St. Reinoldi (Dortmund)



Die evangelische Reinoldikirche ist die, ihrem Gründungsdatum nach, älteste erhaltene mittelalterliche Kirche im historischen Stadtkern Dortmunds und ist nach dem heiligen Reinoldus, dem Schutzpatron der Stadt benannt.
Geschichte
Dortmunder Chronisten vermuten an der Kreuzung des Hellwegs mit der historischen Straße von Köln nach Bremen eine Ursprungskirche aus dem 9. Jahrhundert. Von dieser Kirche existieren allerdings keine Grabungsfunde. Belegt hingegen ist eine Pfalzkirche aus ottonischer Zeit. Diese ottonische Saalkirche mit Querschiff und halbrunder Apsis wurde bei Kriegsunruhen um 1060 erstmals zerstört und dann mit neuer Außenkrypta neuerrichtet, um die vielleicht 1065 nach Dortmund gebrachten Reinold-Reliquien aufzunehmen.
Diese, nun unter dem Patrozinium des Heiligen Reinoldus stehende Kirche wurde wahrscheinlich bei Kämpfen in den Jahren 1113 bis 1115 erneut zerstört und anschließend neu aufgebaut.
Ein Stadtbrand von 1231/32 zerstörte die Kirche ein drittes Mal. Dies belegen Brandspuren, die in jüngster Zeit bei archäologischen Untersuchungen an der Nordseite der heutigen Kirche entdeckt wurden[1]. Ihr Wiederaufbau setzte zwischen 1233 und 1235 ein. Aus dieser Bauphase stammen das heute noch bestehende Lang- und das Querhaus, die um 1260 vollendet wurden.
In der Entwicklung der Stadt spielte der Streit um das Kirchenpatronat für die Reinoldikirche eine wichtige Rolle. Das Recht zur Besetzung der Pfarrstelle lag zunächst beim Dekan des Kölner Stifts Mariengraden. Durch Urkunden belegt sind kirchenrechtliche Prozesse zwischen 1262 bis 1290, die mit einem Kompromiss endeten: Das Kölner Stift durfte nur Dortmunder Bürger zum Pfarrer bestimmen. Seit 1421 scheint der Rat das Patronatsrecht für die Reinoldikirche wahrgenommen zu haben, die dazu führenden Vorgänge sind nicht belegt[2].
Der gegenwärtige Bau ist eine spätromanische Kirche mit spätgotischem Chor. Die Reinoldikirche wurde in im Grundaufbau 1250 bis 1270 als Pfeilerbasilika mit Querhaus errichtet.
Im 14. Jahrhundert geriet die freie Reichsstadt Dortmund zunehmend unter Druck der umliegenden Territorialmächte, konnte sich jedoch behaupten. Vom 29. Mai 1388 bis zum 8. November 1389 dauerte die „Große Fehde“, aus der Dortmund gestärkt hervorging. Die in den folgenden Jahren entwickelte wirtschaftliche Stärke schlug sich unter anderem in den den Krichen gespendeten Kunstschätzen nieder. 1421 bis 1450 baut man den großen Ratschor der Reinoldikirche, der das Bild der Kirche bis heute prägt[3]. 1446 beginnt man damit, die Sakristei anzubauen.
Die Ausstattung der Reinoldikirche macht deutlich, dass eine wesentliche Funktion des Baus die Repräsentation der reichsstädtischen Freiheit Dortmunds war. Im Übergang zwischen Kirchenschiff und Chor werden Skulpturen von Karl dem Großen und des Stadtpatrons Reinoldus aufgestellt, beide auf dem Adlerwappen der Stadt, dessen Ähnlichkeit zum Adlerwappen des Reiches ins Auge fällt. Die Anordnung des Ratsgestühls vor dem Reliquienhaus mit den Gebeinen des Stadtpatrons macht die enge Verbindung zwischen religiösen und sakralen Vorstellungen deutlich[4].
Der Turm der Reinoldikirche wurde ab 1443 erneuert. Wegen seiner Höhe von 112 m galt er nach seiner Vollendung 1454 als „Wunder von Westfalen". Der Turmhelm wurde 1519 erstmals erneuert. Am 24. Juni 1520 wurde die Dacheindeckung mit Kupfer vollendet, am 27. Juli die Kugel aufgesetzt. Die Dachspitze war nun um weitere sieben Meter in die Höhe gewachsen. Auf dem Bauwerk wachte ein Türmer hoch über der Stadt.
1661 stürzte der Turm nach Erdbebenschäden ein. Das Fundament für den neuen Turm wurde am 1662 gelegt und das Bauwerk 1701 mit barocker Haube vollendet.
Im 1. Weltkrieg spendete die Reinoldigemeinde die Glocken, das Kupferdach und das Orgelprospekt um aus diesen Rohstoffen Rüstungsgüter zu produzieren. Nach dem Krieg wurde 1926 im Nordwesten der Kirche eine sogenannte Heldenkapelle errichtet, um hier den Gefallenen des 1. Weltkrieges zu Krieges zu gedenken.
Auch im zweiten Weltkrieg wurde die Kirche schwer beschädigt. Am 6. Oktober 1944 beim vierten alliierten Großangriff auf Dortmund wird die bereits bei vorangegangenen Angriffen beschädigte Reinoldikirche bis auf die Seitenmauern zerstört.
Der Wiederaufbau, zum Teil über Spenden und eine Lotterie finanziert, begann 1950 und dauerte sechs Jahre. Am 3. Juni 1956 wird Einweihung in der wiederaufgebauten Sankt-Reinoldi-Kirche gefeiert. Seit dem Wiederaufbau trägt der Turm nun eine Haube, die, Barockformen zitierend, sichtbar und harmonisch den Stil der Zeit der Wiederherstellung über das historische Bauwerk setzt.
Der Turm der Reinoldikirche (heutige Höhe: 104 m) kann bis zur ersten Plattform durch den Glockenturm bestiegen werden.
Im Jahre 2006 wurde am südwestlichen Glockenturm ein zweigeschossiger, gläserner Anbau realisiert. Der Bau besitzt einen Durchbruch zum historischen Kirchenbauwerk und beheimatet das Reinoldiforum der Evangelischen Stadtkirche Dortmund.
Kunstschätze
In der Reinoldikirche finden sich zahlreiche Kunstschätze und historische, religöse Objekte. Die meisten dieser Kunstschätze wurden zur Ausschmückung des zwischen 1421 und 1450 neuerbauten Chores vom Rat der Hansestadt Dortmund und von reichen Dortmunder Bürgern gestiftet.
An der Nordseite des Choreinganges findet sich eine hölzerne Skulptur des Reinoldus. Die überlebensgroße Skultur des ritterlichen Kirchen- Stadtptron stammt aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Reinold steht auf einem mit Adler und Löwen ausgeschmückten Säulenpodest und wird von einem hölzernen Baldachin beschirmt. Das heutige hölzerne Äußere der Figur wurde im 19. und 20. Jahrhundert mehrfach restauriert. Es ist anzunehmen das die Skulptur ursprünglich bemalt war.
Auf der anderen Seite des Chores wacht eine weitere hölzerne Figur über die Gemeinde. Die Skulptur Karls des Großen verdeutlich die weltliche Herrschaft. Karl der Große hält den Reichsapfel und ein Szepter in Händen. Er ist mit einer Bügelkrone, Rüstung und kostbarem Umhang bekleidet. Das Schnitzwerk stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts.
Das Chorgestühl an der Nord- und Südwand des Chores wurde 1462 von einem Schnitzer namens Hermann Brabender gefertigt. Auf dem Gestühl nahmen während der mittelalterliche Messe die Ratherren Platz. Es bietet Platz für 42 Personen. Auf den äusseren Seiten des Gestühls finden sich Schnitzereo mit Darstellungen von Reinoldus und des Kaisers. Weiterhin werden dort Maria, Jesus sowie die Heiligen Pantaleon, Quirinus von Neuss und Antonius der Eremit abgebildet.
1456 wurde direkt neben der Chorgestühlsseite des Rates ein Reliquienhaus aufgestellt. Hier wurden bis ins 17. Jahrhundert Reliquien des heiligen Reinoldus und weiterer Heiliger verwahrt. Von den hier ursprüngliche verwahrten Reliquien sind keine erhalten. Gegenüber des Reliquienhauses findet sich ein Sakramentshaus.
