Marcial Maciel

Marcial Maciel Degollado (* 10. März 1920 in Cotija de la Paz, Michoacán, Mexiko; † 30. Januar 2008 in Jacksonville) war ein mexikanischer Pädokrimineller und katholischer Priester, der als Gründer der Kongregation der Legionäre Christi und der Laienbewegung Regnum Christi bekannt wurde. Wegen zahlreicher Sexualstraftaten musste er 2006 die Leitung des Ordens niederlegen.
Leben
Ausbildung zum Priester
Nach der offiziellen Biografie vernahm Marcial Maciel 1934 die Berufung zum Priestertum. Im Jahr 1936 trat er in das Kleine Seminar der Diözese Veracruz ein, das damals illegal in Mexiko-Stadt war, geleitet von seinem Onkel Rafael Guizar y Valencia, Bischof von Veracruz, der im Jahr 2006 von Papst Benedikt XVI. kanonisiert wurde. Im Juni desselben Jahres soll er den Ruf, einen neuen religiösen Orden zu gründen, erhalten haben. Nach dem Tod seines Onkels war der Student aus dem Seminar auf eigene Veranlassung entlassen worden. Er ging dann in die Diözese von Chihuahua, wo ein anderer Onkel, Antonio Guizar y Valencia, Bischof war. Als Seminarist aus der Diözese Chihuahua wurde er zum interdiözesanen Priesterseminar von Montezuma (New Mexico), das durch Jesuiten geleitet wurde, zugelassen.
Im Jahr 1939 wurde Maciel auch seitens der Diözese Chihuahua aus dem Priesterseminar ausgeschlossen. Er wandte sich an einen anderen Onkel, Francisco Gonzalez Arias, Bischof von Cuernavaca. So konnte er seine Studien in Montezuma als Seminarist dieser Diözese fortsetzen, wurde aber 1940 von den Jesuiten wiederum entlassen. Maciel behauptete immer, diese Entlassungen seien wegen seiner „gottgewollten“ Versuche geschehen, zusammen mit einigen Seminaristen eine neue Ordensgemeinschaft zu gründen, was aber von den Vorgesetzten missbilligt wurde. Andere Biografen haben stattdessen homosexuelle Tendenzen als Grund genannt, die die Vorgesetzten entdeckt haben.
Legionäre Christi und Regnum Christi
1941 gründete Maciel in Mexiko-Stadt die Kongregation der Legionäre Christi. 1944 empfing er in der Basilika Unserer Lieben Frau von Guadalupe in Mexiko-Stadt die Priesterweihe durch seinen Onkel Francisco Gonzalez Arias.
Maciel erlangte schon bald Anerkennung und Bestätigung durch Bischöfe und die jeweiligen Päpste. Bereits 1946 wurde er von Papst Pius XII. in Audienz empfangen. Im selben Jahr unternahm der Rektor der Päpstlichen Universität Comillas im spanischen Santander, der Jesuit Francisco Baeza, eine Reise nach Lateinamerika, um jungen Seminaristen Stipendien anzubieten. Dank seiner Freundschaft mit Alberto Martín-Artajo, dem Außenminister des Franco-Regimes, wurde Maciel durch Baeza in die Lage versetzt, erste Seminaristen in Spanien auszubilden. Aber schon 1948 schickten die spanischen Jesuiten aus unbekannten Gründen Maciel und seine Seminaristen aus Comillas weg.
1948 erhielt Maciel durch den neu ernannten Bischof von Cuernavaca, Alfonso Espino y Silva, die kanonische Approbation für seine Kongregation nach diözesanem Recht. 1959 gründete er seine katholische Laienbewegung Regnum Christi. Der Aufbau der Legionäre Christi und des Regnum Christi wurden sein Lebenswerk. Maciel unternahm weltweit viele Reisen, um die Bewegung zu fördern. Sein Orden schuf in Rom mehrere Institute, Priesterausbildungszentren und eine Universität, das Päpstliche Athenaeum Regina Apostolorum.
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) demonstrierte Maciel Treue zum katholischen Lehramt. In den 1980er Jahren führte er in seinem Orden zusätzlich zu den drei klassischen Ordensgelübden noch ein „Sondergelübde der Nächstenliebe“ ein, das es verbot, über negative interne Vorgänge im Orden zu sprechen und Kritik an den Oberen zu äußern.
