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Bekenntnisse einer Maske

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Die klassische -Maske zierte das Titelbild der ersten internationalen Auflage des Werkes.

Bekenntnisse einer Maske (japanisch 仮面の告白, Kamen no Kokuhaku) ist ein am 5. Juli 1949 veröffentlichter semi-autobiografischer Roman des japanischen Schriftstellers Yukio Mishima.

In ihm wird die Lebensgeschichte von Kochan erzählt, einem schüchternen und schwächlichen Jungen, der abgeschirmt von anderen Jungen seines Alters bei seiner Großmutter aufwächst. Anhand diverser Szenarien – veranschaulicht durch Träume, klassische Kunst und seinem Umfeld – bemerkt er seine Homosexualität und intensive Obsession mit dem Tod. Aus Angst vor Ablehnung durch die Gesellschaft im imperialistischen Japan versucht er seine Neigungen zu verstecken und versteckt sich hinter einer sozial-konventionellen Persona. Sein Wunsch nach einer neuen Identität scheint zunächst zu gelingen, als er das Mädchen Sonoko kennenlernt. Die Beziehung geht jedoch in die Brüche und Kochan führt sein Leben als Maske weiter.

Das Buch wurde über Nacht ein internationaler Großerfolg und machte den bis dato unbekannten Mishima im jungen Alter von 24 Jahren weltweit berühmt. Aufgrund der unverkennbaren Überschneidungen mit Mishimas eigener Biografie wird der Roman gemeinhin als Semi-Autobiografie bezeichnet.

Eine Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche erschien 1964 im Rowohlt Verlag unter dem Titel Geständnis einer Maske. Die deutsche Direktübersetzung aus dem Japanischen erschien 2018 bei Kein & Aber als Bekenntnisse einer Maske.

Handlung

Einleitung

Titelseite der ersten Ausgabe des Romans Die Brüder Karamasow, November 1880.

Der Roman beginnt mit einem Zitat aus Fjodor Dostojewskis 1880 publizierten Roman Die Brüder Karamasow:

„Die Schönheit ist eine unheimliche und furchtbare Sache! Unheimlich, weil sie unbestimmbar ist, man kann sie nicht bestimmen, weil Gott uns nichts als Rätsel aufgegeben hat. Ufer vereinen sich, sämtliche Widersprüche sind darin aufgehoben. Ich bin völlig ungebildet, Bruder, aber ich habe viel darüber nachgedacht. Furchtbar viele Geheimnisse! Viel zu viele Rätsel belasten den Menschen auf der Erde, er löse sich nach eigenem Gutdünken und steige trocken aus dem Wasser. Schönheit! Ich kann mich nicht damit abfinden, dass mancher sogar hochherzige und feinsinnige Mann mit dem Ideal der Madonna beginnt und mit dem Ideal Sodoms endet. Und noch unheimlicher ist, wenn jemand mit dem Ideal Sodoms im Herzen auch das Ideal der Madonna gelten lässt, und wenn sein Herz für dieses Ideal entflammt ist, wahr und wahrhaftig entflammt ist, wie in seinen jungen schuldlosen Jahren. Nein, der Mensch ist weit, viel zu weit sogar; ich hätte ihn enger gemacht! Man weiß nicht einmal, was das alles bedeutet, das ist es, hol's der Teufel! Was dem Kopf eine Schande erscheint, erscheint dem Herzen als pure Schönheit. Ist denn in Sodom Schönheit? Glaub mir, dass sie für die überwältigende Mehrheit der Menschheit gerade in Sodom beschlossen ist - kanntest du dieses Geheimnis oder nicht? Es ist entsetzlich, dass Schönheit nicht nur schrecklich, sondern auch geheimnisvoll ist. Hier ringt der Teufel mit Gott, und der Kampfplatz sind die Herzen der Menschen. Übrigens, wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Hör zu, und nun zur Hauptsache.“

Fjodor Dostojewski, Die Brüder Karamasow

Das Zitat dient als Epigraph in eines der zentralen Themen des Romans: Schönheit. Im direkten Anschluss beginnt der Ich-Erzähler von seiner Geburt zu erzählen.

Kindheit

Kochan, Protagonist und Ich-Erzähler des Romans, ist ein schwächlicher und kränklicher Junge. Auf seine Verwandten wirkt er sonderbar, unter anderem da er behauptet, sich an seine eigene Geburt erinnern zu können. Kochan wird schon im frühen Alter von seinen Eltern getrennt und unter die Fittiche seiner Großmutter genommen. Diese isoliert ihn von anderen Jungen seines Alters in einem kleinen Kinderzimmer, sodass er seine Zeit mit Lesen, seinen Cousinen, seinen Puppen und der Observation seines Umfelds verbringt.

Beim Durchblättern eines Fotoalbums seiner Großmutter entdeckt er ein Bild von einem muskulösen Mann in verdreckten blauen Hosen, der Jauchekübel über die Straße trägt. Die Fotografie und vor allem die Hose des Mannes haben auf Kochan eine für ihn unerklärlich starke Wirkung und er äußert den Wunsch, später auch als Latrinenreiniger zu arbeiten. Eine andere einprägsame Illustration ist die eines blutüberströmten Ritters, der sich später als Jeanne d’Arc herausstellt. Als Kochan eines Tages an einer Gruppe Soldaten vorbeiläuft, fasziniert ihn der Schweißgeruch der Männer und er entwickelt immer lebhaftere Träume, in denen er selbst an Stelle der Soldaten im Krieg getötet wird.

Jugend

Das Bild St. Sebastian von Guido Reni war nicht bloß eine Inspiration für Mishima, sondern ist auch das erste Objekt, durch das Kochan sexuell erregt wird.

Als Kochan älter wird, zieht er wieder zu seinen Eltern und seine Gedanken an den Tod nehmen eine immer präsentere Rolle ein. Zunehmend verbindet er diesen nicht bloß mit Gewalt und Verwesung, sondern auch mit Erotismus und Sexualität. In einer der bekanntesten Szenen des Romans entdeckt Kochan in dem Fotoalbum seines Vaters das Bild St. Sebastian von Guido Reni, eine Darstellung des heiligen Sebastian, Oberkörper-frei und mit Pfeilen durchbohrt. Kochan wird durch den Anblick des Gemäldes stark erregt und beginnt zu masturbieren.

Im jugendlichen Alter verliebt sich Kochan in Omi, einen zwar nicht besonders intelligenten, aber dafür starken und maskulinen Jungen seiner Schule. Um diesem möglichst nahezukommen, entwickelt Kochan verschiedene Strategien: Er überzeugt seine Schulkameraden mit ihm das "Drecksspiel" zu spielen, bei dem das Ziel ist, sich leise an seine Gegner heranzuschleichen und ihnen an die Genitalien zu greifen. Als Omi an einem kalten Winternachmittag Kochans Wangen mit seinen unterkühlten Händen streichelt, weiß Kochan, dass er tatsächlich verliebt ist.

Durch seine Anämie-Erkrankung bekommt Kochan immer häufiger skurrile Fieberträume. In einem Traum ist er der Anführer eines Gladiatoren-Camps und verordnet diesen, sich zu seiner Belustigung gegenseitig zu erstechen und in makabren Zeremonien auszustellen. Ein anderer Traum findet auf einem Ball statt, auf dem die Gäste die Leiche eines seiner Mitschüler essen. Kochan küsst der Leiche auf den Mund und dreht sie mit dem Kopf nach oben, um ihren Oberkörper bewundern zu können.

Erwachsenendasein

Kochan absolviert die Schule als Klassenbester und fängt ein Jura-Studium an der Universität Tokio an. Der innere Kampf mit seinen sadistischen Neigungen und seiner Homosexualität dauert fort, sodass er den Plan fasst, eine Frau zu verführen. Dies gelingt ihm auch zunächst und er beginnt eine Beziehung zu Sonoko, durch die er sich zeitweise sogar bestätigt fühlt, doch heterosexuell zu sein. Als beide sich zum ersten Mal küssen, wird Kochan jedoch die Omnipräsenz seiner Neigungen bewusst und beide trennen sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges.

Kochan nimmt eine Arbeit als Administrator in einer Flugzeug-Fabrik auf, verfällt aber durch seine banale Arbeit nur noch mehr in seine Gedanken. Als diese eines Abends überhand zu nehmen scheinen, besucht Kochan ein Bordell, um herauszufinden, ob er in der Lage ist ein Verlangen nach Frauen zu verspüren. Während des Geschlechtsverkehrs spürt er zu seinem Bedauern jedoch nichts, sodass er enttäuscht nach Hause geht.

Einige Jahre später trifft sich Kochan wieder mit Sonoko, die mittlerweile verheiratet ist. Auf ihre Frage, ob er in der Zwischenzeit seine Jungfräulichkeit verloren hat, antwortet er beschämt mit ja, fügt aber noch hinzu, den Namen seiner Sexualpartnerin nicht sagen zu wollen. Beide verabschieden sich und Kochan schließt seinen Tagebucheintrag mit dem Datum 27. April 1949.

Formalia

Bildnis von Augustinus bei seiner Taufe durch Ambrosius von Mailand.

Erzählform

Bekenntnisse einer Maske ist in der 1. Person – d. h. in der Ich-Form – verfasst und etabliert damit postwendend die verzerrte Darstellung aller geschilderten Ereignisse. Zugleich nutzt Mishima diese Form, um auch die innere Gefühlswelt des Protagonisten vordergründig gegenüber der eigentlichen Umgebung erscheinen zu lassen.

Aufbau

Einige Analytiker verglichen die Erzählweise des Romans mit denen aus Confessiones, eine Autobiografie des christlichen Kirchenlehrers Augustinus von Hippo, in denen dieser sein zuvor „sündevolles Leben“ rekapituliert und seinen Weg zu Gott beschreibt. Mishima bezog nach eigenen Angaben Inspirationen aus dem Werk und auch Bekenntnisse einer Maske weist einen ähnlichen Aufbau auf, indem es den Lebensweg des Protagonisten rekapituliert und auf eine Katharsis zuarbeitet, in Folge derer dieser sich von seinen alten Lasten befreit und in ein „neues Ich transformiert“. Der große Unterschied zu den Confessiones besteht jedoch darin, dass Kochan besagte Transformation nie erreicht. Während in Confessiones ein klarer dreigliedriger Aufbau vorhanden ist – ein sündevolles Leben, eine Transformation und die Reformation als Gottesgläubiger – entwickelt Mishimas Protagonist über den Verlauf nur immer weiter seine Obsessionen und kommt an seiner vermeintlichen Katharsis (der Beziehung mit Sonoko) zu dem Schluss, dass eine Transformation unmöglich ist.

Unter anderem deshalb wurde Bekenntnisse einer Maske von Literaten zugesagt, weniger eine wirkliche Geschichte zu erzählen, als bloß einen Einblick in die tiefste Psyche des Protagonisten zu gewähren. Wohlwissentlich, dass dieser vermutlich auch in Zukunft weiterhin versuchen wird, seine inneren Gefühle zu verdrängen.

Motive

  • Bilder und Schönheit

Bilder sämtlicher Art – seien es Fotografien oder Gemälde – sind die Hauptquelle, anhand derer Kochan seine Erinnerungen erläutert. In Bekenntnisse einer Maske werden diese als ultimative Quelle von Schönheit verstanden. Wie aber aus dem Epigraph von Fjodor Dostojewski zu Anfang deutlich gemacht wird, ist Schönheit nicht an Moral geknüpft und kann somit sowohl gut als auch böse sein. Vereinfacht ausgedrückt: Schönheit kann sowohl in etwas Unschuldigem wie dem Lachen eines Kindes, als auch in etwas Destruktivem wie den Rauchschwaden einer Explosion gefunden werden. Die Idee der Schönheit als etwas moralisch ambivalentes zeigt sich an mehreren Stellen des Romans, beispielsweise wenn Kochan Schönheit in einem toten Klassenkameraden oder in mit Exkrementen verschmierten Hosen findet.

Kochan selbst sieht Schönheit augenscheinlich in Phänomenen, Objekten und Personen, die in irgendeiner Weise am verwesen sind – je weiter vorangeschritten die Verwesung, desto stärker fühlt er sich zu ihnen hingezogen. Dieses Element greift Mishima ein weiteres Mal in Der Tempelbrand (1956) auf, einer Erzählung über einen stotternden Mönch, der derart fasziniert von dem Anblick des Kinkaku-ji ist, dass er diesen niederbrennt. In Mishimas Weltbild führt Schönheit zwangsläufig zu einer Obsession und muss demnach zerstört werden, bevor es das Selbst korrumpiert.

