Zum Inhalt springen

Jiddischismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 28. Mai 2021 um 03:51 Uhr durch Piccoloflöte (Diskussion | Beiträge) (Literatur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Jiddischismus war eine jüdische Bewegung, die den Wert des Jiddischen als Sprache der osteuropäischen Juden herausstellte. Dies geschah im Gegensatz zum Zionismus und dessen sprachlicher Option für das Hebräische.

Teilnehmer der Konferenz für die jiddische Sprache (Czernowitz, 1908)

Allgemeines

Jiddischisten sind heute diejenigen, die sich der Erhaltung der jiddischen Sprache vergangener Zeiten als Kultur und Literatur widmen.

Es gibt verschiedene Arten von "Jiddischisten". Historisch gesehen wurden Jiddischisten mit linken politischen Ideologien in Verbindung gebracht, insbesondere mit dem Bundismus. Aber es gab auch fromme Jiddischisten, Kommunisten usw. Heute kann man sagen, dass ein Jiddischist ein jeder ist, der daran interessiert ist, Jiddisch als Ideologie zu sprechen.

Geschichte

Joshua Mordechai Lifshitz (1828-1878), der Vater der jiddischen Lexikographie
Frühere Verbreitung jiddischer Dialekte, gelb Ostjiddisch mit den Dialekten Nordost- (litauisch-weißrussisches), Südost- (ukrainisches) und Zentraljiddisch (polnisches Jiddisch), grün Westjiddisch mit eigentlichem Westjiddisch im Westen und Übergangsjiddisch im Osten. Grün gestrichelte Linie: Grenzen der Unterdialekte Judäo-Elsässisch (im Südwesten), tschechisches und ungarisches Übergangsjiddisch und Kurländer Jiddisch (im Baltikum). Karte des Linguarium-Projektes der Moskauer Lomonossow-Universität (russisch).

Der "Vater" des Jiddischismus war der jüdische Linguist, Lexikograph und Linguist Joshua Mordechai Lifshitz[1] (1829-1878). Er sah im Jiddischen keinen Jargon[2], sondern eine eigene Sprache und gilt als der erste, der die Sprache Jiddisch nannte und daran arbeitete, die Regeln der Grammatik und Rechtschreibung aufzustellen, die auf dem jiddischen Dialekt seiner Heimat Wolhynien (er wurde in Berditschew geboren) basierten. Lifshitz überredete den jungen Maskil Scholem Jankew Abramowitsch (Mendele der Buchhändler), Literatur in jiddischer Sprache zu schreiben. 1861 überredete er den Herausgeber von Ha-Meliz, Alexander Halevi Zederbaum, eine erste moderne jiddische Zeitung mit dem Titel Kol Mevasser zu veröffentlichen.

Abraham Reisen; Itzhok Lejb Perez; Schalom Asch; Chaim Schitlowsky und Hirsch David Nomberg 1908 während der Czernowitz-Konferenz (von links)

Chaim Schitlowsky war ein Verfechter der jiddischen Sprache und Kultur und Vizepräsident der Konferenz für die jiddische Sprache von 1908[3] (im damals österreich-ungarischen Czernowitz), die Jiddisch zur "Nationalsprache des jüdischen Volkes"[4] erklärte.

Das oft als "Jerusalem Litauens" bezeichnete Wilna (polnisch Wilno), das heutige Vilnius und Hauptstadt Litauens, war das traditionelle geistige und intellektuelle Zentrum des jüdischen Denkens im Russischen Kaiserreich, das zu einem einzigartig wichtigen Zentrum der jüdischen Presse wurde. Im Kontext des sich modernisierenden kaiserlichen Russlands in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts war Wilna ein wichtiges Zentrum der jüdisch-sozialistischen Bewegung, dem Bund, gegen Ende des 19. Jahrhunderts und in den Jahren vor der Revolution von 1905. Die bündische Publizistik entpuppt sich als Förderer einer jüdischen Kulturideologie, des Jiddischismus.[5]

