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Dokumentations- und Lernort Bückeberg

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Blick durch das Wesertal auf den Bückeberg mit dem gemähten, früheren Festplatz. Der höher liegende Führerweg ist ungemäht und dunkler, an seinem Ende oben in der Buschreihe liegen die Reste der Ehrentribüne
Lage des Reichserntedank-Festplatzes bei Hameln mit den Verkehrswegen der An- und Abreise (Straße, Schiene, Fluss)

Das Reichserntedankfest auf dem etwa 5 Kilometer südlich von Hameln gelegenen Bückeberg, umgangssprachlich auch Bückebergfest genannt, war neben dem Reichsparteitag in Nürnberg und der Feier des 1. Mai in Berlin die größte Massenveranstaltung der Nationalsozialisten. Reichserntedankfeste fanden in den Jahren 1933 bis 1937 regelmäßig am ersten Sonntag nach Michaelis statt. Als Festplatz diente eine künstlich abgeflachte Rasenfläche von etwa 600 mal 300 Metern am Nordhang des Berges. An den Reichserntedankfesten nahmen zuletzt über eine Million Menschen aus ganz Deutschland, vorwiegend aus der Bauernschaft, sowie führende Nationalsozialisten wie Adolf Hitler, Joseph Goebbels und andere teil. Im Vorfeld des Reichserntedankfestes fand in Goslar der Reichsbauerntag statt, bei dem es sich um eine interne Veranstaltung des Reichsbauernrates handelte.

Der Reichsthingplatz

Skizze des „Reichsthingplatz“ im Zustand von 1933

Der weiträumige grasbewachsene Festplatz, der in der Zeit des Nationalsozialismus von Albert Speer entworfen und als Reichsthingplatz ausgebaut werden sollte, ist in seiner Anlage auch heute noch deutlich erkennbar. Es handelt sich um ein zunächst 120.000 m², später 180.000 m² großes, wall- und heckenumstandenes Oval an einem leicht ansteigenden Hang am östlichen Ortsrand von Hagenohsen, an der Weser. Der Platz wird von unten bis oben von einem um einen Meter erhöhten breiten Weg durchzogen, der seinerzeit „Führerweg“ genannt wurde. Am unteren Ende des Weges stand die pyramidenähnliche Rednertribüne, am oberen Ende vor dem Waldrand die 150 Meter breite, 3000 Personen fassende Ehrentribüne der Nationalsozialisten und der Ehrengäste aus dem Reichsnährstand. 76 Lautsprecher sorgten für eine ausreichende Beschallung. Außer den Tribünen war ab 1936 auch der „Führerweg“ mit Mikrofonen ausgestattet. Mehrere Podeste für Fernseh- und Filmkameras verteilten sich über den Platz und sogar von Zeppelinen aus wurde gefilmt.[1] Beide Tribünen waren aus Holz errichtet. Die größere Ehrentribüne ruhte auf Fundamenten aus Beton, die noch erhalten sind.

Mitte August 1933 begannen 1800 Männer des Reichsarbeitsdienstes den Berg zu planieren und seitlich aufzuschütten. 1934 bis 1937 wurde an der Erweiterung und weiteren Einebnungen des Festplatzes gearbeitet. Hierzu waren ständig 450 Arbeiter des Reichsarbeitsdienstes im Einsatz, die in drei Lagern im Wald und jenseits des Bückeberges in Baracken untergebracht waren (52° 3′ N, 9° 27′ O). Sie legten Leitungen für Lautsprecher, Mikrophone und Beleuchtung, bauten ein Elektrizitätswerk im benachbarten Dorf Hagenohsen und verlegten im Jahre 1935 eine Dränage auf dem felsigen Gelände. Die unbefestigten Straßen und Wege in der Umgebung wurden ausgebaut und mit Kopfsteinpflaster versehen. Neue Straßen entstanden auf dem Bückeberg und ein großer Parkplatz wurde an der Ehrentribüne für die Busse der Ehrengäste und Diplomaten angelegt. In Tündern wurde ein viergleisiger „Führerbahnhof“ mit besonders langen Bahnsteigen für Hitlers Sonderzug fertiggestellt. Kurz vor den Veranstaltungen stieg die Zahl der Arbeiter auf bis zu 1500 an. Neben dem Reichsarbeitsdienst waren auch örtliche Baufirmen im Einsatz.[2]

