Babylonien
Babylonien bezeichnet das ehemalige Königreich in Mesopotamien in der Zeit von 1800 v. Chr. bis 539 v. Chr., am Unterlauf der beiden Flüsse Euphrat und Tigris, etwa das Gebiet zwischen der heutigen irakischen Stadt Bagdad und dem Persischen Golf. Das kulturelle Zentrum des Gebietes war die Stadt Babylon, die im Laufe ihrer Existenz von Herrschern aus zahlreichen Volksstämmen erobert und regiert wurde.
Die einzelnen Fürstentümer die das sumerische Reich bildeten, wollten sich nicht einer einheitlichen Zentralgewalt unterordnen und sorgten für den Zerfall des Reiches. Die Fürsten erklärten sich zum König im Bereich ihres Einflussbereiches und sorgten damit für eine Zersplitterung des gesamten Reiches. Die anwachsende Zustrom semitischer Einwanderer sorgte zusätzlich für eine Instabilität und ließ schließlich das sumerische Reich zusammenbrechen. Die nachfolgende Zeit war durch eine Vielzahl von lokalen Dynastien geprägt, die sich untereinander bekriegten, ohne dass sich eine Vorherrschaft stabilisieren konnte. Im Laufe von zwei Jahrhunderten wurden die Sumerer gänzlich zurück gedrängt und die Semiten übernahmen die Kontrolle.
Babylon wurde 1894 v. Chr. - die Chronologie ist umstritten, vielleicht sind bis etwa 1500 v. Chr. von allen Jahreszahlen 24 Jahre abzuziehen - vom semitschen Stamm der Amoriter unter Sumu-abum gegründet. Er ließ um die Stadt eine Mauer errichten, die allerdings erst durch seinen Nachfolger Sumulael fertiggestellt wurde. Lange Zeit änderte sich an der Bedeutung Babylons nichts, bis Hammurapi (1728/1704-1686/1662) als 6. König den Thron bestieg. Er verstand es die politische Situation der Stadtstaaten auszunutzen und erkannte den Vorteil der strategischen Lage der Stadt. Einerseits kontrollierte er durch die schmalste Stelle zwischen Euphrat und Tigris die Handelswege und andererseits lieferte ihm diese Tatsache einen militärischen Vorteil. Schon bald stieg Babylon zur Metropole auf und Hammurapi wurde ihr oberster Herrscher. Durch die Unterwerfung von Elam, Subartu und Eschnuna wurde er auch Herrscher von Assur. Die Eroberung von Larsa dehnte sein Reich auch über die Königreiche Sumer und Akkad aus. Damit wurde Babylonien zum dominanten Reich in Mesopotamien (Altbabylonisches Reich).
Hammurapi erwies sich als geschickter Außenpolitiker, errichtete Bewässerungsanlagen und großartige Bauten, organisierte das Land durch eine straffe Verwaltung und verfasste eine einheitliche Rechtsordnung, die ihm bis in die heutige Zeit Ruhm beschert, den Codex Hammurapi. Dieses Gesetzeswerk, mit 282 Paragraphen, sicherte die Rechte aller Klassen seines Volkes. Damit die Bürger über ihre Rechte informiert waren, wurden sie auf Säulen und Tontafel geschrieben und öffentlich in den Städten aufgestellt. Den Stadtgott von Babylon, Marduk, erhob er zum Hauptgott des Landes und machte seinen Kult für alle Untertanen verbindlich.
Keiner der Nachfolger Hammurapis erwies sich in Politik und Strategie annähernd so geschickt. Schon sein Sohn musste gegen die aufständischen Stämme im Süden des Reiches in den Krieg ziehen. Nach und nach verlor das Reich an Einfluss und Herrschaftsbereich. Durch die zahlreichen inneren Unruhen und den Angriffen von außen geschwächt, gelang es schließlich dem Hethiterkönig Murschili I. 1530/1507 die Stadt einzunehmen. Aber auch ihm gelang es nicht sich gegen die nachdrängenden Kassiten zu verteidigen. Das Ära des Altbabylonische Reiches war damit zu Ende.
