Volksverhetzung
Die Volksverhetzung (abgeleitet von „Hetze“ im politisch-gesellschaftlichen Sinn, von mittelhochdeutsch hetzen „antreiben“, ursprünglich „zum Verfolgen bringen“ und verwandt mit „Hass“[1]) ist ein Äußerungsdelikt nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB) nach dem Recht Deutschlands.
Wortlaut
§ 130 StGB lautet:
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
- 1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
- 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1. einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
- a) zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
- b) zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
- c) die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
- 2. einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 oder 4 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist der Versuch strafbar.
(7) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 5 und 6, sowie in den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend.
Die aktuelle Fassung trat am 1. Januar 2021 in Kraft.[2]
Rechtsgüter und Überblick
Welche Rechtsgüter geschützt sind, ist umstritten und muss je nach Absatz getrennt betrachtet werden.[3] Insbesondere die Bedeutung der Menschenwürde ist strittig: Der Streitstand reicht von der Ansicht, Volksverhetzung sei insgesamt ein Delikt gegen die Menschlichkeit,[4] bis zu der Ansicht, die Menschenwürde sei „Kein eigenständiges Schutzobjekt des § 130“ StGB[5].
Absatz 1 verlangt eine Eignung der Handlung, den öffentlichen Frieden zu stören. Dieser ist daher jedenfalls geschütztes Rechtsgut.[6] Daneben ist nach der herrschenden Meinung die Menschenwürde geschützt.[7][8] Dies gelte trotz des Verzichts auf das Erfordernis einer Verletzung der Menschenwürde, weil der Gesetzgeber deshalb auf dieses Erfordernis verzichtet habe, weil die Menschenwürde bei solchen Angriffen wie in Nummer 1 in der Regel sowieso betroffen sei.[9] Die Menschenwürde als Rechtsgut soll im Sinne eines Schutz der individuellen Menschenwürde zu verstehen sein.[7][6] Es ist dabei als strittig anzusehen, ob nur die Würde der Menschen im Inland geschützt sei[8] oder in Umsetzung eines EU-Rahmenbeschlusses[10] auch die derer, die sich im Ausland aufhalten[11][12]. Das Rechtsgut des öffentlichen Friedens ist allerdings ein inländisches Rechtsgut, durch das der Gesetzgeber den Bezug zum Inland sicherstellen wollte.[11][13]
Absatz 2 bezieht alle möglichen öffentlichen Äußerungen in Inhalten, die die in Absatz 1 genannten Tatbestandsmerkmale erfüllen, in die Strafandrohung ein. Inhalte im Sinne des StGB sind „solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden“ (siehe § 11 Absatz 3 StGB). Dieser Absatz verzichtet zwar in Vorverlagerung der Strafbarkeit auf das Merkmal der Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören, dieser soll aber dennoch auch in diesem Absatz geschütztes Rechtsgut sein.[6][14] Daneben tritt auch hier der Schutz der Mitglieder der genannten Menschengruppen in ihrer individuellen Menschenwürde.[6] Nach einer Ansicht soll Rechtsgut von Absatz 2 Nr. 1 und 2 auch der Jugendschutz sein.[14][15] Im Hinblick auf den öffentlichen Frieden wird vertreten, dass der öffentliche Friede in der gesamten Europäischen Union geschützt sei.[14]
Absatz 3 bezieht Personen in die Strafandrohung ein, die „eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 VStGB bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigen, leugnen oder verharmlosen“. Gemeint sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vor allem Völkermord. Der Absatz soll nach der wohl überwiegender Meinung sowohl die öffentliche Sicherheit als auch die persönliche Würde und den persönlichen Achtungsanspruch der Betroffenen schützen.[16][17][18] Aber es wird auch vertreten, dass allein der öffentliche Friede[19] oder dass allein die Menschenwürde geschützt seien.
Absatz 4 stellt die Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, die den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise stört, unter Strafe. Daher schützt er die Menschenwürde der Betroffenen.[20] Da eine Verletzung des öffentlichen Friedens gefordert wird, ist auch dieser geschützt.[21] Der Gesetzgeber hat Absatz 4 vor allem dazu geschaffen, nationalsozialistische Aufmärsche verbieten zu können (über § 15 Abs. 2 VersG i. V. m. § 130 Abs. 4 StGB),[20] insbesondere an Orten, „die an die Opfer organisierter menschenunwürdiger Behandlung erinnern“.[22]
Deliktsnatur
Die Absätze 1 und 3 sind Eignungsdelikte;[23][24] entscheidend ist die generelle Gefährlichkeit der konkreten Tat.[25] Bei Absatz 2 liegt ein [ergänze: klassisches] abstraktes Gefährdungsdelikt vor, da eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens nicht geprüft werden muss.[25][26] Absatz 4 fordert dagegen den Eintritt der Störung des öffentlichen Friedens und ist daher ein [ergänze: klassisches] Erfolgsdelikt[26][25][27] (bzw. echtes Erfolgsdelikt[28]) bzw. Verletzungsdelikt[29][30].
Geschichte
1871 und Vorläufer
§ 130 StGB, ursprünglich als „Klassenkampfparagraph“[31] („Klassenverhetzung“) bezeichnet, lautete in der Urfassung des Reichsstrafgesetzbuches von 1871:[32]
Als Ursprung kann man ein Pressegesetz aus dem Frankreich der Restauration ansehen, das 1819 gegen das Aufreizen zum Klassenkampf erlassen wurde.[31] Vor dort wurde es zunächst 1849 nach Preußen als Verordnung übernommen, dann als § 100 in das Preußische Strafgesetzbuch von 1851 („Hass- und Verachtungsparagraph“).[31]
1960
Sie wurde § 130 StGB durch das Sechste Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. Juni 1960[33] mit Wirkung zum 30. Juli 1960 neu gefasst:[34]
- 1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt,
- 2. zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder
- 3. sie beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
Die Neufassung dieses Paragrafen beruhte auf der Auffassung, dass der Nationalsozialismus auch durch rechtliches Dulden von Hetzpropaganda ermöglicht wurde.[35] Zudem war die Gesetzesänderung auch eine Reaktion auf damals aktuelle Vorfälle.[36] Um keine einseitige Regelung zu sein, wurde § 130 StGB aber nicht auf rechtsextreme Handlungen beschränkt.[31] Als Gegengewicht gegen einen allzu weiten Tatbestand durch das Merkmal „Teile der Bevölkerung“ wurde das Erfordernis des Angriffs auf die Menschenwürde aufgenommen.[37]
Diese Änderung hatte eine längere Vorgeschichte.
Anfang Januar 1959 legte die Bundesregierung erstmals einen Gesetzentwurf für die Neufassung des § 130 StGB vor. Sie reagierte damit auf eine Serie antisemitischer Straftaten, darunter Brandanschläge auf Synagogen, und Justizskandale. Im Frühjahr 1957 hatte Ludwig Zind, ehemaliges SD-Mitglied, einen jüdischen Kaufmann beleidigt und voller Stolz hunderte Morde an Juden in der NS-Zeit bekannt. Er wurde im April 1958 wegen Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, floh aber vor Haftantritt ins Ausland. Im Prozess hatte er seine nationalsozialistischen Ansichten bekräftigt und dafür viel Zustimmung seitens der Zuschauer erhalten. Im Juli floh auch der ehemalige KZ-Arzt Hans Eisele ins Ausland; die KZ-Ärztin Herta Oberheuser wurde vorzeitig entlassen und konnte sich erneut als Ärztin niederlassen.
Diese und andere Fälle wurden in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit aufmerksam registriert. Dabei wurde auch der Fall des Hamburgers Friedrich Nieland bekannt, der 1957 trotz Verbreitung einer antisemitischen Hetzschrift vom Oberlandesgericht Hamburg nicht verurteilt worden war.[38] Weihnachten 1959 kam es dann zur Schändung der Synagoge in Köln, die Bundeskanzler Konrad Adenauer erst kurz zuvor mit der jüdischen Gemeinde eingeweiht hatte, gefolgt von 700 Anschlusstaten bis Ende Januar 1960. Dies rief internationale Empörung und Besorgnis über die Stabilität der westdeutschen Demokratie hervor. Die SED sprach von einer „Refaschisierung“ der Bundesrepublik.
Daraufhin fand am 22. Januar 1960 im Bundestag eine von der SPD beantragte große Justizdebatte statt. Dabei lehnten die Oppositionsparteien SPD und FDP den Gesetzentwurf der Regierung als Sondergesetz ab: Adolf Arndt sprach von einem „Judenstern“-Gesetz, das die jüdische Minderheit rechtlich als privilegiert brandmarken würde. Stattdessen müsse man jede Herabwürdigung von Minderheiten als Angriff auf die Menschenwürde ahnden. Seine Sicht setzte sich im Rechtsausschuss des Bundestages durch, so dass im Sommer 1960 nicht „Aufstachelung zum Rassenhass“, sondern der Angriff auf die „Menschenwürde anderer“ in den Gesetzestext übernommen wurde.[39]
1994
Die nächsten stärkeren Änderungen wurden dann durch das Verbrechungsbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 zum 1. Dezember 1994 bewirkt.[40] Die danach gültige Fassung des § 130 StGB lautete:
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
- 1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder
- 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1. Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
- a) verbreitet,
- b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,
- c) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder
- d) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder
- 2. eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk verbreitet.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 220a Abs. 1 bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Absatz 2 gilt auch für Schriften (§ 11 Abs. 3) des in Absatz 3 bezeichneten Inhalts.
(5) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit Absatz 4, und in den Fällen des Absatzes 3 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend.
Mit dem damaligen neuen Absatz 3 wurde insbesondere die Strafbarkeit der Holocaustleugnung in Form der sogenannten „einfachen Auschwitz-Lüge“ als Volksverhetzung eingeführt.[41] Gerade zuvor hatte der Bundesgerichtshof (unter Berufung auf eine Gesetzesbegründung des Gesetzgebers zum Strafantragserfordernis der Beleidigungsdelikte) festgestellt, „daß das bloße Bestreiten der systematischen Tötung von Juden nicht den Tatbestand des § 130 erfüllt“.[42][43]
Das vorher in § 131 StGB geregelte „Aufstacheln zum Rassenhaß“ wurde mit Änderungen im Wortlaut und mit erhöhter Strafandrohung in den neuen Absatz 2 übernommen.[44]
Dem neuen Absatz 3 ging eine längere Kontroverse voraus. Der Bundesgerichtshof hatte Menschen jüdischer Abstammung aufgrund ihres Persönlichkeitsrechts in der Bundesrepublik am 18. September 1979 Anspruch auf Anerkennung des Verfolgungsschicksals der Juden unter dem Nationalsozialismus zugesprochen.[45] Genau vor der Gesetzesänderung war im März 1994 eine Verurteilung des damaligen NPD-Parteichefs Günter Deckert wegen Volksverhetzung gescheitert, da der Bundesgerichtshof den Tatbestand der Volksverhetzung in diesem Fall durch Holocaustleugnung als noch nicht erfüllt angesehen hatte.[46][42] Anerkannt hatte der Bundesgerichtshof, dass das „einfache“ Bestreiten der Gaskammermorde als Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener strafbar sei, was bis dahin auch noch nicht unbestritten gewesen war.[47]
Dieser Beschluss wurde in der bundesdeutschen Öffentlichkeit als Skandal betrachtet. Vielfach wurde kritisiert, dass der Gesetzgeber es versäumt habe, Holocaustleugnung unter Strafe zu stellen.[48][49]
Am 13. April 1994 entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dass Holocaustleugnung in Form der sogenannten „einfachen Auschwitzlüge“ nicht unter das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG falle: Es handele sich bei dem bloßen Bestreiten des Holocausts um eine „erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung“, also das Bestreiten einer vielfach erwiesenen Tatsache, die für sich nicht vom Recht der Meinungsfreiheit gedeckt sei, da sie nicht zur verfassungsmäßig vorausgesetzten Meinungsbildung beitragen könne.[50] Schon die Prüfung, ob für sich genommen einfaches Bestreiten des Holocausts überhaupt als im Sinne der Meinungsfreiheit schutzwürdige Meinung in Betracht kommt, wurde also in einem Begründungsstrang verneint. Falls diese falsche Tatsachenbehauptung in Zusammenhang mit dem weiteren Motto der geplanten Demonstration zu sehen sein sollte, so läge zwar insgesamt ein staatlicher Eingriff in das Grundrecht der Meinungsäußerung vor, dieser sei aber gerechtfertigt.[51]
Das BVerfG-Urteil fand Kritik: Den Holocaust leugnende Äußerungen beschränkten sich regelmäßig nicht auf reine Tatsachenbehauptungen, sondern seien mit Werturteilen verbunden. Diese seien nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auch dann vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst, wenn es sich bei ihnen um völligen Unsinn oder sogar ehrverletzende Äußerungen handele. Diese würden erst auf Ebene der Grundrechtsschranken vom grundrechtlichen Schutz ausgenommen.
