Quantitätenkollaps
sprachgeschichtliche Erscheinung im Lateinischen auf dem Weg zu den romanischen Sprachen.
Quantitäten
Im Lateinischen wurde wie im Griechischen zwischen kurzen und langen Vokalen unterschieden (den "Vokalquantitäten"); zu jedem der fünf Vokale gab es also eine lange und eine kurze Variante, die bedeutungsunterscheidend waren: "malus" mit kurzem a heißt ´schlecht´, "malus" mit langem a heißt ´Apfel´.
Quantitätenkollaps
Im Laufe der Zeit, etwa vom 3./4. Jahrhundert an, ging das Bewußtsein für die Vokalquantitäten langsam verloren; das bisherige System, das auf Längen und Kürzen beruhte, brach zusammen (=Quantitätenkollaps).
Fortan wurde nicht mehr zwischen kurzem und langem Vokal unterschieden, sondern zwischen offenem und geschlossenem (z.B. offenes e [ä] vs. geschlossenes e [e]).
Schließlich begann sich die Klangfarbe der Vokale zu ändern, was im Vulgärlatein zu einer Vereinfachung im Vokalsystem führte: Kurzes i und langes e fielen im geschlossenen e zusammen, ebenso langes o und kurzes u im geschlossenen o.
Beispiel für Auswirkungen des Quantitätenkollapses
Konnten mit Hilfe der langen und kurze Vokale im klassischen Latein noch unterschiedliche Kasus markiert werden, war dies im Vulgärlatein nicht mehr möglich, da die beiden Formen nun gleich lauteten. So mußte man verstärkt Präpositionen verwenden, um die Kasus eindeutig voneinander zu unterscheiden. Deshalb werden heute etwa im Französischen alle Kasus durch Präpositionen ausgedrückt.
(Mark Möst)