Die nachfolgende Zeit wird als dunkle Periode der babylonischen Geschichte bezeichnet. Die Kassiten regierten etwa 400 Jahre. Sie erweiterten das Reich vom Euphrat bis zum Sagrosgebirge und machten das Land nochmals zur Großmacht. Im 15. Jahrhundert v. Chr. gehörte es zu den vier wichtigsten Mächten in Vorderasien (neben den Ägypter, Mitanni und Hethiter). Kurze Zeit später löste sich Assyrien vom Mitannireich und erreichte von diesen die Unabhängigkeit. Obwohl sie die Entwicklung in Babylonien misstrauisch beobachteten, herrschten zwischen den beiden Reichen eine kulturelle und religiöse Verbundenheit. Sie versuchten das Land politisch zu kontrollieren und erreichten dadurch eine erhebliche Schwächung von Babylon. 1155 wurde die Stadt von den Elamitern erobert. Sie plünderten und brandschatzen die Reichtümer und brachten die Gesetzesstele Hammurapis in ihre Hauptstadt Susa. Der mesopotamische König Nebukadnezar I. bestieg den Thron und es gelang ihm 1137 die Kassiten endgültig zu vertreiben. Anschließend ging er gegen die gefährlichen Elamiter vor, die nach einem jahrelangen Krieg unterlagen. Ihre Hauptstadt Susa wurde völlig zerstört. Die Gesetzesstele Hammurapis wurde wieder nach Babylon zurück gebracht.
Jeder Versuch Nebukadnezars das Reich auszudehnen, wurde von den Assyrern beobachtet und zum Teil verhindert. Eine direkte Konfrontation gab es jedoch nicht. Durch die assyrische Politik wurde Babylonien immer mehr in ihr Reich integriert. Kurze Zeit saßen sogar assyrische Könige auf Babylons Thron und regierten beide Reiche. Die religiöse Verbundenheit der beiden Völker war sehr hoch. So wurden in beiden Ländern die gleichen Götter verehrt und die Zerstörung eines babylonischen Tempels wurde von den Assyrern als Sakrileg empfunden. König Salmanassar III. (858-824) verheiratete seinen Sohn mit der babylonische Prinzessin Samuramat. Nach dem Tod ihres Mannes regierte sie vier Jahre lang das Königreich und ging unter dem Namen Semiramis in die Legenden ein.
Babylon war aber immer Zentrum des assyrischen Reiches und damit auch Angriffspunkt der Gegner. Immer wieder versuchten die Babylonier mit Hilfe der Elamiter die Macht der Assyrer zu brechen. 689 zerstörte Sanherib die Stadt zur gänzlich. Sein Sohn Asarhadon versuchte die Stadt wieder aufzubauen und im alten Glanz erstrahlen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt änderte Assyrien die Politik gegenüber Babylon und schlug einen harten Kurs ein. Die Folge waren Kriege und Zerstörung. 648 musste sich Babylon, nach einer zweijährigen Belagerungs- und Aushungerungszeit dem assyrischen König Assurbanipal geschlagen geben. Nach dem Tod Assurbanipals, der letzte große König Assyriens, brach das Reich auseinander. Ausgeblutet durch die vielen Kriege hatte es den aufstrebenden Volksstämmen der Meder nichts entgegen zu setzen.
Die chaldäische Dynastie
In Babylon ergriff der chaldäische General Nabopolassar (in anderer Schreibweise Nabupolassar) diese Gelegenheit und bestieg 626 den Thron. Mit ihm begann das Zeitalter des Neubabylonischen Reiches. Er vereinigte die lokalen Volksstämme und verbündete sich mit den Medern, die das Erbe der Elamiter im Osten antraten. Zwischen den beiden Völkern wurde ein Vertrag errichtet, wonach der Sohn Nabopolassars mit der Enkelin des Mederkönigs verehelicht wurde. Durch dieses Bündnis war der Weg nach Ninive, der assyrischen Hauptstadt, frei. Im Jahre 614 wurde Nimrod dem Erdboden gleich gemacht und 612 fiel Ninive nach einer drei monatigen Belagerung. Bis zum Jahre 610 waren die versprengten assyrischen Heerteile gänzlich aufgerieben. Der Kampf gegen die assyrischen Volksstämme dauerte noch bis 605, als Nabopolassar starb, wodurch Nebukadnezar II. (605-562 v. Chr) sofort nach Babylon eilte, um die Thronfolge anzutreten. Nebukadnezar entwickelte während seiner Regierungszeit außerordentliche Fähigkeiten als Staatsmann, Heerführer, Bauherr - ihm werden beispielsweise die Hängenden Gärten von Babylon zugeschrieben - und Friedensstifter. Sein Ansehen in der damaligen Welt war so groß, dass er zwischen befeindeten Stämmen als Friedenstifter herangezogen wurde.
Nebukadnezar ließ die Tempel in allen Städten des Landes wieder aufbauen, errichtete Kanäle, die so genannte medische Mauer und die Prozessionsstraße mit dem Ischtar-Tor. Er förderte den Ackerbau, den Gartenbau und den Handel, sodass sich die Wirtschaft rasch erholte und aufblühte.
Mit Syrien und Israel führte er Krieg, um sein Reich abzusichern. Die unterworfenen Länder wurden tributpflichtig und hatten hohe Abgaben an Babylon abzuliefern. Israel versuchte mehrere Aufstände, die alle blutig niedergeschlagen wurden und schließlich dazu führten, dass Jerusalem vollkommen zerstört wurde. Zur Strafe wurde die Bevölkerung als Sklaven nach Babylon verschleppt (siehe auch die Bibel, 2. Kön. 24,14-16) und die Schätze des Salomon-Tempels als Kriegsbeute mitgenommen. Es ist der Beginn der babylonischen Gefangenschaft der Juden, die erst in der Perserzeit ihr Ende nimmt.
Im Jahre 562 starb Nebukadnezar und hinterließ seinem Sohn Amell-Marduk ein wohl geordnetes und konsolidiertes Reich. Nach nur zwei Jahren wurde er bei einem Aufstand getötet und der babylonische General Neriglissar bestieg den Thron. Starke Streitigkeiten mit der Priesterschaft führten schließlich dazu, dass sich 555 Nabonid durch einen Aufstand des Throns bemächtigte. Nabonid war selbst Anhänger des Gottes Sin und wollte die Macht der Marduk-Priesterschaft eindämmen. Das brachte ihm heftige Auseinandersetzungen bei der Neuordnung des Landwirtschafts- und Pachtsystems ein.
Außenpolitisch verhielt sich Nabonid neutral, als die Perser gegen die herrschenden Meder einen Aufstand wagten. Als Dank übergab ihm der Perserkönig Kyros II. nach dem Sieg die Heimatstadt seiner Mutter. Nachdem die Perser auch die Lydier bezwungen hatten, war Babylonien vom Persischen Reich eingeschlossen. Sie regierten das Gebiet zwischen dem Mittelmeer und dem Persichen Golf. Nabonid erkannte die Lage und wollte durch strategische Maßnahmen der drohenden Gefahr entgegenwirken. So überließ er den Schutz des Reiches seinem Sohn Belsazar, der riesige Truppenkontigente befehligte, während er sich selbst mit seinen Truppen auf einen zweite gut geschützte Anlage außerhalb Babylons zurück zog. Dadurch kontrollierte er die wichtigen Handelswege und konnte wirtschaftlichen Druck auf Ägypten ausüben. Die Gefahr durch die Araber nutzte er um alle semitischen Stämme zu vereinigen.
In Babylon war der Zwist zwischen dem König und der Priesterschaft schon weit gediehen. Die Perser hatten ihren Ruf tolerant zu sein und nationale Tradition zu respektieren in die Stadt getragen. In Abwesenheit von Nabonid begingen die Priester Verrat. Nach einer kurzen Schlacht, bei der Belsazar besiegt wurde, marschierten die Perser gegen Babylon. Am 16. Oktober 539 marschierten die Truppen ohne Gegenwehr in Babylon ein. Am 29. Oktober zog Kyros II. unter Triumph und Jubel der Priesterschaft in der Stadt ein und wurde sofort als Machthaber eingesetzt. Kyros leitet eine neue Politik der Duldsamkeit und gibt den Städten ihre Götter wieder zurück. Den Juden gestattet er, nach Jerusalem zurückzukehren.
Die Perser erkannten die Vorteile der Entwicklungen unter Nebukadnezar und wussten sie nutzbringend einzusetzen. Die aramäische Sprache wurde amtlich eingeführt. Die Wissenschaftler durften weiterhin die akkadische Sprache und Schrift nutzen. Viele Gelehrte aus Ägypten, Persien, Indien und Griechenland kamen, um ihr Wissen zu erweitern. Im 5. Jahrhundert v. Chr. errechneten die Astronomen Babylons das Sonnenjahr und entwickelten im Jahre 410 das erste Horoskop. Während dieser Zeit wurde aus den Astrallehren der Babylonier die chaldäische Astrologie entwickelt, die später den Boden für die hellenistische bildete.
Alexander der Große traf während der Expansion seines Reiches 331 auf die persischen Streitkräfte und besiegte sie endgültig in der Schlacht von Issos und Gaugamela. Die Griechen tolerierten weiterhin die babylonische Kultur und erweiterten sie um Theater und zusätzliche Errungenschaften. Nach dem Tode Alexander des Großen verwüsteten Kriege der zerstrittenen Heerführer das gesamte Gebiet. Plünderung und Zerstörung sorgten für eine elende Hungersnot unter der Bevölkerung. Im 1. Jahrhundert v. Chr. übernahmen die Parther die Macht in Mesopotamien und beendeten die fast zweitausend jährige Existenz Babyloniens.