Der Reichsthingplatz von der Ebene aus gesehen

Pläne Speers und des Reichsbauernführers Richard Walther Darré, die Anlage mit festen Bauwerken zu versehen, den umlaufenden Wall zu erhöhen und mit acht breiten Zugangstreppen zu versehen, den „Führerweg“ als 600 Meter lange Treppe auszubauen und eine neue Autobahn anzubinden, wurden nicht realisiert. Die Fundamente der Ehrentribüne und der „Führerweg“ sind sichtbar, aber stark überwuchert. Die mit Kopfsteinen gepflasterte Straße von Hagenohsen zur Ehrentribüne ist erhalten und steht unter Denkmalschutz (heute Bückebergstraße, 1933 Hellweg). Die Emmerthaler Straße zum Vorwerk Ohsen besitzt ebenfalls noch ihr Kopfsteinpflaster.

Gründe für den Bückeberg

Denkmalgeschützte Straße aus Kopfsteinpflaster mit 20% Steigung am Berghang zur Ehrentribüne, 2010
Reste der Ehrentribüne als Betonfundamente, 2010

Hatte man Anfang August 1933 noch die Weserwiesen in Hoya für die Abhaltung eines Reichserntedankfestes ins Auge gefasst, entschied man sich wenige Tage später doch für den Bückeberg bei Hameln. Offiziell wurde dies damit begründet, dass es sich hier um „ureigensten deutschen Boden“ handele, erfüllt von „freiem, kämpferischem Bauerntum“ und um Äcker, die „von den Kämpfen der deutschen Stämme um den deutschen Boden mit Blut getränkt“ worden wären. Auch mit der unweit von hier stattgefundenen Varusschlacht wurde argumentiert, dem großen Sieg der Germanen über die Römer. Hauptargument war die Weser, die schließlich von der Quelle bis zur Mündung ein deutscher Fluss sei.[3]

All dies traf für Hoya als Austragungsort ebenso zu, sodass die Gründe für die Wahl des Bückebergs eher auf der praktischen Seite zu suchen sind. Das ursprünglich favorisierte Hoya erfüllte einfach nicht die Anforderungen, die An- und Abfahrt der erwarteten Menschenmassen zu bewältigen. Günstige Bahnverbindungen waren Voraussetzung, da die Deutsche Reichsbahn einen großen Teil der Transporte zu leisten hatte. Zudem bot sich der Bückeberg wegen der günstigen Neigung seines breiten Nordhangs als Platz für die geplante Großkundgebung an, da man hier, im Gegensatz zu den Weserwiesen in Hoya, von jedem Standpunkt aus einen freien Blick auf Redner- und Ehrentribüne und einen weiten Blick in die schöne Landschaft des Wesertals hatte. Dies erwies sich ab 1935 als wichtig für die militärischen Übungen und Schaukämpfe, die im Rahmen des Festes einen immer größeren Platz einnahmen.

Der hauptsächliche Grund für die Wahl des Bückebergs zur Austragung des Reichserntedankfestes war aber sicher die Tatsache, dass die ausgewählte Seite des Berges Domänenland im Besitz des preußischen Staates und damit unkompliziert verfügbar war.

Ideologie

Hitler verfügte 1933, dass das Erntedankfest zentral am 1. Sonntag im Oktober gefeiert werden sollte. Der Erntedanktag, der 1. Sonntag nach dem 29. September (Michaelis), galt seit der Bekanntgabe im Reichsgesetzblatt vom 28. Februar 1934 als einer der höchsten nationalen Feiertage des NS-Staates. Hier sollte besonders auf der Grundlage der Blut-und-Boden-Ideologie die Bedeutung der Bauernschaft für das Reich hervorgehoben werden.[4] Mit der Durchführung der Reichserntedankfeste war das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda beauftragt.

