Zum Inhalt springen

Kanone

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. September 2006 um 11:21 Uhr durch 84.174.88.40 (Diskussion) (Weblinks). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Datei:M-198 amerik Feldkanone.jpg
moderne Feldkanone - M-198
Französische 12,5 cm Langkanone
Kanonen des 18. Jahrhunderts vor dem Invalidendom, Paris
Kartaune "Greif" auf der Festung Ehrenbreitstein, gegossen 1524, zu ihrer Zeit die größte Kanone Europas. 200 Zentner schwer verschoss sie 188 Pfund schwere Geschosse mit 94 Pfund Schwarzpulver.
Festung Königstein, Sachsen: Kartaune auf Wandlafette
Datei:Tsar-Pushka.jpg
Zar Puschka: Größte gegossene Steinbüchse, wurde vermutlich nie abgefeuert und diente ausschließlich zu repräsentativen Zwecken. Die Lafette wurde später hinzugefügt.
Mons Meg: Riesengeschütz steht heute in Edinburgh

Eine Kanone ist ein Geschütz mit einem großen Verhältnis Rohrlänge zu Kaliber (Rohrlänge/Kaliber 20), die meist zum Flachfeuer verwendet wird.

Moderne Haubitzen verfügen ebenfalls über lange Rohre, und auch viele Kanonen können heute zum Steilfeuer verwendet werden, so dass der Begriff Kanone nicht mehr scharf gegen Haubitzen abgegrenzt werden kann. (Kanonen verleihen aufgrund der hohen Mündungsgeschwindigkeit dem Geschoss eine relativ gerade Flugbahn, man spricht deshalb auch von Flachfeuergeschützen. Haubitzen eignen sich besser für indirektes Feuer.)

Geschichte

Die Erfindung des Schwarzpulvers ist die grundlegende Entwicklung, die Kanonen möglich machte.

Die Sung-Chinesen verwendeten möglicherweise zuerst Bambusrohre, später Metallrohre, im Durchmesser bis zu 30 cm, um mittels Schießpulver verschiedene, nicht passgenaue Projektile wie Pfeile, münzgroße Bleikugeln, Steine, Eisen- und Stahlsplitter sowie giftige Substanzen zu verschießen. Das entwickelte sich fast analog zu den Frühformen der Flammenwerfer und der Raketenwerfer. Eine schlanke, gusseiserne Feuerwaffe von 2,8 cm Kaliber, 1 m Länge, mit Zündloch, geradliniger Bohrung und verstärker Zündkammer wurde in der Mandschurei ausgegraben, sie stammt von 1288. Zu dieser Zeit kam offenbar auch die Verwendung passgenauer Projektile auf, solche Projektile sind noch erhalten. Zahlreiche chinesische Techniker dienten in den Mongolenheeren, die in ihren Feldzügen Feuerwaffen einsetzten.

Das Konzept der Feuerwaffen kam möglicherweise über die offenen Handelswege nach Europa. So soll Wilhelm von Rubruk 1256 Feuerwerkskörper mitgebracht haben und Roger Bacon (beides Franziskaner) könnte sie zum Vorbild seiner Forschungen genommen haben. Wahrscheinlich handelt es sich jedoch um den Fall einer Parallelentwicklung.

In Europa selbst treten Kanonen seit dem 14. Jahrhundert auf. Sie wurden wohl erstmals in Italien in der Toskana 1326 in Dokumenten der Republik Florenz ("pilas seu palloctas ferreas et canones de metallo" - also eisernen Geschossen oder Kugeln und Kanonen aus Metall) erwähnt - später dann in Süddeutschland. Kurze Zeit später kamen Kanonen praktisch in ganz Europa vor, sodass man hier von einem ersten Wettrüsten reden kann. Sie wurden bei uns als "Feuertöpfe", "Eisentöpfe" oder Steinbüchse bezeichnet und zunächst bei Belagerungen verwendet, zur Hussitenzeit dann aber auch in Feldschlachten, aufmontiert auf Wagen oder mit Holzstützen. Allein bei den Hussiten verzehnfachte sich die Zahl der eingesetzten Feuerwaffen in zehn Jahren, so führten sie 1428/29 3000 Handfeuerwaffen, 300 Haubitzen und 60 große Geschütze gegen Meißen und Bayern ins Feld. Um 1450 waren Geschütze absolut üblich, auch im Heer des noch auf die Ritterschaft setzenden Karls des Kühnen.

Die ersten Geschosse waren eigenartige gewaltige Brandpfeile (z.B. siehe Handschrift von Walter de Milimete 1326), die aber bald von der Steinkugel verdrängt wurden. Bald experimentierte man auch mit gusseisernen Kugeln, die aber in der Herstellung wesentlich teurer waren und auch mehr Pulver benötigten, dem wiederum waren die Steinbüchsen nicht gewachsen. Diese Nachteile sorgten dafür, dass die steinernen Kugeln noch teilweise bis ins 16. Jahrhundert hinein benutzt wurden. (siehe dazu auch die Reformen im Geschützwesen von Maximilian I. im Artikel Kartaunen)

Die spätmittelalterlichen Rohre waren aus Eisen, Kupfer, Bronze oder Messing in einem Stück gegossen, wobei man sich die Erfahrungen der Glockengießer zunutze machte, oder aus schmiedeeisernen (entspricht heute: Baustahl) Stäben mit trapezförmigem Profil, die mit Eisenringen zusammengehalten wurden.

Die Schwerpunkte lagen dabei auf Bronze und Eisen. Sehr früh musste man feststellen, dass die Exemplare aus Eisen immer wieder zu platzen drohten, weil das Verschlusstück nicht funktionierte. Selbst Schraubverschlüsse waren ungeeignet, da sich die Gewinde nach jeder Explosion verzogen und der Verschluss stundenlang auskühlen musste.

