Samuel May



Samuel May oder S. May war der Name eines Familienunternehmens, das 1820 bis 1925 zunächst in Herlinghausen und später in Warburg bestand und sich mit dem Handel von Getreide und anderen Landwaren befasste. Das ehemaliges Wohn- und Bürohaus der Familie wurde am 27. März 1986 in die Liste der Baudenkmäler in Warburg eingetragen.
Geschichte
Samuel May wurde um 1800 in Herlinghausen geboren. 1802 hatte das an der Grenze nach Hessen liegende, überwiegend evangelisch geprägte Dorf 395 Einwohner. Davon waren 121 (30,6 %) Juden. 1810 zählte man 22 jüdische Familien, von denen 10 zur Miete wohnten. 1820 gründete Samuel May dort sein Handelsgeschäft, das sich wohl, wie viele andere jüdische Familien der Region, mit Klein-, Getreide- und Viehhandel beschäftigte.
Israel May, sein am 6. Mai 1840 in Herlinghausen geborener Sohn, übernahm den Betrieb. Er verlagerte ihn um 1870 in die ca. 6 km nordöstlich gelegene Stadt Warburg und baute ihn zu einem Großhandelsgeschäft aus. Hierzu erwarb er das ca. 3000 qm große Grundstück der ehemaligen preußischen Zollstation einschließlich Gebäuden an der Kasseler Straße 13, deren Nutzung 1853 aufgegeben worden war[1], und gründete eine Familie. Er galt als streng traditionell, während seine aus Adelebsen stammende Frau Berta, geb. Eichenberg (1849–1912), aus einer liberaleren Familie kam. Das Paar bekam sechs Kinder:
- Clara (* ?, ∞ Stahlberg, † 1956 in den Niederlande)
- Siegfried, (* in Warburg)
- Joseph (* 26. Dezember 1875 in Warburg, † 1936, Niederlande)
- Willi (* 24. September 1878 in Warburg, † 10. Januar 1940, Hannover)
- Martha (* 4. August 1880 in Warburg, † 19. November 1971, La Jolla, CA, USA)
- Maria (* 2. September 1883 in Warburg, ∞ Hugo Berg, † 14. Oktober 1944 im KZ Auschwitz)
Auf dem gegenüber des Betriebes gelegenen Grundstücks Kasseler Straße 10 ließ Israel May um 1880 für seine Familie eine geräumige, noch heute bestehende Villa im Stil der Neurenaissance bauen. Auf dem benachbarten Grundstück Kasseler Straße 12 entstand ein Kornhaus, das damals das größte der Stadt war.[2] 1920 feierte das Geschäft S. May sein 100-jähriges Firmenjubiläum. Kurz nach diesem Jahrestag starb Israel May am 20. September 1920.
Willy May, Israels zweiter Sohn, führte den Betrieb in der dritten Generation weiter, da sein älterer Bruder Joseph Warburg bereits am 19. Mai 1903 verlassen hatte, um nach Arnsberg zu ziehen. Er hatte noch vor dem Ersten Weltkrieg Käthe Lenzberg (* 30. Oktober 1888 in Lemgo, † 5. Juli 1929 in Münster) geheiratet, die aus einer Bankiersfamilie stammte. Das Paar bekam am 28. September 1914 einen Sohn, Kurt. Willi wurde Stadtverordneter[3] und Mitglied der Loge "B’nai B’rith". Als Geschäftsführer hatte jedoch kein Glück, denn infolge der Inflation brach im Mai 1925 der Getreidekonzern zusammen. Die Immobilien wurden verkauft. Die Villa Kasseler Straße 10 diente weiter zu Wohnzwecken, das ehemalige Kornhaus Kasseler Straße 12 wurde später als Autowerkstatt umgebaut und das Grundstück Kasseler Straße 13 übernahm die Post, um es später für ein Fernmeldeamt zu nutzen.
Nachwirken
Am 9. Oktober 1926 zog Willy May mit seiner Familie zunächst nach Münster. Dort übernahm er die Filiale des Düsseldorfer Getreidegeschäftes Grüneberg, dessen Mitinhaber sein Bruder Josef war. Auch das Geschäft musste schließen. Am 5. August 1929 starb seine Frau in Münster. Vom 1. April 1929 bis zum 31. März 1938 war Willi noch als selbständiger Getreideagent tätig und wohnte in der Goebenstr. 36, ab 1938 in der Hafenstraße 29 und später zur Untermiete in der Langenstraße 42. Er starb verarmt am 10. Januar 1940 im Jüdischen Krankenhaus in Hannover und wurde neben seiner Frau auf dem jüdischen Friedhof Münster beigesetzt.
Kurt May bestand 1933 sein Abitur am Städtischen Gymnasium und Realgymnasium in Münster. Danach studierte er zunächst ein Semester Französisch in Lausanne und absolvierte im März 1934 ein Studium an der Handelshochschule "Ecole des Hautes Etudes Commerciales" in Paris, dem sich ein Volontariat in einer Großmühle (Grands Moulins) in Marseille anschloss. Im Mai 1936 wanderte er über Lissabon nach Argentinien aus. Seine Ersparnisse überführte er mit einem Transferverlust von 90 % nach Argentinien. Sein Versuch, seinen Vater ebenfalls zur Ausreise zu bewegen, wurde von diesem abgelehnt. Nach Abendkursen in Spanisch und Stenographie erhielt er 1938 eine Stelle in einem Handels- und Industrieunternehmen, die er bis 1960 behielt, zuletzt als Geschäftsführer. Danach war er als selbständiger Vertreter für Haushaltswaren und Plastikartikel tätig. Er war seit 1946 mit Edith, geb. Holdheim, verheiratet. Ihr Sohn Claudio wurde am 10. April 1949 geboren. 1983 kehrten die Eheleute May nach Deutschland zurück, wo sich ihr Sohn, der Arzt geworden war, mit Familie aus beruflichen Gründen niedergelassen hatte. Kurt starb am 18. Juli 2000 in Bad Neuenahr.
Weblinks
- Jüdischer Friedhof Münster mit weiteren Fotos
- Glady's and David's Genology
Literatur
- Gisela Möllenhoff, Rita Schlautmann-Overmeyer: Jüdische Familien in Münster 1918 – 1945. Teil I. Biographisches Lexikon, Münster 2001, S. 291–293, inkl. Korrigenda- und Ergänzungsliste vom August 2001
- Hermann Hermes: Deportationsziel Riga. Schicksale Warburger Juden. Hermes Verlag, Warburg 1982, ISBN 3-922032-03-6.
- Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.): Denkmäler in Westfalen, Kreis Höxter, Bd. 1.1: Stadt Warburg (Reihe Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland). Michael Imhof Verlag, Petersberg 2015, ISBN 978-3-7319-0239-3.
Einzelnachweise
- ↑ Denkmaltopographie 2015, S. 270
- ↑ Denkmaltopographie 2015, S. 270.
- ↑ Denkmaltopographie 2015, S. 48