Der Nationalsozialismus verstand das Erntedankfest nicht als ein christliches Fest, sondern als ein Fest, das seinen Ursprung und seine Sinngebung in der Verehrung des germanischen Gottes Wotan hatte.

Im Gegensatz zum 1. Mai 1933, an dem aus dem traditionellen Tag der Arbeiterbewegung der Tag der nationalen Arbeit wurde und am Folgetag SA und SS gewaltsam Gewerkschaftshäuser besetzten und ihre Funktionäre verhafteten, wählten die Nationalsozialisten bei der Bauernschaft, deren Organisationen bereits im Reichsnährstand gleichgeschaltet waren, den Weg der Verführung. Das riesige Reichserntedankfest sollte die Landbevölkerung an das Regime binden und ist so als ein Teil des Prozesses der Machtübernahme anzusehen.[5]

Das evangelische Landeskirchenamt Hannover setzte dieser Vereinnahmung des kirchlichen Erntedankfestes durch die Nationalsozialisten nichts entgegen, im Gegenteil - in seinem Aufruf zum Erntedankfest 1933 hieß es:

„Diese Feier des Dankes gegen den Schöpfer gibt der Kirche Gelegenheit zum Hinweis auf den Gehorsam gegen die göttliche Schöpfungsordnung, wie er uns besonders durch die Gedankenwelt des Nationalsozialismus in neuer Klarheit nahegebracht ist.[6]

Vorbereitende Werbung

Das Konzept des Reichspropagandaministeriums beinhaltete neben den Plänen zur Gestaltung des Festplatzes und zum Ablauf der Großveranstaltung auch einen vorgeschalteten Werbefeldzug mit Broschüren, Plakaten und Filmen. Presse und Rundfunk waren ebenso eingebunden wie andere Ministerien und Organisationen, besonders Reichsnährstand, BDM und Reichsarbeitsdienst. Das Ziel, die Landbevölkerung in großer Zahl zur Teilnahme am Reichserntedankfest zu bewegen, wurde durch drei aufeinander folgende Propagandawellen erreicht, die man jeweils unter ein aussagekräftiges Motto stellte. 1935 waren dies in der ersten Phase unter Bezug auf den Volksgemeinschafts-Gedanken „Stadt und Land – Hand in Hand“, in der zweiten Phase „Unser Brot aus eigener Scholle“, welches auf die angestrebte Autarkie der Versorgung anspielte, und in der dritten Phase „Unterm Erntekranz“ als Assoziation zum ursprünglichen Anlass.

Hitlers Propagandafahrt durch Hameln

1933 bis 1935 wählte Hitler zur Anreise den Luftweg von Berlin nach Hannover. 1933 nahm er dann zunächst an der Versammlung des Reichsnährstands in Goslar teil, um dann im Triumphzug in offenem PKW über Hameln zum Bückeberg zu fahren. 1934 und 1935 fuhr er von Hannover aus direkt nach Hameln, wiederum triumphmäßig im offenen Pkw, und erst nach Abschluss des Reichserntedankfestes nach Goslar, das mittlerweile zur Reichsbauernstadt erhoben worden war. Die Fahrten durch das damals 28.000 Einwohner zählende Hameln wurden von der dortigen Verwaltung gründlich vorbereitet. Die Aufforderung an die Hamelner Bürger durch Oberbürgermeister Schmidt und Kreisleiter Dr. Ahlswede lautete:

„Zum Empfang muss ein nie da gewesener Schmuck die Häuser der Straßen der Stadt zieren. Es steht nunmehr bestimmt fest, daß der Führer auf seiner Fahrt zum Bückeberge folgende Straßen der Stadt berühren wird: Rohrsen, Morgensternstraße, Deisterstraße, Osterstraße, Bäckerstraße, Mühlenstraße, Hafenstraße, Ohsener Straße usw. Hamelenser, seid euch dieser Ehre bewusst. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß nunmehr sofort jedes Haus mit Girlanden und Kränzen, mit Hakenkreuzfahnen und Hoheitsabzeichen geschmückt wird. Bringe jeder seine Verehrung zum Führer dadurch zum Ausdruck, daß er mit dazu beiträgt, seinem Haus einen unübertrefflichen Schmuck zu geben. Wir erwarten, daß sich niemand ausschließt. Hameln muss am Sonntag einen Festschmuck aufweisen, der bislang in keiner Stadt erreicht worden ist. Wir Niedersachsen wissen, was wir unserem Führer schuldig sind.[7]

1000 Wagenladungen Birkengrün stellte die Stadt kostenlos zur Ausschmückung der Häuser zur Verfügung. Auf dem Bahnhofsvorplatz war eine riesige Erntekrone aufgehängt mit dem umlaufenden Schriftzug „Der deutsche Bauer – Deutschlands Stärke – Dem Volke Brot – Dem Führer Treue“. Transparente waren über die Straßen der Stadt gespannt mit den Aufschriften „Das Bauerntum ist der Lebensquell des deutschen Volkes!“, „Ein starkes Bauerngeschlecht – durch das neue Erbhofrecht!“, „Die schwielige Bauernhand – schafft Brot für jeden Stand!“, „Spendet für das Winterhilfswerk des deutschen Volkes!“ und „Stadt und Land – Hand in Hand!“[8]

Ab 1936 benutzte Hitler zur An- und Abreise seinen Sonderzug, der direkt in Hagenohsen hielt. Damit entfiel die Pkw-Triumphfahrt nach und durch Hameln, sehr zum Unbill der Stadtvorderen.

An- und Abreiselogistik

Für die An- und Abreise wurden bis zu 215 Sonderzüge eingesetzt, die, mit mindestens 1000 Menschen pro Zug besetzt, den Hamelner Bahnhof oder einen der acht weiteren Haltepunkte in der Umgebung des Bückebergs anfuhren. In den letzten Stunden vor Festbeginn hielten die Züge im Zweiminutentakt im Hamelner Bahnhof. Landbevölkerung aus ganz Deutschland reiste an, wobei einige Teilnehmer eine Fahrtzeit von 30 Stunden in Kauf nehmen mussten.[1]

Für die mit Bussen, Kraftwagen und Pferdegespannen Anreisenden waren abgeerntete Felder in der Umgebung des Bückebergs als Großparkplätze hergerichtet. Für die Fahrzeuge der 3000 Ehrengäste standen Parkplätze unmittelbar an Ehren- und Rednertribüne zur Verfügung. Viele Teilnehmer reisten mit Weserschiffen an, für die eigens Anlegestellen geschaffen wurden. Pioniere schlugen zusätzlich zur festen Weserbrücke zwischen Kirchohsen und Hagenohsen mehrere Pontonbrücken über den Strom. Schmale Zufahrtsstraßen waren als Aufmarschwege extra verbreitert worden, so zum Beispiel die Reichsstraße durch das Tal der Emmer zwischen Hämelschenburg und Kirchohsen.

Die Teilnehmer, die übernachten mussten, fanden Quartier in Hameln oder in riesigen Zeltlagern rund um den Bückeberg. Alle Besucher wurden am Veranstaltungstag bei ihrer Ankunft an den Bahnstationen und Schiffsanlegern über Lautsprecher begrüßt und zu Sammelplätzen geleitet, von wo aus sie den teilweise weiten Weg zum Festplatz gemeinsam antraten.

Ablauf der Reichserntedankfeste

Der erhöhte „Führerweg“, 2013

Am Morgen des Reichserntedankfestes schwebten über dem Gelände Fesselballons der Wehrmacht, um den Besuchern den Weg zu weisen. Sie gelangten auf breiten Straßen und Treppen zum Festplatz, der von Fahnen umstanden war. Nach dem Vorprogramm mit Trachtengruppen und Formationen der SA und des Reichsarbeitsdienstes schritt die Prominenz des NS-Staates mit zahlreichen Mitgliedern des Diplomatischen Korps den Führerweg zur Ehrentribüne hinauf.

