Lohnnebenkosten
Unter Lohnnebenkosten oder Lohnzusatzkosten werden die Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung verstanden. Diese werden für die Renten- und die Arbeitslosenversicherung je zur Hälfte vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber gezahlt. Für die Kranken- und die Pflegeversicherung tragen die Arbeitnehmer etwas höhere Anteile. Die Lohnnebenkosten lagen 2003 bei rund 42 Prozent des Bruttolohnes (gesetzliche Rentenversicherung 19,5 Prozent, Krankenversicherung durchschnittlich 14,3 Prozent, Pflegeversicherung 1,7 Prozent, Arbeitslosenversicherung 6,5 Prozent) bis zu den jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen.
Zum Begriff
Lohnnebenkosten werden zum einen die Gehaltsanteile genannt, die direkt in die Sozialversicherung fließen und von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam getragen werden. Zum anderen bezeichnet der Begriff Leistungen, die allein der Arbeitgeber neben der eigentlichen Gehaltszahlung für die Einrichtung und den Unterhalt eines Arbeitsplatzes aufzuwenden hat.
Dies ist insofern von Bedeutung, als diese Kosten für das Unternehmen kalkulatorisch erfasst werden müssen, um dem Unternehmer eine objektive Übersicht über die Einnahmen-/Kostensituation für unternehmerische Entscheidungen, wie z. B. die Preisfindung, zu geben.
Lohnnebenkosten sind also die Kosten, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen und die nicht als frei verfügbares Einkommen des Arbeitnehmers marktwirksam werden. Je nach Perspektive werden dabei die Arbeitgeber-Beiträge zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer entweder als zusätzliches Bruttoeinkommen gesehen oder als zweckgebundener Abzug vom eigentlich angemessenen Einkommen. Geschichtlich trifft die zweite Sichtweise zu. Die soziale Sicherung wurde eingeführt, um unvermeidlich gewordene Lohnerhöhungen teilweise obligatorisch zur Sicherung gegen individuelle Lebensrisiken zu verwenden.
Den Lohnnebenkosten steht natürlich auch ein Nutzen gegenüber. Denn die Notwendigkeit zur Versicherung sozialer Risiken bleibt nach Wegfall der Arbeitgeberanteile (oder der gesamten Sozialversicherungsbeiträge) bestehen, d. h. ein Arbeitnehmer müsste auch nach Wegfall der Lohnnebenkosten Kosten für die allgemeinen Lebensrisiken aufwenden.
Eine allgemeine, gleichermaßen Arbeitnehmer und Arbeitgeber entlastende Lohnnebenkostensenkung führt zwar zu einer Erhöhung der frei verfügbaren Nettolöhne der Arbeitnehmer, sie belebt allerdings nur dann die Nachfragekonjunktur, wenn die Senkung der Lohnnebenkosten nicht mit einer Senkung der Sozialleistungen (Rente, Krankenversicherungsleistungen und so weiter) verbunden ist.
Von den Arbeitgebern werden zu den Lohnnebenkosten ebenso die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der Tarifurlaub und andere zusätzliche tariflich oder einzelvertraglich vereinbarte Zusatzleistungen (z. B. Tantiemen, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Mehrarbeits- und Sonderzuschlagszahlungen, Firmenfahrzeug, verbilligtes Kantinenessen oder Betriebsausflug) gezählt. Diese Definition ist problematisch, da alle diese Zuschläge zwischen den Tarifpartnern entwickelt wurden, um Kompromisse in der Lohnanpassung zu ermöglichen. Sie sind also Bestandteil des Lohns.
Dagegen fallen mittelbare Kosten, wie anteilmäßiger Stromverbrauch, Berufsgenossenschaftsbeiträge, baurechtliche Veränderungen oder arbeitsplatzbezogene Abschreibungen unter die Lohnnebenkosten, sofern sie eindeutig einem Arbeitsplatz zugeordnet werden können.
Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland
In Deutschland und anderen Ländern zählen u. a. folgende (Pflicht-) Beiträge zu den Lohnnebenkosten:
Diese Beiträge werden paritätisch von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen.
Zu 100% werden u. a. folgende Beiträge vom Arbeitgeber getragen
- Beiträge zur Berufsgenossenschaft (Unfallversicherung)
- Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz
- Urlaubsentgelt nach BUrlG als Entgeltfortzahlung während des Urlaubs
Der vom Arbeitgeber zu tragende Gesamtbeitrag liegt damit bei knapp 23% des Bruttolohns des Arbeitnehmers bis zu zwei jährlich neu bestimmten Beitragsbemessungsgrenzen. Für Gehaltsanteile, die über einer Beitragsbemessungsgrenze liegen, fallen keinerlei Sozialversicherungsbeiträge mehr an.
Die genaue Beitragshöhe ist vom Beitragssatz der vom Arbeitnehmer frei wählbaren Krankenkasse abhängig. Der Arbeitnehmer trägt weitere gut 20 % seines Bruttolohns zur Sozialversicherung bei. Hinzu kommen noch Leistungen für Zahnersatz, Rezeptgebühren und quartalsmäßige Arztpraxisgebühren (derzeit in Höhe von 10 Euro), die durch Reformgesetze alleine vom Arbeitnehmer zu tragen sind. In der Pflegeversicherung zahlen Kinderlose ab dem 23. Lebensjahr einen Zuschlag von 0,25%. In Sachsen zahlen die beitragspflichtigen Personen 1,35 % (1,7% : 2 + 0,5%) vom beitragspflichtigen Entgelt (bis zur Beitragsbemessungsgrenze). Hinzu kommt ggf. noch der erwähnte Zuschlag für Kinderlose. Dafür ist in Sachsen der Buß- und Bettag weiterhin arbeitsfreier Tag.
Die Sozialabgaben stellen eine Pflichtversicherung dar und können auch nicht durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und -nehmer ausgeschlossen werden, sofern ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis besteht. Der Beitrag des Arbeitnehmers wird automatisch mit seiner monatlichen Gehaltszahlung abgeführt. Sowohl der Arbeitnehmer- als auch der Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden vom Arbeitgeber monatlich an die zuständige Einzugsstelle (Krankenkasse) weitergeleitet. Die Einzugsstelle verteilt den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf die einzelnen Sozialversicherungsträger.
Den Beitrag zur Unfallversicherung zahlt der Arbeitgeber unmittelbar an den zuständigen Unfallversicherungsträger. Dies ist in der Regel eine Berufsgenossenschaft.
In der Abbildung sind - als Anteil am BNE - ganz unten die den Arbeitnehmern verbleibenden Nettolöhne und -gehälter (dunkelblau) abgebildet, darüber sind die sogenannten tatsächlichen Sozialbeiträge der Arbeitnehmer, darüber dann die tatsächlichen Sozialbeiträge der Arbeitgeber. Zusammen mit der nächsten Größe, den Lohnsteuern, ergibt sich dann das Arbeitnehmerentgelt. Die Lohnnebenkosten sind also nur ein Teil der Arbeitskosten insgesamt, die durch das Arbeitnehmerentgelt wiedergegeben werden.
"Personalzusatzkosten"
Das (unternehmernahe) Institut iw-Köln spricht nicht von Lohnnebenkosten, sondern von Personalzusatzkosten. Bei den Definitionen greift es auf Statistiken von Eurostat zurück. Demnach setzen sich die Arbeitskosten je geleisteter Arbeitsstunde aus dem direkten Stundenlohn ("direktes Arbeitsentgelt") und den Personalzusatzkosten zusammen. Der Direktlohn, also das sog. direkte Arbeitsentgelt, besteht aus dem Entgelt für geleistete Arbeit einschließlich der Überstundenzuschläge, Schichtzulagen und regelmäßig gezahlter Prämien.
