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Evolutionstheorie

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Eine biologische Evolutionstheorie erklärt und beschreibt Ursprung, Entwicklung und Vielfalt des Lebens auf der Erde. Neben der Rekonstruktion des tatsächlichen Verlaufs der biologischen Evolution beschäftigen sich biologische Evolutionstheorien besonders mit den Mechanismen, die die biologische Evolution bewirken. Benachbarte Bereiche sind Theorien zur Erklärung der Evolution der unbelebten Materie (s. auch: Kosmologie, chemische Evolution) und der soziokulturellen Evolution.

Da alle von der Biologie untersuchten Phänomene Wirkung oder Ursache von Evolutionsprozessen sind, tragen auch alle biologischen Teildisziplinen Erkenntnisse bei, die im Rahmen von Evolutionstheorien gedeutet werden. Einige Gebiete sind: Morphologie, Anatomie, Zellbiologie, Biochemie, Verhaltensforschung, Ökologie und Geographische Verbreitung oder Entwicklungsbiologie. Die Geschichte der Evolutionstheorien ist zugleich eine Geschichte der Integration immer neuer Erkenntnisse und Fachgebiete der Biologie.

Einführung

Die derzeit für die Naturwissenschaft gültige Evolutionstheorie ist eine komplexe, wissenschaftliche Theorie der Biologie. Sie besagt, dass alles Leben eine gemeinsame Abstammung hat und sich die Vielfalt der Arten durch Evolution daraus entwickelt hat. Der wissenschaftliche Diskurs beschäftigt sich heute im wesentlichen mit den Details und den Rahmenbedingungen der Evolution als Prozess. Grundaussagen der Evolutionstheorie sind:

  • Evolution findet immer statt,
  • Evolution ist nicht umkehrbar (Dollosches Gesetz) (d.h. einzelne Strukturen oder Leistungen können alte Zustände kopieren, die zugrundeliegenden Gene haben jedoch nicht mehr die selbe Struktur; siehe auch den ungenauen Begriff Re-Evolution),
  • Evolution ist im wissenschaftlichen Sinne nicht zielgerichtet (final), eine Entwicklung zu einem erkennbaren Zweck oder auf ein Endziel hin findet nicht statt,
  • Die Evolution wirkt auf allen Ebenen von Organismen: von molekularen Strukturen bis zum Ökosystem.

Grundlage aller heutigen Evolutionstheorien sind folgende drei Aussagen:

  • Unter den Lebewesen einer Art befinden sich immer solche mit unterschiedlich gut an die Umwelt angepassten phänotypischen Eigenschaften (Beobachtung und damit überprüfbar),
  • Eine Evolution (Entwicklung) findet dann statt, wenn phänotypische Eigenschaften vererbbar sind d.h. von einer Elterngeneration an ihre Nachkommenschaft übertragen und damit in der Population erhalten werden (Beobachtung und damit überprüfbar),
  • Durch die ständig wirkenden Umwelteinflüsse erfolgt eine Auswahl bestimmter Phäno- und damit auch Genotypen, die sich in einer Population von Organismen einer Art durchsetzen (Schlussfolgerung) d.h. zeitlich verändern sich Genotyp und Phänotyp (bei Mikroevolution als Tatsache heute nachgewiesen, bei Makroevolution über daraus abgeleitete Aussagen zur Embryogenese, zur Genetik, zum Fossilbefund und zu weiteren biologischen Fachgebieten prinzipiell überprüfbar oder zumindest plausibilisierbar wie sonst auch eine historische Aussage).

Während in der Frühzeit der Evolutionstheorie im 19. Jht. über die Form der Konservierung und die Art der Übertragung phänotypischer Eigenschaften und der Vererbung an die Nachkommen (erworbene Eigenschaften oder Vererbung) unter Forschern Meinungsverschiedenheiten bestanden, ist heute klar, dass diese über die Gene in den Zellen erfolgt. Allerdings kann der Ort der Auswahl ("Umwelt") unterschiedlich geeigneter phänotypischer Eigenschaften verschieden sein (d.h. von Konkurrenz unterschiedlicher Gene bereits im Genom, bei der Genexpression, bei der Embryonalentwicklung aufgrund von Strukturzwängen, im Rahmen von Räuber-Beute-Beziehungen, aufgrund kultureller Phänomene in Populationen usw.). Diese letztere Frage ist heute zum Teil kontroverser Forschungsgegenstand, nicht aber die eingangs erwähnten 3 evolutionstheoretischen Grundsätze, die aber ebenfalls auf ihre Richtigkeit laufend aufgrund neuster Erkenntnisse überprüft werden.

In dieser Hinsicht ist die Evolutionstheorie nicht grundsätzlich verschieden von andern naturwissenschaftlichen Theorien wie der Atomtheorie oder der Gravitationstheorie. Auch hier bestand über die Grundsätze bei den ernsthaften Forschern bereits Einigkeit, bevor alle Detailfragen zum Atombau (Atommodell) oder zur physikalischen Grundlage der Gravitation (Gravitonen) geklärt wurden.

Konzepte der Evolutionstheorie

Schlüsselkonzepte der synthetischen Theorie

Als Teilgebiet der Biologie ist die Evolutionsbiologie eine empirische Wissenschaft, die zum größten Teil auf Beobachtung und Experiment beruht. Sie entwickelt keine Gesetze wie die Physik, sondern Konzepte, aufgrund denen Aussagen zur belebten Welt abgeleitet werden können, deren Gültigkeit durch Beobachtungsdaten überprüft (und allenfalls falsifiziert) werden kann.

Populationsgenetik

Evolution ist bei Populationen festzustellen, die sich nicht im Hardy-Weinberg-Gleichgewicht befinden, deren Allel- und Genotypenfrequenz sich folglich mit der Zeit ändern.

Evolutionsfaktoren, also Faktoren, die das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht stören:

  • Genetische Drift in sehr kleinen Populationen
  • Genfluss zwischen zwei Populationen durch Zu- und Abwanderungen
  • Mutationen verändern den Allel-Bestand einer Population
  • Nicht-zufällige Paarungen (Inzucht, sortengleiche Paarung, "female choice")
  • Natürliche Selektion als Mechanismus der adaptiven Evolution
  • Mutationen und Rekombinationen verursachen die genetische Variabilität
Systemtheorie der Evolution

siehe Systemtheorie der Evolution

Phylogenetische Systematik

Veraltete Konzepte

  • Scala naturae (Stufenleiter der Evolution, durch Evolution werden die Organismen immer höher entwickelt, komplexer und vollkommener, siehe Anagenese)
  • Typologie
  • Biogenetische Grundregel (Haeckel)
  • Evolution durch Vererbung von Modifikationen (Lamarckismus/Neolamarckismus)
  • Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Makro- und Mikroevolution. Heutzutage werden diese Begriffe zur Unterscheidung der untersuchten Zeitrahmen und der verwendeten Methoden genutzt. Ein prinzipieller Unterschied existiert nicht.
  • Additive Typogenese

Konzepte in Diskussion

  • Ansatz der Evolution bei DNA, Individuum, Population oder Art
  • Artbegriff und Artentstehung
  • Epigenetik

Geschichte der modernen Evolutionstheorie

Im Grunde sind auch biologische Evolutionstheorien so alt wie die wissenschaftliche und philosophische Beschäftigung der Menschen mit der Natur und entsprechend vielgestaltig. Die Geschichte der modernen biologischen Evolutionstheorie wird aufgrund ihres Umfangs in einem eigenen Artikel dargestellt.

Einteilung und Entwicklungen

Seit ihrer ursprünglichen Formulierung wurde die darwinsche Evolutionstheorie in vielfacher Hinsicht weiterentwickelt. Insbesondere unter Mitwirkung von Ernst Mayr entstand die erweiterte Synthetische Theorie der Evolution. Durch die Einbeziehung der informationstheoretisch geprägten Systemtheorie nach Ludwig von Bertalanffy entwickelte die Wiener Schule (unter anderem Rupert Riedl) die Systemtheorie der Evolution.

