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Jean-Philippe Baratier

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Jean-Philippe Baratier zwischen 1730 und 1735 gemalt von Antoine Pesne

Jean-Philippe Baratier (auch Johann Philipp Baratier; * 19. Januar 1721 in Schwabach; † 5. Oktober 1740 in Halle (Saale)) war ein Wunderkind und Sprachgenie. Er war Mathematiker, Historiker und Orientalist und galt als enzyklopädisches Genie, das Schriften auf zahlreichen Gebieten veröffentlichte.

Leben

Jean-Philippe Baratier wurde 1721 im Anwesen Boxlohe 9 in Schwabach geboren. Er war der Sohn von François Baratier (1682–1751), des hugenottischen Pastors der Französischen Kirche von Schwabach.[1] Mit 4 Jahren sprach er bereits Deutsch und Französisch, mit 5 beherrschte er Latein, mit 7 Griechisch und Hebräisch. Später kamen Chaldäisch, Syrisch, Jiddisch und Arabisch hinzu. Aufsehen erregte er mit seiner Übersetzung eines hebräischen Reiseberichts aus dem Mittelalter, den er mit eigenen Kommentaren versah. Er beschäftigte sich mit Büchern der Rabbiner und der Geisteswissenschaft, worüber er im Alter von 10 Jahren mehrere Werke verfasste.

Er studierte Astronomie und Mathematik und entdeckte einige Rechenwege. Er fand eine Methode zur Bestimmung des Längengrades im Meer. 1735 zog seine Familie nach Halle, wo Baratier den Magister Artium erwarb. Dort studierte er Rechtswissenschaft und begann eine rege publizistische Tätigkeit. Einer seiner Schwerpunkte war das Studium und die enzyklopädische Aufbereitung des Wissens der Welt. Sein Wissen und seine Erkenntnisse publizierte er in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern.[2] Im Alter von 14 Jahren ging er an den Königshof nach Berlin und wurde dort als auswärtiges Mitglied in die Berliner Akademie aufgenommen.[3]

Baratier verfasste gleichzeitig eine Studie zum öffentlichen Recht, der Literatur und der Antike und hat diese auch gleich ins Lateinische, Hebräische und Französische übersetzt. Das Archiv der Pariser Académie des sciences führt in den Manuskriptregistern von 1738 für den 30. April die Präsentation eines Berichts von Cassini und Dortous de Mairan über ein Memoir von Baratier. Der ursprüngliche Bericht wird im Sitzungsdatensatz aufbewahrt. In den Thesen von Baratier ging es um Methoden zur Ermittlung von Brechungen, der Schräglage der Ekliptik und der Erstellung astronomischer Tabellen.

Baratier starb 1740 im Alter von 19 Jahren an Krebs. Sein Leben wurde 1741/55 von Johann Heinrich Samuel Formey im Buch „La Vie de Mr. Jean-Philippe Baratier“ festgehalten.[4]

Anlässlich des 300. Geburtstags Baratiers im Januar 2021 ehren das Kulturamt und die Bürgerstiftung der Stadt Schwabach in einer Vortragsreihe das Wirken des Universalgelehrten, der mit seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen und seinem enzyklopädischen Wissen die damalige Welt in Erstaunen versetzte und stellen vor der Franzosenkirche eine Sitzbank mit einer Bronzeskulptur Baratiers auf.[5]

Werke

  • Lettre sur une Nouvelle Edition de la Bible Hébraïque, Chaldaïque & Rabbinique.[6] In: Bibliothèque germanique ou Histoire littéraire de l'Allemagne de la Suisse et des Pays du Nord 26 (1733), S. 1–46 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München), (Google-Books)
  • (Übersetzer und Hrsg.) Voyages de Rabbi Benjamin Fils de Jona de Tudele. en Europe, en Asie & en Afrique, depuis l'Espagne jusqu' à la Chine. Bd. I und II. Amsterdam 1734[7] (Google-Books) und (Google-Books)
  • Anti-Artemonius seu Initium Evangelii S. Johannis Apostoli ex Antiquitate Ecclesiastica adversus iniquissimam L. M. Artemonii,[8] Neo-Photiniani, Criticam, vindicatum atque illustratum … In: Bibliothèque germanique ou Histoire littéraire de l'Allemagne de la Suisse et des Pays du Nord 33 (1735), S. 134–144 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München)
  • Fragment d'une Lettre. In: Bibliothèque germanique ou Histoire littéraire de l'Allemagne de la Suisse et des Pays du Nord 33 (1735), S. 144–157 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München)
  • Lettre … sur deux Ouvrages attribués à St. Athanase. In: Bibliothèque germanique ou Histoire littéraire de l'Allemagne de la Suisse et des Pays du Nord 40 (1737), S. 80–100 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München)
  • Defense de la monarchie Sicilienne, traduit de l’Allemand de Mr. J. P. De Ludewig, par J. Ph. Baratier, qui a ajoute une histoire abregee de la controverse entre la Pape Clement XI et les Rois des deux Siciles. Halle 1738
  • Historische Betrachtung über eine besondere Müntze des Kaͤysers Caligula. In: Johann Peter von Ludewig (Hrsg.): Gelehrte Anzeigen, in alle Wissenschaften, so wol geistlicher als weltlicher, alter und neuer Sachen, Bd. II. Johann Gottlob Bierwirth, Halle 1739, S. 934–938 (Google-Books)
  • De Règles suivant lesquelles les Romains donnoient la Dignité Proconsulaire. In: Bibliothèque germanique ou Histoire littéraire de l'Allemagne de la Suisse et des Pays du Nord 45 (1739), S. 159–180 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München), (Google-Books)
  • Dissertation sur quelques Ecrites de Theodoret Évêque de Cyr. In: Bibliothèque germanique ou Histoire littéraire de l'Allemagne de la Suisse et des Pays du Nord 48 (1740), S. 50–99 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München)
  • Disquisitio chronologica de successione antiquissima episcoporum Romanorum, inde a Retro usque ad Victorem. Vltrajeckt, 1740 4t. Cum quatuor dissertationibus duabus de constitutionibus apostolicis dictis, una de seriptis Dionysii pseud-areopagitae, et ultima de annis Agrippae junioris, Judaeorum regis. 1740 (Google-Books)

Quellen

  • Paul Émile de Mauclerc, François Baratier u. a.: Merckwürdige Nachricht, Von einem sehr frühzeitig Gelehrten Kinde. Johann Kunckel, Zettin und Leipzig 1728 (Google-Books)
  • Johann Peter von Ludewig: Vom Jahr 1735. XVIII. Stück. Von einem frühzeitig gelehrtem Jüngling und Meister. In: ders. (Hrsg.): Gelehrte Anzeigen, in alle Wissenschaften, so wol geistlicher als weltlicher, alter und neuer Sachen, Bd. II. Johann Gottlob Bierwirth, Halle 1739, S. 91–94 (Google-Books)
  • François Baratier: An account of the life of John Philip Barretier, who was Master of Five Languages at the Age of Nine Years. J. Roberts, London 1744

Literatur

  • Jean Henri Samuel Formey: La vie de Mr. Jean Philippe Baratier. Maître ès Arts, & Membre de la Societé Royale des Sciences de Berlin. Etienne Neaulmé, Utrecht 1741 (Google-Books); 2. erweiterte Auflage Frankfurt am Main und Leipzig 1755 (Google-Bookshttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3DRitPAAAAcAAJ~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3DGoogle-Books~PUR%3D)
    • (englische Übersetzung) The Life of John Philip Baratier. The Prodigy of this Age for Genius and Learning; Created, at Fourteen Years Old, Master of Arts, and Fellow of the Royal Society of Berlin. In: The History of the Works of the Learned 7,2 (for October 1743), S. 243–320 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München); Sonderdruck: J. Robinson, London 1745 (Google-Books)
  • Johann Christoph von Dreyhaupt: Pagus Neletizi et Nudzici, oder ausführliche diplomatisch-historische Beschreibung des zum ehemaligen Primat und Ertz-Stifft, nunmehr aber durch den westphälischen Friedens-Schluß secularisirten Herzogthum Magdeburg gehörigen Saal-Kreyses und aller darinnen befindlichen Städte, Schlösser, Aemter, Rittergüter, adelichen Familien, Kirchen, Clöster, Pfarren und Dörffer, insonderheit der Städte Halle, Neumarckt, Glaucha, Wettin, Löbegün, Cönnern und Alsleben; aus Actis publicis und glaubwürdigen … Nachrichten mit Fleiß zusammengetragen, mit vielen ungedruckten Dacumenten bestärcket, mit Kupferstichen und Abrissen gezieret, und mit den nöthigen Registern versehen. Bd. II. Emanuel Schneider, Halle 1750, S. 29 (Digitalisat der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel)
  • Johann August Vocke: Baradier, M. Johann Philipp 1721 (aus Schwabach.). In: Geburts- und Todten-Almanach Ansbachischer Gelehrten, Schriftsteller und Künstler, Bd. I. Georg Wilhelm Friederich Späth, Augsburg 1796, S. 54–56 (Google-Books)
  • Françoise Waquet: L'histoire merveilleuse d'un enfant précocement savant: Jean Philippe Baratier. In: Revue de la Biobliothèque Nationale 47 (1993), S. 2–7
  • Christoph Rückert: Jean Philippe Baratier : das "Schwabacher Wunderkind" ; ein Beitrag zur Schwabacher Stadtgeschichte. Schwabach: Geschichts- und Heimatverein Schwabach und Umgebung, 1995
  • Kelly J. Whitmer: The Wunderkind, redefined. Jean-Philippe Baratier's projects and Halle's „culture of innovation“. In: Daniel Fulda, Andreas Pečar (Hrsg.): Innovationsuniversität Halle?: Neuheit und Innovation als historische und als historiographische Kategorien. (Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung 63). Walter de Gruyter, Berlin / New York 2020, S. 105–125 (Google-Books; eingeschränkte Vorschau)

Einzelnachweise

  1. Hans Kratzer: Das Wunderkind aus Schwabach. sueddeutsche.de, 19. November 2020, abgerufen am 20. November 2020.
  2. Hans Kratzer: Das Wunderkind aus Schwabach. sueddeutsche.de, 19. November 2020, abgerufen am 20. November 2020.
  3. Mitglieder der Vorgängerakademien. Johann Philipp Baratier. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 18. Februar 2015.
  4. La Vie De Mr. Jean Philippe Baratier, Membre de la Societé Royale des Sciences de Berlin. Johann Philipp Baratier. Bayerische Staatsbibliothek, abgerufen am 27. Februar 2019.
  5. Thomas Tjiang: Sprachgenie und jüngster Magister. Sonntagsblatt, 17. Januar 2021.
  6. Verfasst in Schwabach am 30. August 1731.
  7. (Zusammenfassender Rezensionsartikel) Voyages de Rabbi Benjamin fils de Jona de Tudele, en Europe, en Asie & en Afrique, depuis l'Espagne jusqu' à la Chine. In: Bibliothèque germanique ou Histoire littéraire de l'Allemagne de la Suisse et des Pays du Nord 30 (1734), S. 115–134 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München).
  8. Lucas Mellierus Artemonius, Pseudonym von Samuel Crell (1660–1747), unitarischer Prediger, Theologe und Schriftsteller.
Commons: Jean-Philippe Baratier – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien