Zum Inhalt springen

Sexismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. September 2006 um 17:21 Uhr durch Notebook (Diskussion | Beiträge) (Quelle für "Biologismus" unwissenschaftlich, muss wenn, dann schon eindeutig benannt sein. Autoren und Quellen in der anderen "Quelle" fehlen tatsächlich.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Unter Sexismus versteht man die vorurteilsgeladene Diskriminierung, Unterdrückung, Zurücksetzung, Benachteiligung und Ausbeutung von Menschen allein aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit. Dies resultiert aus bestimmten weltanschaulichen-ideologischen Vorstellungen, dass aufgrund der naturgegebenen Unterschiede zwischen den Geschlechtern eines wertvoller und leistungsfähiger als das andere sei und es daher ein natürliches Vorrecht auf höhere Machtpositionen und bessere Lebensumstände habe. Aufgrund der traditionell patriarchalischen Ausprägung der meisten existierenden Gesellschaften und der daraus resultierenden Herrschaftsverhältnisse bezeichnet Sexismus in der Regel die Diskriminierung von Frauen bei gleichzeitiger Bevorzugung des männlichen Geschlechts. In den letzten Jahren rückte jedoch die Diskriminierung beider Geschlechter aufgrund ihrer Geschlechterrolle, das heißt, der kulturell bedingte Stereotype von Weiblichkeit und Männlichkeit, immer stärker in den Mittelpunkt. Der Begriff ist eine aus dem Englischen kommende Parallelbildung zu racism (Rassismus), die als sexism in der US-amerikanischen Frauenbewegung der 1960er Jahre geprägt wurde und sich zunächst ausschließlich auf Frauen bezog.

Je stärker individuelle Abweichungen vom kulturell erwarteten Rollenverhalten missbilligt oder gar bestraft werden, desto schwieriger ist es für die Beteiligten, vorherrschende Stereotype durch Emanzipation zu durchbrechen.

Sexismus wurde erstmals durch die Frauenbewegung kritisiert und ist mittlerweile auch Gegenstand der Gesetzgebung und der Sozialforschung. Er betrifft in den meisten Kulturen strukturell vorrangig Frauen. In vielen modernen Gesellschaften gibt es inzwischen eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Tendenz zur Emanzipation und zur verstärkten Anerkennung der Benachteiligung von Frauen.

In den abendländischen Kulturen ist seit den 1990er Jahren ein Trend weg von der Betrachtung nur der Benachteiligung von Frauen allein und hin zur Betrachtung der Geschlechterverhältnisse und -belange insgesamt zu erkennen, die sich mit den Geschlechterrollen auseinandersetzen, die sowohl Frauen als auch Männer einengen und zum Opfer von Sexismus machen können. Auf gesellschaftspolitischer Ebene drückt sich das z.B. im Gender Mainstreaming aus, auf akademischer Ebene in dem aus den Women's Studies, die fast ausschließliche die Situation der Frau betrachteten, neu entwickelten Fachgebiet Gender Studies (und auch Queer Studies).

Begriffsgeschichte

Vorläuferinnen

Bereits 1907 wurde von Dr. Käte Schirrmacher der Begriff „Sexualismus“ verwendet:

Mit der dem Menschen eigenen Subjektivität hat der Mann sich, seine Vorzüge, Fehler und Leistungen als die Norm, das Normale, das „Seinsollende", das Ideal gesetzt: das Männliche war, in der Sprache wie anderswo, das Massgebende. Daher in allen Sprachen der Welt der Kult des Mannes. [...] Immerhin, den Sexualismus, das Geschlechtsvorurteil bekommen wir so bald nicht aus der Sprache heraus, nur eine bewusste Gegenwirkung kann da helfen [...] [1].

Simone de Beauvoir schrieb über dieses Phänomen 1949 eine Abhandlung[2], doch sie benutzte nicht den Begriff „Sexualismus“ oder „Sexismus“.

Entstehung des Begriffs in den USA

Der Begriff „Sexismus“ tauchte zum ersten Mal in den 1960er Jahren im Englischen auf (sexism), mit ihm wurde der Prozess der Naturalisierung gesellschaftlicher Prozesse (Biologismus) beschrieben: eine Wirkungsweise, auf die auch der Begriff Rassismus (racism) zielt, an dem der Begriff „Sexismus“ sich anlehnte.[3] Mit Sexismus wurden nicht nur individuelle Vorurteile, sondern auch institutionalisierte Diskriminierungen benannt[4]. Eine erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Sexismus findet ab Anfang der 1970er Jahre in den USA statt.[5]. Während in den 1970ern dieser Begriff in Deutschland noch weitgehend unbekannt war und nur in feministischer und populärwissenschaftlicher Literatur verwendet wurde, fand er in den Vereinigten Staaten bereits Zugang in wissenschaftlichen Lehrbüchern.[6] Die Unkenntnis dieses Begriffs führte noch 1983 im Bundestag zur Heiterkeit bei den männlichen Abgeordneten, als eine Rednerin forderte, den alltäglichen Sexismus hier im Parlament einzustellen.[7]

Bekannt wurde der Begriff „Sexismus“ in Deutschland durch das umfangreiche Buch von Marie-Louise Janssen-Jurreit mit dem gleichnamigen Titel. Sie definierte Sexismus als eine umfassende Unterdrückung von Frauen:

„Sexismus war immer mehr als das, was in der nichtsagenden Geschmeidigkeit politischer Rhetorik 'die Benachteiligung der Frau' heißt oder was Soziologen verharmlosend mit 'traditioneller Rollenverteilung' bezeichnen. Sexismus war immer Ausbeutung, Verstümmelung, Vernichtung, Beherrschung, Verfolgung von Frauen. Sexismus ist gleichzeitig subtil und tödlich und bedeutet die Verneinung des weiblichen Körpers, die Gewalt gegenüber dem Ich der Frau, Achtlosigkeit gegenüber ihrer Existenz, die Enteignung ihrer Gedanken, die Kolonisierung und Nutznießung ihres Körpers, den Entzug der eigenen Sprache bis zur Kontrolle ihres Gewissens, die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, die Unterschlagung ihres Beitrags zur Geschichte der menschlichen Gattung.“[8]

Die 1980er Jahre: Sexismus als Unterdrückungsverhältnis

In den 1980er Jahren wurde in den Diskussionen um "Sexismus" verstärkt das Zusammenspiel mit anderen Unterdrückungsformen wie Klassismus[9] und Rassismus[10] betont. Im Zuge der Diskussion um die verschiedenen Unterdrückungsverhältnisse wurde zwischen Vorurteil und Unterdrückung[11] differenziert:

„Die Worte verletzen durch die dahinter verborgene Androhung von Gewalt. Es sind nicht die sexistischen Bilder und Worte, die an sich so schlimm sind, es ist die Macht über Frauen, die Androhung von Gewalt gegen Frauen, die der sexistischen Sprache ihre Sprengkraft verleiht. Wenn surinamische Kinder niederländische Kinder als 'Weißärsche' beschimpfen und als Antwort 'Niggerschwein' zu hören bekommen, können die Vorurteile, die dahinterstecken, ebenso 'rassistisch' sein, aber sie haben nicht die Drohung von Macht.“[12]

Heute werden in der Intersektionalitätsforschung (von intersection: Überschneidung, Kreuzung, Schnittmenge) nicht mehr nur die Unterdrückungsverhältnisse addiert, sondern es wird untersucht, welche Auswirkungen die Kreuzungen der Unterdrückungsverhältnisse wie Sexismus, Rassismus, Behindertenfeindlichkeit, usw. haben.

Wandlungen in der Vorurteilsforschung

Während auch heute noch der Begriff Sexismus bezogen auf Unterdrückung als Unterdrückung von Frauen betrachtet wird, hat es auf der Ebene der Geschlecherstereotype in der Forschung eine Erweiterung des Begriffs auf Geschlecht gegeben, der auch Sexismus gegenüber Männern mit einschließt. Die Vorurteilsforschung arbeitet u.a. mit standardisierten Fragebögen, die in den 1990er Jahren eine Wandlung erfahren haben. In den 1970er Jahren wurde mit der Attitudes Toward Women Scale (AWS) das inzwischen als traditioneller Sexismus oder offener Sexismus bezeichnete Geschlechtervorurteil ermittelt. Mit diesem Messverfahren konnte jedoch die Leugnung fortgesetzter Diskriminierung von Frauen irgendwann nicht mehr festgestellt werden, was zu neuen Fragebögen führte, die den Sexismus nun als modernen Sexismus[13] oder Neosexismus[14] begriffen.

Eine aktuellen Studie, die vom modernen Sexismus ausgeht, untersuchte sowohl Frauen als auch Männer als Betroffene von zwischenmenschlichem Sexismus. Es zeigte sich, dass Männer vor allem von Rollenzuschreibungen betroffen sind, jedoch in keinem Fall zugaben (im Gegensatz zu Frauen) sich ernsthaft davon betroffen zu fühlen, auf einen (geschlechtsspezifschen) Objektstatus reduziert zu werden[15].

