Hochwasser in West- und Mitteleuropa 2021
Hochwasser in Mitteleuropa 2021 | |
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Unwetter | Starkregen mit folgendem Hochwasser |
Großwetterlage | Trogwetterlage, NOZZF |
Daten | |
Beginn | Anfang Juli 2021 |
Folgen | |
Betroffene Gebiete | Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Schweiz und Tschechien |
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Das Hochwasser in Mitteleuropa 2021 ist eine Naturkatastrophe mit schweren Hochwassern in mehreren Flussgebieten in der Schweiz, Deutschland und weiteren Ländern im Sommer 2021. Das Naturereignis wurde nach einer wochenlangen Periode mit vielen Stürmen und Niederschlägen durch das Sturmtief „Bernd“ ausgelöst.
Seit Anfang Juli 2021 erreichten, angetrieben vom Jetstream, von Frankreich und vom Piemont her stürmische Winde, schwere Gewitter mit Hagelschlägen und heftige Dauerregen die Nordwestschweiz, das Tessin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern, was vielerorts zu einem Übertritt der Flüsse und Bäche sowie zu erheblichen Sach- und Personenschäden führte. Die Pegelstände einiger Gewässer in der Schweiz erreichten ähnliche Hochstände wie beim Jahrhunderthochwasser 2005.[1]
Vorgeschichte
Dauerregen im Mai und im Juni in der Schweiz
Seit Anfang Mai regnete es in der Schweiz häufig und oft ergiebig. Das Muttertags-Wochenende war der einzige Sommertag auf der Alpennordseite, die meisten Wetterstationen meldeten Höchstwerte von mehr als 25 Grad. Am wärmsten war es in Basel mit 28,6 Grad und im föhnigen Rheintal wurden ähnliche Werte erreicht. Sonst blieben die Temperaturen meistens unter 20 Grad, und somit war der Mai 2021 der kühlste der vergangenen 30 Jahre. Das Wetter wurde schon im Mai oft durch ein Tiefdruckgebiet bestimmt. Mit lange anhaltender West- bis Nordwestanströmung kam immer wieder kühle und feuchte Luft vom Atlantik zum Alpenrand, wo es zu viel Niederschlag kam. Die Schneefallgrenze blieb relativ tief, so schneite es in einigen Gebieten nochmals bis auf 1200 Meter herunter. In der Südschweiz regnete es zwischen dem 10. und 12. Mai intensiv. In Robièi fielen in dieser Zeit 177 Liter pro Quadratmeter, in Mosogno 154 Liter. Es gab sehr wenig Sonnenstunden.[2]
Der Juni 2021 war in der Schweiz der wärmste seit der Wetteraufzeichnung im Jahr 1864; er brachte häufige Gewitter, intensiven Niederschlag und mehrmals starken Hagel mit sich.[3] In der Nacht vom 18. auf den 19. Juni 2021 gab es besonders kräftigen Gewitterregen. In Wädenswil wurden 60,9 mm Niederschlag in einer Stunde gemessen. Zwischen dem 20. und 24. sowie 28. Juni 2021 wurden mehrere Regionen der Schweiz von Unwettern heimgesucht.[4] Nach dem Starkregen entstand an einigen Gewässern Hochwassergefahr.[5]
Die kumulierten Niederschläge im Monat Juli zerstörten in mehreren Regionen landwirtschaftliche Kulturen, und die mit Wasser gesättigten Böden konnten beim Eintreten des Sturmtiefs Bernd kaum mehr zusätzliches Regenwasser aufnahmen, was danach die Hochwassersituation noch verschärfte.
Betroffene Gebiete
Belgien
In Belgien war der wallonische Landesteil betroffen. Am 15. Juli gab der staatliche Infrastrukturbetreiber Infrabel die Einstellung des Eisenbahnverkehrs in der gesamten Region bekannt.[6] Hochwassergefahr bestand in der gesamten Provinz Lüttich sowie in Teilen der Provinzen Luxemburg, Namur und Wallonisch Brabant. Innenministerin Annelies Verlinden ließ das Katastrophenschutzverfahren der EU aktivieren. Das Nachbarland Frankreich verkündigte die Entsendung von Helfern in die Provinz Lüttich.[7] Im Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft trat die Our über die Ufer und überschwemmte das zu Burg-Reuland gehörende Dorf Ouren.[8] In der Provinz Lüttich sind zwei Menschen und in Aywaille ist ein Mensch ums Leben gekommen. Im Ortsteil Nispert ist ein Mann mit einem Schwimmreifen in den reißenden Stadtbach gesprungen, wurde seitdem vermisst und später haben Rettungskräfte seine Leiche gefunden.[9]
Deutschland
Mitte Juli kam es in verschiedenen Regionen Deutschlands zu starken Überschwemmungen:
In der Eifel werden nach dem Einsturz von sechs Häusern etwa 70 Personen vermisst.[10] 200.000 Menschen in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Rheinland-Pfalz (RLP) sind von Stromausfall betroffen.[11] Im Zusammenhang mit den schweren Unwettern sind in beiden Bundesländern mindestens 42 Menschen ums Leben gekommen.[12] Bei Hochwassereinsätzen in NRW starben zwei Feuerwehrleute.[10] Besonders stark betroffen ist der Landkreis Ahrweiler. Dort starben 18 Menschen.[13] In der Stadt Hof und in Landkreis Hof (Bayern) und im Landkreis Vulkaneifel (RLP) wurde der Katastrophenfall ausgerufen.[14] Durch eine Überflutung der Inde wurde auch der Tagebau Inden teilgeflutet, eine Person ist in der Folge als vermisst gemeldet.[15] Die Wuppertalsperre und die Bevertalsperre liefen infolge des Hochwassers unkontrolliert über.[16]
Besonders betroffen waren bisher folgende Orte:
- Altena
- Solingen
- Wuppertal
- Aachen-Kornelimünster
- Eschweiler und Stolberg
- Hof
- Leverkusen
- Düsseldorf
- Landkreis Ahrweiler
- Hagen
- Eifelkreis Bitburg-Prüm
- Kreis Euskirchen
Luxemburg
Auch im Großherzogtum Luxemburg ließ ergiebiger Regen am 14. und 15. Juli zahlreiche Flüsse über die Ufer treten und anliegende Ortschaften überschwemmen. Dies betraf unter anderem Mamer, Vianden und Bettemburg. Teile der Stadt Echternach mussten am 15. Juli evakuiert werden. Bei Bollendorf erreichte der Pegel der Sauer mit 608 Zentimetern den zweithöchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Nach Angaben von MeteoLux waren im Lande in den vorangegangenen 24 Stunden durchschnittlich 60 bis 80 Liter pro Quadratmeter gefallen.[17] Schwere Schäden entstanden in der Unterstadt der Landeshauptstadt durch die Alzette.[18]
Niederlande
Besonders betroffen war der südliche Teil der niederländischen Provinz Limburg. Im Heuvelland sind Bäche und kleine Flüsse über die Ufer getreten und richteten dabei schwere Schäden an. Wegen der Wassermassen mussten Teile der Autobahnen A2, A79 und A76 gesperrt werden.[19] Am 15. Juli wurden Teile der Stadt Roermond und der Kleinstadt Valkenburg evakuiert.[20][21]
Schweiz


Nach starken, tagelangen Regenfällen in den Alpen, im Jura und im Schweizer Mittelland traten seit dem 11. Juli 2021 in mehreren Kantonen zahlreiche Bäche, Flüsse und Seen über die Ufer und ereigneten sich an einigen Stellen Erdrutsche und Murgänge. Verschiedene Ortschaften wurden überflutet und einige Verkehrsverbindungen unterbrochen.[22] Für mehrere Gewässer, besonders die grossen Alpenrandseen, riefen die Behörden am 14. Juli die höchste Gefahrenstufe aus.
Kräftige Sturmböen verursachten vom 12. zum 13. Juli große Sachschäden, unter anderem in der Stadt Zürich sowie Störungen im Verkehrsnetz.[23]
Zu Hochwasser und teilweise auch lokalen Überschwemmungen kam es besonders in den Flusssystemen der Aare, der Reuss, der Limmat und der Rhone sowie im Kanton Tessin. Die Reuss trat am 13. Juli in den Kantonen Uri und Aargau über die Ufer. Bei Brugg und Gebenstorf, wo die Reuss und die Limmat in die Aare münden, standen das Schachenland und die Stroppelinsel unter Wasser.[24] In einigen Gemeinden wurden Uferstraßen und Brücken gesperrt. Schäden entstanden außerdem durch das steigende Grundwasser.
Murgänge trafen die Oberwalliser Ortschaft Oberwald und verschütteten Verkehrswege und einen Teil der Siedlung.[25] Die Strecke der Matterhorn-Gotthard-Bahn und die Passstraßen über die Grimsel, die Furka und der Nufenenpass wurden gesperrt. Der Kanton Uri sperrte vorsorglich bei Altdorf die neben der Reuss liegende Autobahn A 2 für den Verkehr.
In Luzern, Thun und andern Ortschaften entlang der Reuss und der Aare ließen die Gemeinden durch die Feuerwehr und den Zivilschutz mobile Hochwasserschutzelemente und Hochwassersperren aufstellen.
Die Verkehrsverbindungen nach Engelberg und die Kantonsstraße Lausanne–Vevey waren wegen Murgängen und Erdrutschen unterbrochen.[26] Wegen eines Steinschlages war die Hauptstrasse Bellinzona–Airolo seit dem 14. Juli gesperrt.
Das von den Zuflüssen bewirkte Hochwasser im Rhein unterhalb der Aaremündung führte dazu, dass am 13. Juli die Rheinschifffahrt bei Basel eingestellt werden musste. Die Schifffahrt stand auch auf dem Vierwaldstättersee, dem Thunersee und dem Bielersee still.
Die Birs überflutete flussnahe Gebiete in der Nähe von Basel. Der Bielersee trat bei Nidau über die Ufer.
Politische Reaktionen
Deutschland
Der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens Armin Laschet, Vizekanzler Olaf Scholz und Malu Dreyer machten sich auf den Weg in die Katastrophengebiete, um sich ein Bild der Lage zu machen. Bundeskanzlerin Angela Merkel dankte den vielen Helfern für ihren Einsatz und erklärte am 15. Juli in einem Tweet von Regierungssprecher Steffen Seibert, ihr Mitgefühl gelte den Angehörigen der Toten und Vermissten. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder versprach Hilfe für die betroffenen Länder.[27][28]
EU
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte den betroffenen EU-Ländern, namentlich Belgien, Deutschland, Luxemburg und die Niederlande, Hilfen zu.[28]
Schweiz
Bundespräsident Guy Parmelin besuchte Biel und Luzern und machte sich ein Bild von der Situation, Bundesrätin Simonetta Sommaruga machte sich ein Bild von der Aare in Bern, so am Matte-Quartier.[29] Parmelin bedauert die Katastrophe in Deutschland.[30]
Siehe auch
- Folgen der globalen Erwärmung in Europa
- Folgen der globalen Erwärmung in der Schweiz
- Folgen der globalen Erwärmung in Deutschland
Weblinks
- Maltempo, inondazioni e danni in tutta la Svizzera, ticinonews.ch (9. Juli 2021)
- Hochwasser: Aktuelle Wasserstände und Prognosen der Flüsse und Seen, watson.ch (laufend)
- Hochwasser-Bilder aus der Schweiz. Land unter. Jetzt treten in verschiedenen Kantonen die Flüsse und Seen über die Ufer. In: Berner Zeitung, 14. Juli 2021
Einzelnachweise
- ↑ Josef Fetzer: Die Zerstörung im Bild. Im Auge des Sturms. Eindrückliche Bilder der Zerstörung durch den nächtlichen Hagelsturm. auf bernerzeitung.ch, abgerufen am 15. Juli 2021.
- ↑ MeteoNews: Deutlich zu kühl und oft nass (1. Juni 2021). Abgerufen am 13. Juli 2021.
- ↑ MeteoNews: Definitive Junibilanz (1. Juli 2021). Abgerufen am 13. Juli 2021.
- ↑ Diese Rekorde wurden im Unwetter-Juni geknackt. 29. Juni 2021, abgerufen am 13. Juli 2021 (Schweizer Hochdeutsch).
- ↑ Aktuelle Hochwasser-Situation - Wo in der Schweiz Hochwassergefahr herrscht – und warum. 12. Juli 2021, abgerufen am 13. Juli 2021.
- ↑ Zugverkehr im Süden des Landes gestoppt – Autofahrten vermeiden. BRF, 15. Juli 2021, abgerufen am selben Tage.
- ↑ Alarmstufe Rot für Wasserläufe in großen Teilen der Wallonie – Frankreich schickt Hilfe. BRF, 15. Juli 2021, abgerufen am selben Tage.
- ↑ Land unter in der Gemeinde Burg-Reuland – Wetterlage in Amel ruhig. BRF, 15. Juli 2021, abgerufen am selben Tage.
- ↑ DPA: Medienberichte: Unwetter fordert zwei Todesopfer in Belgien. Abgerufen am 15. Juli 2021.
- ↑ a b NRW und Rheinland-Pfalz: Tote nach schweren Unwettern. In: Der Spiegel. Abgerufen am 15. Juli 2021.
- ↑ WELT: Unwetter: 200.000 Menschen in NRW und Rheinland-Pfalz ohne Strom. In: DIE WELT. 15. Juli 2021 (welt.de [abgerufen am 15. Juli 2021]).
- ↑ 42 Tote nach Unwetter in NRW und Rheinland-Pfalz - Plünderungsversuche in Katastrophengebiet. Abgerufen am 15. Juli 2021.
- ↑ Am Mittwochabend wurde hier der Katasrophenfall ausgerufen. Zahl der Todesopfer steigt auf 33. Abgerufen am 15. Juli 2021.
- ↑ Katastrophenfall im Landkreis Hof – Flut reißt Mann in Sachsen mit sich. Abgerufen am 15. Juli 2021.
- ↑ Zahl der Todesopfer durch Unwetter in NRW und Rheinland-Pfalz bei mindestens 19 – Laschet für mehr Klimaschutz. Abgerufen am 15. Juli 2021.
- ↑ Ticker: Unwetter Oberberg: Aufräumen nach dem 200-Jahres-Regen. 15. Juli 2021, abgerufen am 15. Juli 2021 (deutsch).
- ↑ Echternach wird am Nachmittag evakuiert. L'essentiel, 15. Juli 2021, abgerufen am selben Tage.
- ↑ „Alle sind in den ersten Stock geflüchtet“. L'essentiel, 15. Juli 2021, abgerufen am selben Tage.
- ↑ Noodnummer ingesteld voor evacuaties Zuid-Limburg. In: NU.nl. Abgerufen am 15. Juli 2021 (niederländisch).
- ↑ Wateroverlast in Valkenburg alsmaar heviger, bewoners worden geëvacueerd. In: NU.nl. Abgerufen am 15. Juli 2021 (niederländisch).
- ↑ Roermond gaat honderden huishoudens evacueren vanwege hoogwater: ‘Hulp om wat spullen hoger te zetten kan ik ook gebruiken’. In: De Limburger. Abgerufen am 15. Juli 2021 (niederländisch).
- ↑ Nach starkem Regen herrscht an einzelnen Seen und Flüssen weiterhin Hochwassergefahr, NZZ, 9. Juli 2021.
- ↑ Selina Schmid: Der Leiter der Zürcher Grünanlagen sagt: Die Aufräumarbeiten dauern bis in den Herbst. nzz.ch, 14. Juli 2017.
- ↑ Mathias Küng: Aargau bereitet sich auf einen neuen Hochwasser-Peak vor. In: Aargauer Zeitung, 15. Juli 2021.
- ↑ Schlammlawinen fluten Oberwald VS, 20min.ch, 9. Juli 2021.
- ↑ Zugstrecke bleibt bis am Freitag unterbrochen. Notstrasse nach Engelberg offen. Dutzende Personen evakuiert. Pegelstand bereitet Sorgen, Luzerner Zeitung, 11. Juli 2021.
- ↑ Zahl der Opfer steigt weiter an. Abgerufen am 15. Juli 2021.
- ↑ a b Unwetter in Europa: Von der Leyen sagt Hilfe zu – Tote in Belgien. In: Bluewin. Abgerufen am 15. Juli 2021 (SDA-Meldung).
- ↑ Unwetter in der Schweiz - Liveticker: Überschwemmungen am Bielersee «unvermeidlich». In: SRF. 13. Juli 2021, abgerufen am 15. Juli 2021.
- ↑ Erich Aschwanden Luzern: Bundespräsident Parmelin: Bedauere Katastrophe in Deutschland. In: NZZ. Abgerufen am 15. Juli 2021.