Fischtreppe Geesthacht

Die 1960 in Betrieb genommene Staustufe Geesthacht befindet sich südwestlich der schleswig-holsteinischen Stadt Geesthacht und staut das Wasser der Elbe auf 4 m ü. NN. Sie begrenzt dadurch den Gezeiteneinfluss der Nordsee stromaufwärts. Neben einem festen Niedrigwasserwehr bei Magdeburg ist sie die einzige Staustufe im Verlauf des Flusses in Deutschland.[1] Die Stauanlage besteht aus einem Stauwehr, einem Schleusenkanal mit einer Doppelkammerschleuse und einem Fischaufstieg.[2] Ein weiterer Fischaufstieg befindet sich in Bau.
Geografie

Die Staustufe befindet sich am deutschen Elbe-Kilometer 585,9 südwestlich von Geesthacht und 142 Kilometer oberhalb der Elbmündung. Am Südufer liegen die Gemeinden Drage und Marschacht. Die Elbe bildet hier die Landesgrenze zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Der Fischaufstieg liegt auf niedersächsischer, der Schleusenkanal auf schleswig-holsteinischer Seite. Die Staustufe grenzt die durch die Gezeiten beeinflusste Unterelbe vom mittleren Lauf ab.[2] Der Höhenunterschied zwischen Ober- und dem tidebeeinflussten Unterwasser beträgt im Normalfall zwischen 1,3 und 3,5 Meter. Bei Sturmfluten kann es vorkommen, dass das Wasser der Unterelbe das Wehr stromaufwärts überwindet.[3]
Der Elbe-Strom hat bis zum Wehr ein Einzugsgebiet von 135.013 km² und an dieser Stelle einen mittleren Abfluss von 728 m³/s. Bei Mittelwasser wirkt sich der Rückstau 21,9 Kilometer stromaufwärts bis in den Raum Barförde aus, wodurch sich ein Stauvolumen von 8,2 Mio. m³ ergibt und der Elbe-Lübeck-Kanal und der Elbe-Seitenkanal ganzjährig vollschiffig erreichbar sind. Im Staubereich liegen auch das Kernkraftwerk Krümmel, das Kühlwasser aus der Elbe bezieht, und das Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht, für das die aufgestaute Elbe das Unterbecken darstellt.[2]
Auf der Stauwehrbrücke überquert die Bundesstraße 404 die Elbe.
Auf deutschem Territorium ist das Stauwehr in Geesthacht neben einem festen Niedrigwasserwehr bei Magdeburg die einzige Staustufe im Verlauf der Elbe. Das nächste Stauwehr befindet sich auf tschechischer Seite in Ústí nad Labem/Střekov, von Geesthacht gesehen 622,1 Kilometer stromaufwärts.[2]
Bauten


Wehr
Das Wasser wird durch bewegliche, stählerne Verschlusskörper (Stahlsektoren) in vier Stromöffnungen mit jeweils 50 Meter lichter Weite auf ein Stauziel von 4 m ü. NN gehalten. Je nach Wassermenge können die vier Verschlusskörper gehoben oder abgesenkt werden. Bei einem Abfluss ab 1200 m³/s werden alle Öffnungen vollständig freigegeben.[3] Die Wehranlage ist insgesamt 220 Meter breit. Die Strompfeiler haben eine Breite von jeweils fünf Metern. Die Wehranlage hebt den Wasserspiegel der Elbe zwei Meter über den vorherigen mittleren Wasserstand.[4]
Schleusen
Zur Überwindung der Gefällestufe für die Schifffahrt befindet sich nördlich des Wehres ein Schleusenkanal mit einer Doppelkammerschleuse. Die beiden Schleusenkammern haben jeweils eine Länge von 230 Metern und eine Breite von 25 Metern. Die Hubtore werden elektromechanisch und durch Gegengewichte in den Schleusentürmen mit geringem Kraftaufwand bewegt. Durch anhebbare Obertore und einen Füllkanal in der zwischen beiden Kammern befindlichen Mauer können die Becken schwallfrei befüllt und entleert werden.