  • Kindheit und Erinnerungen

Kindheit und Erinnerungen stehen im klaren Mittelpunkt des Romans: schließlich wird die Geschichte aus der Gegenwart in Form von Erinnerungen an alte Ereignisse wiedergegeben und die Art und Weise, wie sich Kochan an besagte Ereignisse erinnert, sind tief in seiner Kindheit verwurzelt.

Die Erinnerungen an seine Kindheit haben besonders hohes Gewicht, denn sie bilden den Ursprung für Kochans spätere Obsessionen, Eigenheiten, dunkle Gedanken und sexuelle Impulse. Zugleich werden diese Erinnerungen dem Leser in einer nicht-linearen, chaotischen Weise präsentiert. Dadurch bekräftigt Mishima, wie der Protagonist zwar von klein an mit diesen Eigenschaften zu kämpfen hatte, sie jedoch nicht einordnen oder artikulieren konnte:

„Mit meinen vier Jahren starrte ich den Latrinenreiniger mit ungewöhnlicher Aufmerksamkeit an. Hier offenbarte sich zum ersten Mal eine Macht, deren Bedeutung ich damals noch nicht kannte: Eine dunkle, geheimnisvolle Stimme rief nach mir. Dass sie sich als Erstes in der Person des Latrinenreinigers manifestierte, hatte etwas Allegorisches. Kot und Urin stehen ja als Symbol für die Erde. Es war zweifellos die böswillige Liebe der Mutter Erde, die nach mir rief.“

Yukio Mishima, Bekenntnisse einer Maske, S. 13

Kochan ist noch zu jung, um das Konzept um Sexualität zu verstehen. In seinem Unterbewusstsein fixiert er seine Faszination jedoch auf die Hose des Mannes, anstatt des sexuelleren Aspektes seines muskulösen Torsos. Und auch generell ist Kochan unerklärt zu phallischen Symbolen hingezogen:

„Ich erinnere mich noch, dass ich mein Verlangen auf zwei Dinge richtete: Zum einen waren es seine blauen Unterhosen [...]. In den blauen Hosen zeichnete sich seine untere Körperpartei deutlich ab. Mit ihren geschmeidigen Bewegungen schien sie direkt auf mich zuzukommen. Ich spürte eine unbeschreibliche Zuneigung für diese Unterhosen. Warum das so war, wusste ich nicht.“

Yukio Mishima, Bekenntnisse einer Maske, S. 14

Psychoanalytiker wie Jacques Lacan formulierten die These, dass – ähnlich wie bei ihren Körpern – auch die Sehnsüchte von Kindern nicht völlig ausgeformt sind: sie sind eine bloße Ansammlung zielloser Impulse, die nicht durch Sprache ausgedrückt werden können. In ähnlicher Weise sind auch Kochans Kindheitstriebe artikuliert in durcheinandergeworfenen, seltsamen und augenscheinlich unzusammenhängenden Erinnerungen. Faktisch besteht der gesamte Roman aus erinnerten Impulsen und bloß umrandeten Sehnsüchten, die in einem unkonventionellem Schreibstil ausgedrückt werden, um ihre Natur als etwas außerhalb der Norm stehendes darzustellen.

  • Tod und Sexualität
Schon Sigmund Freud (hier 1921) begründete die Theorie nach dem Lebens- und Todestrieb.

Kochan betrachtet Sexualität nicht im klassischen Sinne als Werkzeug der Fortpflanzung und der Lust, stattdessen steht sie in enger Verbindung mit dem Tod. Da Masturbation die einzige bildliche Beschreibung eines sexuellen Aktes darstellt, ist der fortpflanzende Aspekt der Sexualität gänzlich abwesend.

Der Roman enthält keine klassischen Sexszenen; Sex als Thema findet nur in Kochans Gedanken statt und dies immer in Verbindung mit dem Tod:

„Ich baute mir unter dem unvergesslichen Eindruck, den die Beschreibung des Kolosseums in Quo Vadis hinterlassen hatte, mein eigenes Mordtheater. Nur zu meinem Vergnügen opferten dort junge römische Gladiatoren ihr Leben. Sie starben in Lachen von Blut, und alles musste einem genauen Zeremoniell folgen. Ich interessierte mich für diverse Formen der Hinrichtung und für die entsprechenden Henkerswerkzeuge. Folterinstrumente und Galgen sparte ich allerdings aus, da dort kein Blut zu sehen war.“

Yukio Mishima, Bekenntnisse einer Maske, S. 82

Das Zitat macht klar, dass für Kochan Schauspiel und Theatralik zentrale Elemente seiner morbiden Sexualität darstellen.