Erst nach einer Weile erschien Hitler und wurde mit 21 Schuss Salut begrüßt. Dann schritt er die Ehrenkompanie der Reichswehr ab, stieg inmitten der begeisterten Menge unter den Klängen des Badenweiler-Marsches langsam (1933: 45 Minuten) den 600 Meter langen Führerweg zur Ehrentribüne hinauf, wo er bei Fanfarenklängen und mit einer kurzen Begrüßungsrede durch Goebbels empfangen wurde. Eine Bauersfrau überreichte Hitler die geschmückte Erntekrone mit den Worten:

Mein Führer! Sie schützen mit starker Hand
unser Land, unser Volk, unseren Stand!
Als unseres Dankes bescheidenes Zeichen
wir Ihnen die Erntekrone reichen.

Danach ging Adolf Hitler zusammen mit den Reichsministern den Führerweg wieder hinunter zur Rednertribüne, von der er und Reichsbauernführer Darré inmitten von Fahnen der SA, der SS und des Reichsarbeitsdienstes je dreißigminütige Reden hielten, die Höhepunkt und Ende des Reichserntedankfestes sein sollten. Schließlich folgte die erste Strophe des Deutschlandlieds und das Horst-Wessel-Lied. Ein Großfeuerwerk beendete das Fest.[6]

1933 war der Beginn des offiziellen Festteils noch auf 19 Uhr festgelegt, was allerdings beim Abmarsch der Menschenmassen in der hereinbrechenden Dunkelheit zu einem Chaos führte. Deshalb wurde der Beginn ab 1934 auf die Mittagszeit vorgezogen und das Abschlussfeuerwerk durch den Abwurf von Hunderten kleiner Fallschirme mit daran befestigten Hakenkreuzfahnen ersetzt.

Ab 1935 nahmen Teile der Wehrmacht am Reichserntedankfest teil. Auf dem unterhalb des Festplatzes in der Ebene gelegenen Areal folgte dem Gang des Führeres zur Ehrentribüne und der Überreichung der Erntekrone ein Manöver fast aller Waffengattungen mit Artillerie, Panzern und Bombenflugzeugen. In Brand geschossen wurde dabei ein eigens von Pionieren errichtetes kleines Dorf, anfangs Bückedorf, später Meckererdorf genannt. Die Wehrmachtsvorführungen dauerten 1937 über 60 Minuten. Hierbei wurde auch eine Brückenattrappe über die Weser zerstört.[6]

Entwicklung

  • Anfang August 1933 verlautbarte der Landesbauernführer Hartwig von Rheden die Abhaltung eines Reichserntedankfestes auf den Weserwiesen in Hoya
  • Anfang August 1933 fiel die Entscheidung des Reichspropagandaministeriums für den Bückeberg als Austragungsort
  • Mitte August 1933 war der Beginn der Bauarbeiten am Bückeberg
  • 1. Oktober 1933 fand das 1. Reichserntedankfest in den Abendstunden mit etwa 500.000 Teilnehmern statt
  • Dezember 1933 erhob Goebbels den Festplatz zur Reichsthingstätte Bückeberg und verkündete den Bückeberg als ständigen Veranstaltungsort
  • 30. September 1934 - 2. Reichserntedankfestes, ab jetzt in den Mittagsstunden, mit etwa 700.000 Teilnehmern
  • 6. Oktober 1935 - 3. Reichserntedankfest ab jetzt mit Wehrmachtsvorführungen, Teilnehmerzahl unbekannt
  • 4. Oktober 1936 - 4. Reichserntedankfest, Teilnehmerzahl unbekannt
  • 3. Oktober 1937 - 5. Reichserntedankfest mit etwa 1,2 bis 1,3 Millionen Teilnehmern
  • 2. Oktober 1938 - geplantes 6. Reichserntedankfest auf dem Bückeberg, abgesagt am 30. September (!) wegen „Inanspruchnahme von Transportmitteln“ zu anderen Zwecken (Verlegung von Wehrmachtsteilen an die Grenze zur Tschechoslowakei, siehe Sudetenkrise)

Die Angaben über Teilnehmerzahlen stammen vom Veranstalter, dem Reichspropagandaministerium, und sind sicher großzügig nach oben gerundet, zeigen aber dennoch den großen Zuspruch, den die Veranstaltung hatte.