Die Schleusen sind durch den Schiffsverkehr stark belastet. Beim Bau der Staustufe wurde zuerst nur eine Schleusenkammer errichtet, die zweite wurde in den Jahren 1978–81 fertiggestellt, Vorbereitungen wurden jedoch bereits zuvor getroffen.[3][5]
Fischaufstiegsanlagen
Um Fischen den Aufstieg zu ermöglichen, umgeht eine 216 Meter lange und elf Meter breite Fischaufstiegsanlage das Wehr am südlichen Elbeufer. Das Rauhgerinne, eine künstliche Stromschnelle, umfasst drei Gefällestrecken mit Wassertiefen von 80 cm und zwei 1,2 Meter tiefe Ruhebecken.[3] Im Verlauf befindet sich eine Betriebswegebrücke mit acht Schützen und sechs Kontrollreusen.[6]
Die Gefällestrecken sind mit Störsteinen ausgestattet, die eine starke Lockströmung für Fische hervorrufen sollen. Durch den künstlichen Wildbach fließen 6,3 m³ Wasser je Sekunde ab. Die Anlage aus dem April 1998 ersetzte die bereits zuvor vorhandene Fischtreppe und einen Fischpass, die nicht voll funktionstüchtig waren.
Der Fischaufstieg wurde von Mai 1998 bis März 2000 untersucht. Statt der in der alten Anlage festgestellten 27 Fischarten wurden nun 32 vorgefunden, es fehlten jedoch Hechte, Silberkarpfen und Bachforellen. Gefangen wurden unter anderem die Arten Graskarpfen, Kleine Maräne, Hasel, Gründling, Barbe, Wels, Flunder, Ukelei und Güster. Auch wenn die Funktionstüchtigkeit nachgewiesen wurde, wurde Verbesserungsbedarf festgestellt.[7]
Die vorhandene Fischtreppe wurde für die Wiederansiedelung des seit 1968 in Deutschland ausgestorben Störs in der Elbe vom Sprecher der Gemeinschaftsinitiative Elbfischer für nicht ausreichend angesehen, weil sie zu klein ist.[8] Die in Zusammenhang mit einem geplanten Wasserkraftwerk in Aussicht gestellte weitere Fischtreppe wäre damit Voraussetzung für die Wiederansiedelung. Auch der geringe Fischbestand des Aals ist eine mögliche Folge nicht ausreichender Aufstiegsmöglichkeiten; Lachs war schon vorher wirtschaftlich uninteressant.[9]
Als ökologischen Ausgleich für das Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg baut Vattenfall am Stauwerk in Geesthacht eine neue 550 Meter lange Aufstiegshilfe mit 45 Becken für die Fische. Dadurch können die Wanderfische Lachs, Meerforelle und Stör dann in die obere Elbe gelangen und dort laichen. [10]
Bauplanung und -ausführung
Zur Verbesserung der Fahrwassereigenschaften des Hamburger Hafens wurde die Unterelbe mehrfach vertieft, was zur Vergrößerung des Fließgefälles, einer Austiefung des Flussbettes und zum Absinken der Wasser- und Grundwasserstände oberhalb von Hamburg führte. Zur Stabilisierung der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse und der Fahrverhältnisse begannen Planungen zur Errichtung des Geesthachter Wehres inklusive einer Schleusenanlage.[5] Dies war Voraussetzung für weitere geplante Vertiefungen der Unterelbe auf zunächst zehn und später zwölf Meter. Gleichzeitig sollte die Elbe dadurch vorerst bis Alt Garge bei Bleckede in Niedersachsen mit 1000-Tonnen-Schiffen befahrbar gemacht werden.[11]
Im April 1956 schlossen die Bundesrepublik Deutschland und die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW, heute zu Vattenfall gehörend) ein Regierungsabkommen über die Errichtung der Staustufe Geesthacht. Darin wurde den HEW ein Recht zur Nutzung der Wasserkraft durch den Bau und Betrieb eines Laufwasserkraftwerks überlassen.[12] Im Dezember 1956 begannen die Bauarbeiten zur Errichtung der Staustufe.[11]