Das Ende des Konzepts des Jiddischismus sowie nahezu der gesamten jüdischen Kultur in Europa brachte der Zweite Weltkrieg. Der endgültige Schlag wurde 1952 im dem Moskauer Prozess gegen die letzten großen Schriftsteller des Jiddischen zugefügt, von denen es vielen gelang, den Krieg zu überleben. Auf der Suche nach einer Heimat in Sowjetrussland wurden sie dort vom stalinistischen Regime als Volksfeinde angesehen und hingerichtet.

Das Echo des Streits und der Widerwillen gegen den Jiddischismus waren bis vor kurzem in der politischen Kultur Israels stark präsent.

Persönlichkeiten

vgl. die Kategorie:Jiddischismus und Jiddischisten (hebräisch)

Siehe auch

Literatur

  • Emanuel S. Goldsmith:[7] Architects of Yiddishism at the Beginning of the Twentieth Century: A Study in Jewish Cultural History. Fairleigh Dickinson University, Rutherford / Madison / Teaneck / London, 1976
  • Emanuel S. Goldsmith: Modern Yiddish culture. The story of the Yiddish language movement. Foreword by Robert M. Seltzer. New York: Shapolsky Publishers and The Workmen's Circle, 1987, ISBN: 0933503954 (Enthält Kapitel über: Nathan Birnbaum, Y. L. Peretz, Matisyohu Mieses, Chaim Zhitlovsky, the Czernowitz conference, the growth of Yiddishism.) (Review von David Shneer)
  • Armin Eidherr: Der Jiddischismus - hbjk.sbg.ac.at
  • Susanne Marten-Finnis: Vilna as a Centre of the Modern Jewish Press, 1840-1928. Peter Lang 2004, ISBN: 9783039100804
  • Chaim Zhitlowsky: Di asimilatsye: Vos zi zogt tsu un vos zi git. [Assimilation: Was sie bedeutet und was sie bringt] Vien [Vienna, Wien]: Ferlag Naye Velt, 1914
  • Armin Eidherr: Sonnenuntergang auf eisig-blauen Wegen. 2012 (Online-Teilansicht)
  • Tatjana Soldat-Jaffe: Twenty-first Century Yiddishism. 2012 (berichtet über drei kritische Fallstudien für die Zukunft der Sprache: ultra-orthodoxes Judentum in Großbritannien, "heritage"-Lerner in den USA und "multikulturelle" nicht-jüdische Lerner in Deutschland)
  • David Shneer: Yiddish and the Creation of Soviet Jewish Culture: 1918-1930. 2004 (Online-Teilansicht)
  • Joshua M. Karlip: Tragedy of a Generation. Harvard University Press 2013, ISBN: 9780674072855
  • Janina Wurbs: Generationenübergreifender Jiddischismus: Skizzen kultureller Biographien der Familie Beyle Schaechter-Gottesman. (Pri ha-Pardes) 2018 Online-Teilansicht
  • Matthias Miese: Der Ursprung des Judenhasses. Benjamin Harz , Berlin - Wien 1923

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. hebr. יהושע מרדכי ליפשיץ
  2. vgl. Einleitungsvortrag über Jargon (ein im Februar 1912 gehaltener Vortrag von Franz Kafka aus dem Nachlass)
  3. vgl. Armin Eidherr: Hundert Jahre Czernowitzer "Jüdische Sprachkonferenz" 1908: Die Konferenz und ihre Wirkung
  4. vgl. David Shneer, S.39
  5. Vgl. die Arbeiten von Susanne Marten-Finnis (2004) und Emanuel S. Goldsmith (1976).
  6. russisch Моисей Ильич Литваков, wiss. Transliteration Moisej Il'ič Litvakov
  7. Der 1935 geborene Autor war Professor für Jiddisch am Queens College, CUNY.