Suizid
Ein Suizid, deutsch Selbsttötung ist die Beendigung des eigenen Lebens durch eine eigene Handlung, sehr selten auch durch das Unterlassen einer Handlung, bei der die sich selbst tötende Person der tödlichen Konsequenzen dieser Handlung bewusst ist.
Häufig wird der Suizid als Selbstmord oder Freitod bezeichnet. Beide Bezeichnungen können jedoch eine moralische Beurteilung in den Begriff einbringen: Selbstmord eine tabuisierende, Freitod eine heroisierende.
Die bei weitem häufigste Suizidursache sind Depressionen. Suizide mit anderen Gründen (z.B. als Konsequenz eines "Gesichtsverlustes" oder einer Lebenskrise) sind relativ selten.
In seltenen Fällen geht einem Suizid die Tötung Anderer (meist Ehepartner, Kinder) voraus - in diesen Fällen spricht man von einem erweitertem Suizid.
Mit dem Suizid befassen sich Wissenschaften wie Soziologie, Rechtswesen, Psychologie, Philosophie und Theologie. Daneben gibt es die praktischen Ansätze zur Suizidverhütung und der Betreuung derjenigen, die einen Suizidversuch überlebt haben.
Wortwahl
In der wissenschaftlichen Fachsprache und im professionellen Umgang mit den Betroffenen wird meist das Wort Suizid bevorzugt, in der juristischen Fachsprache häufig der Ausdruck Selbsttötung.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird in erster Linie die Bezeichnung Selbstmord verwendet. Sie stammt aus einer Zeit, als im deutschen Sprachraum die (versuchte) Selbsttötung noch strafbar und moralisch geächtet war. Diese Bezeichnung wird daher von vielen Wissenschaftlern abgelehnt, da bei der Selbsttötung die juristischen und moralischen Aspekte eines Mordes fehlen.
Die Bezeichnung Freitod enthält andererseits den Gedanken der freien Wahl zwischen Leben und Tod. Meistens wird von den Menschen, die einen Suizid beabsichtigen, der eigene Tod jedoch als der einzig mögliche Ausweg gesehen. Die Entscheidungsfreiheit einer suizidalen Person ist in der Regel stark eingeschränkt. Daher wird die Bezeichnung Freitod ebenfalls von vielen Wissenschaftlern abgelehnt.
Statistik
Im Schnitt sterben in der Bundesrpublik Deutschland jährlich zwischen 11.000 und 12.000 Menschen an einem erfolgreich ausgeführten Suizid, wobei zusätzlich von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Diese Zahl entspricht ca. 1,3% aller Todesfälle und übersteigt damit die Anzahl der Verkehrstoten bei weitem. In der Altersgruppe der 15 bis 35jährigen ist der Suizid die zweithäufigste Todesursache (nach dem Unfalltod).
Die Zahl ernsthafter Suizidversuche liegt bei ca. 100.000 bis 150.000 (auch hier sind genaue Erkenntnisse aufgrund der hohen Dunkelziffern schwierig), also um den Faktor 10 bis 15 über der der ausgeführten Suizide Mit anderen Worten: Etwa jeder zehnte Suizidversuch ist erfolgreich.
Die Zahl der Suizidversuche ist bei Frauen weit höher als bei Männern. Allerdings ist die Zahl der erfolgreichen Suzide bei Männern größer. Das Verhältnis der Suizidrate von Frauen zu Männern leigt etwa bei 1:3.
Zahlen 2001 (Deutschland): Von den 11.000 Menschen, die Selbstmord begingen, waren 74 Prozent Männer und 26 Prozent Frauen.
Suizid kommt gehäuft vor bei allen Psychosen, vor allem aber bei Depressionen, sowie in Lebenskrisen wie der Trennung vom Partner, Versagensängsten oder dem wirtschaftlichen Ruin.
Suizidprävention
Der österreichische Psychologe Erwin Ringel untersuchte Methoden, Selbstmorde zu verhindern und gründete 1948 das erste Selbstmordverhütungszentrum.
Oft wird ein Suizid vorher angekündigt, einschlägige Warnungen sind ernst zu nehmen. Viele Suizidopfer hinterlassen Abschiedsbriefe, in denen sie ihre Tat begründen.
Bei jungen (meist körperlich gesunden) Menschen kommt der Prävention eines Suizids eine besondere Bedeutung zu: Er ist eine sehr häufige Todesursache unter Jugendlichen, da diese nur selten eines natürlichen Todes sterben.
Personen, die einen Suizidversuch durchgeführt haben, sollten umgehend in ein Krankenhaus eingewisen werden. Meist werden sie dort auf einer geschlossenen psychatrischen Station überwacht, bis einigermaßen klar ist, dass keine Suizidgefährdung mehr besteht.
Betont ein Patient, auch weiterhin einen Selbstmord begehen zu wollen, wird er meist in eine Psychiatrie zwangseingewiesen.
folgender Absatz an dieser Stelle wird debattiert, siehe Diskussion:
- Diese "Empfehlung" entspringt einer ganz bestimmten Sicht des Suizides. Es soll durch Zwangseinweisung verhindert werden, daß der Mensch einen Selbstmord begeht. Die praktische Inhaftierung eines Menschen wird so als moralisch höherwertig eingeschätzt als die Selbsttötung. Die Hüter dieser Moral fühlen sich berechtigt, den freien Willen des Patienten durch Einsperren zu unterlaufen.
Suizid in Moral und Thologie
Die Frage der moralischen Zulässigkeit des Suizids wird kulturell sehr unterschiedlich betrachtet. Während westliche Gesellschaften den Suizid lange Zeit als unmoralisch und entehrend betrachteten, galt er in anderen Gesellschaften gerade als Methode, eine verlorene Ehre widerherzustellen.
Ansichten zum Suizid in der Antike
Der griechische Philosoph Hegesias (3. Jahrhundert v. Chr.) betonte in seinen Vorträgen das Elend der menschlichen Existenz. Er schrieb dem Einzelnen das Recht zu, sich umzubringen. Das menschliche Leben hätte an sich keinen besonderen moralischen Wert.
Ansichten zum Suizid im Christentum
Die christliche Lehre bezog lange Zeit keine eindeutig Stellung zum Suizid. Der Kirchenvater Augustinus (354-430) verurteilte als erster in seinem Werk "De Civitate Dei" den Suizid als Übel. Später verurteilte die Kirche den Suzid als Selbstmord kategorisch als Sünde. Lange Zeit wurde Suizidopfern die Bestattung in "geheiligter Erde" auf Friedhöfen verweigert.
Ansichten zum Suizid im Islam
Im Islam ist Selbstmord ebenfalls verboten, einigen Hadith zufolge wird Selbstmördern die Aufnahme ins Paradies verweigert und es droht ihnen ein ewiges Höllenfeuer. Auf der anderen Seite jedoch werden geade in jüngster Zeit islamistische Selbstmordattentäter mit dem Hinweis rekrutiert, dass ein Suizid, der die "Feinde des Glaubens" ins Verderben reißt, auf direktem Weg ins Paradies führe.
Ansichten zum Suizid in modernen westlichen Gesellschaften
Bei alten, meist schwer kranken Menschen, sind Suizidgedanken aus medizinischer Sicht oft verständlich. Das Recht, einen unabwendbaren langen Leidensprozess abzukürzen, wird in verschiedenen Ländern durch die Gesetzgebung unterschiedlich unterstützt. Dies erregte in einigen Ländern eine Debatte um die gesetzliche Zulässigkeit aktiver und passiver Sterbehilfe.
Ansichten zum Suizid in Asien
In anderen Kulturen kann die rituelle Selbsttötung gesellschaftlich akzeptiert sein. Zu nennen wären hier das japanische Harakiri oder das indische Sati.
Forschungsgeschichte
Der elsässisch-jüdische Soziologe Emile Durkheim hat 1897 mit seinem Werk über den Suizid (Le suicide) die sozialen Zusammenhänge des Selbstmords auf empirischer Grundlage analysiert. Er unterscheidet zwischen dem egoistischen, dem altruistischen und dem anomischen Selbstmord. In jedem Falle ist nach Durkheim eine soziale Desintegration eigentliche Ursache.
Personen
- Sokrates († 399 v. Chr.)
- Hannibal (247 v. Chr.-182 v. Chr.)
- Kleopatra VII. (69 v. Chr.-30 v. Chr.)
- Seneca († 65)
- Nero (37-68)
- Heinrich von Kleist (1777-1811)
- Carl Barth (1787-1853)
- Vincent van Gogh (1853-1890)
- Paul Cassirer (1871-1926)
- Kurt Tucholsky (1890-1935)
- Ernst Toller (1893-1939)
- Ernst Weiß (1882-1940)
- Walter Benjamin (1892-1940)
- Jochen Klepper (1903-1942)
- Stefan Zweig (1881-1942)
- Adolf Hitler (1889-1945)
- Alan Turing (1912-1954)
- Ernest Hemingway (1899 - 1961)
- Bernd Alois Zimmermann (1918-1970)
- Paul Celan (1920-1970)
- Oskar Brüsewitz, (1929-1976)
- Jean Améry (1912-1978)
- Gert Bastian (1923-1992)
- Petra Kelly (1947-1992) (?)
- Hannelore Kohl (1933-2001)
Weiterführende Angaben
Siehe auch
Selbstmordanschlag, Tod, Todesursache
Literatur
- Erwin Ringel (Hg.): Selbstmordverhütung ISBN 3-88074-224-3
- Emile Durkheim: Der Selbstmord ISBN 3518280317