Die enge Verbindung zwischen Leben und Tod bzw. zwischen Sexualität und Tod ist kein neues Konzept. Bereits Sigmund Freud theoretisierte zwei gegensätzliche Impulse – genannt Lebenstrieb und Todestrieb. Ersterer äußere sich in verschiedenen unterbewussten Drängen – wie dem Drang nach Essen, nach Reproduktion etc. – und stellt sicher, dass des Menschens Priorität sein Überleben ist. Gleichzeitig umfasse die menschliche Psyche aber auch einen Todestrieb, durch den wir den Drang verspüren, zu unserem leblosen Zustand zurückzukehren. Basierend darauf äußert Mishima die These, dass beide Triebe untrennbar miteinander verknüpft sind.

Prominentestes Beispiel für die Beziehung zwischen Sex und dem Tod ist das Bildnis von St. Sebastian. Dieser wirkt in Beschreibung Kochans friedfertig und nahezu einverstanden mit seinem Schicksal, obwohl mehrere spitze Pfeile seinen Körper durchbohren (die zudem als phallische Symbole gedeutet werden können). Das Bildnis ist zu vieldeutig beschrieben, um für den Leser verständlich zu machen, ob der Heilige schmerz- oder lusterfüllt ist und von dieser Vielfältigkeit macht Mishima Gebrauch, um die beiden Extremen in Kochans Leben zu porträtieren.

Charaktere

Bei der Analyse der Charakter aus Bekenntnisse einer Maske ist wichtig zu beachten, dass alle Charaktere aus Sicht des Protagonisten Kochan geschildert werden. Kochan selbst unterscheidet sich in die titelgebende „Maske“ (seine Persona) und sein Inneres Ich.

  • Kochan

Kochan ist der Protagonist der Erzählung und in Anbetracht der zahlreichen Parallelen zu Yukio Mishima wohl auch dessen Alter Ego. Er ist zugleich der einzig wirklich relevante Charakter der Geschichte, da alle Geschehnisse durch ihn wiedergegeben und zwangsläufig verfremdet werden.

Sein ganzes Leben ist er durch verschiedene Krankheiten geplagt, die ihn schwächlicher und schüchterner machen als die meisten Jungen seines Alters. Früh bemerkt er auch eine intensive Faszination für Schönheit, Stärke und den Tod, welche sich in seinem späteren Leben weiter intensiviert. Diese Faszination steht indes im konstanten Konflikt mit seinem Wunsch durch die Gesellschaft akzeptiert zu werden. Hierdurch wird Kochan zunehmend zynischer und wenngleich er nach Außen einen freundlichen, wenn auch schüchternen Eindruck macht, analysiert und kritisiert er die Personen seines Umfelds laufend. Während Kochan in seinen Beschreibungen als komplexe, vielschichtige, aber versteckte Persönlichkeit gefangen in einer Maske beschrieben wird, betrachtet er seine Mitmenschen vielmehr als leblose Symbole, die Etappen in seiner eigenen Entwicklung repräsentieren, anstatt selbst vollwertige Menschen zu sein.

Einige Rezensenten und Analytiker verglichen Kochan mit einem Kunstkritiker, der seine Inspiration durch sein Umfeld schöpft anstatt seiner Selbst.

  • Kochans Großmutter

Kochans Großmutter, die nie beim Namen genannt, ist der erste zentrale Nebencharakter des Romans. Sie legt viel Wert auf ihren aristokratische Lebensstil und zieht auch Kochan, den sie in jungen Jahren von ihren Eltern trennt, in ihren Bräuchen und Werten auf. Kochan beschreibt sie als widersprüchliche Figur: zum einen ist sie autoritär und untersagt Kochan jegliche Freizeitbetätigung, zum anderen lebt sie aber selbst verwöhnt und extravagant.