Der Politikwissenschaftler Peter Reichel meint, das bisherige Recht habe den Persönlichkeitsschutz aller Opfer von Holocaustleugnern schon gewährt, während der Staat nun erstmals eine bestimmte Tatsachenbehauptung als Lüge und Verharmlosung bestrafe. Indem man bestimmte Falschbehauptungen aus der freien Kommunikation über die Geschichte gesetzlich auszuschließen versuche, fördere man eher eine erneute Tendenz zum Gesinnungsstrafrecht, statt den Meinungsbildungsprozess gerade bei ungefestigten Jugendlichen positiv zu beeinflussen. Dies sei für eine liberale Rechtsstaatstheorie bedenklich, da Meinungsfreiheit nicht nur ein individuelles, sondern ein kollektives Grundrecht sei: „Es liegt im öffentlichen Interesse einer pluralistischen Gesellschaft, die wesensmäßig durch die Rationalität kommunikativen Handelns geprägt ist, freie Meinungs- und Willensbildung nicht zu behindern.“ Am Grenzfall der Holocaustleugnung werde deutlich, „dass es auf die Frage nach historischer Wahrheit auch dann keine definitiven Antworten gibt, wenn wir dies aus moralischen und politischen Gründen wünschen. Rechtsgüterschutz kann sich nur auf die Ehre und das Andenken der NS-Verfolgten erstrecken, nicht aber auf ein richtiges, vom Staat verwaltetes Geschichtsbild.“[52]
Im Sommer 2008 kritisierten die ehemaligen Verfassungsrichter Winfried Hassemer und Wolfgang Hoffmann-Riem das Verbot der Holocaustleugnung:[53] Die auf § 130 Abs. 3 StGB beruhende Rechtsprechung sei ungeeignet, die Menschenwürde der Opfernachfahren zu schützen. Die streitbare Demokratie solle es unterlassen, „durch Repression Märtyrer zu schaffen“.[54]
Geschichtsrevisionisten und Rechtsextremisten bekämpfen § 130 Abs. 3 StGB als „Auschwitzgesetz“ oder „Lex Engelhard“. Helmut Schröcke sah darin ein „Sondergesetz“ gegen wissenschaftlich angeblich noch „zu klärende“ Fragen der Zeitgeschichte. Er veröffentlichte 1996 einen zuerst von der Gesellschaft für freie Publizistik herausgegebenen Appell der 100 – Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr!, der auch in der Zeitschrift Junge Freiheit erschien und von vielen Holocaustleugnern unterzeichnet wurde. Der Text griff die gängige Gerichtspraxis an, den Holocaust als offenkundig juristisch (zum Beispiel bei den Auschwitzprozessen der 1960er und 1970er Jahre) wie geschichtswissenschaftlich bewiesene historische Tatsache nicht jedes Mal aufs Neue einer juristischen Beweisführung zu unterziehen und entsprechende Anträge abzulehnen.
Deutsche Historiker beurteilen das Verbot der Holocaustleugnung unterschiedlich. Ernst Nolte forderte 1994 eine „Versachlichung der Geschichte“ und lehnte vorgegebene „Dogmen“ oder „offenkundige Wahrheiten“ ab: Geschichte sei kein Rechtsgegenstand. In einem freien Land sei es weder Sache des Parlaments noch der Justiz, geschichtliche Wahrheiten zu definieren. Eberhard Jäckel kritisierte 2007:[55]
„In der großen Auseinandersetzung um die Entnazifizierung hat Eugen Kogon in den fünfziger Jahren einmal gefordert das Recht auf den politischen Irrtum. Und ich glaube, das muss eine freie Gesellschaft einräumen, und sie muss auch hier das Recht auf, ja, auf Dummheit erlauben. Auch Geisteskrankheit kann ja nicht verboten werden… Hier geht es darum, dass ein bestimmtes Geschichtsbild verboten werden soll, und das scheint mir einer freien Gesellschaft nicht würdig zu sein.“
Jäckel plädierte für das Ignorieren der Holocaustleugner, solange sie nicht direkt zu Gewalt gegen Personen und Sachen aufriefen.
Hans-Ulrich Wehler setzte dagegen vorrangig auf die argumentative und politische Auseinandersetzung mit Holocaustleugnern, hielt aber auch die Anwendung aller rechtlichen Mittel für notwendig, um Gewalttaten zu verhindern, die mit Holocaustleugnung begründet und dadurch begünstigt würden. Die Neufassung des Straftatbestands der Volksverhetzung sei notwendig geworden, um auch rechtlich gegen Auschwitzleugner vorgehen zu können, nachdem die westdeutsche Justiz die Verfolgung von nationalsozialistischen Straftätern in den 1970er Jahren weitgehend eingestellt hatte:[56]
„Die Leugnung eines so unvorstellbaren Mordes an Millionen – ein Drittel aller Ermordeten waren Kinder unter 14 Jahren – kann man nicht so einfach hinnehmen als etwas, was durch die freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Es sollte schon eine Rechtszone geben, in der diese Lüge verfolgt wird. Bei einer Güterabwägung finde ich – so sehr ich für das Recht auf Meinungsfreiheit bin –, kann man die Leugnung des Holocausts nicht mit einem Übermaß an Generösität hinter freier Meinungsäußerung verstecken. […] Dass das Thema in Anatolien, Brasilien oder China so weit weg ist und deshalb nicht viele interessiert, kann kein Grund für uns sein, auf die Strafverfolgung zu verzichten. Die universelle Gültigkeit dieser Kritik und der Strafverfolgung kann nicht der Maßstab dafür sein, ob man sie unternimmt oder sein lässt.“
Nach der Entscheidung des BVerfG vom 9. November 2011[57] ist der § 130 StGB im Lichte der Meinungsfreiheit einschränkend auszulegen, so dass sich jemand, der Schriften an einen Gastwirt überlässt, in denen der Holocaust verharmlost und die alleinige Kriegsschuld Deutschlands in Frage gestellt wird, nicht ohne Weiteres der Volksverhetzung strafbar macht.
2005
Mit dem Gesetz zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuchs vom 24. März 2005[58] wurde § 130 Abs. 4 StGB mit Wirkung zum 1. April 2005 neu in das Gesetz eingefügt. Diese Vorschrift bezweckt insbesondere, das versammlungsrechtliche Verbot der Hess-Aufmärsche in Wunsiedel zu erleichtern.[59] Da sich der Anwendungsbereich der Bestimmung darauf jedoch nicht beschränkt, stellt § 130 Abs. 4 StGB kein unzulässiges Einzelfallgesetz dar.[60][61]
2015
Die Versuchsstrafbarkeit in bestimmten Fällen (siehe unten) wurde eingeführt durch das Neunundvierzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht vom 21. Januar 2015 mit Wirkung zum 27. Januar 2015.[62]
Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit
Außerhalb des Ehrenschutzes und des Jugendschutzes (→ Schrankentrias, Art. 5 Abs. 2 GG) darf die Meinungsfreiheit nur durch solche Gesetze („allgemeine Gesetze“) eingeschränkt werden, „die ‚nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten‘, die vielmehr ‚dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen‘, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat“.[63] § 130 Abs. 1–2 StGB beschränken als solche allgemeinen Gesetze das Grundrecht der Meinungsfreiheit,[64][65] doch müssen § 130 Abs. 1–2 StGB mit Blick auf die Bedeutung von Art. 5 Abs. 1 GG ausgelegt werden[66].[67]
Dagegen soll § 130 Abs. 3 nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Juni 2018 kein allgemeines Gesetz darstellen.[68] Zulässig soll diese Norm nach dem BVerfG aber dennoch aufgrund der besonderen deutschen Geschichte sein: „Als Vorschrift, die auf die Verhinderung einer propagandistischen Affirmation der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zwischen den Jahren 1933 und 1945 gerichtet ist, ist sie von der formellen Anforderung der Allgemeinheit, wie sie sonst nach Art. 5 Abs. 2 GG gilt, ausgenommen.“[68] Auf eine andere Begründungsherleitung kann man eine Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zum Leugnen des nationalsozialistischen Völkermords ebenfalls aus dem Juni 2018 zurückführen. Grundsätzlich schließt das Grundrecht auf Meinungsfreiheit entgegen dem Wortlaut des Artikel 5 Grundgesetz auch das Recht auf Tatsachen-Behauptungen ein, denn meist sind Tatsachenbehauptungen die Grundlage der Bildung von Meinungen.[69][70] Daher besteht nach dem Bundesverfassungsgericht der Schutz der Meinungsfreiheit auch für solche Tatsachen, die meinungsbezogen sind und damit zur Meinungsbildung beitragen.[71] Hingegen bzw. konsequenterweise besteht nach dem Bundesverfassungsgericht nach Beschluss vom Juni 2018 eine Grenze beim Leugnen des nationalsozialistischen Völkermords: „Nicht mehr in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen hingegen bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen, da sie zu der verfassungsrechtlich gewährleisteten Meinungsbildung nichts beitragen können“.[72][73] Ähnlich begründete bereits 2003 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), seine Entscheidung dazu, „Eindeutig feststehende historische Tatsachen wie den Holocaust zu bestreiten“, bei der er in dem allerdings auch auf den Missbrauch eines Menschenrechts abstellte.[74] Auch in der Rechtswissenschaft wird die Behauptung, es habe unter dem Nationalsozialismus keine Judenverfolgung gegeben gesehen als „eine Tatsachenbehauptung, die nach ungezählten Augenzeugenberichten und Dokumenten, den Feststellungen der Gerichte in zahlreichen Strafverfahren und den Erkenntnissen der Geschichtswissenschaft erwiesen unwahr ist“.[75] Sie stehe daher nicht unter dem Schutz der Meinungsfreiheit.[75] Problematisch sei allerdings die Behandlung von Aussagen, bei denen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen gemischt seien.[75]
Bei Absatz 4 von § 130 StGB handelt sich laut der Wunsiedel-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 2009 um eine Sonderbestimmung und kein allgemeines Gesetz, die aber angesichts der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes (GG) und der Bundesrepublik Deutschland als Gegenentwurf zum Nationalsozialismus mit der Garantie der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 und 2 GG zu vereinbaren sei.[76][77] Die Wunsiedel-Entscheidung wird in der Rechtswissenschaft kritisiert: Der Verfassungsgeber habe keinen Vorbehalt eines Sonderrechtes in Art. 5 GG aufgenommen.[78] Es lasse sich auch nicht feststellen, dass ein ungeschriebener Vorbehalt vorausgesetzt worden sei.[78]
Vergehen, Versuchsstrafbarkeit, Vorbereitungshandlungen und Unternehmensdelikt
Sämtliche Begehungsarten der Volksverhetzung stellen Vergehen dar, da die Mindeststrafe unter einen Jahr Freiheitsstrafe liegt (§ 12 Abs. 1 StGB). Daher sind nach § 23 Abs. 1 StGB der Versuch und nach § 30 Abs. 1 und 2 StGB bestimmte Vorbereitungshandlungen (Versuch der Beteiligung) nicht ohne ausdrückliche Anordnung strafbar. Absatz 6 ordnet eine solche Versuchsstrafbarkeit an „In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 5“.
Damit wollte der Gesetzgeber Wertungswidersprüche vermeiden, die dadurch entstehen könnten, dass bestimmte Vorbereitungshandlungen strafbar waren, der Versuch als unmittelbares Ansetzen aber bis dahin noch nicht.[79][80] In der Gesetzesbegründung heißt es zudem: „Die Versuchsstrafbarkeit soll folgerichtig nicht die Vorbereitungsdelikte des § 130 Absatz 2 Nummer 3 StGB-E erfassen. Wo dies erforderlich erscheint, nämlich bei der Ein- und Ausfuhr volksverhetzender Schriften, ist an der Ausgestaltung als Unternehmensdelikt festgehalten worden.“[80] [Der Begriff der Schriften ist inzwischen durch Inhalte ersetzt worden.] Denn durch Absatz 2 Nummer 2 werden verschiedene materielle Vorbereitungshandlungen (sogenannte Vorfelddelikte) („herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen“) bereits als vollendetes Delikt strafbar, wenn eine entsprechende Verwendungsabsicht oder Absicht des Ermöglichens der Verwendung durch einen anderen vorliegt.[79]
Tatbestandsausschluss und Sozialadäquanzformel
Nach Absatz 7 gilt die sogenannten Sozialadäquanzformel des § 86 Abs. 3 StGB (also aus der Norm über das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen) entsprechend in „Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 5 und 6, sowie in den Fällen der Absätze 3 und 4“. Absatz 1 fehlt demnach im Anwendungsbereich der Sozialadäquanzformel. Absätze 1 bis 6 gelten somit nach dem Wortlaut des § 86 StGB nicht, „wenn die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.“
Beim Vorliegen der Voraussetzungen der Sozialadäquanzformel wird bereits die Tatbestandsmäßigkeit ausgeschlossen.[81][82]
Nach einer Ansicht soll dieser Tatbestandsausschluss nur in Ausnahmefällen von Relevanz sein, in der Regel werde es in diesen Fällen schon an der Eignung zur Friedensstörung (Abs. 3), an der vollendeten Friedensstörung (Abs. 4) bzw. am tatbestandsmäßigen Aufstacheln (Abs. 2) fehlen.[83] Nach einer anderen Ansicht soll die Sozialadäquanzformel angesichts der Weite des Tatbestandes nötig sein, insbesondere um die Meinungsfreiheit zu gewährleisten.[84]
Verteidigerhandeln soll nach dem Bundesgerichtshof grundsätzlich auch „ähnlichen Zwecken“ dienen können.[85] Daher sei der Tatbestand der Volksverhetzung auf Handlungen zur Verteidigung des Mandanten grundsätzlich nicht anzuwenden, wenn dem Mandanten eine Volksverhetzung zur Last gelegt werde.[85] Dies bedeutete jedoch keinen „Freibrief“ für Strafverteidiger. Denn es gibt auch Ausnahmen. Diese fasst der BGH so zusammen: „Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Erklärung des Verteidigers ohne jeden Bezug zur Verteidigung ist oder sich als verteidigungsfremdes Verhalten erweist, das sich lediglich den äußeren Anschein der Verteidigung gibt, tatsächlich aber nach den Maßstäben des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts nichts zu solcher beizutragen vermag.“[85] Insbesondere gilt dies für die Beweisbehauptung im Rahmen eines Beweisantrages, in Auschwitz und Auschwitz-Birkenau seien keine Menschen durch Giftgas getötet worden.[86]
Anwendung auf Auslandstaten
Straftaten, die gemäß § 130 StGB im Ausland begangen werden, gleich ob von deutschen Staatsangehörigen oder von Ausländern, konnten und können wie eine Inlandsstraftat verfolgt werden, wenn ihr „Erfolg“ (auch) im Inland eintritt (§ 3, § 9 StGB). Dies sei nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Dezember 2000[87][88] dann der Fall, wenn sie den öffentlichen Frieden in Deutschland beeinträchtigen und die Menschenwürde von erkennbaren Minderheiten in Deutschland verletzen. So reiche es zum Beispiel aus, dass ein strafbarer Inhalt über das Internet, zum Beispiel in Form einer HTML-Seite, von Deutschland aus abrufbar war.[89] Daraus ergibt sich zum Beispiel die Zuständigkeit deutscher Gerichte für Volksverhetzungsdelikte, die vom Ausland aus begangen werden. Deshalb wurde zum Beispiel der Holocaustleugner Ernst Zündel für volksverhetzende Propaganda, die er von den USA bzw. Kanada aus im Internet veröffentlicht hatte, im Februar 2007 vom Landgericht Mannheim verurteilt. In der Rechtswissenschaft wurde die Entscheidung kritisiert: Zum einen müssten angesichts des Legalitätsprinzips nun eigentlich die Staatsanwaltschaften hinsichtlich einer unübersehbaren Zahl von Internetseiten ermitteln, zum anderen habe der BGH im Rahmen des Strafanwendungsrecht eine Auslegung zum Erfolgsbegriff vertreten, die der allgemeinen Dogmatik von den Gefährdungsdelikten widerspreche, da Eignungsdelikte (vgl. Wortlaut der Absätze 1 und 3 der Volksverhetzung: „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“) danach zu den abstrakten Gefährdungsdelikten zählen würden, bei denen eben kein Erfolg zum Tatbestand gehöre.[90]
Im Mai 2016 entschied allerdings ein anderer, inzwischen zuständiger Senat des BGH gegen die quasi universelle Strafbarkeit einer Volksverhetzung im Ausland nach deutschem Recht.[91] Die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB umschreibe keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg.[92] Daher könne eine Inlandstat nach dem Recht Deutschlands durch die Störung des öffentlichen Friedens in Deutschland nicht begründet werden.[92] Die Tat sei allerdings im konkreten Falle dennoch nach dem Recht Deutschlands strafbar, da der Täter Deutscher sei und die Tat auch am Tatort (Schweiz) strafbar sei.[93]
Im Hinblick auf diese neue Rechtsprechung initiierte das Bundesjustizministerium mit dem Referentenentwurf vom September 2019 ein neues Gesetzesvorhaben.[94] Das endgültige Gesetz wurde im November 2020 vom Bundestag beschlossen[95] und im Dezember 2020 verkündet[96]. Die Gesetzesänderungen traten im 1. Januar 2021 in Kraft.[97]
Zur Anwendbarkeit auf Auslandstaten muss die Tat nach neuer Rechtslage aber geschehen „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören," zudem „im Inland wahrnehmbar verbreitet oder der inländischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht" werden und „der Täter Deutscher“ sein oder „seine Lebensgrundlage im Inland“ haben. (§ 5 Nr. 5a Buchst. b StGB neuer Fassung) Die Gesetzesbegründung zeigt allerdings Tendenzen dahin, dass die Norm so zu interpretieren sei, dass „bei Inlands- und Auslandstaten von vorneherein auch keine unterschiedlichen Anforderungen an Zeitpunkt und Art des Nachweises dieser Merkmale bestünden.“[98].[99]
Anwendbarkeit nur auf erkennbare Minderheiten?
Der § 130 StGB ist nach Ansicht einiger Juristen nicht anwendbar bei Anstachelung zum Hass gegen das deutsche Volk als Ganzes;[100] hierzu gibt es jedoch auch andere Ansichten[101]. Am 15. Februar 2017 stellte die Hamburger Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen ein Vorstandsmitglied des Türkischen Elternbunds Hamburg ein, der die Deutschen als „Köterrasse“ bezeichnet hatte. Zur Begründung hieß es, beim Straftatbestand der Volksverhetzung müsse es sich „um eine Gruppe handeln, die als äußerlich erkennbare Einheit sich aus der Masse der inländischen Bevölkerung abhebt“, und das sei bei „allen Deutschen“ nicht der Fall.[102]
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln kann aber auch die pauschale Verunglimpfung von Frauen eine Volksverhetzung darstellen, obwohl diese die statistische Mehrheit der deutschen Bevölkerung darstellen. Dies gelte aber nur, soweit hiermit auch deren Menschenwürde angegriffen werde, so dass sie praktisch als „Unperson[en]“ dargestellt werden oder in die Nähe solcher gerückt würden.[103]
Siehe auch
- Kategorie:Volksverhetzer nach deutschem Recht
- Verhetzung – analoger Tatbestand im österreichischen Strafgesetzbuch
- Rassismus-Strafnorm – analoger Tatbestand im schweizerischen Strafgesetzbuch
- Anstiftung zu Rassenhass – analoger Tatbestand im französischen Strafrecht
- Gesetze gegen Holocaustleugnung
- Hate crime („Hasskriminalität“)
Literatur
- Mathias Hellmann, Julia Gärtner: Neues beim Volksverhetzungstatbestand – Europäische Vorgaben und ihre Umsetzung. In: NJW. 14/2011, S. 961.
- Matthias Krauß: § 130 StGB. In: Gabriele Cirener, Henning Radtke, Ruth Rissing-van Saan, Thomas Rönnau, Wilhelm Schluckebier (Hrsg.): Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. Großkommentar. 13. Auflage. Band 8 §§ 123-145d. De Gruyter, Berlin/Boston 2021, ISBN 978-3-11-049006-0 (oclc.org [PDF; 4,5 MB]).
- Sergey Lagodinsky: Kontexte des Antisemitismus. Rechtliche und gesellschaftliche Aspekte der Meinungsfreiheit und ihrer Schranken. Metropol Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-86331-025-7, 424 Seiten.
- Peter Rackow: StGB § 130 Volksverhetzung. In: Bernd von Heintschel-Heinegg, (Hrsg.): BeckOK StGB (= Beck’sche Online-Kommentare : BeckOK). C.H. Beck, München (49. Edition, Stand: 1. Februar 2021).
- Benedikt Rohrßen: Von der "Anreizung zum Klassenkampf" zur "Volksverhetzung" (§ 130 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert. De Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-89949-750-2. (Zum Inhalt: degruyter.com).
- Andreas Stegbauer: Rechtsextremistische Propaganda im Lichte des Strafrechts. VVF, München 2000, ISBN 3-89481-396-2.
Weblinks
- Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Volksverhetzung (PDF; 67 kB)
- Joachim Neander: Mit dem Strafrecht gegen die „Auschwitz-Lüge”: Ein halbes Jahrhundert § 130 Strafgesetzbuch „Volksverhetzung”. In: theologie.geschichte : Zeitschrift für Theologie und Kulturgeschichte. 2006 .
- Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Holocaustleugnung vom 13. April 1994, Az. 1 BvR 23/94, BVerfGE 90, 241.
- Methoden zur Rechtsdurchsetzung und Erfahrungen mit der strafrechtlichen Verfolgung antisemitischer und rechtsextremistischer Hetze im Internet. Artikel über parlamentarische Anfrage bei Hagalil, 22. März 2003
- Harry H. Kalinowsky: Antisemitismus und Strafrecht (Friedrich-Ebert-Stiftung)
Einzelbelege
- ↑ Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Auflage, hrsg. von Walther Mitzka, De Gruyter, Berlin/ New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 306 (hetzen).
- ↑ Zuletzt geändert durch das Sechzigste Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Modernisierung des Schriftenbegriffs und anderer Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches bei Handlungen im Ausland vom 30. November 2020 (BGBl. 2020 I S. 2600), in Kraft getreten am 1. Januar 2021, vgl. Paragraf 130. Volksverhetzung. [1. Januar 2021]. In: Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 / lexetius.com. Abgerufen am 3. Juli 2021.
- ↑ Jürgen Schäfer, Stephan Anstötz In: Münchener Kommentar zum StGB. 4. Auflage 2021, StGB § 130 Rn. 1.
- ↑ Heribert Ostendorf in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch. 5. Auflage 2017. StGB § 130 Rn. 4.
- ↑ Detlev Sternberg-Lieben/Ulrike Schittenhelm: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch. 30. Auflage 2019, StGB § 130 Rn. 1.
- ↑ a b c d Peter Rackow In: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 50. Edition, Stand: 1. Mai 2021, StGB § 130 Rn. 10.
- ↑ a b Matthias Krauß: StGB § 130. Rn. 2 In: Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. 13. Auflage. Band 8 §§ 123–145d. De Gruyter, Berlin/Boston 2021.
- ↑ a b BGH, 12. Dezember 2000, Az. 1 StR 184/00, NJW 2001, 624 (628) = BGHSt 46, 212, Zitat: „Das Äußerungsdelikt nach § 130 I StGB schützt Teile der inländischen Bevölkerung schon im Vorfeld von unmittelbaren Menschenwürdeverletzungen […]“.
- ↑ Jürgen Schäfer, Stephan Anstötz In: Münchener Kommentar zum StGB. 4. Auflage 2021, StGB § 130 Rn. 3 unter Verweis auf BT-Drs. 12/6853 S. 24.
- ↑ Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
- ↑ a b Matthias Krauß: StGB § 130. Rn. 9 In: Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. 13. Auflage. Band 8 §§ 123–145d. De Gruyter, Berlin/Boston 2021.
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- ↑ Jürgen Schäfer, Stephan Anstötz In: Münchener Kommentar zum StGB. 4. Auflage 2021, StGB § 130 Rn. 4.
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- ↑ BGH, 3. Mai 2016, Az. 3 StR 449/15 Rn. 17, NStZ 2017, 146 (148).
- ↑ BVerwG, Urteil vom 5. August 2009, Az. 6 A 3.08, BVerwGE 134, 275.
- ↑ BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2018, Az. 1 BvR 673/18 Rn. 26, NJW 2018, S. 2858 (2859).
- ↑ a b Matthias Krauß: StGB § 130. Rn. 14 In: Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. 13. Auflage. Band 8 §§ 123–145d. De Gruyter, Berlin/Boston 2021.
- ↑ Peter Rackow In: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 50. Edition, Stand: 1. Mai 2021, StGB § 130 Rn. 12.
- ↑ BT-Drs. 15/4832 S. 1.
- ↑ Peter Rackow In: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 50. Edition, Stand: 1. Mai 2021, StGB § 130 Rn. 8, Zitat „abstrakt-konkrete […] bzw. potenzielle Gefährdungsdelikte“.
- ↑ BGH, Urteil des 1. Strafsenats vom 12. Dezember 2000, Az. 1 StR 184/00,NJW 2001, 624 (626) = BGHSt 46, 212, Zitat: „Mit der Eignungsformel wird die Volksverhetzung nach § 130 I und III StGB zu einem abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikt […]; teilweise wird diese Deliktsform auch als „potenzielles Gefährdungsdelikt” bezeichnet […]“.
- ↑ a b c Matthias Krauß: StGB § 130. Rn. 16 In: Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. 13. Auflage. Band 8 §§ 123–145d. De Gruyter, Berlin/Boston 2021.
- ↑ a b Peter Rackow In: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 50. Edition, Stand: 1. Mai 2021, StGB § 130 Rn. 9.
- ↑ BT-Drs. 15/5051 vom 9. März 2005, S. 4, 6.
- ↑ BVerfG, Beschluss vom 16. April 2005, Az. 1 BvR 808/05, NJW 2005 S. 3202 (3203).
- ↑ Kristian Kühl In: Lackner/Kühl, StGB. 29. Auflage 2018, StGB § 130 Rn. 1.
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- ↑ a b c d Heribert Ostendorf in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch. 5. Auflage 2017. StGB § 130 Rn. 2.
- ↑ Wikisource: s:Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (1871)#§. 130
- ↑ BGBl. 1960 I S. 478.
- ↑ Paragraf 130. Volksverhetzung. In: Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 / lexetius.com. Abgerufen am 6. Juli 2021 (30. Juli 1960/4. August 1960–1. September 1969).
- ↑ Peter Reichel: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur in Politik und Justiz. Beck, München 2001, ISBN 3-406-45956-0, S. 144 ff.
- ↑ Jürgen Schäfer, Stephan Anstötz In: Münchener Kommentar zum StGB. 4. Auflage 2021, StGB § 130 Rn. 1, Zitat: „Sie wurde zunächst durch das 6. StrÄndG vom 30.6.1960, BGBl. I S. 478, als Reaktion auf antisemitische und nazistische Vorfälle, die im In- und Ausland großes Aufsehen erregt hatten, neu gefasst.“.
- ↑ Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 3/1746 S. 2–3.
- ↑ Friedrich Nieland fand keine Richter. In: Die Zeit, Nr. 3/1959.
- ↑ Peter Reichel: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. München 2001, S. 144–157.
- ↑ Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz) vom 28. Oktober 1994 BGBl. I S. 3186
- ↑ Detlev Sternberg-Lieben/Ulrike Schittenhelm: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch. 30. Auflage 2019, StGB § 130 Rn. 1.
- ↑ a b BGH, Urteil vom 15. März 1994, Az. 1 StR 179/93, NStZ 1994, 390 (391) – Fall Deckert.
- ↑ Umstritten ? Der BGH, das BVerfG und die "Auschwitzlüge". In: richterverein.net. Abgerufen am 6. Juli 2021 (Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/94).
- ↑ Peter Rackow In: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 50. Edition, Stand: 1. Mai 2021, StGB § 130 Rn. 2.
- ↑ BGH, Urteil vom 18. September 1979, Az. VI ZR 140/78.
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- ↑ Peter König, Helmut Seitz: Die straf- und strafverfahrensrechtlichen Regelungen des Verbrechensbekämpfungsgesetzes. NStZ 1995, S. 1 (3).
- ↑ Hans-H. Kotte: „Freibrief“ für Leugner des Holocaust? In: Die Tageszeitung. 17. März 1994, abgerufen am 27. September 2020.
- ↑ Juden verlangen Gesetzesänderung in: FAZ, 21. März 1994.
- ↑ BVerfG, Beschluss vom 13. April 1994, Az. 1 BvR 23/94, BVerfGE 90, 241 (247–250), - Auschwitzlüge, DFR Abs. Nr. 28–34.
- ↑ BVerfG, Beschluss vom 13. April 1994, Az. 1 BvR 23/94, BVerfGE 90, 241 (247–250), - Auschwitzlüge, DFR Abs. Nr. 34, Zitat: „c) Aber auch wenn man die Äußerung, auf die sich die Auflage bezieht, nicht für sich nimmt, sondern im Zusammenhang mit dem Thema der Versammlung betrachtet und sie insoweit als Voraussetzung für die Meinungsbildung zur ‘Erpreßbarkeit’ der deutschen Politik ansieht, halten die angegriffenen Entscheidungen einer verfassungsrechtlichen Nachprüfung stand. Die untersagte Äußerung genießt dann zwar den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Doch ist ihre Einschränkung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.“
- ↑ Peter Reichel: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland, München 2001, S. 156.
- ↑ Interview mit Winfried Hassemer – „Das Grundgesetz ist dazu da, in Aktion zu treten“ ( vom 2. Januar 2010 im Internet Archive) In: Süddeutsche Zeitung, 10. Juni 2008
- ↑ „Holocaust-Leugner nicht bestrafen“. In: Der Tagesspiegel, 10. Juli 2008
- ↑ Historiker Jäckel: Holocaust-Leugner mit Ignoranz strafen. In: Deutschlandradio Kultur, 1. Februar 2007.
- ↑ Interview mit Historiker Wehler: „Mitleid mit Irving ist verfehlt“. Spiegel Online, 21. Februar 2006
- ↑ BVerfG, Beschluss vom 9. November 2011, Az. 1 BvR 461/08, Volltext.
- ↑ BGBl. 2005 I S. 969
- ↑ BT-Drs. 15/5051 (PDF) vom 9. März 2005. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches, Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, S. 6.
- ↑ BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008, Az. 6 C 21.07, Volltext Rn. 27 f.
- ↑ Insoweit nicht problematisiert in BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009, Az. 1 BvR 2150/08.
- ↑ BGBl. 2015 I S. 10 (11).
- ↑ BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958, Az. 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (209–210) - Lüth, Absatz Nr. 36.
- ↑ BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2020, Az. 1 BvR 479/20 Rn. 12–13, NJW 2021, 297, beck-online; BVerfG, 23. Juni 2004, Az. 1 BvQ 19/04 Rn. 21, BVerfGE 111, 147 = BVerfG NJW 2004, 2814 (2815); BVerfG, Beschluss vom 12. November 2002, Az. 1 BvR 232/97 Rn. 9, NJW 2003, 660 (661).
- ↑ Matthias Krauß: StGB § 130. Rn. 21 In: Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. 13. Auflage. Band 8 §§ 123–145d. De Gruyter, Berlin/Boston 2021.
- ↑ BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2010, Az. 1 BvR 369/04, Rn. 26–27, NJW 2010, 2193 (2194); BVerfG, Beschluss vom 12. November 2002, Az. 1 BvR 232/97 Rn. 9, NJW 2003, 660 (661); BVerfG, Beschluss vom 7. April 2001, Az. 1 BvQ 17/01 Rn. 26–30, NJW 2001, 2072 (2073); BVerfG, Beschluss vom 6. September 2000, Az. 1 BvR 1056/95, Rn. 31–33, NJW 2001, 61 (62); BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005, Az. 4 StR 283/05 Rn. 11–16, NStZ-RR 2006, 305.
- ↑ Ähnlich, aber für Abs. 1–3 als allgemeine Gesetze: Peter Rackow in: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 50. Edition, Stand: 1. Mai 2021, StGB § 130 Rn. 46
- ↑ a b BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2018, Az. 1 BvR 2083/15 Rn. 21.
- ↑ Franz Schemmer in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 47. Edition, Stand: 15. Mai 2021 GG Art. 5 Rn. 6.
- ↑ BVerfG, 9. Oktober 1991, Az. 1 BvR 1555/88, BVerfGE 85, 1 (15) = NJW 1992, 1439 − kritische Bayer-Aktionäre, Zitat: „Die Mitteilung einer Tatsache ist dagegen im strengen Sinne keine Äußerung einer Meinung, weil ihr die für eine Meinungsäußerung charakteristischen Merkmale fehlen. Tatsachenbehauptungen fallen deswegen aber nicht von vornherein aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG heraus. Sie sind vielmehr durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt, weil und soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen sind, welche Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet (vgl. BVerfGE 54, 208 [219]; 61, 1 [8]). Daher endet der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Das Bundesverfassungsgericht geht deswegen davon aus, daß die erwiesen oder bewußt unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßt wird (vgl. BVerfGE 61, 1 [8]). Allerdings dürfen die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht so bemessen werden, daß darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet (vgl. BVerfGE 54, 208 [219 f.]; 61, 1 [8]).“
- ↑ BVerfG, 22. Juni 1982, Az. 1 BvR 1376/79, BVerfGE 61, 1 (8) = NJW 1983, 1415 − Wahlkampf.
- ↑ BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2018, Az. 1 BvR 673/18, NJW 2018, 2858, Rn. 25 – Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen eine Verurteilung wegen Leugnung des nationalsozialistischen Völkermords.
- ↑ Sinngemäß und allgemein zur Meinungsfreiheit und erwiesenermaßen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenbehauptungen auch: BVerfG, Beschluss vom 13. April 1994, Az. 1 BvR 23/94 Rn. 27–31, BVerfGE 90, 241 (247) = NJW 1994, 1779 − Auschwitzlüge; BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1991, Az. 1 BvR 1555/88, NJW 1992, 1439 (1440); BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1980, Az. 1 BvR 797/78, BVerfGE 54, 208 (219) = NJW 1980, 2072 − Böll; jeweils mit weiteren Nachweisen.
- ↑ EGMR, Entscheidung vom 24. Juni 2003 - über die Zulässigkeit der Beschwerde Nr. 65831/01 Garaudy/Frankreich, NJW 2004, S. 3691 (3692–3693).
- ↑ a b c Franz Schemmer in BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 47. Edition, Stand: 15. Mai 2021, GG Art. 5 Rn. 6.1.
- ↑ BVerfG, Pressemitteilung Nr. 129/2009 vom 17. November 2009: § 130 Abs. 4 StGB ist mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG vereinbar
- ↑ BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009, Az. 1 BvR 2150/08 – Wunsiedel, BVerfGE 124, 300 = NJW 2010, 47.
- ↑ a b Franz Schemmer in BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 47. Edition, Stand: 15. Mai 2021, GG Art. 5 Rn. 99.1.
- ↑ a b Jürgen Schäfer, Stephan Anstötz In: Münchener Kommentar zum StGB. 4. Auflage 2021, StGB § 130 Rn. 115.
- ↑ a b BT-Drs. 18/2601 S. 25.
- ↑ Kristian Kühl In: Lackner/Kühl, StGB. 29. Auflage 2018, StGB § 130 Rn. 11, Zitat: „Tatbestandsausschluss“.
- ↑ BGH, Urteil vom 6. April 2000, Az. 1 StR 502/99, NJW 2000, 2217 (2218) [= BGHSt 46, 36], Zitat: „Tatbestandsausschlussklausel“.
- ↑ Peter Rackow In: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 50. Edition, Stand: 1. Mai 2021, StGB § 130 Rn. 45.
- ↑ Heribert Ostendorf in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch. 5. Auflage 2017. StGB § 130 Rn. 38.
- ↑ a b c BGH, Urteil vom 6. April 2000, Az. 1 StR 502/99, NJW 2000, 2218.
- ↑ BGH, Urteil vom 10. April 2002, Az. 5 StR 485/01, NJW 2002, 2115 (2116).
- ↑ BGH, Urteil des Ersten Strafsenates vom 12. Dezember 2000, Az. 1 StR 184/00 = BGHSt 46, 212 – Verbreiten der Auschwitzlüge; Fall Toeben, Volltext.
- ↑ Internet : Verbreitung der „Auschwitzlüge“ durch Ausländer strafbar. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 13. Dezember 2000, abgerufen am 4. Juli 2021.
- ↑ Thomas J. Primig: Das „Holocaust-Urteil“ des deutschen BGH. (PDF) In: Internationales Strafrecht und das Internet. Probleme in der Anwendung nationalen Strafrechts auf Kriminalität in grenzüberschreitenden Datennetzen, (ohne Jahr), S. 7 ff.
- ↑ Arnd Koch: Zur Strafbarkeit der „Auschwitzlüge” im Internet - BGHSt 46, 212. JuS 2002, S. 123.
- ↑ BGH, Beschluss des Dritten Strafsenates vom 3. Mai 2016 3 StR 449/15.
- ↑ a b BGH, Beschluss des Dritten Strafsenates vom 3. Mai 2016 3 StR 449/15 Rn. 13.
- ↑ BGH, Beschluss des Dritten Strafsenates vom 3. Mai 2016 3 StR 449/15 Rn. 16–18.
- ↑ Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Modernisierung des Schriftenbegriffs und anderer Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches bei Handlungen im Ausland. Gesetzgebungsverfahren 29. November 2019. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, abgerufen am 3. Juli 2021.
- ↑ ... Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Modernisierung des Schriftenbegriffs und anderer Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches bei Handlungen im Ausland. In: Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentsmaterialien (DIP). Deutscher Bundestag, abgerufen am 3. Juli 2021.
- ↑ BGBl. 2020 I S. 2600
- ↑ Änderung § 5 StGB vom 01.01.2021. In: buzer.de. Abgerufen am 3. Juli 2021.
- ↑ BT-Drs. 19/19859 S. 34.
- ↑ Peter Rackow in BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 50. Edition, Stand: 1. Mai 2021, StGB § 130 Rn. 64, Zitat: „Die Gesetzesbegründung zeigt Sympathie dafür, die Erfordernisse der inländischen Wahrnehmbarkeit und Eignung zur Friedensstörung als Tatbestandsmerkmale zu interpretieren, sodass ‚bei Inlands- und Auslandstaten von vorneherein keine unterschiedlichen Anforderungen an Zeitpunkt und Art des Nachweises bestünden‘, will diese Frage indes letztlich der Rechtsprechung überlassen (BT-Drs. 19/19859, 34 u. 46 f.).“
- ↑ Thomas Fischer: Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen. 64. Auflage. C.H.Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-69609-1, S. 1002–1020; im Besonderen S. 1006.
- ↑ Der unmögliche Zustand des § 130 StGB – KriPoZ. Abgerufen am 18. September 2020.
- ↑ Warum die Staatsanwaltschaft keine Volksverhetzung sieht. In: Spiegel Online. 1. März 2017, abgerufen am 1. März 2017.
- ↑ OLG Köln, Urteil vom 9. Juni 2020, Az. III-1 RVs 77/20, BeckRS 2020, 13032.