Aus den Reden Hitlers und Goebbels

1934 Goebbels begrüßt Hitler:

Mein Führer! (…) Diese 700000 deutsche Bauern, mit denen sich in dieser Stunde, durch die Wellen des Äthers verbunden, die ganze deutsche Nation vereinigt, legt Ihnen ihre Huldigung zu Füßen. Sie haben ein Reich der Bauern, Arbeiter und Soldaten wiederaufgerichtet. Wie tief dieses Reich im Herzen des ganzen Volkes befestigt und verankert ist, das konnte Ihnen diese Fahrt von Goslar zum Bückeberg durch bestes deutsches Bauernland zeigen, die einem wahren Triumphzug geglichen hat. (…)[9]

1935 Hitler:

(…) Die Vorsehung hat es uns ermöglicht, in diesem Jahr nicht nur wirtschaftlich eine reiche Ernte einzubringen, sie hat uns auch noch mehr gesegnet: Erstanden ist uns wieder die deutsche Wehrmacht. Erstehen wird die deutsche Flotte. Die deutschen Städte und die schönen Dörfer, sie sind geschützt, über ihnen wacht die Kraft der Nation, wacht die Waffe in der Luft. Weit darüber hinaus wollen wir aber noch für eine besondere Ernte danken: Wir wollen in dieser Stunde den Hunderttausenden und Hunderttausenden deutscher Frauen danken, die uns wieder das schönste gegeben haben, das sie uns schenken konnten: viel Hunderttausende kleine Kinder! (…)[10]

1937 Hitler:

(…) Ich lasse Ihnen nicht umsonst hier bei jedem Erntedankfest die Übungen der Wehrmacht vorführen. Sie sollen Sie alle erinnern, dass wir hier nicht stehen würden, wenn über uns nicht Schild und Schwert Wache halten würden. (…) Wir haben keine Lust, mit irgend jemandem Händel anzufangen. Aber es soll auch jeder wissen: den Garten, den wir uns bestellt haben, den ernten wir auch allein ab, und niemand soll sich einbilden, jemals in diesen Garten einbrechen zu können! Das können sich die internationalen jüdischen Bolschewistenverbrecher gesagt sein lassen: wo immer sie auch hingehen – an der deutschen Grenze stoßen sie auf ein eisernes Stop! (…)[11]

Hameln wurde zum "Nürnberg an der Weser", zum "Nürnberg des Nordens" proklamiert. Die "vor Blut-und Bodenkitsch triefende Programmgestaltung" [12] wurde ab 1935 auch durch Schaukampfdarbietungen der Wehrmacht ergänzt.

Das Fest fand nur insgesamt fünf Mal statt. 1938 wurde es angesichts der Sudetenkrise wegen seiner "Inanspruchnahme von Transportmitteln" kurzfristig abgesagt (die Jubelmassen wurden ja mit stark verbilligten Sonderzügen herbeigeschafft), und nach Beginn des Zweiten Weltkriegs war diese Art von Freiluftveranstaltung nicht mehr durchführbar.[13]

Gelände als Denkmal

Historiker messen dem Gelände der Reichserntedankfeste heute eine Bedeutung als historischer Erinnerungsort auf nationaler Ebene zu. Es gehöre neben dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, den Ruinen des KdF Seebades Prora auf Rügen und dem einstigen Reichssportfeld Berlin zu den wenigen noch bestehenden Orten, an denen die Nationalsozialisten um Zustimmung in der Bevölkerung warben und die Volksgemeinschaft inszenierten. [14] Das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege betrachtet das Gelände als hochrangiges Kulturdenkmal und stufte es mit seinen erhaltenen Anlagen als Baudenkmal im Sinne des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes ein. [15] Diese Bewertung beruht auf der Tatsache, dass das Gelände noch heute als gestaltete Landschaft mit dem erhöhten "Führerweg", inszenierten Baumgruppen, gepflasterten Straßen und Alleen erkennbar ist. Bauliche Relikte sind Treppenbauten an der Weser, ein Wasserspeicher, Reste des Arbeitsdienstlagers, Betonfundamente der Ehrentribünen sowie Verteilerkästen. Auch ist das gesamte Gelände wegen der umfangreichen Planierarbeiten, Abtragungen und Aufschüttungen als bauliche Anlage zu sehen. Da während der Tiefbauarbeiten 1938 ein größeres Gräberfeld aus der Zeit um 1000 v. Chr. entdeckt wurde, ist das Gelände zusätzlich ein Bodendenkmal.

Der Denkmalstatus des Geländes führte zu Widerstand seitens der Gemeinde Emmerthal, die eine Aufnahme in das Denkmalverzeichnis ablehnte. Man befürchtete bei einer Einstufung eine Aufwertung der Stätte, die Rechtsextremisten als Kultstätte für sich hätten entdecken können, zumal bereits an einem 20. April (Führergeburtstag) Blumen niedergelegt wurden. Die Gemeinde wies 2002 das Gelände der Reichserntedankfeste als Wohngebiet aus und plante, es bebauen zu lassen. Laut Presseberichten aus den Jahren 2007 und 2008 entstand eine Kontroverse um die weitere Zukunft des Geländes. Unter Historikern, allen voran Bernhard Gelderblom, regte sich Widerstand gegen eine Bebauung, die eine Zerstörung des historischen Ortes bedeutet hätte. [16] Als oberste Denkmalschutzbehörde, die in Dissensfällen über den Denkmalstatus zu entscheiden hat, rief das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur im September 2009 ein Symposium unter Teilnahme von Experten und lokalen Entscheidungsträgern ein. [17] Im Ergebnis einigte man sich, das Gelände im Denkmalverzeichnis zu führen und in seinem gegenwärtigen Zustand zu erhalten. Die Einrichtung einer Gedenkstätte oder eines Dokumentationszentrums wurde ausgeschlossen. 2010 stufte das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege das Gelände als Kulturdenkmal [18] und 201 als Denkmal ein.

Tag des offenen Denkmals 2013

Am Tag des offenen Denkmals, der 2013 unter dem Motto „Jenseits des Guten und Schönen - Unbequeme Denkmale?“ steht, fand am 8. September 2013 in Hameln die landesweite Eröffnungsveranstaltung für Niedersachsen [19] unter Teilnahme der niedersächsischen Ministerin für Wissenschaft und Kultur Gabriele Heinen-Kljajic statt. [20] Thematisch ging es dabei um die Stätte der Reichserntedankfeste am Bückeberg [21], da sich 2013 das erste Reichserntedankfest von 1933 (1. Oktober) zum 80. Mal jährt. Dabei wurde der 15-minütige Dokumentarfilm Bückeberg – ein unbequemes Denkmal uraufgeführt, der im Juni 2013 vor Ort gedreht wurde. [22] Gleichzeitig wurde in Hameln eine Ausstellung zu den Reichserntedankfesten auf dem Bückeberg eröffnet. [23]