  • Kochans Großvater

Kochans ebenso unbenannter Großvater steht im Kontrast zu seiner Ehefrau. Im Gegensatz zu ihrer aristokratischen Erziehung, kommt er aus einem armen Bauerndorf und konnte sich seinen Wohlstand durch harte Arbeit aufbauen.

  • Omi

Omi ist ein starker und schöner Junge aus Kochans Schule und dessen Spiegelbild: Kochan ist intelligent und vielschichtig, aber schwächlich, Omi wirkt hingegen eher dümmlich und primitiv, ist aber dafür stark und männlich. Gleichzeitig ist Omi aber auch unschuldiger als Kochan, so spielt er beispielsweise das „Drecksspiel“, bei dem die Kinder darum kämpfen, wer dem anderen zuerst an die Genitalien packt, ohne große Hintergedanken mit, während Kochan in das harmlose Spiel seine sexuellen Gedanken projiziert.

Omi spricht im Großteil des Romans nicht und seine innere Gedankenwelt wird dem Leser nie zuteil. Stattdessen nutzt Kochan ihn als Symbol seiner eigenen Sehnsüchte und beschreibt an seinem Beispiel metaphorisch die Entwicklung seiner Sexualität und seines Verlangens. Zugleich agiert er als Kochans Ablenkung, als dessen sadistische Neigungen stärker werden.

  • Sonoko

Sonoko ist eine hübsche junge Frau, mit der Kochan am Anfang seiner Universitätszeit eine Beziehung beginnt. Sie agiert als Katalysator in Kochans Realisation, seine inneren Neigungen nicht verdrängen zu können. Am Anfang ihrer Begegnung glaubt Kochan tatsächlich, eventuell Gefühle für Sonoko entwickeln zu können und an einer Stelle spezifisch scheint seine verdrängte Gedankenwelt tatsächlich erloschen:

„Noch nie hatte mich die Schönheit einer Frau so ergriffen. Mein Herz schlug schneller, ich fühlte mich wie geläutert.“

Yukio Mishima, Bekenntnisse einer Maske, S. 123

Kochans Hoffnungen werden letztlich enttäuscht, als er und Sonoko sich küssen und seine Neigungen stärker als zuvor wieder zutage treten.

Neben ihrer Rolle als Bestätigung für Kochan und seine inneren Triebe, repräsentiert Sonoko auch eine andere Form der im Buch thematisierten Schönheit: Sie ist wunderschön, genau wie Omi oder das Gemälde von St. Sebastian, aber dennoch ist Kochan nicht von ihr angezogen.

Interpretation des Titels

Beide Titel, sowohl Geständnis einer Maske wie auch Bekenntnisse einer Maske, wurden im Hinblick auf den anachronistischen Verlauf des Romans von diversen Literaturkritikern inspiziert. Das Wort Geständnis bzw. Bekenntnis suggeriert, dass sich Kochan – oder genauer seine Maske – der Transformation in ein funktionelles Mitglied der Gesellschaft unterziehen wird. Schließlich werden Geständnisse regelmäßig in der Intention abgelegt, Veränderungen herbeizuführen. Der Wunsch, seine Maske endgültig ablegen zu können, scheint also auch nach Verlauf der im Roman erläuterten Ereignisse fortzudauern; die Erfolgsaussichten darauf erscheinen bisweilen gering.

Historischer Kontext

Von Historikern wird Bekenntnisse einer Maske mitsamt seiner Themen als klassisches Werk seiner Zeit verortet. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges fanden sich immer mehr Überlebende in einer Identitätskrise wieder. Sämtliche etablierte Vorstellungen davon, wie ein gesellschaftliches Zusammenleben auszusehen hat, welcher Konvention ein jeder zu folgen hat, wurde auf den Kopf gestellt. Zugleich gewann das Feld der Psychoanalyse verstärkten Einfluss und selbst zuvor völlig ideallose Bürger fingen an, sich selbst und ihre Motive zu hinterfragen.