Auch die Frage, wo die Selektion ansetze, ist Modifikationen unterzogen. So geht die darwinistische Theorie davon aus, dass die Selektion auf der Ebene des Phänotyps ansetze, und die Selektion zum Überleben der bestangepassten Organismen (survival of the fittest) führe. In Abgrenzung davon wurde der Begriff vom "Eigennutz des Gens" (Richard Dawkins: The Selfish Gene, 1976) geprägt, wonach auch Gene, die zu einer Beeinträchtigung der Fortpflanzungswahrscheinlichkeit des Organismus führen, selektiert werden, sofern sie Merkmale hervorrufen, die die Verbreitung dieses Gens unterstützen. Auf diese Weise wird beispielsweise das (scheinbar) altruistische Verhalten in vielen Bereichen der Biologie erklärt, wie beispielsweise das Verhalten der Arbeiterinnen bei verschiedenen sozial organisierten Insekten (vor allem Ameisen), die auf den eigenen Fortpflanzungserfolg völlig verzichten, da sie aus bestimmten genetischen Gründen (Haplodiploidie) mit potentiellen Geschwistern näher verwandt sind als mit potentiellen eigenen Nachkommen.

Aktuell diskutierte Probleme

  • Die Koevolution. Die Entwicklung von Symbiosen ist vielfach noch ungeklärt, es fehlt bislang an Modellen, wie die tiefgreifenden Abhängigkeiten von Symbiosepartnern (beispielsweise bei Flechten) entstehen konnten. Ebenso fehlt noch das Verständnis für das Zustandekommen der wechselseitigen Anpassungen von Insekten und Blütenpflanzen. Sehr oft hat man aber fossil oder rezent Zwischenstufen gefunden, welche die parallele Evolution verständlich machen.
  • Die Evolution der Evolutionsmechanismen. Hier hat die Molekularbiologie in jüngerer Zeit deutlich veränderte Einsichten gebracht. Ging man in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts noch davon aus, dass die DNA-Sequenz direkt das entscheidende Genmaterial darstelle, so haben die Entdeckung der Introns, Exons sowie des Splicings und insbesondere des alternativen Splicings gezeigt, dass die Ursachen der genetischen Variabilität bereits auf molekularer Ebene Evolutionsprozessen unterworfen sind.
  • Die Evolution tiefgreifender Änderungen (Makroevolution), etwa auf der Ebene von Tierstämmen. Solange als Ursachen der Variabilität nur Genmutationen, Chromosomenmutationen, Genommutationen und Rekombination im Zuge der Meiose erkannt waren, war schwer vorstellbar, wie sich bestimmte Merkmale ohne Zwischenstufen ohne eigenen Selektionsvorteil entwickelt haben könnten. Solche Erscheinungen findet man speziell bei Eukaryonten. Die Entdeckung des alternativen Splicings bei Eukaryonten hat Ende des 20. Jahrhunderts gezeigt, dass DNA-Sequenzen multifunktionell sein und - je nach Splicing - zu unterschiedlichen Proteinen führen können. Zudem codiert ein erheblicher Teil der DNA nicht für Proteine. Auch die Genregulation bringt neue Aspekte in die Evolutionsforschung. So kann es einen Selektionsvorteil darstellen, phylogenetisch alte und nicht zur Proteincodierung benutzte DNA-Sequenzen im Genom zu konservieren, da damit die Ausprägung neuer Merkmale durch verändertes Splicing oder Änderungen der Genregulation weitaus schneller und tiefgreifender sein kann als es durch einen Austausch von DNA-Basen der Fall wäre.

Weitere ausgewählte Probleme

Datierung und Zeitschätzungen (Zeitrahmen der Evolution)

Historische Schätzungen

Die relative Abfolge der Erdzeitalter ist schon lange bekannt, allerdings existierten bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts keine direkten Methoden zur absoluten Altersbestimmung. Schätzungen basierten beispielsweise auf Erosionsraten, Sedimentationsraten, Schichtdicken oder Berechnungen der Zeit, die die Erde als physikalischer Körper zum Auskühlen benötigt. Schon für Charles Darwin stellte sich die Frage ob das Alter der Erde für eine Evolution mit den von ihm benannten Mechanismen ausreiche. Ein zu geringes Alter der Erde wäre für ihn ein zentraler Einwand gegen seine Evolutionstheorie. Aus diesem Grund ist es wichtig einen Blick auf die historischen Zeitangaben zu werfen. Der französische Naturforscher Georges-Louis Leclerc de Buffon (1707-1788) veranschlagte für das Alter der Erde 75000 Jahre, das Alter des Menschen nahm er mit 40000 Jahren an. Dies sind die ersten Zahlen, die über die im Mittelalter aufgrund des biblischen Schöpfungsberichtes festgelegten 6000 Jahre hinaus gehen. Fast ein Jahrhundert später legte Darwin sich aufgrund von Erosionsschätzungen auf ein Alter der Erde von 300 Millionen Jahren fest. Der Physiker William Thomson (der spätere Lord Kelvin) schätzte 1862 das Alter der Erde auf 25-400 Millionen Jahre, wobei 98 Millionen Jahre der wahrscheinlichste Wert sei. 1869 erklärte Thomson, dass dieser Zeitrahmen für eine Evolution nach den von Darwin angenommenen Mechanismen zu kurz sei. Karl Alfred von Zittel nahm 1875 an, dass eine Schätzung des Erdalters mit 2 Milliarden Jahren nicht zu hoch gegriffen sei. Ernst Haeckel gab, bezogen auf die heute als gültig anerkannten Werte, zu geringe Zeiträume an (siehe Gegenüberstellung).

Ein Problem, das erst die Kernphysik am Anfang des 20. Jahrhunderts lösen konnte, war die Energieversorgung der Erde durch die Sonne. Kein vorher bekannter Prozess konnte erklären, warum unsere Sonne länger als einige 10.000 Jahre hätte scheinen können.

Moderne Angaben

Moderne Methoden zur absoluten Altersbestimmung basieren auf radioaktivem Zerfall.

  • 1911 datierte Arthur Holmes (1890-1965) den Beginn des Kambriums auf etwa 600 Millionen Jahre, was sehr nahe am heute akzeptierten Wert von 590 Millionen Jahre liegt.
  • Die 1946 eingeführte Radiokarbonmethode ermöglicht die Datierung von Fossilien bis 50.000 Jahren Alter.
  • Fritz G. Houtermans (1903-1966) nutzte 1953 Uran-Blei Isotopenmessungen und berechnete ein Erdalter von 4,5 Milliarden Jahren.
  • Clair Cameron Patterson (1922 - 1995) veröffentlichte 1953 auf einer wissenschaftlichen Konferenz das bis heute akzeptierte Alter der Erde von 4,55 Milliarden Jahren, welches auf der Uran-Blei-Datierungsmethode beruhte.
Vergleich der Erdzeitalter

Gegenüberstellung ausgewählter Zeitangaben:

Erdzeitalter Haeckel 1905 modern
Quartär 0,3 0,01
Tertiär 3 55
Mesozoikum 11 203
Paläozoikum 34 282
Präkambrium 52 3310
Summe 100,3 3850,01

(Angaben in Millionen Jahre)

Derzeit gültige Zusammenstellung der geologischen Zeitskala mit Zeitangaben für die einzelnen Epochen.

Evolutionsfaktoren

Die phylogenetische (stammesgeschichtliche) Veränderung der Organismen wird durch drei Mechanismen erzeugt:

  1. Genetische Variabilität (Genetische Variation): Durch Mutationen und Rekombinationen werden neue Gene und damit neue Eigenschaften erzeugt.
  2. Selektion (Auslese): Diese neuen Eigenschaften werden durch die Umwelt entweder eliminiert oder durch Vererbung an die nächste Generation weitergegeben.
  3. Zufallswirkungen: siehe Gendrift und Gründereffekt. Die Verbreitung von Zufallswirkungen wird unterstützt durch Isolation.

Artbildung (Speziation)

Die Bildung neuer Arten (siehe auch: Artbildung) beruht im Wesentlichen auf reproduktiver Isolation: reproduktiv voneinander isoliert sind Lebewesen, wenn sie nicht in der Lage sind, gemeinsam fortpflanzungsfähige Nachkommen zu zeugen. Dies erfolgt in drei Schritten:

  1. Zwei (selten auch mehrere) Populationen einer Art sind durch Barrieren voneinander getrennt. Normalerweise ist dies eine geographische Isolation, beispielsweise durch geologische (Gebirgsbildung, Grabenbrüche), klimatische Vorgänge oder die Neubesiedlung von Inseln oder anderen abgetrennten Lebensräumen. Eine reproduktive Isolation kann auch durch andere ökologische Faktoren (neue Nahrungsquelle und damit veränderte Mikrohabitate) oder Verhaltensänderungen initiiert werden.
  2. Getrennte Evolution beider Populationen, die zu unterschiedlichen Genpools führt (zum Beispiel durch Mutation oder Gendrift)
  3. Entwicklung genetischer Inkompatibilitäten, die die Vermischung der Arten auch bei Wegfall der Barrieren verhindern sowie von Verhaltensänderungen, die die Kopulation unwahrscheinlich machen.

Die Mechanismen der reproduktiven Isolation lassen sich unterscheiden in

Exkurs zur Wissenschaftlichkeit der Evolutionstheorie

Die Evolutionstheorie besteht aus Kernaussagen, Indikator- und Hilfshypothesen. Sie entspricht den Minimalanforderungen einer wissenschaftlichen Theorie:

  1. Sie weist innere Widerspruchsfreiheit (interne Konsistenz) auf, enthält also keine logisch widersprüchlichen Aussagen.
  2. Sie ist überprüfbar und logisch falsifizierbar, weist also Schlussfolgerungen auf, deren Negation möglich ist. (Beispiel: Wenn die Evolutionstheorie zutrifft, müssen die Fossilien abgestufter Ähnlichkeit in entsprechender Reihenfolge auftreten. Ein chaotisches oder gleichzeitiges Auftreten würde diese Aussage falsifizieren.)
  3. Sie weist Erklärungsmacht auf und ist damit in der Lage, bislang ungeklärte Sachverhalte zu erklären.
  4. Sie weist Vorhersagemacht auf und ist damit in der Lage, Geschehen vorherzusagen. So hat Darwin, zum Beispiel, die Entdeckung sogenannter Missing Links vorhergesagt.
  5. Sie weist äußere Widerspruchsfreiheit auf (externe Konsistenz), fügt sich also in ein Netz naturwissenschaftlicher Theorien ein und wirkt auf diese befruchtend zurück. Beispiele: Paläontologie, Biogeographie, Plattentektonik, Kosmologie, Kernphysik (Zerfallsgesetze, radiometrische Datierung), Chemie, Systemtheorie ...

Bestimmte Beobachtungen haben dazu geführt, die Evolutionstheorie aufzustellen (siehe Darstellung der historischen Entwicklung der Evolutionstheorie).

Weitere, neuere Beobachtungen werden daraufhin geprüft, ob sie durch die Evolutionstheorie hinreichend erklärt werden können. Wenn ja, ist dies eine Bestätigung ihrer Richtigkeit, wenn nein liegen mehrere Gründe und Konsequenzen vor:

  1. Die Beobachtung ist nicht genau genug oder es werden Artefakte beobachtet. Abhilfe erfolgt durch Änderung der Beobachtungsmethode. In manchen Fällen muss abgewartet werden, bis die Beobachtungstechnik und die dafür notwendige Theorie entwickelt worden ist. (Beispiel: Haeckel und das "biogenetische Grundgesetz")
  2. Das Erklärungsmodell ist noch nicht vollständig oder ungenau und muss noch ergänzt oder präzisiert werden.
  3. Das Modell wird durch die Beobachtung falsifiziert und muss durch ein anderes ersetzt werden (Paradigmenwechsel)

Inzwischen ist die Evolutionstheorie so komplex und wird von so vielen Erkenntnissen auch auf außerbiologischen Gebieten gestützt (Physik, Chemie, Geologie), dass bis heute keine die komplette Theorie falsifizierende Beobachtung gemacht wurde. In der Regel konnten anscheinend widersprüchliche, durch die aktuelle Theorie nicht erklärte Befunde durch Erweiterung der Theorie erklärt werden (Beispiel: Erklärung der Evolution von Altruismus durch die Soziobiologie und Spieltheorie)

Eine Theorie löst aber nicht nur Probleme, sie wirft auch neue Fragen auf, die wiederum nach empirischer und theoretischer Auseinandersetzung verlangen. Dieser Prozess aus neuen empirischen Daten und neuen theoretischen Fragestellungen, und Neuinterpretation alter Daten: im Laufe der historischen Entwicklung der Evolutionstheorie z.B. den Fragen nach den Mechanismen der Vererbung, der Dynamik von Populationen, dem tatsächlichen Verlauf spezifischer Evolutionen wie der Stammesgeschichte des Menschen führt zu einem immer weiter verfeinerten theoretischen Konzept.