Literatur

  • Wolfgang Benz, Hermann Grauel, Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 4. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2001, ISBN 3-423-33007-4 (dtv 33007), (5. aktualisierte und erweiterte Auflage. ebenda 2007, ISBN 978-3-423-34408-1 (dtv 34408)).
  • Gerd Biegel, Wulf Otte (Hrsg.): Ein Volk dankt seinem (Ver)führer. Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg 1933–1937. Vorträge zur Ausstellung. Braunschweigisches Landesmuseum, Braunschweig 2002, ISBN 3-927939-58-7 (Veröffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums 102).
  • Bernhard Gelderblom: Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg 1933–1937. Verlag CW Niemeyer, Hameln 1998, ISBN 3-8271-9029-0.
  • Helmut Heiber (Hrsg.): Goebbels Reden. 1932–1945. 2 Bände. Lizenzausgabe. Gondrom, Bindlach, 1991, ISBN 3-8112-0885-3.
  • Peter Schyga (Red.), Evangelisch-lutherische Propstei Goslar in Kooperation mit dem Verein Spurensuche Harzregion e.V. und Bernhard Gelderblom: Erntedank und „Blut und Boden“. Bückeberg/Hameln und Goslar 1933 bis 1938. NS-Rassekult und die Widerrede von Kirchengemeinden. Papierflieger Verlag, Clausthal-Zellerfeld 2009, ISBN 978-3-86948-048-0 (Spuren Harzer Zeitgeschichte. Sonderband 2), (Ausstellungskatalog, Goslar, Goslarer Museum, 4. Oktober – 1. November 2009).
  • Hans-Jürgen Tast: Bewaffnete Festtage. „Stadt und Land – Hand in Hand“. In: Das Archiv. Nr. 4, Dez. 2009, ISSN 1611-0838, S. 40–44, 4 Abb.
  • Hans-Jürgen Tast: Erntedank. Ein Fest im Schatten deutscher Geschichte. Teil 1–2. In: Philatelie. Das Magazin des Bundes Deutscher Philatelisten. 62. Jg., Nr. 400, Okt. 2010, ISSN 1619-5892, S. 1, 66–69, 12 Farb-Abbildungen und Nr. 401, Nov. 2010, S. 56–59, 5 Farb-Abbildungen.
  • Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg bei Hameln als Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 36, Hrsg.: Stefan Winghart, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Hameln, 2010, ISBN 978-3-8271-8036-0

Archive

  • Stadtarchiv Hameln, Bestand 1, Nr. 1001, Reichserntedanktage auf dem Bückeberg 1934 und 1935.
  • Deutsches Rundfunkarchiv Frankfurt/Main in Wiesbaden, Unter den Eichen 5
  • Bildarchiv des Deutschen Historischen Museums, Berlin

Anmerkungen

  1. a b Frankfurter Rundschau, 28. Februar 2001
  2. Gelderblom: Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg - Baustelle
  3. Gelderblom: Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg - Warum Bückeberg?
  4. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 4. Aufl. München 2001, S. 450, 666.
  5. Gelderblom: Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg – Idee
  6. a b c Gelderblom: Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg – Programm
  7. Stadtarchiv Hameln, Bestand 1, Nr. 1001.
  8. Deutsches Historisches Museum Berlin, Bildarchiv, GOS-Nr. BA010203
  9. Deutsches Rundfunkarchiv Frankfurt/Main, DRA-Nr. C 1237.
  10. Völkischer Beobachter, 30. September 1935.
  11. Völkischer Beobachter, 4. Oktober 1937.
  12. Kurt Bauer: Nationalsozialismus: Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall,UTB 2008 S. 269
  13. ebenda S. 270
  14. Detlef Schmiechen-Ackermann: Inszenierte "Volksgemeinschaft": Das Beispiel der Reichserntedankfeste am Bückeberg 1933-1937 in: Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg bei Hameln
  15. Henning Haßmann:Das Gelände der Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg als Kulturdenkmal und seine Umgebung als gestaltete Kulturlandschaft in:Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg bei Hameln, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, 2010
  16. Schaumburger Zeitung, Rinteln/Weser, 10. Juni 2008
  17. Symposium zum Bückeberg tagt im September in Dewezet vom 26. Juni 2009
  18. Nazi-Festtagsgelände wird Kulturdenkmal bei ndr.de vom 4. November 2010
  19. Tag des offenen Denkmals in Niedersachsen: Eröffnung in Hameln am 08. September 2013 beim Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege
  20. Programm am Tag des offenen Denkmals im Kreis Hameln-Pyrmont 2013
  21. "Unbequem" - Der Tag des offenen Denkmals bei nrd.de vom 7. September 2013
  22. Der Bückeberg – ein unbequemes Denkmal in Dewezet vom 10. Juni 2013 (pdf; 782 kB)
  23. "Unbequeme Denkmäler" aus der NS-Zeit bei ndr.de vom 8. September 2013


Koordinaten: 52° 3′ N, 9° 24′ O