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Bonsai

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Bonsai

Ein Bonsai (jap. 盆栽) von chinesisch penjing ("Landschaft in der Schale) bzw. penzai ("Baum auf einer Schale") ist ein in einem Pflanzgefäß gezogener Baum, der durch Kulturmaßnahmen (Schnitt, Wurzelschnitt, Drahtung) und künstlerische Gestaltung kleingehalten wird. Die angestrebte Harmonie folgt den Prinzipien des Wabi und Sabi der Zen-Kultur. In Japan werden Bonsai im Garten oder in der Tokonoma, einer gestalterisch hervorgehobenen Nische im Zimmer aufgestellt. Bonsai können bei guter Pflege viele hundert Jahre alt, und somit sehr wertvoll werden.

Für Bonsai eigenen sich alle verholzenden, kleinblättrigen Baum- und Straucharten. Traditionell werden Kiefern, Wacholder, Ahorn, asiatische Ulmenarten, Azaleen, Fruchtbäume wie Apfel oder japanische Aprikose verwendet. In unseren Breiten haben sich besonders Indoor-Arten wie Birkenfeige, Serissa, Fukientee und die chinesische Ulme (oft irrtümlich als "Zelkowe" ausgewiesen) durchgesetzt, die auch im Zimmer gehalten werden können.

Geschichte

Die heute bekannten Bonsai sind häufig im japanischen Stil gestaltet, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts herausbildete. Doch die Bonsaikunst ist viel älter und stammt aus China.

In der frühen Han-Dynastie (206 v. Chr. - 220 n. Chr.) wurden bereits künstliche Landschaften mit Seen, Inseln und bizarren Felsformationen in Palastgärten der Kaiser nachgestaltet, auch die Topfpflanzen-Kultur war bereits bekannt (siehe auch Gartenkunst in China). Der Mythologie nach lebte in dieser Zeit der Zauberer Jiang-Feng, der die Fähigkeit besaß, ganze Landschaften mit Felsen, Wasser, Bäumen, Tieren und Menschen verkleinert auf ein Tablett zaubern zu können. In dieser Zeit entstand offenbar die Kunst des Penjing - auch wenn einige der Bäume zwei und mehr Meter hoch waren und in großen Schalen im Garten gepflegt wurden.

In der Tang-Dynastie (618 - 907 n. Chr.) findet sich die älteste bekannte Darstellung eines Penjing, einer Miniaturlandschaft mit grazilen Bäumchen und Felsen, in den Grabkammern des Prinzen Zhang Huai. Diese Epoche galt als sehr kunstsinnig, Poeten und Maler wandten sich insbesondere der Natur zu.

Die Song-Dynastie (960 - 1279) brachte die Penjing-Kultur zu einer ersten Blüte. Als besonders beliebt galten nun knorrige Bäume, vor allem Kiefern, die aus Baumwurzeln gezogen wurden. Parallel dazu bildete sich die Kunst des Suiseki heraus, das ohne Bäume auskommt und schön geformte Steine auf wassergefüllten Tabletts platziert. So werden Eindrücke von Küstenlinien oder dramatischen Felslandschaften im Hochgebirge hervorgerufen. Das zeitgenössische Buch "Yunlin Shipu" zählt 116 Steinarten auf, die zur Gestaltung verwendet werden können.

In der Yuan-Dynastie (1280 - 1368) waren Miniatur-Penjing besonders beliebt. Der Grundsatz, "im Kleinen zugleich das Große" zu erblicken (He-Nian, ein Dichter, verfasste eine Reihe Gedichte über die "winzigen" Penjing des Mönches Yun Shangren, daraus das Zitat), wurde in den darauffolgenden Jahrhunderten zu einem wichtigen Leitsatz.

Seit Ende der Ming-Dynastie (1368 - 1644) werden Einzelbäume und Schalenlandschaften vermutlich erstmals als penjing bezeichnet. In dieser Zeit wurden eine Reihe von Büchern verfasst. Die damals sehr populäre chinesische Landschaftsmalerei gab der Penjing-Kunst neue Impulse. Man bezeichnete sie als "dreidimensionale Gemälde", "stumme Gedichte" oder "lebende Skulpturen", meist waren sie etwa einen halben Meter groß, so dass sie noch auf einem Teetischchen platziert werden konnten - dann galten sie als besonders kostbar.

In der Qing-Dynastie (1644 - 1911) drangen Bonsai allmählich in die vornehmen Familien des Landes vor, die nicht selten einen eigenen Penjing-Gärtner anstellten. In Suzhou fand alljährlich ein Wettbewerb um die schönsten Bäume des Landes statt. Dabei zeigte sich, dass die unterschiedlichen Regionen verschiedene Stilrichtungen entwickelt hatten:

Im 10./11. Jahrhundert brachten buddhistische Mönche die Bonsaikunst nach Japan. Dort entwickelte sich der Bonsai-Stil lange Zeit parallel zu China. Besonders in der Kaiserstadt Kyoto und in Osaka waren Bonsai bei Gelehrten sehr beliebt (Bunjingi), sie galten als antinational und avantgardistisch.

1878 stellte Japan auf der Weltausstellung in Paris erstmals Bonsai einer westlichen Öffentlichkeit vor. Nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitete sich Bonsai als Hobby in der ganzen Welt.

Stil und Gestaltung

Im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelten sich Gestaltungsformen für den Bonsai, die heute noch relevant sind.


Bonsai können aus Sämlingen, aus Jungpflanzen und aus in der Natur gesammelten Pflanzen (Yamadori) geformt werden. Oft eignen sich auch Baumschulpflanzen.

Der regelmäßige Schnitt sorgt für einen kompakten Wuchs. Das Entfernen der Pfahlwurzel fördert die Verzweigung des Wurzelballens, der daher auch in kleinen Schalen keinen Mangel leidet. Außer durch die traditionelle Methode des "Zurückschneidens und Wachsenlassens" kann man die Äste auch durch Spanndrähte formen (traditionell wurden Palmfaserschnüre verwendet), neueren Datums ist die Methode der Drahtung. Dazu werden der Stamm, die Äste oder die Zweige (je nachdem, welchen Teil des Baumes man korrigieren möchte) spiralig mit speziellem Aluminium- oder Kupferdraht umwickelt und vorsichtig in Form gebogen.

Weitere Gestaltungsmaßnahmen sind der Blattschnitt (wird besonders in starkwüchsigen Zonen des Baumes angewandt, um die Wachstumsbalance auszugleichen - ein künstlicher Herbst wird vorgetäuscht, die danach hervorsprießenden Triebe weisen kleinere Blätter auf), das Entrinden von Stamm- oder Astpartien ("Shari" bzw. "Jin"; natürlich darf nie die ganze Rinde entfernt werden!) um das Holz im Treibholzstil zu gestalten. Diese Totholzpartien können nahezu unbegrenzt bearbeitet werden, ob mit Meißel, Fräse oder Bleichmittel, und lassen den Baum sehr alt erscheinen, als ob Wind und Wetter ihm übel mitgespielt hätten. Besonders Kiefern und andere Nadelbäume werden so gestaltet, für elegante Ahorne oder Blütenbäumchen zieht man weniger knorrige Formen vor.

Um eine filigrane Verzweigung bzw. eine ausreichende Dichte der Astpolster zu gewährleisten, muss der Baum regelmäßig beschnitten werden. Werden alte Zweige entfernt und lässt man jüngere Triebe nachwachsen, erneuert sich der Baum von innen heraus und bleibt gesund.

Was für das Bild den Rahmen, ist für den Bonsai die Schale. Für würdevolle alte Kiefern im aufrechten Stil bieten sich rechteckige Schalen in unglasierten Erdtönen an, für blühende oder zart gebaute Bäume würde man eher runde oder ovale Formen in hellen Tönen wählen. Kaskaden und Halbkaskaden wachsen in tieferen Schalen, da sonst das optische Gleichgewicht nicht stimmt und der Baum zu kippen scheint.

Zur traditionellen Ausstellungssituation in der Tokonoma gehören: Ein Rollbild im Hintergrund, das den Baum um eine weitere Dimension ergänzt (zu Kiefern passen ruhige Bergmotive, zu Ahornen auch Tierszenen), ein Tischchen oder eine lackierte Baumscheibe sowie eine "Akzentpflanze", die als Kontrapunkt fungiert und das Thema der Szene vertieft und unterstützt (meist Gras, Bambus, kleinwüchsige Stauden in einem flachen Schälchen). Miniatur-Bonsai, so genannte Mame-Bonsai, die weniger als 20 cm hoch sind, werden gesammelt in einem hölzernen Regal ausgestellt.

Auf der jährlich in Tokyo stattfindenden Kokufu-ten, der größten Bonsai-Schau Japans, werden seit 1933 die besten Bäume des Landes prämiert. Schon die Einladung zur Ausstellung gilt als große Ehre.

Literatur

  • Lesniewicz/Zhimin: Penjing, Miniaturbäume aus China, Heidelberg 1986
  • Benz/Lesniewicz: Chinesische Bonsai, Penjing, Blv Verlagsgesellschaft, 1994 ISBN 3405144477

Siehe auch