Die Personalzusatzkosten setzen sich aus den übrigen direkten Kosten, die im Jahresverdienst enthalten sind, und den indirekten Kosten zusammen. Zu den direkten Personalzusatzkosten zählen u. a. die Entlohnung für arbeitsfreie Tage (Urlaub und Feiertage), Sonderzahlungen (z. B. Weihnachtsgeld), sonstige Geldzuschüsse und Naturralleistungen.
Als indirekte Personalzusatzkosten werden die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sonstige Aufwendungen sozialer Art und die Kosten der Berufsausbildung geltend gemacht.
Maßnahmen zur Senkung der Sozialkosten in Deutschland
Für den Arbeitgeber stellen über das Bruttogehalt hinausgehende Kosten einen finanziellen Aufwand dar, der die Kosten für die Beschäftigung erhöht.
Von 1991 bis 2003 soll allerdings nach den Berechnungen des Bundesministeriums für Gesundheit der Anteil der Arbeitgeber an der Finanzierung der Sozialleistungen von 39,1% auf 33,7% zurückgegangen sein.
Um Arbeitslose noch stärker zu fordern, wurde das sogenannte Hartz-Konzept geschaffen und u. a. im Rahmen der Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung (in modifizierter Form) umgesetzt. Es bewirkt im Niedriglohnbereich eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Dafür wurden die Instrumente Minijob und Midijob geschaffen, die neben das reguläre Beschäftigungsverhältnis treten. Gleichzeitig wurden durch die Agenda 2010 weitere Teile der bisher als Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge abgeführten Sozialversicherungskosten dem Nettoeinkommen der Arbeitnehmer angelastet, sowie auf der Ausgabenseite Rentenauszahlungen, Leistungen der Krankenversicherung und Arbeitslosengeld gekürzt.
Kritiker dieser Maßnahmen befürchten, dass durch diese Maßnahmen Vollarbeitsplätze durch billigere Jobs ersetzt würden und keine neuen Arbeitsplätze entstünden, wodurch das Sozialversicherungssystem durch Einnahmeausfälle weiter geschwächt werde. Das Hartz-Konzept beruhe auf einer einzelwirtschaftlichen Sicht der Dinge, die die makroökonomischen Auswirkungen ausblende.
Kritiker der Fixierung auf die Höhe der Lohnnebenkosten geben zu bedenken, dass Lohnersatzleistungen die Nachfrage in Zeiten konjunktureller Schwäche stützen, sie mithin neben ethischen (kollektive Absicherung von Lebensrisiken) auch volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgaben erfüllen. Dieser keynesianischen Auffassung wirft man vor, sie berücksichtige nicht die langfristige Entwicklung. Jedoch wird nach dieser Auffassung darauf hingewiesen, dass es sich um eine bleibende Nachfrageschwächung handelt, die bis in die zukünftige Entwicklung hineinwirkt. Dagegen steht die Beurteilung jener Ökonomen, die grundsätzlich von einer Stabilität des marktwirtschaftlichen Systems ausgehen und die behaupten, dass die derzeitige Arbeitslosigkeit nicht auf einem Nachfrageproblem beruhe. Des Weiteren müssen nach Ansicht dieser Kritiker die Höhe der Lohnstückkosten sowie die Stückgewinne als Indikatoren der Produktivität einer Volkswirtschaft in der Diskussion berücksichtigt werden.
Lohnnebenkosten in der Schweiz
Die Lohnnebenkosten in der Schweiz teilen sich zur Zeit (2004) folgendermaßen auf:
- gesetzliche Rentenversicherung, Invalidenversicherung, Erwerbsersatzordnung (AHV/IV/EO): 5.05% (weitere 5.05% trägt der Arbeitnehmer). Die Beitragspflicht beginnt für Erwerbstätige am 17. Geburtstag, für Nichterwerbsttätige am 20. Geburtstag (hier mit einer Jahrespauschale). Auch Selbständigerwerbende müssen AHV-Beiträge bezahlen und zwar den Arbeitnehmer-(5.05%) und den Arbeitgebeber(5.05%)-Anteil, also 10.1%.