In genau einer solchen Krise befand sich auch Mishima. Zum einen führte er es folgend als enorm wichtig an, den ohnehin gestörten gesellschaftlichen Frieden nicht weiter zu beschädigen, zum anderen bedauerte er den Verlust an Idealen, der mit dem Ende des Krieges einherging:

Rilke schrieb eins, dass der Mann der Moderne keines dramatischen Todes mehr sterben könne. [...] Der Tod in der modernen Zeit, sei er nun bedingt durch Krankheit oder Unfall, ist frei von jeglicher Tragik. Wir leben in einem Zeitalter, in dem es keinen heroischen Tod mehr gibt. [...] Menschen sind nicht stark genug, nur für sich selbst zu leben und zu sterben. Deshalb haben wir Ideale: Wir handeln für Etwas [...], praktisch folgt, dass wir auch für Etwas sterben müssen. Früher nannte man dies den Tod für eine „noble Sache“ [...], aber heutzutage gibt es diese „noble Sache“ nicht mehr, demokratische Regierungen haben für solche keine Verwendung.“

Yukio Mishima, 1966

Autobiografische Aspekte

Mishima im Jahr 1948. Etwa um diesen Zeitraum begann er die Arbeiten an Bekenntnisse einer Maske.

Obgleich ein fiktionaler Roman, sind die Parallelen zu Mishimas eigenem Leben unverkennbar. Die wichtigste Person seiner Kindheit war seine Großmutter Natsuko, die ihn als Kleinkind bis zu seinem 12. Lebensjahr von seinen Eltern trennte und ihn isoliert von anderen Jungen alleine aufzog. Natsuko hatte eine Obsession mit dem Tod und wurde unter Arisugawa Taruhito im japanischen Kaiserhaus aufgezogen, wodurch sie einen Hang zu aristokratischen Bräuchen und Regeln entwickelte.

Mishimas Jugend hingegen war vor allem von seinem Vater Azusa geprägt, einem ausgeprägten Patrioten und ehemaligen Soldaten, der Mishima mit militärischer Disziplin drillte und seine Hingabe für Literatur als „weibisch“ verspottete. Auch Kochans Sehnsucht, im Krieg zu fallen, korreliert mit Mishimas eigener Enttäuschung, wegen seiner schwächlichen Physis nicht zum Wehrdienst zugelassen zu werden und keinen „heroischen Tod“ sterben zu können:

„Ich war dem Tod am Nächsten während des Krieges. Als der Krieg endete war ich 20 Jahre alt und alles worüber ich und meine Jugendfreunde nachdachten, war wie und wann wir sterben werden.“

Yukio Mishima, 1966

Das Gemälde St. Sebastian von Guido Reni übte auch auf Mishima von Kindheitstagen an eine Faszination aus. In einer Fotografie von Kishin Shinoyama aus dem Jahr 1968 stand er Modell und stellte die Illustration nach.

Genauso wie Kochan absolvierte auch Mishima seine Schulzeit als Stufenbester und begann anschließend ein Jurastudium an der Universität Tokio. Die weibliche Hauptrolle des Romans Sonoko wurde von späteren Rezensenten als seine Schulfreundin Kuniko Mitani wiedererkannt.

Mishima besuchte bis zu seinem Ableben 1970 regelmäßig Schwulenbars und unterhielt vermeintlich sexuelle Beziehungen zu anderen Männern: ein laufender Konflikt zwischen ihm und seiner Ehefrau Yoko Sugiyama. Wohl aufgrund der aufkeimenden Homophobie im imperialistischen Japan bekannte er sich jedoch nie öffentlich zu seiner Homosexualität, wenngleich er post mortem zu einer LGBT-Ikone wurde.

Von den signifikanteren Parallelen abgesehen, gleichen sich auch unwichtigere Details aus dem Roman mit Erzählungen Mishimas. Kochans Behauptung, sich noch an seine eigene Geburt erinnern zu können, ist nach Mishimas Schulfreundin Mitani etwas, das auch er in der Grundschule den anderen Kindern erzählte. Auch das „Drecksspiel“ war Überlieferungen alter Klassenkameraden nach ein beliebtes Spiel der damaligen Zeit.

Ausgaben

  • Geständnis einer Maske, übersetzt von Helmut Hilzheimer, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1994
  • Bekenntnisse einer Maske, übersetzt von Nora Bierich, Verlag Kein & Aber, Zürich, 2018, ISBN 978-3-03695784-5[1]

Einzelnachweise

  1. 日本文学翻訳作品データベース. The Japan Foundation, abgerufen am 21. August 2021 (Online-Datenbank für Übersetzungen japanischer Literatur).