Geplant war zunächst ein Stauziel von 5,65 m ü. NN. Nach Einsprüchen von Seiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), auf deren Gebiet sich dieser Wasserstand ausgewirkt hätte, wurde darauf jedoch verzichtet.[5] Die DDR befürchtete laut Hamburger Abendblatt eine Erhöhung des Wasserstandes in Boizenburg, das direkt hinter der innerdeutschen Grenze lag, um 1,75 Meter, was Schutzmaßnahmen und damit verbundene Kosten in Höhe von 36 Mio. Ostmark nach sich gezogen hätte.[11] Auf bundesdeutscher Seite protestierten Fischer bereits 1957 gegen das geplante Laufkraftwerk, da diese Einbußen beim Aalfang befürchteten, da ein Großteil der Fische durch die Kraftwerksturbinen getötet werden würde.[13]
Nachdem die DDR von bundesdeutschen Binnenschiffern eine Gebühr für die Nutzung ihrer Wasserstraßen verlangte, was mit den zu erwartenden Kosten von nunmehr veranschlagten 50 Mio. Mark durch Überschwemmungen und Schutzmaßnahmen durch den Bau des Wehrs in Geesthacht begründet wurde, versuchte die Bundesregierung durch eine Absenkung des geplanten Stauziels auf 3,05 m ü. NN eine günstigere Verhandlungsposition einnehmen zu können.[14]
In einem Abkommen vom April 1956 wurde festgelegt, dass Hamburg ein Drittel der Kosten übernimmt und der Bund die restlichen zwei Drittel trägt.[15] Im September 1957 wurde vom Hamburger Senat ein Staatsvertrag gebilligt, nach dem der Staustufenverband und die HEW 5,5 Mio., der Bund durch Darlehen 24 Mio. und Hamburg ebenfalls durch Darlehen 12 Mio. Mark der Kosten übernehmen. Schleswig-Holstein verpflichtete sich, sich mit 5,3 % und Niedersachsen mit 3 % am Hamburger Darlehen zu beteiligen.[16] Die für den Bau der Staustufe veranschlagten 41,5 Millionen Mark reichten jedoch nicht. Ein Streit um die Finanzierung zwischen Hamburg und der Bundesrepublik Deutschland wegen zusätzlicher 20,5 Millionen Mark entstand. Mehrkosten von 9 Mio. DM wurden auf gestiegene Materialpreise und höhere Löhne zurückgeführt. Für den Bau einer zweiten Schleuse sah man 6 Mio. DM vor. Da der Wasserdrang höher als erwartet war, entstanden durch Arbeiten an der Trockenlegung der Baugrube zusätzliche Kosten in Höhe von 5,5 Mio. DM.[17] Zwischenzeitlich beabsichtigte die Bundesregierung ihren Zuschuss für die geplante Elbvertiefung in Hamburg um 2,5 Mio. DM zu kürzen, wenn sich Hamburg nicht zur Übernahme weiterer Kosten bei der Staustufe bereiterklärt.[18] Nachdem man sich darauf einigte, dass Hamburg sich mit 6,5 Mio.Mark an den Mehrkosten beteiligt[19], kam es nicht zu einer befürchteten Einstellung der Bauarbeiten auf der Großbaustelle.[20]

Die erste Schleusenkammer wurde am 16. April 1959 für den Verkehr freigegeben.[21] Bereits im Juni 1959 wurde die Elbe in Geesthacht auf 3,5 m ü. NN gestaut.[22] Die Pläne zum Bau eines Laufkraftwerks wurden, da sich kein Betreiber fand, fallengelassen.[23] Im November 1959 wurde der Stau um weitere 50 cm angehoben. Seit März 1960 war das Wehr vollständig in Betrieb. Eine Anhebung des Stauziels auf 5,65 m wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, um Überschwemmunungen im Raum Boizenburg zu vermeiden.[24] Bis 1961 wurden auf DDR-Seite bei Boizenburg etwa 65 Kilometer neue Elbdeiche errichtet, die zum Teil durch den Bau der Staustufe notwendig geworden waren.[25]
Ein Fischpass war bereits nach dem Bau des Stauwehrs vorhanden, auch wurde schon eine Straßenbrücke über das Wehr eingeplant. Die Strompfeiler waren so breit errichtet worden, dass diese für einen Brückenbau genutzt werden konnten. Diese Maßnahmen waren vorausschauend durch die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen bezahlt worden. Nach der großen Sturmflut von 1962 erwies sich eine zusätzliche Brücke über die Elbe oberhalb von Hamburg erneut als erforderlich, da die Gebiete nördlich der Elbe nur über eine während der Flutkatastrophe überlastete Straßenbrücke und ein Bahngleis bei Lauenburg mit dem Rest der Bundesrepublik verbunden waren.[26] Die neue Elbquerung wurde am 14. September 1966 eingeweiht. Sie besteht aus einer rund 175 Meter langen Schleusenbrücke, einer etwa 550 Meter langen Dammstrecke und der 410 Meter langen Wehrbrücke. Auf niedersächsischer Seite schließen sich eine 237 Meter lange Vorlandbrücke und ein Damm an.[27]
Die bereits geplante und vorbereitete zweite Schleusenkammer wurde in den Jahren 1978–82 fertiggestellt.[5]
Geplante Wasserkraftnutzung
Geplant ist eine Wasserkraftanlage am Stauwehr Geesthacht von der Firma Vattenfall. Im Falle eines Kraftwerkbaus wäre eine engmaschige Netzverlegung mit großem Abstand zu den Turbinen die einzige Möglichkeit, den Fischbestand von den Turbinenschaufeln fern zu halten.[12][9]
Literatur
- Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg (Hrsg.): Schleuse und Wehr Geesthacht, Lauenburg, 1982
Weblinks
- Erklärung der Parlamentarischen Gruppe Frei fließende Flüsse zur Wasserkraftnutzung am Wehr Geesthacht – Wikipedia: Parlamentarische Gruppe Frei fließende Flüsse
Einzelnachweise
- ↑ Die Elbe – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
- ↑ a b c d Die Elbe von der Mündung der Havel bis zum Wehr Geesthacht – Internationale Kommission zum Schutz der Elbe
- ↑ a b c d Die Staustufe in Geesthacht – Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
- ↑ Elbbrücke mit Staustufe, Schleusenanlagen – geesthacht.de
- ↑ a b c d Geesthachter Schleuse und die Fischtreppe – geesthacht.de
- ↑ Funktionsüberprüfung der neuen Fischaufstiegsanlage am Elbewehr bei Geesthacht – Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der Elbe, Umweltstiftung der Hamburgischen Electricitäts-Werke AG, Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg
- ↑ Elbetreff
- ↑ Rückkehr eines lebenden Fossils – Süddeutsche Zeitung, 11. September 2008
- ↑ a b Neue Stör-Stelle Geesthacht – Hamburger Abendblatt, 3. Juni 2008
- ↑ Große Treppe für kleine Fische. In: Hamburger Abendblatt vom 26. Mai 2010, S. 7
- ↑ a b c Steigt der Wasserspiegel? – Hamburger Abendblatt, 17. April 1958
- ↑ a b Antrag zur Kreistagssitzung am 4. November 2004, Wasserkraftwerk am Stauwehr Geesthacht – Grüne, Kreisverband Lauenburg
- ↑ Die Aale müssen sterben – Hamburger Abendblatt, 10. Januar 1957
- ↑ Nur auf 3,05 m – Hamburger Abendblatt, 10. Juli 1958
- ↑ Hamburg zahlt ein Drittel – Hamburger Abendblatt, 20. April 1956
- ↑ Staustufen-Vertrag vom Senat gebilligt – Hamburger Abendblatt, 21. September 1957
- ↑ In Geesthacht: Keine Pause – Hamburger Abendblatt, 20. November 1958
- ↑ Wer soll bezahlen? Streit um Staustufe in Geesthacht – Hamburger Abensblatt, 24. April 1959
- ↑ Staustufe Geesthacht über 20 Millionen Mark teurer – Hamburger Abendblatt, 7. September 1960
- ↑ Man hat sich geeinigt − Hamburger Abendblatt, 15. Oktober 1958
- ↑ Seit gestern fährt man nur noch durch die Schleuse – Hamburger Abendblatt, 17. April 1959
- ↑ Die Elbe schäumt über breite Wehre "zu Tal" – Hamburger Abendblatt, 23. Juli 1959
- ↑ Doch neue Eibbrücke – Hamburger Abendblatt 14. August 1959
- ↑ Staustufe Geesthacht voll in Betrieb – Hamburger Abendblatt, 24. März 1960
- ↑ Neue Deiche bei Boizenburg – Hamburger Abendblatt, 21. Juni 1961
- ↑ Neue Elbbrücke bei Geesthacht – Hamburger Abendblatt, 6. April 1962
- ↑ Elbbrücke eingeweiht – Hamburger Abendblatt, 14. September 1966
Koordinaten: 53° 25′ 31,2″ N, 10° 20′ 10,2″ O