Zum Inhalt springen

Lebensreform

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 14. September 2006 um 09:56 Uhr durch Quoth (Diskussion | Beiträge) (Bekannte Lebensreformer). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Lebensreform ist eine seit Ende des 19. Jahrhunderts von Deutschland und der Schweiz ausgehende geistige Bewegung. Als Gegenbewegung zur nervösen modernen Welt mit ihrer Zersplitterung propagierte sie ein „Zurück zur Natur“. Siedlungsexperimente wie der Monte Verità und Gartenstädte wie Hellerau waren eine Folge der Lebensreform. Die erste Gründung war die Obstbau - Genossenschaft Eden bei Oranienburg.

Sie propagiert eine gesunde, naturnahe Lebensweise, vollwertige Ernährung, Ökologische Landwirtschaft, Vegetarismus, Reformkleidung, natürliche Heilverfahren etc. und reagiert damit auf Phänomene wie fortschreitende Industrialisierung, die Urbanisierung und den daraus resultierenden hygienischen Missständen in den oft engen Wohnverhältnissen, Vermassung und neuerdings Umweltverschmutzung. Entsprechende Produkte werden im Reformhaus gehandelt.

In geistiger Hinsicht wandte sich die Lebensreform neuen religiösen und spirituellen Anschauungen zu, so der Wiedergeburtslehre des Ostens (Theosophie, Mazdaznan [persisch Meisterlehre]) und dem Yoga. In gewisser Weise gehört auch die Anthroposophie hierher. Damit war die Lebensreformbewegung Vorläufer des heutigen Interesses am Buddhismus und an spirituellen Traditionen und Praktiken überhaupt, wie auch der Friedensbewegung.

Die Lebensreform war eine hauptsächlich bürgerlich dominierte Bewegung, an der auch viele Frauen teilnahmen. In der Körperkultur ging es darum, den Leuten viel frische Luft und Sonne zu verschaffen – dies in einer Zeit, in der die Industrialisierung eingesetzt hatte. Einige Bereiche der Lebensreformbewegung, wie z. B. die Naturheilkunde oder der Vegetarismus waren in Vereinen organisiert und erfuhren regen Zulauf, was sich in den Mitgliederzahlen widerspiegelt (siehe Barlösius: Naturgemäße Lebensführung). Zur Verbreitung ihrer Inhalte und Prinzipien gaben sie Zeitschriften wie „Der Naturarzt“ oder „Die vegetarische Warte“ heraus.

Verwandte Bewegungen waren Freikörperkultur (FKK), Naturismus und die Naturheilkunde, die Sanatoriumsbewegung und die Fitnessbewegung. Es bestehen auch enge Kontakte zur Bodenreformbewegung (Adolf Damaschke u. a.), zur Freiwirtschaftsbewegung Silvio Gesells, zur frühen Jugendbewegung sowie zu anderen sozialreformerischen Bewegungen.

Ein berühmter Vertreter der Lebensreformbewegung war der sich Fidus nennende Künstler Hugo Höppener.

Bekannte Lebensreformer

Literatur

  • Bernd Wedemeyer-Kolwe: "Der neue Mensch". Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Königshausen & Neumann, Würzburg 2004.
  • Eva Barlösius: Naturgemäße Lebensführung. Zur Geschichte der Lebensreform um die Jahrhundertwende. Frankfurt/M.; New York 1997
  • Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900. Herausgegeben von Kai Buchholz, Rita Latocha, Hilke Peckmann und Klaus Wolbert. Katalog zur Ausstellung im Institut Mathildenhöhe Darmstadt. Häusser Verlag und anabas Verlag, Darmstadt 2001, ISBN 3-89552-081-0
  • Diethart Kerbs/Jürgen Reulecke: Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880 bis 1933, Verlag Hammer, 1998, ISBN 3-87294-787-7
  • Wolfgang R. Krabbe: Gesellschaftsveränderung durch Lebensreform. Strukturmerkmale einer sozialreformerischen Bewegung im Deutschland der Industrialisierungsperiode, Göttingen 1974
  • Wolfgang R. Krabbe: "Die Weltanschauung der Deutschen Lebensreformbewegung ist der Nationalsozialismus". Zur Gleichschaltung einer Alternativströmung im Dritten Reich. In: Archiv für Kulturgeschichte 71 (1989), S. 431-461
  • Ulrich Linse: Das "natürliche" Leben. Die Lebensreform, in: Richard van Dülmen (Hrsg.): Die Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder 1500-2000, Wien 1998, S. 435-456.
  • Ulrich Linse: Barfüssige Propheten : Erlöser d. Zwanziger Jahre. Berlin 1983. ISBN 3-88680-088-1