Papst Johannes Paul II. förderte Maciel und seine Kongregation und lobte sie öffentlich, was dem Papst später zum Vorwurf gemacht wurde. Maciel begleitete Papst Johannes Paul II. auf den ersten drei seiner fünf Mexikoreisen 1979, 1990 und 1993. Johannes Paul II. stellte Maciel öffentlich als „Vorbild für die Jugend“ dar. 2004 vertraute er Maciel in einer Zeremonie die Leitung des Notre Dame Centre in Jerusalem an[1] und gratulierte ihm am 30. November 2004 zu seinem 60. Priesterjubiläum.[2]
Rückzug
2005 zog sich Maciel aus Altersgründen von der Leitung der Kongregation zurück. Nach einer kirchlichen Untersuchung wegen Vorwürfen des langjährigen sexuellen Missbrauchs zog er sich im Mai 2006 auf Anweisung der Glaubenskongregation zu einem Leben des Gebetes und der Buße zurück und verzichtete auf jeden weiteren öffentlichen Auftritt.[3][4]
Marcial Maciel starb am 30. Januar 2008 in Jacksonville, Florida, im Alter von 87 Jahren. Seine letzte Ruhestätte fand er Anfang Februar 2008 in seinem Geburtsort Cotija. Die Beisetzung fand im privaten Rahmen statt. Es war kein Vertreter des Vatikans zugegen.
Kritik
Vorwürfe und Ermittlungen des Vatikans
In den Jahren 1956 bis 1958 gab es eine Untersuchung des Vatikans zu Drogenmissbrauch und falsch verwendeten Geldern. Es wurden auch allgemeine Fragen gestellt, wo der Missbrauch hätte zu Tage treten können. Opfer, die 1997 Beschuldigungen erhoben, logen damals aus einer Art Gehorsam und aus Angst um ihre eigene Karriere und bezeichneten ihn als Heiligen, wie man es ihnen jahrelang vorgesagt hatte. Während dieser Zeit war Maciel als Leiter suspendiert und schrieb angeblich ein Buch, das sich viel später als Plagiat herausstellte (siehe unten). In der offiziellen Geschichte aus dem Jahr 1995 wird diese Zeit nicht erwähnt. Legionäre bezeichneten sie als „Der Krieg“.[5]
1976 übergab Juan Vaca persönlich einen Brief an Maciel, warum er die Kongregation verlasse, mit den Namen von 20 Opfern. Eine Kopie davon übergab er 1978 an John R. McGann, damals Bischof des Bistums Rockville Centre, wo Vaca Priester war. Diese wurde mit einem bekräftigenden Schreiben des Opfers Felix Alarcon und anderen Dokumenten an den Vatikan gesandt, der sie erhielt und eine Fallnummer zurückschickte. Als Vaca 1989 den Priesterstand verließ, schrieb er einen Brief an den Papst, wo er den Missbrauch nochmals erwähnte. Es gab keine erkennbaren Reaktionen dazu.[5]
1997 erklärten neun ehemalige Seminaristen (einer indirekt durch eine zwei Jahre zuvor am Totenbett diktierte Stellungnahme), von Maciel in den 1940er, 1950er und 1960er Jahren sexuell missbraucht worden zu sein, als sie zwischen zehn und sechzehn Jahre alt waren. Sie berichteten auch von mehr als 30 Jungen, die ebenfalls missbraucht worden waren.[5] Diese sollen durch Schweigegelübde zur Geheimhaltung verpflichtet worden sein. Die Stellungnahme der Kongregation wies alle Vorwürfe zurück und bezeichnete Maciel als Opfer einer Verschwörung durch Männer mit persönlichen Fehden gegen ihn. Die für den Orden arbeitende Anwaltskanzlei legte Erklärungen von vier Laien vor, in denen die Opfer beschuldigt werden, versucht zu haben, die Laien für falsche Anschuldigungen anzuwerben. Eine zehnte Person hatte ihre Anschuldigungen zurückgezogen.[5]
1999 begann Kardinal Josef Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation eine kanonische Untersuchung. Diese wurde 2002 nicht zu Ende geführt. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. 2002 veröffentlichte Maciel eine Erklärung, in der er die Anschuldigungen zurückwies.
Kurz vor dem Tod Johannes Pauls II. eröffnete Kardinal Ratzinger im Januar 2005 eine erneute Untersuchung, nachdem dem Vatikan neue Vorwürfe bekannt geworden waren. Das Verfahren leitete der Chefankläger der Glaubenskongregation, Monsignore Charles Scicluna. Er führte in Mexiko Befragungen von ca. 20 Personen durch, darunter einige (mutmaßliche) Opfer Maciels.[6][7]
Die Glaubenskongregation verzichtete wegen Maciels angegriffener Gesundheit auf ein langjähriges kirchenrechtliches Strafverfahren und forderte Maciel am 19. Mai 2006 auf, sich zu einem Leben in Buße und Gebet aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Papst Benedikt XVI. hatte diese Entscheidung approbiert. Daraufhin musste Maciel sich aus der Leitung des Ordens zurückziehen und auf jeden weiteren öffentlichen Auftritt verzichten.[3][4][6]
Am 30. April 2010 berichteten fünf Bischöfe – die Erzbischöfe Charles Chaput (Denver), Ricardo Ezzati (Erzbistum Concepción), Ricardo Blázquez (Valladolid) und die Bischöfe Ricardo Watty Urquidi (Tepic) und Giuseppe Versaldi (Alessandria) – in Rom über die Ergebnisse der von ihnen durchgeführten Apostolischen Visitation der Legionäre Christi. Am 1. Mai 2010 veröffentlichte der Vatikan eine Erklärung des Papstes an die Legionäre Christi. Darin heißt es: „Das extrem schwerwiegende und objektiv unmoralische Verhalten von P. Maciel, das durch unumstößliche Beweise bestätigt worden ist, besteht bisweilen in wirklichen Straftaten und offenbart ein skrupelloses Leben ohne echten religiösen Sinn.“ Zur schweren Krise der Legionäre Christi kam es nach Aussage des Papstes wegen des „Systems von Beziehungen, das P. Maciel aufgebaut hatte, dem es gekonnt gelungen war, sich Alibis zu verschaffen, Vertrauen, Vertraulichkeit und Schweigen seitens der ihn umgebenden Menschen zu erlangen und seine Rolle als charismatischer Gründer zu stärken“.[8]
Im Januar 2019 erklärte Kardinal João Braz de Aviz, Präfekt der Ordenskongregation, dem Vatikan hätten bereits 1943 erste Dokumente über sexuellen Missbrauch durch Degollado vorgelegen; seine Kongregation habe mit deren Vertuschung nichts zu tun gehabt.[9]
Bestätigte Vorwürfe
Sexueller Missbrauch
Seit 2010 geben die Legionäre Christi öffentlich zu, dass Maciel minderjährige Seminaristen an den Apostolischen Schulen des Ordens sexuell missbraucht hat. Zudem soll er ihnen in der Beichte die Absolution für gemeinsam begangene sexuelle Handlungen erteilt haben.[10]
Geliebte und Kinder
Anfang Februar 2009, ein Jahr nach Maciels Tod, wurde bekannt, dass er ein Verhältnis zu einer Frau hatte und Vater einer Tochter war.[11][12] Die Vaterschaft mehrerer Kinder wurde mittlerweile als zutreffend bestätigt. Uneheliche Kinder des Ordensgründers – Raúl González Lara und Omar Lara Gutiérrez – bezichtigten 2010 ihren leiblichen Vater des sexuellen Missbrauchs ihrer selbst.[13] Die Legionäre Christi veröffentlichten eine entsprechende Presseerklärung, in der sie feststellten, dass Maciel seit den 1970er Jahren ein geheimes Doppelleben führte und Beziehungen zu zwei Frauen unterhielt, aus denen mehrere Kinder hervorgingen.
Plagiat
Im Dezember 2009 stellte sich Maciels Buch El salterio de mis días (Psalter meiner Tage), das in der Geschichte der Legionäre eine wichtige Rolle gespielt hatte, als Plagiat heraus. Zuvor hatte es geheißen, Maciel habe es während einer Krise in den Jahren 1956–1959 geschrieben, als gegen ihn Untersuchungen von Seiten des Heiligen Stuhls wegen schwerwiegender moralischer Vorwürfe angestrengt wurden. Die Legionäre Christi bestätigten, dass es sich um ein Plagiat des Buches El salterio de mis horas (Psalter meiner Stunden) von Luis Lucia handele, von dem sich in Maciels Buch Inhalt und Stil zu 80 % wiederfänden. Das Original von Lucia war 1956 in Valencia aufgelegt worden.[14][15]
Distanzierung der Legionäre von ihrem Gründer
Nach seinem Tod hat sich der Orden von dem früher hoch verehrten – wörtlich – „Vater“ distanziert und alle Bilder des Gründers aus den Ordenshäusern entfernt. Die Ordensleitung bat um Entschuldigung für das Verhalten ihres Gründers und distanzierte sich davon.[16][17]
Zu Maciels Lebzeiten hatte sich in seinem Umfeld ein Personenkult etabliert, der auch nach seinem Ableben und dem Bekanntwerden seines Doppellebens fortbestand. Im Dezember 2010 gab der Orden Richtlinien zum Andenken Maciels bekannt. Laut Beschluss des päpstlichen Delegaten und der Ordensleitung waren Fotografien des Ordensgründers in den Niederlassungen der Legionäre Christi nicht mehr erlaubt, auch seine Schriften durften dort nicht länger verkauft werden. Geburtstag, Taufe, Namenstag und Priesterweihe Maciels waren keine Festtage mehr. In Veröffentlichungen des Ordens durfte fortan keine besondere Ehrerbietung für Maciel ausgedrückt werden.[18]
Schriften
- Mi vida es Cristo. Planeta Testimonio, 2003. (Ein Gespräch zwischen Jesús Colina und Marcial Maciel, spanische Ausgabe.)
- Englisch: Christ Is My Life. Sophia Institute Press, 2003.
- Französisch: Ma vie c’est le Christ. MAME, 2004.
- Deutsch: Christus ist mein Leben. Edizioni ART, Rom 2005, ISBN 88-7879-011-7, ISBN 3-939977-02-0.
- Priester für das Dritte Jahrtausend und ihre ganzheitliche Ausbildung. Edizioni ART, Rom 2005, ISBN 88-7879-010-9, ISBN 3-939977-01-2.
Siehe auch
Weblinks
- Literatur von und über Marcial Maciel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Daniel Deckers: Marcial Maciel Degollado: Der falsche Prophet faz.net, 28. März 2012
Einzelnachweise
- ↑ Peter Burghardt: Katholische Kirche in Lateinamerika. Reich des Schweigens sueddeutsche.de, 7. April 2010.
- ↑ Ansprache von Johannes Paul II. an die Legionäre Christi und die Mitglieder der Bewegung „Regnum Christi“, 30. November 2004, vatican.va.
- ↑ a b Presseerklärung des Heiligen Stuhls zur Person des Gründers der Legionäre Christi zenit.org, 19. Mai 2006.
- ↑ a b The New York Times: Vatican Punishes a Leader After Abuse Charges nytimes.com, 19. Mai 2006.
- ↑ a b c d Gerald Renner, Jason Berry: Head Of Worldwide Catholic Order Accused Of History Of Abuse. In: Hartford Courant, 23. Februar 1997, dokumentiert bei chicagotribune.com.
- ↑ a b Die geheime Akte der Legionäre Christi zeit.de, 30. April 2010.
- ↑ Christian Modehn: Legionäre Christi – Ihr Gründer Maciel ein enger Freund von Papst Johannes Paul II. religionsphilosophischer-salon.de, 13. Dezember 2009.
- ↑ Erklärung des Heiligen Stuhls zur Apostolischen Visitation der Kongregation Legionäre Christi in einer Übersetzung von Professor Armin Schwibach kath.net, 2. Mai 2010.
- ↑ Wusste Vatikan seit 1943 vom Missbrauch des Legionärsgründers Maciel? kath.net, 3. Januar 2019.
- ↑ Legionäre Christi distanzieren sich von Ordensgründer Maciel kath.net, 22. Februar 2010.
- ↑ Cindy Wooden: Spokesman: News that founder fathered child causes Legionaries pain. Catholic News Service, 4. Februar 2009, dokumentiert bei bishop-accountability.org.
- ↑ Legionäre Christi bedauern Verhalten des Gründers zenit.org, 5. Februar 2009.
- ↑ Hijos de Marcial Maciel lo acusan de abuso sexual La Jornada, 4. März 2010.
- ↑ Maciel plagió el libro de cabecera de los Legionarios El Mundo, 12. Dezember 2009.
- ↑ La Legión de Cristo reconoce que Maciel plagió el libro de mística «El salterio de mis días» religionenlibertad.com, 12. Dezember 2009.
- ↑ "Legionäre Christi" entschuldigen sich bei Missbrauchsopfern domradio.de, 25. November 2009.
- ↑ Legionäre Christi: Entschuldigung für Missbrauch religion.orf.at, 6. Februar 2014.
- ↑ Legionäre Christi distanzieren sich von Ordensgründer P. Maciel kath.net, 14. Dezember 2010.
Personendaten | |
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NAME | Maciel, Marcial |
ALTERNATIVNAMEN | Maciel Degollado, Marcial (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | mexikanischer katholischer Priester und Gründer der Kongregation der Legionäre Christi |
GEBURTSDATUM | 10. März 1920 |
GEBURTSORT | Cotija de la Paz, Michoacán |
STERBEDATUM | 30. Januar 2008 |
STERBEORT | Jacksonville |
- Legionär Christi
- Römisch-katholischer Theologe (20. Jahrhundert)
- Römisch-katholischer Theologe (21. Jahrhundert)
- Römisch-katholischer Geistlicher (20. Jahrhundert)
- Römisch-katholischer Geistlicher (21. Jahrhundert)
- Ordensgründer (römisch-katholisch)
- Gründer einer katholischen Organisation
- Person (Sexueller Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche)
- Mexikaner
- Geboren 1920
- Gestorben 2008
- Mann