In der Neuzeit setzte sich dann Bronze wegen ihrer Stabilität und ihrer guten Gießeigenschaft bei allen Feldgeschützen durch. Eisengeschütze wogen zudem bei gleichem Kaliber erheblich mehr. Zudem spielte die Zusammensetzung des Stahls (insbesondere sein hoher Phosphorgehalt, sein niedriger Schwefelgehalt) eine erhebliche Rolle für die Festigkeit einer Kanone, so dass sich bestimmte Regionen innerhalb Europas, obwohl identisches Knowhow auch anderswo vorhanden war, für die Fertigung durchsetzten. Zudem setzte zeitgleich ein regelrechter Wettbewerb um Kanonengießer ein, die bestimmte Standorte (z.B. Asslar und Marsberg in Deutschland, Sussex und Kent in England) noch zusätzlich bevorzugten.

Schiffs- und Festungsgeschütze aber mussten nur wenig bewegt werden, sodass man für sie weiterhin das billigere Eisen bevorzugte.

Mitte des 17. Jahrhunderts war dann aber auch bei den Kanonen aus Eisen der Wirkungsgrad befriedigend - es bestand aber weiterhin das Problem diese Kanonen in Feldschlachten zu benutzen, da sie sich nur schwer bewegen ließen. Dies ließ dann auch Raum für Experimente: so wurden zu Beginn des 18. Jahrhunderts Kanonen sogar aus Leder hergestellt, die aber schnell kaputt gingen. Dafür konnten sie in der Zeit, die ein Musketier für einen Schuss benötigte, sogar acht bis neunmal bedient werden, da sie um ein Vielfaches leichter waren als die Metallkanonen. Diese Feststellung hinsichtlich der Mobilität einer Kanone führte dann dazu, dass die Metallkanonen immer leichter wurden. Im April 1629 gelang es der königlichen Gießerei Stockholm den ersten Dreipfünder "regementsstycke" herzustellen, der mit 123 kg sehr beweglich war und 3 Schüsse in der Zeit zuließ, die man brauchte, um eine Muskete zu laden. Wenig später reduzierte man das Gewicht sogar auf nur 116 kg.

Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Herstellung hochwertigen Stahls sehr viel billiger wurde, konnte man dieses extrem stabile Material für die Massenproduktion von Kanonen einsetzen. Zu diesen ersten Gussstahl-Kanonen gehörten die Hinterladerkanonen der Preußen, die eine wahre waffentechnische "Revolution" auslösten. (Schon einige Jahre zuvor waren gezogene Kanonen, bald auch mit explosiven, länglichen Granaten, statt Kugeln, eingeführt worden.)

Ende des 19. Jahrhunderts stellte Frankreich mit der Canon de 75 mle 1897 die erste echte Schnellfeuerkanone in Dienst. Hauptmerkmal war der lange Rohrrücklauf, dazu kamen noch mehrere andere Details, die die Feuergeschwindigkeit deutlich erhöhten.

Die Entwicklung der Kanone und ihre Perfektionierung in Europa hat letztlich entscheidend dazu beigetragen, dass europäische Staaten, wenn auch auf anderen Gebieten entwicklungstechnisch hinterherhinkend und zahlenmäßig unterlegen, sich gegen Annektierungsversuche anderer Völker und Staaten anderer Kontinente durchsetzen konnten.

Etymologie

Der Begriff stammt vom italienischen Wort canna (französisch quennon), welches für "Röhre" oder "Rohr" steht. Die Endung "-one" bedeutet im italienischen soviel wie "groß" oder "dick". Cannone = "großes/dickes Rohr".

Rekorde

Die Kanonen mit der höchsten Reichweite und größtem Kaliber waren allesamt Eisenbahngeschütze:

  • das Paris-Geschütz, welches im Ersten Weltkrieg von der deutschen Front bei Laon bis nach Paris schießen konnte (ca. 120 km).
  • Die K12 im Zweiten Weltkrieg hatte 196 Kaliberlängen, ein Kaliber von 211 mm und eine Reichweite von 115 km. Das Geschütz war jedoch nicht sehr einsatztauglich, es ging hierbei mehr darum, den Rekord zu brechen.
  • Das größte Gewicht lag bei 1.345 Tonnen (Geschütz Gustav und Geschütz Dora im Zweiten Weltkrieg)
  • Das größte Kaliber lag bei 914 mm beim amerikanischen "Little David"-Mörser

Spezielle Einsatzbereiche der Kanone

Spezielle Kanonen

Verwendung außerhalb des Kampfes

  • Bei einer Staatsvisite oder der Geburt eines Thronfolgers werden Salutschüsse mit meist historischen Kanonen abgefeuert.
  • Historisch: Anwendung als Mittagskanone
  • Als Starthilfe für Satelliten, HARP-Projekt
  • Zum absichtlichen Auslösen von Lawinen wird der gefährdete Berghang mit einer Kanone beschossen

Siehe auch

Feldschlange, Kartaune, Artillerie, Kanonenboot - Kanonenfutter - Schneekanone - Gulaschkanone - Zündeisen - Kanonenkugel - Balist

Redensartliches

"Kanonenstiefel" wurden metaphorisch hohe und mächtige Stiefel genannt.

Die Redensart "unter aller Kanone" für eine außerordentlich schlechte Leistung hat mit einer Kanone nichts zu tun und geht auf die lateinische Floskel sub omni canone zurück; siehe dazu Dissertation ("Bewertungsstufen").

Wiktionary: Kanone – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen