Price-Gleichung
Die Price-Gleichung (original: Price equation oder Price's equation) ist eine Kovarianz-Gleichung, die eine mathematische Beschreibung der Evolution und der Natürlichen Selektion darstellt. Aufgestellt hat sie der Amerikaner George R. Price, als er 1967 in London an einer alternativen Herleitung von William D. Hamiltons Arbeit zur Verwandtenselektion arbeitete.
Details
Man betrachte nun eine Population mit den Elementen i. (i ist ein Index, der die ELemente durchnummeriert.) Element i habe die Fitness wi. zi schließlich sei ein Maß für eine Eigenschaft des Elementes i, dessen Evolution betrachtet werden soll. Als konkrete Beispiele könnte man sich vorstellen, dass zi der Abstand ist, in dem ein Jäger ein Beutetier noch von einem gleich großen Nicht-Beutetier visuell unterscheiden kann, oder schlicht die maximale Fortbewegungsgeschwindigkeit oder Körperkraft. Mittlerweile findet die Gleichung auch in der Wirtschaftstheorie Anwendung.
Die Price-Gleichung besagt nun, dass
gilt. Hierbei ist w die durchschnittliche Fitness und Δz ist die Änderung in der durchschnittlichen Eigenschaft. Der Term cov(wi,zi) ist die Kovarianz der Eigenschaft im Hinblick auf die Fitness in der Population und E(wi,Δzi) ist der Erwartungswert (Mittelwert, Durchschnitt) der Fitness multipliziert mit der Änderung in der Eigenschaft.
Im Spezialfall zi = wi ist die Price-Gleichung eine Neuformulierung von Fishers fundamentalem Theorem der natürlichen Auslese.
Geschichte
Obwohl ihre Bedeutung - wie das ganze Werk Prices - von Hamilton und einigen anderen Experten der Evolutionstheorie schnell erfasst wurde, rückte sie erst 1995 durch einen Artikel von Steven A. Frank wieder ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Sie spielt eine Zentrale Rolle in der Multilevel Selektionstheorie von Wilson und Sober, dargelegt in ihrem Buch von 1999. James Swartz schließlich holte die Gleichung mit seiner Biographie Prices (2000) endgültig aus dem Dunkel der Geschichte. (Vergl. Literaturangaben)
Beweis der Price-Gleichung
Für den Beweis werden die folgenden Definitionen benötigt. Wenn ni die Anzahl des Vorkommens des reellen Zahlenpaares (xi, yi) ist, dann ist:
- Der Durchschnitt oder Erwartungswert von x:
- Die Kovarianz zwischen xi und yi ist:
Es liege nun eine Population von Organismen vor, die alle eine genetische Eigenschaft haben, die durch eine reale Zahl z beschrieben wird..
Dann können Gruppen von Individuen innerhalb der Population definiert werden, die den gleichen Wert z haben. Der Index i beschreibe die Gruppe mit der Eigenschaft zi und ni sei die Anzahl Individuen aus denen die Gruppe besteht. Die Gesamtgröße der Population sei n - die Summe aller ni:
Der Durchschnittswert der Eigenschaft z ist dann:
Man nehme nun an, dass sich die Population vollständig um eine Generation weiterentwickelt. Alle Individuen der Elterngeneration seien verschwunden und in einem Selektionsprozess seien die am wenigsten fitten Individuen der Kindgeneration aus der sich reproduzierenden Population entfernt worden. Nach Reproduktion und Selektion habe sich die Größe der Population auf den Wert n′i geändert. Allgemein bezeichnen gestrichelte Werte nun Werte der Kindgeneration, ungestrichelte Werte die Werte der Elterngeneration. Die Fitness von Gruppe i sei nun definiert als das Verhältnis der Größen von Kind- zu Elterngeneration:
wobei die durchschnittliche Fitness (zweites "=" mit Gleichung (4))
ist. Die Gesamtgröße der Kindgeneration ist n' , wobei:
wodurch Gleichung (5) zu
wird. Der durchschnittliche Wert z' der betrachteten Eigenschaft in der Kindgeneration ist:
Hierbei sind z′i die (möglicherweise veränderten) Werte der betrachteten Eigenschaft in der Kindgeneration. Aus den Gleichungen (1) und (2) folgt:
und
so dass
aus Gleichung (1) ergibt sich jedoch
und aus Gleichung (4):
Wendet man auf obiges die Gleichungen (5a) und (6) an, erhält man schließlich:
Beispiel: Evolution des Altruismus
Die Price-Gleichung vermag auf elegante Weise die Evolution einer Prädisposition in Richtung Altruismus zu beschreiben . Aus genetischer Sicht ist Altruismus ein Verhalten, das die Fitness des altruistischen Individuums reduziert und zwar zu gunsten der Erhöhung der durchschnittlichen Fitness der Gruppe des betrachteten altruistischen Individuums.
Man betrachte eine Hierarchie von Gruppen:
- Die Gesamtpopulation wird in Gruppen aufgeteilt und mit dem Index i bezeichnet (durchnummeriert).
- Jede dieser Gruppen i habe eine Reihe Untergruppen, die mit dem Index j bezeichnet werden.
Individuen werden folglich mit zwei Indizes i und j zugeordnet, die angeben, zu welcher Gruppe und welcher Untergruppe ein Individuum gehört.
- nij sei die Anzahl Individuen des Typs ij.
- zij sei der Grad an Altruismus, den ein Individuum der Untergruppe ij gegenüber allen Mitgliedern der Gruppe i zeigt.
In diesem Modell sei die Fitness wij wie folgt definiert:
Der Term a zij ist die Fitness, die das Individuum durch seinen eigenen Altruismus verliert. Sie sei proportional zum Grad des Altruismuses zij, den das Individuum gegenüber Mitgliedern der eigenen Gruppe i zeigt.
Der Term b zi ist die Fitness, die das Individuum durch den Altruismus der anderen Mitglieder seiner Gruppe i gewinnt. Dieser Gewinn ist proportional zum durchschnittlichen Altruismus zi der Gruppe gegenüber ihren Mitgliedern.
Für die Untersuchungen zur Evolution des Altruismus ist es notwendig, dass a und b positive Zahlen sind. Im Rahmen der Gruppe i ist das beschriebene Verhalten eines Individuums nur dann altruistisch, wenn azij >bzi ist.
Die jeweligen Durchschnittswerte für die Gruppen seien definiert als:
Weiterhin seien die globalen Durchschnittswerte:
Damit ergibt sich für die Price-Gleichung:
Der erste Term dieser Gleichung stellt den Vorteil dar, den jede Gruppe durch ihre altruistischen Mitglieder hat.
Der zweite Term gibt den Verlust an altruistischen Mitgliedern wieder, den jede Gruppe hat.
Es darf nicht vergessen werden, dass im Referenzrahmen einer einzelnen Gruppe altruistisches Verhalten in jedem Fall die Fitness des Individuums reduziert. Der zweite Term wird also negativ sein.
Solange also eine Gruppe nicht gleichförmig aus Altruisten besteht, für ein i es also nur eine einzige Untergruppe j gibt, wird es global zu einem Verlust an Altruisten kommen.
Mit dem ersten Term jedoch:
kann es einen positiven Beitrag zum duchschnittlichen Altruismus als Ergebnis des beschleunigten Wachstums besonders altruistischer Gruppen geben. Dieses schnellere Wachstum von Gruppen mit hohem durchschnittlichem Altruismus zi kann für b>a den Verlust an altruistischen Individuen überkompensieren. Dies umso mehr, je weniger sich die Individuen einer Gruppe in ihrer altruistischen Prädisposition unterscheiden und je mehr sich die Gruppen in den Durchschnittswerten ihrer altruistischen Prädispositionen unterscheiden.
Literatur
- G.R. Price: Selection and covariance. In: Nature. 227. Jahrgang, 1970, S. 520–521. doi:10.1038/227520a0
- G.R. Price: Fisher's "fundamental theorem" made clear. In: Annals of Human Genetics. 36. Jahrgang, 1972, S. 129–140.
- S.A. Frank: George Price's contributions to Evolutionary Genetics. In: Journal of Theoretical Biology. 175. Jahrgang, 1995, S. 373–388 (stevefrank.org [PDF]).
- S.A. Frank: The Price Equation, Fisher's Fundamental Theorem, Kin Selection, and Causal Analysis. In: Evolution. 51. Jahrgang, Nr. 6, 1997, S. 1712–1729 (stevefrank.org).
- M. Grafen: Developments of the Price equation and natural selection under uncertainty. In: Proc. R. Soc. London B. 267. Jahrgang, 2000, S. 1223–1227 (ox.ac.uk [PDF]).
- M. Van Veelen: On the use of the Price equation. In: Journal of Theoretical Biology. 237. Jahrgang, 2005, S. 412–426 (doi.org).
- en:Elliott Sober und David Sloan Wilson (1999) Unto Others : The Evolution and Psychology of Unselfish Behavior. ISBN 0-6749-30479;
- James Swartz (2000) Death of an Altruist: Was the man who found the selfless gene too good for this world?. Lingua Franca 10.5: 51-61 PDF