Russfeier
Siehe QS-Seite... --Kantor Hæ?Quellenpflicht now! 00:15, 9. Sep 2006 (CEST)


Russ und Russefeiring (Russfeier) sind ein norwegisches Kulturphänomen, welchen seinen Ursprung in dänischen Traditionen hat. Sobald Schüler die "videregående skole" (weiterführende Schule) beenden, nennen sich diese "Russ" und zeigen dieses durch Feiern und spezielle Brauchtümer wie Russmützen, -ausweise und -bilder. Die Feiern erreichen ihren Höhepunkt meist am 17. Mai, dem Nationalfeiertag Norwegens, wo es an vielen Orten neben dem klassischen Kinderumzug im Anschluss der Russzug stattfindet. Weitere Traditionen sind unter anderem die Russmütze, die Russrevue oder die Russzeitung, welche meist am 17. Mai verkauft wird. In Norwegen wird traditionell zwischen den sogenannten rødruss (Rotruss), welches Schüler mit dem magister artium der Gymnasien waren und den blåruss, die einen Abschluss am Handelsgymnasium hinter sich gebracht haben, unterschieden. Die Aktivitäten zur Russfeier werden nicht von den Schulen, sondern von den Schülern selbst organisiert.
Geschichte
Etymologie und Hintergrund
Das Wort "Russ" kommt aus der lateinischen Sprache (cornua depositurus), welches auf deutsch mit "sich die Hörner abstoßen" übersetzt werden kann. Die Russefeier selbst reicht zurück bis in das 17. Jahrhundert. Da es damals keine eigene Universität in Norwegen gab, mussten die Nordmannen in Kopenhagen studieren. Die Universität Kopenhagen war damals Universitas Hafniensis genannt. Der norwegisch-dänische Schriftsteller Ludwig Holberg schrieb in seinem Schauspiel Erasmus Montanus von 1722 folgenes:
- Der er kommen profecto en hob Russer til Kiøbenhavn. - Hvad mon Russen nu vil bestille her igien? – Det er ikke Moscoviter, Jeppe Berg! Det er unge Studentere, som man kalder Russer.
Um den Zugang zum Studium zu erlangen, mussten die Studierenden ein Magister artium bestehen. Wenn das Examen vorüber war, bekamen diese ein Horn auf den Kopf gesetzt und wurden von den Studenten verspottet. Später, wenn die Resultate bekannt waren, waren die Studenten auf einer Zeremonie, welche examen depositiones gennant wurde. Hierbei stellten diese sich vor die Examinanten; hatten diese bestanden, wurde das Horn als Zeichen der Weisheit und Reife abgenommen. Erst danach konnten die Schüler sich Studenten nennen.
Eine andere Theorie zum Ursprung des Wortes ist, dass es vom lateinischen rus abstammt, welches als "Bauernland" gedeutet werden kann (siehe auch Rustik). Rus kann daher auch als Schimpfwort für Studenten mit schlechten Manieren gebraucht worden sein.
Auch wenn die Feiern sowohl in Schweden wie auch in Dänemark sich heute vorsichtig der norwegischen Feier annähern, hat diese Institution eine starke Tradition, die bis in das 17. Jahrhundert zurückreicht. Die Russ- und Studentenfeiern im Norden beruhen auf den hohen Status der Gymnasialausbildung.
in Norwegen

Die gegenwärtige norwegische Russtradition ist von 1905 beschrieben, als rote Russemützen erstmals von abgehenden Schülern der Abgangsklasse der höheren Schule in Kristiana (heute: Oslo) benutzt wurden. Diese Mützen wurden zunächst nur von den Jungen benutzt und waren von deutschen Studenten inspiriert, die Norwegen 1904 besuchten. 1916 wurden erstmals die blauen Kappen von Russen des Handelsgymnasiums in Oslo verwendet.
1979 beschloss die Arbeiterpartei, die Examenstage später als den 17. Mai zu legen, um die wilden Russfeiern zu dämpfen und den Schülern mehr Zeit für die Examensvorbereitungen zu geben.
Lange Zeit war die Russmütze sowie ein einfacher Bambusstock mit einer farbigen Schleife die einzige Ausstattung der Russen. Später kamen eigene Kleidung, große Busse und anderes dazu; die Russfeiern haben heute einen starken Einfluß auf Zubehörlieferanten und Kleidungsimporteure.
in Dänemark und Schweden
Die Tradition, die Aufnahme in der Universität zu feiern, findet sich auch in Dänemark. Die neuen Studenten werden dort "rus" gennant und tragen eine "Russmarkierung" in den ersten Wochen ihres Studiums. Auch in Schweden und Finnland feiern die neuen Studenten ihre abgeschlossene Gymnasialausbildung. Diese Feiern fallen je nach Studententyp sehr unterschiedlich aus. In Schweden kann das zum Beispiel eine Studentenrevue sein; in Dänemark kann das eine Tour mit dem Pritschenwagen sein, der mit Plakaten von Bjärö geschmückt ist.
