Forsa
Forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen GmbH
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Rechtsform | GmbH |
Gründung | 1984 |
Sitz | Berlin, Deutschland |
Leitung | Manfred Güllner, Thorsten Thierhoff[1] |
Mitarbeiterzahl | 80 (Stand März 2018) |
Branche | Dienstleistung |
Website | www.forsa.de |
Die forsa. Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH, kurz forsa, ist – neben der Forschungsgruppe Wahlen, Kantar, Allensbach und infratest dimap – eines der führenden Markt- und Meinungsforschungsinstitute Deutschlands. Gründer der Gesellschaft ist Manfred Güllner.
Bei Forsa sind rund 80 Mitarbeiter (darunter ca. 40 Wissenschaftler) tätig.[2] Die GfK SE, das größte deutsche Marktforschungsunternehmen, beschäftigt im Vergleich dazu allein in Deutschland rund 1.600 Festangestellte. 1984 gegründet, hat forsa seine Hauptniederlassung in Berlin und weitere Niederlassungen in Dortmund und Frankfurt am Main.
Geschichte
Forsa wurde 1984 von Manfred Güllner gegründet.[3] Im Januar 2017 wurde Thorsten Thierhoff neben Güllner neuer Geschäftsführer von Forsa.[1]
Vorgehen bei der Meinungsforschung
Telefonumfragen
Werktäglich werden mindestens 1000 repräsentativ ermittelte Personen (Stand: 2021) per Telefon zwischen 16:30 und 21:00 Uhr befragt. (In diesem Zeitrahmen ist auch die für Umfragen sehr wichtige Gruppe der Werktätigen hauptsächlich anzutreffen). Ab 14 Jahren aufwärts kann man sich freiwillig an den Befragungen beteiligen, die sich hauptsächlich um die Bereiche Sozialforschung, Wahl- und Politikforschung, Medien-, Markt- und Onlineforschung drehen.
Es soll hauptsächlich ein Stimmungsbild „der Deutschen“ ermittelt werden. Die angerufenen Telefonnummern werden per Zufallsverfahren ermittelt, d. h. der Interviewer weiß nicht, mit wem er das Interview durchführen wird, alle erfragten Daten werden anonymisiert. Aus statistischen Gründen werden die Interviews nur mit der Person im Haushalt geführt, die als letzte Geburtstag hatte. Auf diese Art und Weise soll gewährleistet werden, dass bei diesen Umfragen alle Altersgruppen einbezogen und dass Männer und Frauen im selben Umfang befragt werden. Die Daten werden nur nach statistischen Angaben ausgewertet.
Da die Daten objektiv ermittelt werden sollen, werden die Auftraggeber einer Umfrage, so lange die Befragung läuft, nicht genannt. Dennoch lassen sich aus Publikationen der Institute (zum Teil Publikationen der Verbände, wie dem des BVM oder ESOMAR) die einzelnen Geschäftsfelder und die auftraggebenden Firmen und Institutionen ablesen.
Weitere Erhebungsmethoden
Neben den Telefoninterviews (CATI-Befragung) setzt forsa weitere Erhebungs- und Auswertungsmethoden ein, insbesondere in der B-to-B-Forschung die CAPI-Befragungen (Rechner-unterstützte persönliche Befragungen).
Onlinebefragung
In der Online-Forschung hingegen setzt das Institut auf ein eigenes Intra-Netz von Panel-Teilnehmern, das forsa.omninet. Mit der Vorarbeit für forsa.omninet wurde 1999 begonnen. Im Herbst 2000 konnte ein Versuchspanel mit 100 Haushalten in Berlin starten. Im Laufe des Jahres 2001 wurde ein bundesweites Versuchspanel mit 1.000 Haushalten aufgebaut.[4] Im Jahr 2015 bestand das Panel aus 30.000 bundesweit repräsentativen Haushalten.[5] Der (kostengünstigen) Online-Forschung via PC und Internet scheint forsa hingegen wohl aus der Begründung mangelnder Repräsentativität eher skeptisch bis ablehnend gegenüberzustehen.
Zusätzlich zur Meinungsforschung umfasst das Leistungsprofil die Versorgungsbereiche: kommunale und sonstige öffentliche Versorgung, Grundstoffindustrie, Handwerk, Investitionsgüter allgemein, Transport, Verkehr, Finanzdienstleistungen, Medien, Print, Media, TV.
