen System

Berufsausbildung migrantischer und deutscher Jugendlicher
Jahr migrantische Jugendliche weibliche migrantische Jugendliche deutsche Jugendliche
1995 44% 34% 70%
2000 40% 35% 66%
Mona Granato: Jugendliche mit Migrationshintergrund in der beruflichen Bildung 2003

Vor allem Jugendliche aus migrantischen Familien sind in der Berufsausbildung benachteiligt. So sank die Quote der Jugendlichen mit migrantischer Herkunft, die eine Berufsausbildung erhalten, von 1995 bis 2000 von 44% auf 40%, im Vergleich zur Berufsausbildung von 66% der Jugendlichen mit deutschen Eltern. Noch schlechter ist die Situation für weibliche migrantische Jugendliche, von denen seit 10 Jahren unverändert nur ca. 35% eine Erstausbildung erhalten.[13]

Tertiärbereich A/B: Hochschulen und Fachhochschulen / Fachschulen und Schulen des Gesundheitswesens

Noch immer ist die Zahl von Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland sehr niedrig. Die Hochschulzugangsberechtigung lag 2004 in Deutschland bei nur 38,8% (im OECD-Durchschnitt fast doppelt so hoch, bei 67,7%). Auch die Tendenz ist laut einer OECD-Studie besorgniserregend, so stieg in Deutschland zwischen 1995 und 2003 die Studierendenquote nur um 8%, während sie im gleichen Zeitraum im Schnitt der OECD-Länder um 49% stieg.[5]

Der Trend scheint darauf hinzudeuten, dass die Chance von Arbeiterkindern gegenüber Beamtenkindern, ein Studium aufzunehmen, noch weiter sinkt. So lag nach einer Analyse von Destatis[14] die Wahrscheinlichkeit von Beamtenkindern gegenüber Arbeiterkindern ein Studium aufnehmen zu können 1982 bei 9:1; im Jahre 2000 lag sie bereits bei 20:1. Die OECD sieht die Ursache für diesen Trend hauptsächlich im drei(bzw. vier-)gliedrigen Schulsystem und sieht keine Möglichkeiten, dieses strukturelle Problem im späteren Bildungsverlauf auszugleichen:

"[...] die Wirksamkeit von kompensatorischen Maßnahmen im Tertiärbereich [ist] beschränkt, denn der Zusammenhang zwischen Bildungsleistungen und sozialem Hintergrund wird in Deutschland wie auch in anderen ebenso stark gegliederten und früh selektierenden Bildungssystemen (z.B. Österreich, der deutschsprachigen Schweiz, der Tschechischen Republik oder Ungarn) wesentlich durch die Schul- und Schulformwahl beeinflusst, die wiederum den Hochschulzugang bestimmt. Der Zusammenhang deutet darauf hin, dass das Schulsystem selbst einen erheblichen Einfluss auf die ungleiche Verteilung von späteren Bildungschancen hat und damit das Leistungspotenzial eines beträchtlichen Anteils junger Menschen, einschließlich von Schülern mit Migrationshintergrund, ungenutzt lässt [...][5]

Nach der Studie Eurostudent-Report[15] ist die relative Zahl von Studierenden mit niedriger sozialer Herkunft in Deutschland geringer als in allen anderen europäischen Staaten, die an dieser Studie teilgenommen haben. Zudem stellten die Autoren der Studie fest, dass Studierende mit einer niedrigen sozialen Herkunft sehr viel seltener ein Auslandsstudium aufnähmen. Dies führten sie - in Anlehnung an einen Begriff des renommierten französischen Soziologen Pierre Bourdieus - darauf zurück, dass es diesen an kulturellem Kapital mangele. Sie hätten weniger Erfahrung mit Auslandsaufenthalten und den Gepflogenheiten an Universitäten sowie geringere Fremdsprachkenntnisse.

Die Studie des GEW[16] über studentische Hilfskräfte an der Universität Marburg stellte dar, dass von 150 studentischen Hilfskräften nur 3 Arbeiterkinder waren. Der Erklärungsversuch in der Studie bezog sich auf die Überlegung Pierre Bourdieus, dass Professoren über den gleichen Habitus verfügen wie Akademikerkinder; daher würden sie Akademikerkinder unabhängig von den Leistungen bevorzugt rekrutieren. Zur Zeit soll ein bundesweit zur Verfügung stehender Datensatz ausgewertet werden, um zu klären, ob sich das Marburger Phänomen bundesweit zeige.

Die dreijährig erscheinende Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes kam zu einer Reihe von Punkten, die Indizien einer Benachteiligung von Studierenden mit niedriger sozialer Herkunft sein könnten:

  • Krankheit: Studierende niedriger sozialer Herkunft nehmen sehr viel häufiger die psychologische Beratung in Anspruch. Zudem sei der größte Unterschied zwischen den verschiedenen Herkünften bezüglich der Gründe für einen Studiumsabbruch in der Begründung Krankheit zu finden.
  • Studienabbruch: Studierende mit niedriger sozialer Herkunft brechen ihr Studium häufiger ab. Dies gilt vor allem für die Fächer Medizin und Rechtswissenschaften.
  • Studiendauer: Studierende mit niedriger sozialer Herkunft brauchen im Schnitt sehr viel länger als andere Studierende
  • Ressourcen: Studierende mit niedriger sozialer Herkunft steht trotz BAföG weniger Geld zum Lebensunterhalt zur Verfügung als anderen Studierenden
  • Jobs: Studierende mit niedriger sozialer Herkunft jobben häufiger neben dem Studium; als Motivation zum Jobben geben sie häufiger als andere Lebensunterhalt an.
  • Verteilung: Studierende mit niedriger sozialer Herkunft studieren eher Fächer und an Hochschulen, die mit einem geringeren Prestige und weniger hoch dotierten Berufen verbunden sind.
  • Karriere: Studierende mit niedriger sozialer Herkunft promovieren seltener als andere Studierende.

Außerschulische berufliche Weiterbildung

Der OECD-Studie Bildung auf einen Blick 2006 nähmen Personen ohne Sekundarstufe-II-Abschluss an außerschulischer beruflicher Weiterbildung nur zu 3% teil, im OECD-Durchschnitt ist die Teilnahme dieses Personenkreises mehr als doppelt so hoch. Sie nähmen in Deutschland im Vergleich zu den Hochschulabsolventen nur zu einem Siebtel an außerschulischer beruflicher Weiterbildung teil. Mit zunehmenden Alter nehmen Personen ohne Sekundarstufe-II-Abschluss noch seltener an außerschulischer beruflicher Weiterbildung teil.[5]

Auswirkungen der Bildungsbenachteiligung

Erwerbsquote und Arbeitslosigkeit

In Deutschland haben Menschen mit Hochschulabschlüssen eine Erwerbsquote, die mit 84% um 34 Prozentpunkte über die von Personen ohne Sekundarstufe-II-Abschluss (Erwerbsquote von 50%) liegt. Ebenso ist die Akademikerarbeitslosigkeit in Deutschland sehr viel geringer als die von Personen ohne akademischen Abschluss. Während die Akademikerarbeitslosigkeit nur anderthalb mal so groß ist wie im Schnitt der anderen OECD-Staaten, ist die Arbeitslosigkeit der Nicht-Akademiker doppelt so hoch.

Bildungsabschluss und Arbeitslosigkeit
Höchster Bildungsabschluss Arbeitslosigkeit in Deutschland Arbeitslosigkeit im Durchschnitt der OECD-Staaten
Hochschulabschluss 5,5% 3,9%
Sekundarstufe-II-Abschluss 11,2% 6,2%
ohne Sekundarstufe-II-Abschluss 20,5% 10,4%
OECD Briefing Notes für Deutschland. Bildung auf einen Blick 2006

Diese Schere in der Arbeitslosigkeit hat sich in den letzten Jahren vergrößert. Während die Arbeitslosigkeit bei Personen mit Sekundarstufe-II-Abschluss seit 1998 konstant blieb, steigerte sie sich für Menschen ohne diesen Abschluss von 15,4% auf die erwähnten 20,5% im Jahr 2003. Zusätzlich steigt im Alter das Risiko der Arbeitslosigkeit bei Nichtakademikern und Nichtakademikerinnen überproportional.[5]

Einkommen

Die OECD-Studie "Bildung auf einen Blick 2006" stellt fest, dass der Einkommensvorteil für Akademiker und Akademikerinnen zwischen 1998 und 2003 von 30% auf 53% gestiegen ist. Im selben Zeitraum wuchs er im Durchschnitt der OECD-Staaten nur um vier Prozentpunkte. Auch für Frauen ist der Einkommensnachteil in Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Staaten besonders hoch und in den letzten Jahren noch gewachsen; für Frauen gibt es in Deutschland bei der Arbeitsmarktverteilung eine noch höhere Abhängigkeit vom jeweiligen Bildungsabschluss.[5]

Karriere

Die Elite-Studie Michael Hartmanns ergab, dass in der Wirtschaftselite - den Chefetagen der Großkonzenre - nur 0,5% Arbeiterkinder zu finden seien.[17] In dieser Studie wurde aus vier Jahrgängen in zehnjährigem Abstand der biographische Verlauf von ca. 6500 Promovierten analysiert. Arbeiterkinder mit einem Doktortitel haben sehr viel seltener eine Karriere machen können als Promovierte mit anderer sozialer Herkunft. Hartmann glaubt einen Trend zu erkennen, nachdem seit 1990 ein sozialer Schließungsprozess stattfinde, der den sozialen Aufstieg stärker von der Herkunft als von der Leistung abhängig mache.[18]

Internationale Kritik an der Bildungsbenachteiligung in Deutschland

Kritik der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen

Durch die Bildungsbenachteiligung in der Bundesrepublik Deutschland alarmiert, schickte die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen ihren Sonderberichterstatter Vernor Munoz aus Costa Rica im Februar 2006 in die deutschen Schulen. Muñoz wies darauf hin, dass Bildung in Deutschland durch mangelnde Chancengleichheit geprägt sei. Er kritisierte,

dass der Vorbehalt der deutschen Bundesregierung gegenüber der UN-Kinderrechtskonvention praktisch die Auswirkung hat, dass die Kinder zuerst in ihrem Status als Flüchtling gesehen werden, und dann erst als Kinder. Das führt natürlich dazu, dass Personen, deren rechtlicher Status nicht eindeutig geklärt ist, auch keine Möglichkeit haben, in den Ausbildungsbereich hinein zu kommen...

und empfahl:

dass man das Kind ins Zentrum des Bildungsprozesses rückt. Und wie wir gesehen haben, ist es eindeutig nicht so, dass es eine Bildung gibt, die begründet wird mit den Rechten der Jungen und Mädchen

Weiterhin empfahl er eine Gebührenfreiheit der vorschulischen Bildung und

die Einstufung, die zurzeit im Alter von 10 Jahren stattfindet, auf ein späteres Alter hinauszuschieben und folglich in einen Dialog zu treten, über die Frage der Bildungsstruktur und zwar im Zusammenhang mit einer Analyse der Implikationen für schulische Inhalte und Schulorganisation.

Ebenfalls negativ wertete er den frühen Zeitpunkt der Aufteilung der Schüler nach dem 4. Schuljahr auf weiterführende Schulen. Außerdem kritisierte er, dass Kindergartenplätze in Deutschland kostenpflichtig seien.[19]

Kritik der OECD

Von der OECD wird aus einer bildungsökonomischen Perspektive bemängelt, dass die Bildungsinvestitionen, die ohnehin im Vergleich mit anderen OECD-Staaten gemessen am Bruttoinlandsprodukt unterdurchschnittlich sind, überproportional in den tertiären Sektor (Hochschule) und unterproportional in den Primarbereich (Kindergarten, Grundschule) fließen. So wuchsen die Ausgaben von 1995 bis 203 pro Schüler und Schülerin nur um 5% (im OECD-Durchschnitt um 33%), während sie im gleichen Zeitraum pro Studierenden um 8% zunahmen (im OECD-Schnitt nur um 6%). Dies führe dazu, dass bereits sehr früh eine breite Bildungsförderung unterbunden werde, während Doktoranden (die hauptsächlich eine akademische Herkunft haben) überdurchschnittlich gefördert werden.[5]

Kritik der UNESCO

Aus der UNESCO kam der Wunsch, dass Deutschland dem Education for all-Plan beitreten solle. Der sogenannte EFA-Plan wurde beim Weltbildungsforum der UNESCO 2000 in Dakar mit dem Ziel erarbeit, bis 2015 eine ausreichende und qualitativ gute "Grundbildung für Alle" ("Education for All" - EFA) zu erreichen. Dieser Plan solle nicht nur für Entwicklungsländer gelten, sondern auch für Deutschland, da in Deutschland ebenfalls vier der sechs Bedingungen für eine "Grundbildung für Alle" nicht erfüllt seien:

UNESCO: "Vier der sechs im EFA-Aktionsprogramm formulierten Ziele betreffen direkt oder indirekt auch Deutschland"
EFA-Ziel Deutsche Situation
"Ausweitung und Verbesserung der frühkindlichen Betreuung und Erziehung, insbesondere für gefährdete und benachteiligte Kleinkinder" "Keine geregelte Vorschulbildung, nachteilig besonders für Kinder aus sozialen Problemlagen und mit Migrationshintergrund"
"Absicherung der Lernbedürfnisse von Jugendlichen durch Zugang zu Lernangeboten und Training von Basisqualifikationen" "Ungleiche Chancen: soziale Ausgrenzung und Leistungsselektion anstatt Förderung und Integration sozial schwacher Kinder"
"Signifikanter Abbau des Analphabetismus und Verbesserung der Lern- und Fortbildungsangebote für Erwachsene" "4 bis 7 Millionen Erwachsene in Deutschland sind "funktionale" Analphabeten und haben kaum Chancen, den Anforderungen der Informationsgesellschaft und des Arbeitsmarktes gerecht zu werden"
"Verbesserung der Bildungsqualität und angepasste, relevante Lerninhalte" "veraltetes Lehrmaterial und veraltete Lehrmethoden, mangelnde Lehrerbildung, schlechte Ausstattung und zu geringe Eigenständigkeit der Schulen, zu starre Lehrpläne"
(Andreas Baaden / Eva-Maria Hartmann: EFA und PISA. Warum Deutschland einen nationalen EFA-Plan braucht, in: unesco heute online. Ausgabe 10, Oktober 2002 )


Deutschland brauche ein nationales EFA-Aktionsprogramm, welches sich auf die Schulstruktur, Vorschulbildung, der Grundschulbereich und die Hauptschulen konzentriere. Daürberhinaus müssten die Bemühungen in der Erwachsenenbildung verstärket werden, um jenen Menschen eine qualitative Grundbildung zu ermöglichen, die mit unzureichenden Kenntnissen die Schule verlassen haben. [20]

Kritik der UNICEF

Die UNICEF hob die Diskriminierung im deutschen Bildungssystem in ihrer Studie Disadvantage in Rich Countries [21] besonders hervor und verfasste daraufhin einen Sonderbericht[22]. Im deutschen Bildungssystem würden die Menschen zu früh sortiert und diese Einsortierung würde sich im späteren Leben nur schwer durchbrechen lassen.

Quellen

  1. siehe Kommentar "BVerfGE 9, 124 - Armenrecht" [1]
  2. Bundesministerium für Bildung und Forschung September 2006: Internationale Leistungsvergleiche im Schulbereich [2]
  3. Beate Hock / Gerda Holz (Hg.): Erfolg oder Scheitern? Arme und benachteiligte Jugendliche auf dem Weg ins Berufsleben. Fünfter Zwischenbericht zu einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt [3] S. 9
  4. Deutsches Jugend Institut: OECD - Early Childhood Policy Review 2002–2004. [4]
  5. a b c d e f g h OECD Briefing Notes für Deutschland. Bildung auf einen Blick 2006 (PDF)[5]
  6. Beate Hock / Gerda Holz / Werner Wüstendörfer: Frühe Folgen – langfristige Konsequenzen? Armut und Benachteiligung im Vorschulalter. Vierter Zwischenbericht zu einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt. Textauszüge als Arbeitsmappe Juli 2000, S.39 [6]
  7. UNICEF: A league table of educational disadvantage in rich nations (PDF) S.14f. [7]
  8. Thorsten Schneider: Does the effect of social origins on educational participation change over the life course? [8]
  9. 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks - PDF-Seite S.119 [9]
  10. Tino Bargel, Michael Ramm, Frank Multrus: Studiensituation und studentische Orientierungen. 9. Studierendensurvey an Universitäten und Fachhochschulen Bonn, Berlin 2005 [10] S.10f.
  11. Wo haben Schüler mit Migrationshintergrund die größten Erfolgschancen: Eine vergleichende Analyse von Leistung und Engagement in PISA 2003 Kurzzusammenfassung [11]
  12. Mechtild Gomolla und Frank-Olaf Radtke: Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule. Leske + Budrich, Opladen 2002
  13. Mona Granato: Jugendliche mit Migrationshintergrund in der beruflichen Bildung [12]
  14. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Datenreport 2004. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. Teil II: Objektive Lebensbedingungen und subjektives Wohlbefinden im vereinten Deutschland. Zweite, aktualisierte Auflage S.497 [13]
  15. Hochschul-Informations-System: EUROStudent-Report 2005. Social and Economic Conditions of Student Life in Europe 2005 Hanover 2005 S.157 [14]
  16. Heiko Gosch, Ada-Charlotte Regelmann: „Man muss es sich leisten können...“. Studentische Hilfskräfte: Wer sie sind / Wie sie arbeiten / Was sie wollen. Eine empirische Studie [15]
  17. Michael Hartmann: Macht muß gelernt sein. Die Rekrutierung der deutschen Wirtschaftselite ist keine Frage der Leistung, die bringt man mit, in: junge Welt vom 19.09.2003 [16]
  18. Michael Hartmann: Elitesoziologie. Eine Einführung, Campus-Verlag, Frankfurt / New York 2004 ISBN 3593374390 S.144ff.
  19. Bundespressekonferenz am 21.02.2006 in Berlin mit dem UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung Prof. Dr. Vernor Muñoz Villalobos [17]
  20. Andreas Baaden / Eva-Maria Hartmann: EFA und PISA. Warum Deutschland einen nationalen EFA-Plan braucht, in: unesco heute online. Ausgabe 10, Oktober 2002 [18]
  21. UNICEF: A league table of educational disadvantage in rich nations (PDF) [19]
  22. Sylke Viola Schnepf 2002: A Sorting Hat that Fails? The Transition from Primary to Secondary School in Germany. UNICEF Innocenti Research Centre: Florenz 2002 [20]