Weiterentwicklungen

Die Evolutionstheorie in ihrer gegenwärtig akzeptierten Form kann zwar viele biologische Phänomene erklären, einige speziellen Aspekte allerdings nur mit zurzeit noch umstrittenen Zusatzannahmen. Vorschläge dafür bestehen, doch erfordert ihre allgemeine Akzeptanz zurzeit noch weitere Abklärungen. Dazu gehören insbesondere:

Ansätze zur Erklärung von problematischen Fragestellungen, insbesondere von Verhaltensweisen und Lebensformen, die sich nicht offensichtlich einem oftmals zu sehr vereinfachtem Evolutionsmechanismus - zum Teil durch ungenaue Übersetzungen - ("Überleben des Stärkeren" vs. "survival of the fittest", "Kampf ums Dasein vs. "struggle for life"), unterordnen lassen, liefern die Soziobiologie und die biologische Spieltheorie. Da diese wissenschaftlichen Paradigmen noch nicht vollständig akzeptiert, verstanden und etabliert sind, müssen sie noch weiter in das Konzept der Evolution eingebunden werden, um die Evolutionstheorie zu vervollständigen. Bisherige Erfahrungen zeigen jedoch, dass sich Ansätze etwa aus der Soziobiologie gut in die synthetische Evolutionstheorie integrieren lassen.

Politische Einflussnahmen

Aufgrund der weltanschaulichen Bedeutung der Evolutionstheorien wird sie auch politisch bekämpft oder ausgebeutet. Historisch sind vor allem die sozialdarwinistischen oder rassistischen Ausbeutungen der Theorie zu nennen (z.B. sozialdarwinistisch begründeter Rassismus in der Zeit des Nationalsozialismus). Andererseits galt Darwinismus z.B. als sozialdemokratisch (ein Vorwurf im Kaiserreich), marxistisch (bei einem Teil der NSDAP) bzw. als positiver Bezugspunkt der Arbeiterbildung oder wurde als Utopie des Züchtungsstaates mit eugenischen Theorien in Zusammenhang gebracht. Evolutionstheoretiker haben sich auf den unterschiedlichsten Fronten dieses Kampfes auch politisch betätigt.

Ein Hauptkonflikt besteht seit der Veröffentlichung von Darwins Die Entstehung der Arten mit dem Kreationismus, der im Bezug auf die Evolutionstheorie vor allem in den USA durch die Kontroverse zur Unterrichtung des Kreationismus in öffentlichen Schulen in der Öffentlichkeit steht.

Siehe auch

Literatur

  • Ernst Mayr: Das ist Evolution. Goldmann 2005, ISBN 3442153492 (Der zur Zeit beste allgemeinverständliche Überblick über alle Fragen der Evolutionstheorie, verfasst vom berühmtesten Evolutionsbiologen des 20. Jahrhunderts.)
  • Ernst Mayr: Artbegriff und Evolution. Parey-Verlag, Hamburg/Berlin 1967, (Voluminöser Klassiker der Evolutionstheorie für Biologen mit einer Fülle von wissenschaftlich belegtem Dokumentationsmaterial.)
  • Rupert Riedl: Riedls Kulturgeschichte der Evolutionstheorie. Die Helden, ihre Irrungen und Einsichten. Springer-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-540-43668-5
  • Heinrich Meier (Hrsg.): Die Herausforderung der Evolutionsbiologie. 3. Auflage. Piper-Verlag, München 1992 (Serie Piper, Band 997), ISBN 3-492-10997-7
  • Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie. Eine allgemeine Einführung. Blackwell Wissenschafts-Verlag, Parey 2001, ISBN 3-8263-3348-9
  • Mathias Gutmann: Die Evolutionstheorie und ihr Gegenstand. Beitrag der Methodischen Philosophie zu einer konstruktiven Theorie der Evolution. Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin 1996 (Studien zur Theorie der Biologie, Band 1), ISBN 3-86135-045-9
  • Sven P. Thoms: Ursprung des Lebens. Frankfurt: Fischer 2005 ISBN 3-5961-6128-2
  • Richard Dawkins: The Selfish Gene. Reissued in new covers. Oxford University Press, Oxford 1999, ISBN 0-19-286092-5 (dt.: Das egoistische Gen)
  • Richard Dawkins: The Blind Watchmaker. Reissued. Penguin, London u.a. 2000, ISBN 0-14-029122-9
  • David Quammen: Der Gesang des Dodo. Eine Reise durch die Evolution der Inselwelten. Ullstein-Taschenbuchverlag, München 2001, ISBN 3-548-60040-9
Wiktionary: Evolutionstheorie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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