- Arbeitslosenversicherung (ALV): 1% auf Löhne bis 106'800 (weitere 1% trägt der Arbeitnehmer bei). Kein ALV-Abzug für Lohnanteile über 106'800. Keine Beitragspflicht für Selbständigerwerbende.
- Unfallversicherung (UVG/NBU): Der Arbeitgeber bezahlt die Prämien für Betriebsunfälle und Berufskrankheiten, der Arbeitnehmer die für Freizeitunfälle (NBU). Beide Versicherungen sind aber zwingend für alle Angestellte, die mehr als 8 Stunden pro Woche arbeiten, Die NBU-Prämien werden dem Arbeitnehmer deswegen direkt vom Lohn abgezogen. Selbständigerwerbende haben keine Unfallversicherungspflicht. Die Prämien sind von der Branche abhängig (Im Durchschnitt 0.16% für die UVG und 3% für die NBU)
- Krankenversicherung (KVG): Diese ist in der Schweiz unabhängig vom Arbeitsverhältnis geregelt und obligatorisch für alle Einwohner.
- Pensionskasse (2. Säule): Versicherungspflicht für alle Angestellten, deren Einkommen über 24720.- pro Jahr liegt. Die Prämienhöhe richtet sich nach dem Alter und liegt zwischen 2.5% bei unter 25-jährigen (Nur Risikoversicherung) und über 20% bei über 55-jährigen (Risikoversicherung und Alterskapitalbildung). Versichert ist jeweils obligatorisch nur der Lohnanteil bis 74160.- pro Jahr. Die Prämien tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer häufig je zur Hälfte, der Arbeitgeberanteil kann je nach Kanton zwischen 1/2 und 2/3 liegen.
Die vom Arbeitgeber aufzubringenden Lohnnebenkosten liegen somit je nach Branche und Alter des Angestellten zwischen ca. 7.5 und 16%. Etwa derselbe Anteil wird dem Arbeitnehmer vom Bruttolohn abgezogen. Da es für die AHV keine Beitragsbemessungsgrenze wie in Deutschland gibt, sind die prozentualen Sozialabgaben bei niedrigen Löhnen nicht höher als bei höheren Löhnen. Darüber hinaus sind die Beitragssätze in der Schweiz tiefer und stabiler als in Deutschland.
Siehe auch
Literatur
- Bontrup, Heinz-J. (2005): Arbeit, Kapital und Staat, S. 82-102: Exkurs: Die Mär von den zu hohen Lohnnebenkosten, ISBN 3-89438-326-7
- Ehler, Jürgen und Ines Koller (2005): Anmerkungen zur Lohnnebenkostendiskussion unter besonderer Berücksichtigung der gesetzlichen Rentenversicherung. Deutsche Rentenversicherung 10-11/05, S. 621ff.
- Schönwälder, Thomas (2003): Begriffliche Konzeption und empirische Entwicklung der Lohnnebenkosten in der Bundesrepublik Deutschland - eine kritische Betrachtung, Düsseldorf (Der Setzkasten)
Weblinks
- Einführender Text zum Thema Arbeitsmarkt und Lohnnebenkosten von Prof. Dr. Sibylle Brunner der FH Neu-Ulm (PDF)
- Kritischer Auszug zu Lohnnebenkosten aus Albrecht Müllers Buch Die Reformlüge
- Verdi (Hrsg.): Wirtschaftspolitische Informationen 1/2005: Mythos "Lohnnebenkosten" (PDF)
- Reiners, Hartmut (2005): Lohnnebenkosten - Mythen und Fakten (PDF), in: Die Ersatzkasse 11/2005, Seite 460-461.