Im März 2016 übernahm forsa vom Link Institut das LINK Internet Panel Frankfurt.[6]
Kritik
Kontroversen um SPD-Nähe
Sowohl forsa als auch dem Institutsleiter Manfred Güllner, selbst SPD-Mitglied, wurden angesichts verschiedener Wahlprognosen, zuletzt zur Wahl 2005 in Nordrhein-Westfalen, eine gewisse SPD-Nähe vorgeworfen. Das Forsa-Institut erwirkte gegen entsprechende Vorwürfe aus der CDU erfolgreich eine einstweilige Verfügung, doch blieb, dass in politischen Fragen eine partiell größere Zustimmung der Befragten zu SPD-nahen Positionen festzustellen war als bei anderen Instituten. Nach eigenen Angaben erhielt Forsa 2002 zur Bundestagswahl und 2005 zur Landtagswahl in NRW Aufträge im Wert von 40.000 Euro, ansonsten keine. Am 6. September 2002 nannte der Mainzer Professor für Publizistik Hans Mathias Kepplinger in einem Interview der ZEIT Infratest, Emnid und das Institut für Demoskopie Allensbach – und nicht forsa – als Institute, die sich aufgrund ihrer Interessenlagen nicht allzu tendenziös zeigten, wenngleich der Leiterin des Instituts für Demoskopie Allensbach, Elisabeth Noelle-Neumann, und ihrer Geschäftsführerin Renate Köcher eine Nähe zur Union nicht unbedingt abzusprechen ist. Dass das Allensbacher Institut mit der Universität in Mainz kooperiert (Noelle-Neumann war dort Direktorin des Instituts für Publizistik) – mithin also auch mit dem Publizistik-Professor Kepplinger –, verweist auf den fließenden Übergang von Meinungsforschung und Meinungsgestaltung.
Die Forsa in der Vergangenheit vorgeworfene SPD-Nähe hat sich nach der Bundestagswahl 2005 deutlich relativiert und ins Gegenteil umgekehrt. Bereits 2007 und mehr noch im ersten Quartal 2008 ermittelte Forsa Umfragewerte für die SPD, die durchschnittlich um ca. 5 Prozentpunkte unter den Zahlen der anderen Meinungsforschungsinstitute lagen. Daher erheben sich in jüngerer Zeit Vorwürfe gegen Forsa, nach dem Ausscheiden von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der als Freund des Institutsleiters Manfred Güllner gilt, gegen die SPD und eine festgestellte Abkehr vom „Reformkurs“ zu demoskopieren.[7]
Ein Beispiel hierfür ist eine Forsa-Studie aus dem Sommer 2008. Sie kam zum Ergebnis, dass 36 % der SPD-Mitglieder über einen Austritt aus der Partei nachgedacht haben. Der damalige SPD-Chef Kurt Beck kritisierte Güllner massiv und teilte mit, dass er Umfragen des Forsa-Instituts nicht kommentiere.[8] Ein Bericht des ARD-Hauptstadtstudios über eine Umfrage zur Bundestagswahl 2013 relativierte das Forsa-Ergebnis im Januar 2013: „Generell gilt jedoch in den Augen vieler Branchenkenner: Umfragen von Forsa sind mit äußerster Vorsicht zu genießen. Sehr häufig liegen sie weit weg von dem, was die meisten anderen Meinungsforschungsinstitute messen.“[9]
Im Dezember 2019 geriet Forsa erneut bezüglich einer Umfrage über die SPD in die Kritik. Dem Institut wurde etwa seitens des Blogs Übermedien vorgeworfen, mit der Art der Fragestellung das Ergebnis einer Umfrage in die von Forsa-Chef Manfred Güllner gewünschte Richtung zu lenken. Anlass war die Wahl der neuen Parteivorsitzenden der SPD Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, woraufhin Forsa Bürger befragte, ob die SPD eher mit einem „ideologischen Linkskurs“ oder einem „pragmatisch-rationalen Mitte-Kurs“ wieder neues Vertrauen bei den Wählern gewinnen kann. Diese Wortwahl werteten Beobachter als manipulativ ein. Forsa entgegnete, diese Umfrage sei zwar so durchgeführt, aber nur ein „Pre-Test zur Überprüfung der Methodik“ gewesen.[10] Anzumerken ist, dass eine "Sonntagsfrage" von Forsa die SPD kurz nach der Wahl der neuen Vorsitzenden nur noch bei 11 Prozent und somit drei Prozent schlechter als in der Vorwoche sah. Andere Institute sahen hingegen keine Veränderungen oder sogar leichte Zugewinne für die SPD.[11]
Weitere Vorwürfe manipulativer Fragestellungen
2003 war der Vorwurf laut geworden, Forsa habe eine Umfrage zum Thema Studiengebühren manipuliert, die im Auftrag des der Bertelsmann-Stiftung nahestehenden Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) erstellt worden war. Es hieß in den Ergebnissen: „Die Mehrheit der Studierenden (59 %) und die Mehrheit der Bevölkerung (67 %) äußern im November 2003, dass sie Studiengebühren befürworten würden, wenn diese den Hochschulen direkt zugute kommen und durch Darlehen finanziert werden können.“[12] Diese Ergebnisse wurden in einer Pressemitteilung des CHE im Dezember 2003 veröffentlicht und von einigen Zeitungen übernommen.[13][14] Später wurde laut der Süddeutschen Zeitung vom CHE indirekt eingeräumt, dass die Befragten sich tatsächlich nur zwischen verschiedenen Modellen von Studiengebühren, nicht aber gänzlich dagegen entscheiden konnten.[15]
2007 führte Forsa eine Umfrage im Auftrag der Deutschen Bahn AG durch. Es wurde nach Vorteilen der Bahnprivatisierung gefragt, nicht aber nach Nachteilen. Die Umfrageergebnisse wurden einen Tag vor einer Anhörung im Bundestag veröffentlicht. Lobbycontrol wirft Forsa vor, damit den Eindruck erweckt zu haben, dass eine Privatisierung von der Bevölkerung gewollt sei, auch wenn sich dies nicht aus der Umfrage ergibt.[16] Der Deutsche Rat für Public Relations bezeichnete die Fragen als manipulativ.[17]
2015 kamen überwiegend über den Mikrobloggingdienst Twitter Vorwürfe gegen Forsa auf, da in einem Stern-Artikel laut einer Forsa-Umfrage 75 Prozent von Anhängern der Grünen die Politik der Bundeskanzlerin Angela Merkel in Sachen Griechenland befürworten würden. Auf Nachfrage nach dem exakten Wortlaut der Frage, die zu diesem Ergebnis geführt hatte, wurde genannt, dass zu entscheiden war, „ob sich Merkel mit der Linie Hilfsprogramm gegen strenge Auflagen alles in allem richtig verhalten hat oder, ob sie Griechenland zu einem Ausstieg aus dem Euro hätte zwingen sollen“. Diese sorgte für satirische Proteste auf Twitter unter dem Stichwort #forsafragen, unter dem die Frage mit Äußerungen wie „Macht Merkel einen guten Job, oder soll dieses süße Kätzchen sterben?“ verglichen wurde.[18]
Weblinks
Fußnoten
- ↑ a b Thorsten Thierhoff wird Geschäftsführer bei forsa, new business. Abgerufen am 16. März 2017
- ↑ über forsa, www.forsa.de. Abgerufen am 30. März 2018
- ↑ Forsa-Chef Güllner: Umfragen sind nie exakt, Hessische/Niedersächsische Allgemeine. Abgerufen am 16. März 2017
- ↑ Innovation in der Markt- und Sozialforschung: das forsa.omninet-Panal, Sozialwissenschaften und Berufspraxis 27 (2004), Seite 17. Abgerufen am 30. März 2018
- ↑ Methodik und Stichprobe des Gemeinwohlatlas 2015, Center for Leadership and Values in Society der Universität St.Gallen. Abgerufen am 30. März 2018
- ↑ Umfragesparte von LINK geht an forsa, planung&analyse. Abgerufen am 18. Oktober 2016
- ↑ SPD wirft Meinungsforschern Meinungsmache vor. In: Tagesspiegel. 28. März 2008, abgerufen am 16. Juni 2015.
- ↑ Meinungsforscher Güllner zur SPD-Krise „Beck muss weg“. In: Süddeutsche Zeitung. 6. Juli 2008, abgerufen am 16. Juni 2015.
- ↑ tagesschau.de: Spießrutenlauf in eigener Sache ( vom 19. Januar 2013 im Internet Archive), 16. Januar 2013
- ↑ Was an den Vorwürfen gegen Forsa dran ist, auf tagesspiegel.de
- ↑ Forsa macht mit dubioser Umfrage Stimmung gegen „Linkskurs“ der SPD, auf uebermedien.de
- ↑ Ergebnisse der Forsaumfrage auf der Homepage des Auftraggebers Centrum für Hochschulentwicklung (PDF; 48 kB)
- ↑ Angeblich Mehrheit der Studenten für Gebühren. In: Spiegel Online. 11. Dezember 2003, abgerufen am 16. Juni 2015.
- ↑ Torsten Harmsen: Studenten-Mehrheit ist für Studiengebühren. In: Berliner Zeitung. 19. Dezember 2003, abgerufen am 16. Juni 2015.
- ↑ Kritik an Umfrage zu Studiengebühren. In: Süddeutsche Zeitung. 19. Dezember 2003, abgerufen am 16. Juni 2015.
- ↑ Jenseits des öffentlichen Interesses; Die verdeckte Einflussnahme der Deutschen Bahn für die Bahnprivatisierung und gegen den GDL-Streik. lobbycontrol.de, 9. Juni 2009, abgerufen am 20. April 2017.
- ↑ Verdeckte PR der Deutschen Bahn
- ↑ "Macht Merkel einen guten Job, oder soll dieses süße Kätzchen sterben?" In: Süddeutsche Zeitung. 15. Juli 2015, abgerufen am 16. Juli 2015.