Siehe auch

Literatur

  • Hannelore Bublitz: Ich gehörte irgendwie so nirgends hin: Arbeitertöchter an der Hochschule. Focus, Giessen 1980, ISBN 3-88349-208-6.
  • Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-28258-1.
  • Ralf Dahrendorf: Arbeiterkinder an deutschen Universitäten. Mohr Siebeck, Tübingen 1965, ISBN 3-16-517471-7.
  • Mechtild Gomolla und Frank-Olaf Radtke: Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule. Leske + Budrich, Opladen 2002, ISBN 3-8100-1987-9.
  • Mechthild Gomolla: Schulentwicklung in der Einwanderungsgesellschaft. Strategien gegen Diskriminierung in England, Deutschland und in der Schweiz. Waxmann Verlag, Münster 2005, ISBN3-8309-1520-9.
  • Mona Granato: Ungleichheiten beim Zugang zu einer beruflichen Ausbildung: Entwicklungen und mangelnde Perspektiven für junge Menschen mit Migrationshintergrund. Internet-Artikel vom 14.07.2006 [21].
  • Erika Haas: Arbeiter- und Akademikerkinder an der Universität. Eine geschlechts- und schichtspezifische Analyse. Campus, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-593-36223-6.
  • Michael Hartmann: Der Mythos von den Leistungseliten. Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft. Campus-Verlag, Frankfurt/Main 2002, ISBN 3593371510.
  • Wolfgang Isserstedt, Elke Middendorff, Steffen Weber, Klaus Schnitzer, Andrä Wolter: Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2003. 17. Sozialerhebung des deutschen Studentenwerkes durchgeführt durch HIS Hochschul-Informations-System. Bonn/Berlin 2004.
  • Walter Müller, Reinhard Pollak (2004): Weshalb gibt es so wenige Arbeiterkinder in Deutschlands Universitäten?. In: Rolf Becker, Wolfgang Lauterbach (Hrsg.): Bildung als Privileg? Erklärungen und Befunde zu den Ursachen der Bildungsungleichheit. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 311–352, ISBN 3-531-14259-3
  • Anne Schlüter (Hrsg.): Arbeitertöchter und ihr sozialer Aufstieg. Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und sozialer Mobilität. Deutscher Studienverlag, Weinheim 1992, ISBN 3-89271-327-8.
  • Anne Schlüter (Hrsg.): Bildungsmobilität. Studien zur Individualisierung von Arbeitertöchtern in der Moderne. Deutscher Studienverlag, Weinheim 1993, ISBN 3-89271-417-7.
  • Klaus Schubert: Leistungseliten: Die Bedeutung sozialer Herkunft als Selektionskriterium für Spitzenkarrieren. Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung von Sozialisation und Qualifikation. Kovac, Hamburg 2006, ISBN 3-8300-2218-2.
  • Gabriele Theling: Vielleicht wäre ich als Verkäuferin glücklicher geworden: Arbeitertöchter & Hochschule. Westfälisches Dampfboot, Münster 1986, ISBN 3-924550-18-2.
  • UNICEF: Innocenti Report Card No. 4: A league table of educational disadvantage in rich nations. UNICEF Innocenti Research Centre, Florence 2002.