Die Studenten in Dänemark, Schweden und Finnland kleiden sich mit weißen Mützen, einer Tradition aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Diese Studenten werden studenterhue (dänisch) und studentmössa (schwedisch) gennant. Einzelne schwedische Russ tragen darüber hinaus spezielle, farbige Kostüme. Da das alte Studentenexamen in Schweden 1969 abgeschafft wurde, sind die Studentenfeierlichkeiten dort mittlerweile sehr zurückhaltend. Früher konnten zum Beispiel examinierte Gymnasiaten ihre weiße Studentenmütze den ganzen Sommer über tragen, bis sie im Herbst zu studieren begannen.
Die Studentenfeiern in Schweden haben nichtsdestoweniger in den letzten Jahren einen Aufschwung erfahren. Nun werden diese normalerweise mit dem sogenannten mösspåtagning, einer Art "Russtaufe", eingeleitet.
Auch in Schweden variieren die Gebräuche mittlerweile von Ort zu Ort.
Russ heute
Abhängig davon, wo man im Land studiert, beginnen die Russfeiern im Herbst des letzten Jahres auf der weiterführenden Schule oder gegen Ende April/Anfang Mai und dauern bis zum 17. Mai oder sogar noch länger. Die Russen erhalten ihre abschließenden Examen nach der Feier; so kann es sein, daß nicht bestandene Schüler im nächsten Jahr wieder Russ sein können. Ein zu wildes und ausuferndes Feiern kann natürlich zu schlechteren Noten im Examen führen, welches erst nach den Russfeiern stattfindet.
Russ-Typen

Es gibt mehrer Arten von Russen mit verschiedenen lokalen Varianten, dies sind die gebräuchlichsten:
- Rødruss sind Schüler in den Allgemeinfächern mit Studienkompetenz
- Blåruss sind Schüler mit den Abschlüssen in "Allgemeinfächern mit Wirtschaft" sowie "Verkauf und Service". Ursprünglich waren die Blåruss nur aus dem Bereich "Verkauf und Service", aber nachdem 1917 Schüler der Hochschule in Kristiana angeschlossen haben, wurde dieses geändert. Die ersten Blåruss gab es 1916. Allerdings wird das Jahr 1953 - als die Gymnasien mit wirtschaftlicher Ausrichtung 3-jährig wurden - als "Geburtsdatum" gerechnet.
- Svartruss sind Schüler des Bereiches "Berufsfach".
- Grønnruss ist seit ca. 2005 in Gebrauch für Schüler im Bereich der Natur und Biologie. Die Grønnruss waren in den 1960er Jahren ursprünglich Abgangsschüler mit Realschulabschluss, welcher 1968 abgeschafft wurde und durch die ungdomsskolen ersezt wurde.
- Oransjeruss sind Abgangsschüler der Ungdomsschule seit den 1970er Jahren
- Rosaruss ist ein Kind, welches in den Kindergarten geht.
Die Tradition der letzten drei Typen ist allerdings nicht sehr weit verbreitet.
Russtracht, -mütze und "Knuteregler"
In Verbindung mit den Russereignissen, meistens im Frühjahr, kleiden sich die Russen in rote oder blaue "Uniformen", zum Beispiel Blaumänner oder Tischlerhosen in Russfarbe, oft mit Abzeichen dekoriert. Lange Tradition haben mittlerweile Mützen mit langen Büschel. In diesem Büschel sind verschiedene Knotentypen geknüpft, oft mit kleinen Gegenständen. Diese Knoten sind ein Symbol für die Durchführung der sogenannten "Knutregler" (Mutproben). Dieses wird oft kritisiert, weil sie Straftaten (wie Entblößung) und potentiell gefährliche Handlungen (wie Einnahme großer Mengen Alkohol in kurzer Zeit) beinhalten können. Die ersten Knutregler entstanden in den 1940er Jahren.
Die Russfeier wird an einzelnen Orten mit einer Russtaufe im Mai begonnen. Dort kann der Schirm der Russmütze mit dem Rufnamen des Besitzers bemalt werden. Die Mützen sind eine nichtfestliche Variante der traditionell schwarzen Mütze, welche die Schüler bei der abschließenden offiziellen Examensfeier tragen. Diese schwarze Mütze ist dann das Zeichen für das bestandene Examen.
Russautos
Die Tradition der eigenen "Russautos" entstand in den 1960er Jahren. Die Russen kauften oder übernahmen alte Autos, welche rot oder blau angemalt und mit Nonsenstexten sowie Werbung versehen wurden. Mit aufkommendem Druck und besseren wirtschaftlichen Verhältnissen hat sich diese Sitte heute zum teueren Russbus entwickelt, welche jahrelang geplant werden. Die Russbusse können eine spezielle Einrichtung sowie sowie große Sound- und Lichtanlagen auf dem Dach haben, in Einzelfällen werden dort mehrere Hunderttausend Kronen investiert. Dies gilt besonders in Oslo und Akershus.
Die Russautos wurden ursprünglich im Paradezug am 17. Mai benutzt, waren aber für viele auch ein praktisches und notwendiges Verkehrsmittel, oft aber auch nur ein gemeinschaftsbindenes Hobby in der Russzeit. Die Autos werden meist mit Reklame finanziert.
Russkarte
thumb|Et av de mer barnevennlige russekortene Jeder einzelne Russ hat eine Russkarte. Dies ist eine persönliche Visitenkarte mit aufgedrucktem Russmotto, Namen und Bild. Diese sind meist standardisiert, haben aber oftmals ein verrücktes Aussehen. Diese Karten werden zwischen dem Russen getauscht oder auch an Familienmitglieder und Kinder verteilt.
Russzeitung
1919 erschien die erste Russzeitung.
Russeruf
Der Stammruf Chickelacke ist 1934 in Oslo nach dem Vorbild eines dänischen Pfadfinderrufes entstanden. Dieser wird weiterhin unter anderem bei den Russezügen am 17. Mai benutzt:
- Chickelacke, chickelacke, show, show, show
- Bummelacke, bummelacke, bow, bow, bow
- Chickelacke, bummelacke, jazz bom bøh
- Julekake, julekake, hjembakt brød
Kritik
Die Russfeiern werden reglmäßig in den Massenmedien, aber auch von einzelnen Schulrektoren wegen ihrer gefährlichen Russautos, Geldverschwendung, übertriebenen Feiern mit gesundheitsschädlichem Alkoholkonsum, sexuellen Übergriffen, Vandalismus und Mobbing jüngerer Mitbürger kritisiert. Die meisten Russ empfinden die Kritik als ungerechtfertigt und weisen darauf hin, dass es sich nur um Einzelfälle handelt.
Das Benehmen der Russ erklärt sich normalerweise als Auswirkung des jugendlichen Tatendrangs und des Bedürfnisses nach Freiheit und Spaß nach 12 (nach der neuen Schulreform 13) Jahren Schulzeit. Außerdem spielen Gruppenzwang, Drogenkonsum, Unreife und fehlende Erfahrung eine große Rolle.
Russkultur als Übergangsritus

Allan Sande von der Høgskolen i Bodø behandelte in seiner Doktorarbeit die Russ als liminale Phase des Lebens. Das bedeutet, daß die Russetid ein Übergangsritual ist, in der man sich ausklärt und mit den gesellschaftlichen Normen opponiert, um mit sich selbst als erwachsenes, verantwortliches Individuum auszukommen. Parallele Phänomene finden sich in vielen Kulturen. Dieses gilt zum Beispiel für den Karneval in Rio, ein uraltes Stammritual in Afrika und frühere Gemeinschaftfeste in Verbindung mit Beerdigung oder Hochzeit. Allan Sande meint außerdem, dassdie Russfeiern als Parodie oder Karikatur der Gemeinschaft betrachtet werden können. Gleichzeitig behauptet er, dass diese der Jugend neue Erfahrungen ermöglichen und diese in Selbstständigkeit, Planung, Struktur und Zusammenarbeit trainieren.
Heutzutage gibt es Meinungen, die eine deutliche Popularitätssteigerung der Russfeiern in der Zukunft voraussagen und damit die klassischen Rituale wie Konfirmation, Wehrdienst und der Beginn des Arbeitslebens an Bedeutung verlieren könnten.
Sonstiges
Der Ausdruck blåruss wird auch in politischen Debatten und Reden als herabsetzene und ironische Bezeichnung für Politiker gebraucht, welche ein einseitiges Gewicht auf Ökonomisch-rationelle Beurteilungen legen. Das Wort wird oft von den extremen Parteien verwendet.
Siehe auch
Literatur
- Jan Johannessen: Lenge leve russen – en seriøs humor- og kavalkadebok om russens historie. Oslo, eget forlag, 1982. ISBN 82-990854-0-3
- Anne-Sofie Hjemdahl: Kledd i russetid – en samtidsstudie av rødrussens klær. Hovedoppgave i etnologi ved Universitetet i Oslo, 1999
- Allan Sande: RUSsefeiring – om meningen med rusmiddelbruk sett gjennom russefeiring som et ritual. Høgskolen i Bodø, 1999. ISBN 82-7314-286-8. Avhandling (dr. polit.) ved Universitetet i Tromsø, 2000