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Hans Magnus Enzensberger

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Hans Magnus Enzensberger, Warschau, 20. Mai 2006

Hans Magnus Enzensberger (* 11. November 1929 in Kaufbeuren) ist ein deutscher Dichter, Schriftsteller, Übersetzer und Redakteur, auch bekannt unuf. Sein Vater war Ingenieur und Telekommunikationsspezialist. Die letzten Tage des zweiten Weltkriegs erlebte er als Volkssturm-Angehöriger.

Er studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Erlangen, Freiburg im Breisgau, Hamburg und an der Sorbonne in Paris. Während seines Studiums war er Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. 1955 hat er mit einer Arbeit über Clemens Brentanos Poetik promoviert. Bis 1957 arbeitete er daraufhin als Hörfunkredakteur in Stuttgart. Er nahm an diversen Tagungen der Gruppe 47 teil. 1963 wurde er mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.

Von 1965 bis 1975 gab Enzensberger die Zeitschrift Kursbuch heraus. Enzensberger hatte insbesondere mit dem Kursbuch, aber auch mit seinen Werken großen Einfluss auf die Studentenbewegung. 1968 äußerte er in Vorträgen in Kalifornien, dass das Recht auf Kritik ein bloßer amerikanischer Luxus sei, wie Konsumgüter.

Seit 1985 gibt er die Buchreihe Die Andere Bibliothek heraus. 1985 erhielt er den Heinrich-Böll-Preis und 1993 den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis. 1998 wurde ihm der Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf verliehen. Der letzte wichtige Preis, mit dem Enzensberger geehrt wurde, war 2002 der Preis Prinz von Asturien.

Besonders mit seinem Text Baukasten zu einer Theorie der Medien (1970), der 1999 in einem Band mit Bertolt Brecht und Jean Baudrillard erschienen ist, setzt sich Enzensberger mit dem Fernsehen und den Medien auseinander. Er bezeichnet die elektronischen Medien als Hauptantrieb der „Bewusstseins-Industrie“ und schreibt ihr weitgehende Steuerungs- und Kontrollfunktionen über die spätindustrielle Gesellschaft und deren Entwicklung zu. Enzensbergers Ziel ist eine sozialistische Theorie der Medien. Sorgen bereitete ihm der ängstliche Umgang der Sozialisten mit den Medien. Er forderte von ihnen einen emanzipatorischen Umgang mit den Medien, der ihnen inne ist. Probleme sah er im bis heute „repressiven Mediengebrauch“, wie er ihn nennt: ein zentral gesteuertes Programm mit einem Sender und vielen Empfängern, der die Konsumenten passivisiert und entpolitisiert. Spezialisten produzieren den Inhalt und werden durch Eigentümer oder Bürokratie kontrolliert. Enzensberger sieht aber weit größere Möglichkeiten der elektronischen Medien und pocht auf sie. Ein „emanzipatorischer Mediengebrauch“ würde jeden Empfänger auch zum Sender machen. Technische Barrieren seien künstlich geschaffen. Durch die Aufhebung dieser Barrieren würden die Massen mobilisiert und politisch eingebunden. Die gesellschaftliche Kontrolle würde nicht von einer Instanz wahrgenommen, sondern durch eine selbstorganisierte Gesellschaft.

Im Jahre 1987 verwendete er die Begriffe Ossie und Wessie in dem Prosaband "Ach, Europa! Wahrnehmungen aus sieben Ländern". In einem fiktiven Reisebericht durch das Europa im Jahre 2006 beschreibt er in einem Kapitel ein friedlich wiedervereinigtes Deutschland, in dem sich aber "Ossies" und "Wessies" spinnefeind sind.

In seinen 1988 veröffentlichten Gesammelten Zerstreuungen bezeichnete Enzensberger das Fernsehen als „Nullmedium“.

Enzensberger arbeitete gemeinsam mit dem Filmemacher Peter Sehr an einer Verfilmung des Lebens von Georg Christoph Lichtenberg.

Im Jahre 2003 unterstützte er öffentlich die Invasion des Irak durch amerikanisch geführte Koalitionstruppen.

Werke

  • Verteidigung der Wölfe, Gedichte, 1957
  • Clemens Brentano: Gedichte, Erzählungen, Briefe (als Hrsg.), 1958
  • Museum der modernen Poesie (als Hrsg.), 1960
  • landessprache, Gedichte, 1960
  • An alle Fernsprechteilnehmer, Gedicht, 1960
  • Brentanos Poetik, 1961 (Druckfassung der Diss. Erlangen 1955)
  • Allerleirauh. Viele schöne Kinderreime (als Hrsg.) 1961
  • Einzelheiten, Essays, 1962
  • Gedichte. Die Entstehung eines Gedichts, 1962
  • Politik und Verbrechen, Essays, 1964
  • blindenschrift, Gedichte, 1964
  • Georg Büchner, Ludwig Weidig: Der Hessische Landbote. Texte, Briefe, Prozeßakten (als Hrsg.), 1965
  • Bartolomé de las Casas: Kurzgefaßter Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder (als Hrsg.), 1966
  • Deutschland, Deutschland unter anderm. Äußerungen zur Politik, 1967
  • Staatsgefährdende Umtriebe, Rede zur Verleihung des Nürnberger Literaturpreises, 1968
  • Freisprüche. Revolutionäre vor Gericht, 1970
  • Das Verhör von Habana, Prosa, 1970
  • Der kurze Sommer der Anarchie. Buenaventura Durrutis Leben und Tod, Roman, 1972
  • Klassenbuch. Ein Lesebuch zu den Klassenkämpfen in Deutschland (als Mithrsg.), 1972
  • Gespräche mit Marx und Engels, 1973
  • Palaver. Politische Überlegungen 1967-1973, Essays, 1974
  • Mausoleum. 37 Balladen aus der Geschichte des Fortschritts, 1975
  • Der Weg ins Freie. Fünf Lebensläufe, 1975
  • Der Untergang der Titanic. Eine Komödie, Versepos, 1978
  • Unsere Landessprache und ihre Leibwächter, 1979
  • Die Furie des Verschwindens. Gedichte, 1980
  • Politische Brosamen, Essays, 1982
  • Das Wasserzeichen der Poesie oder Die Kunst und das Vergnügen, Gedichte zu lesen (Unter dem Pseudonym Andreas Thalmayr), 1985
  • Auferstanden über alles. Fünf Untersuchungen, 1986
  • Ach, Europa! Wahrnehmungen aus sieben Ländern, Prosa, 1987
  • Mittelmaß und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen, 1988
  • Der Fliegende Robert. Gedichte, Szenen, Essays, 1989
  • Diderot und das dunkle Ei. Ein Interview, 1990
  • Zukunftsmusik, Gedichte, 1991
  • Die Tochter der Luft, Drama, 1992
  • Die Große Wanderung, Essays, 1992
  • Aussichten auf den Bürgerkrieg, 1993
  • Das Brot und die Schrift, 1993
  • Diderots Schatten. Unterhaltungen, Szenen, Essays, 1994
  • Kiosk. Neue Gedichte, 1995
  • Voltaires Neffe. Eine Fälschung in Diderots Manier, 1996
  • Zickzack, Aufsätze, 1997
  • Der Zahlenteufel. Ein Kopfkissenbuch für alle, die Angst vor der Mathematik haben, 1997
  • Wo warst du, Robert?, Roman, 1998
  • Drawbridge Up: Mathematics - A Cultural Anathema / Zugbrücke außer Betrieb: Die Mathematik im Jenseits der Kultur (dt., engl.) Natick, Mass. : Peters, 1999
  • Leichter als Luft. Moralische Gedichte, Frankfurt a.M. (Suhrkamp) 1999
  • Die Elixiere der Wissenschaft. Seitenblicke in Poesie und Prosa, 2002
  • Die Geschichte der Wolken. 99 Meditationen, 2003
  • Nomaden im Regal. Essays, 2003
  • Lyrik nervt! Erste Hilfe für gestresste Leser, 2004 (unter dem Pseudonym Andreas Thalmayr)
  • Dialoge zwischen Unsterblichen, Lebendigen und Toten, 2004
  • Heraus mit der Sprache. Ein bisschen Deutsch für Deutsche, Österreicher, Schweizer und andere Aus- und Inländer, 2005 (unter dem Pseudonym Andreas Thalmayr)
  • Schauderhafte Wunderkinder, 2006 (unter dem Pseudonym Linda Quilt)
  • Schreckens Männer - Versuch über den radikalen Verlierer", 2006 Suhrkamp Verlag

Literatur

  • Jörg Lau: Hans Magnus Enzensberger. Ein öffentliches Leben. Fest, Berlin 1999, ISBN 3-8286-0049-2

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