Das Retabel auf dem Hochaltar stammt aus dem Jahre 1420 und wurde in Belgien gefertigt. Das heute dauerhaft geöffnete Retabel zeigt Szenen aus dem Leben Jesus und Marias. Im Mittelteil der Altartafel wird die Kreuzigung Christi thematisiert.
- Marienskulptur aus Mitte des 15. Jahrhunderts über der Sakristeitür
- 12 Apostelskulpturen vor den Fenstern
- Adlerpult aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
- Taufbecken aus dem Jahre 1469
Die Glocken
Im Inneren hängt ein Großgeläute der Gießerei "Bochumer Verein" mit einem Gesamtgewicht von 35 t einschl. Glockenstuhl. Die Glockenweihe und damit verbunden das erste Läuten fand unter großer Beteiligung der Bevölkerung am 24. Dezember 1954 in der Christvesper statt. Die damaligen Kosten der insgesamt 6 Stahlglocken betrugen 90.500 DM. Die Dreifaltigkeitsglocke ist die größte läutbare Gussstahlglocke Westfalens.
Tonaufnahme (Media:Reinoldi.ogg) und Glockendaten:
Nr. | Name | Gussjahr | Gießerei | Gewicht/kg (ca.) | Durchmesser/m | Schlagton |
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1 | Dreifaltigkeitsglocke | 1954 | BVG | 6 500 | 2,53 | f ° |
2 | Friedensglocke | 1954 | BVG | 3 150 | 2,09 | as° |
3 | Prophetenglocke | 1954 | BVG | 2 500 | 1,90 | b° |
4 | Apostelglocke | 1954 | BVG | 1 500 | 1,60 | des' |
5 | Lutherglocke | 1954 | BVG | 1 100 | 1,43 | es' |
6 | Reinoldusglocke | 1954 | BVG | 750 | 1,26 | f ' |
Quellen und Anmerkungen
- ↑ Norbert Reimann, Das Werden der Stadt, in: Gustav Luntovski, Günther Högl, Thomas Schilp, Norbert Reimann, Geschichte der Stadt Dortmund, a.a.O., S. 64
- ↑ Thomas Schilp, Die Reichsstadt, 1250-1802, in: Gustav Luntovski, Günther Högl, Thomas Schilp, Norbert Reimann, Geschichte der Stadt Dortmund, a.a.O., S. 152
- ↑ Thomas Schilp, Die Reichsstadt, 1250-1802, in: Gustav Luntovski, Günther Högl, Thomas Schilp, Norbert Reimann, Geschichte der Stadt Dortmund, a.a.O., S. 88
- ↑ vgl. Thomas Schilp, Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund, in: Andreas Zupancic, Thomas Schilp (Hg.), Der Berswordt-Meister und die Dortmunder Malerei um 1400, a.a.o., S.41 ff.
Literatur
- Wolfgang Rinke: Dortmunder Kirchen des Mittelalters. Dortmund 1991, ISBN 3-7932-5032-6
- Paul Fiebig, St. Reinoldus in Kult, Liturgie und Kunst (Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 53), 1956.
- Thomas Schilp und Beate Weifenbach (Hg.), Die mittelalterliche Stadt und ihr heiliger Patron. Reinoldus und die Dortmunder Bürgergemeinde, Essen 2000.
- Nils Büttner, Thomas Schilp, Barbara Welzel (Hg.), Städtische Repräsentation – St. Reinoldi und das Rathaus als Schauplätze des Dortmunder Mittelalters (Dortmunder Forschungen zur Kunst, Kultur und Geschichte des Spätmittelalters Bd. 5). 2005.
- Thomas Schilp und Barbara Welzel (Hg.), Dortmund im Mittelalter. Stadtführer, (Dortmunder Mittelalter-Forschungen) Bielefeld 2006
- Gustav Luntovski, Günther Högl, Thomas Schilp, Norbert Reimann, Geschichte der Stadt Dortmund, hrsg. vom Stadtarchiv Dortmund, Dortmund (Harenberg) 1994, ISBN 36113972
- Thomas Schilp, Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund, in: Andreas Zupancic, Thomas Schilp (Hg.), Der Berswordt-Meister und die Dortmunder Malerei um 1400, Stadtkultur im Spätmittelalter, Bielefeld (Verlag für Regionalgeschichte) 2002, ISSN 1610-403X, ISBN 3-89534-488-5