Sexistische Vorurteile müssen nicht immer nur negativ sein, sie können auch positiv ausgedrückt werden (z.B. Muttertag, der von anonymen feministischen Kritikerinnen als Reduzierung der Frau auf ihre „biologische“ Rolle als Mutter gesehen wird[16]). Es wird in der Forschung unterschieden zwischen wohlmeinenden (benevolenten) Sexismus und feindseligen (hostilen) Sexismus. Während die strukturelle Macht von Männern hostilen Sexismus schüre, begünstige die Abhängigkeit der Männer von Frauen in engen zwischenmenschlichen Beziehungen den benevolenten Sexismus.[17]

Quellen

  1. Käthe Schirmacher: Der Sexualismus in der Sprache (1907) In: Helene Stöcker (Hrsg.) (1907): Mutterschutz, Zeitschrift zur Reform der sexuellen Ethik. [1]
  2. Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau (1968) Reinbek bei Hamburg
  3. Nora Räthzel: Rassismustheorien: Geschlechterverhältnisse und Feminismus, in: Ruth Becker, Beate Kortendieck (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie (2004) Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
  4. Herrad Schenk: Geschlechterrrollenwandel und Sexismus. Zur Sozialpsychologie geschlechtspezifischen Verhaltens (1979) Weinheim und Basel: Beltz Verlag S. 128f.
  5. Clarice Stasz Stoll (Hrsg.): Sexism. Scietific Debates (1973) Reading, Mass.: Addison Wesley
  6. Herrad Schenk, s.o. S. 129
  7. Florence Hervé, Elly Steinmann, Renate Wurms: Das Weiberlexikon. Von A wie Akteurin bis Z wie Zyklus (1995) München, S. 443
  8. Marie-Louise Janssen-Jurreit: Sexismus. Über die Abtreibung der Frauenfrage. (1976) München S. 702
  9. Anja Meulenbelt: Scheidelinien. Über Sexismus, Rassismus und Klassismus (1988), Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag
  10. Angela Davis: Rassismus und Sexismus. Schwarze Frauen und Klassenkampf in den USA (1982) Berlin: Elefantenpress
  11. Arthur Brittan, Mary Maynard: Sexism, Racism and Oppression (1984) Oxford
  12. Anja Meulenbelt, s.o. S. 41
  13. Janet K. Swim, Kathryn J. Akin, Wayne S. Hall, Barabara A. Hunter: Sexism and Racism: Oldfashioned and Modern Prejudices. in: Journal of Personality and Scial Psychology, 68, (1995) S. 199-214
  14. Francine Tougas, Rupert Brown, Ann M. Beaton, Stépahane Joly: Neosexism. Plus ca change, plus c'est pareil. In: Personality and Social Psychology Bulletin, 21 (1995), S. 842-849
  15. Janet K. Swim, Lauri L. Hyers, Laurie L. Cohen, Melissa J. Ferguson: Everyday Sexism: Evidence for Its Incidence, Nature, and Psychological Impact From Three Daily Diary Studies - Statistical Data Included (2001) Journal of Social Issues, Spring [2]
  16. „Die feministische Seite der Sozialistischen Jugend Österreich“: „Der Muttertag – Zu Geschichte und Ideologie“ – (Ohne: Autor'in, Datum oder Quellen!)
  17. Thomas Eckes: Geschlechterstereotype: von Rollen, Identitäten und Vorurteile, in: Ruth Becker, Beate Kortendieck (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie (2004) Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften S.171

siehe auch

Literatur

  • Marie-Louise Janssen-Jurreit: Sexismus. Über die Abtreibung der Frauenfrage. München 1976 ISBN 3446122737
  • Angela Davis: Rassismus und Sexismus. Schwarze Frauen und Klassenkampf in den USA (1982) Berlin: Elefantenpress ISBN 3885200937
  • Dietrich Becker-Hinrichs, Renate Wanie: Sexismus in politischen Gruppen, Broschüre, 1991, ISBN 3930010003
  • Annegret Friedrich: Projektionen. Rassismus und Sexismus in der Visuellen Kultur, 2001, ISBN 389445217X
  • Monika Gerstendörfer: Sine laude! Sexismus an der Hochschule, 1994, ISBN 3929982021
  • Ruth Köppen: Armut und Sexismus Berlin 1994 ISBN 3-88520-512-2
  • Anja Meulenbelt: Scheidelinien. Über Sexismus, Rassismus und Klassismus (1988),Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag ISBN 3498 043161
  • Thomas Eckes: Geschlechterstereotype: von Rollen, Identitäten und Vorurteile, in: Ruth Becker, Beate Kortendieck (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie (2004) Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften ISBN 3 531 14278 X
  • Herrad Schenk: Geschlechterrrollenwnadel und Sexismus. Zur Sozialpsychologie geschlechtspezifischen Verhaltens (1979) Weinheim und Basel: Beltz Verlag ISBN 3 407 54546 0
  • Ignacio L. Götz: The culture of sexism, Westport, Conn. 1999, ISBN 0-275-96566-X
  • Gudrun Salmhofer (Hg.): Sexismus. Übergriffe im Alltag, Studien Verlag, Innsbruck 2004, ISBN 3706540053, (Rezension bei literaturkritik.de)
  • Clarice Stasz Stoll (Hrsg.): Sexism. Scientific Debates (1973) Reading, Mass.: Addison Wesley