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Loujain al-Hathloul

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Loujain al-Hathloul (2016)

Loujain al-Hathloul (arabisch لجين الهذلول Ludschain al-Hadhlul, DMG Luǧain al-Haḏlūl; geboren 31. Juli 1989) ist eine saudi-arabische Frauenrechtlerin. Sie wurde in Dubai von saudi-arabischen Sicherheitskräften entführt, nach Saudi-Arabien verschleppt und dort im Mai 2018 festgenommen. Ihre Familie und unterschiedliche Menschenrechtsorganisationen erheben Vorwürfe der Folter. 2020 wurde sie von einem saudi-arabischen Gericht zu rund sechs Jahren Haft wegen Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt. Im Februar 2021 wurde sie aus der Haft entlassen und mit einer fünfjährigen Ausreisesperre belegt.[1] Ein Berufungsgericht bestätigte im März 2021 sowohl die Haftstrafe als auch die Ausreisesperre.[2]

2019 und 2020 wurde sie für den Friedensnobelpreis nominiert. Im April 2021 erhielt sie den Václav-Havel-Menschenrechtspreis 2020.

Aktivitäten

Al-Hathloul graduierte an der kanadischen University of British Columbia.[3]

Für ihren Aktivismus nutzte sie von Beginn an erfolgreich die sozialen Medien. Sie hat sich unter anderem für die Aufhebung des Fahrverbots für Frauen in Saudi-Arabien eingesetzt,[4] außerdem dafür, die rechtliche Vormundschaft für Frauen durch Männer zu beenden.

Im September 2014 unterzeichnete sie mit 14.000 anderen Personen eine Petition, die König Salman dazu aufforderte, die rechtliche Vormundschaft für Frauen durch Männer zu beenden. Am 1. Dezember 2014 wurde sie für 73 Tage festgehalten, als sie versuchte, in ihrem Auto über die Grenze der Vereinigten Arabischen Emirate nach Saudi-Arabien zu fahren, wodurch sie gegen das Fahrverbot für Frauen verstieß. Am 4. Juni 2017 wurde sie am Flughafen Dammam festgenommen, und ihr wurde der Kontakt zu ihrer Familie und die Verteidigung durch einen Anwalt verwehrt.[5]

Im März 2018 stoppten Fahrzeuge saudi-arabischer Sicherheitskräfte ihr Auto auf einer Autobahn in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo sie sich befand, um einen Master-Abschluss zu machen. Man legte ihr Handschellen an und fuhr sie zu einem Flughafen. In einem Privatjet flog man sie nach Saudi-Arabien, wo sie für ein paar Tage eingesperrt wurde.[6]

Am Abend des 15. Mai 2018 wurde sie zusammen mit Eman al-Nafjan, Aisha al-Mana, Aziza al-Yousef, Madeha al-Ajroush und einigen Männern, die sich für Frauenrechte in Saudi-Arabien eingesetzt hatten, erneut festgenommen.[7][8] Human Rights Watch teilte mit, dass der Sinn der Verhaftung sei, „jeden, der sich skeptisch über die Agenda des Prinzen äußert, einzuschüchtern“ (mit „Prinz“ ist Mohammed bin Salman gemeint). Laut Angaben ihrer engsten Verwandten wurde sie nach der Festnahme in Einzelhaft gehalten und gefoltert. Sie wurde mit Waterboarding, Schlägen, Peitschenhieben und Elektroschocks gefoltert, zudem sexuell missbraucht und mit Vergewaltigung und Mord bedroht.[9][10]

Seit Juni 2018 ist es Frauen erlaubt, in Saudi-Arabien Auto zu fahren. Trotzdem saß al-Hathloul zusammen mit anderen Aktivistinnen während dieser Zeit weiter im Gefängnis.[11][12]

Im August 2019 berichtete ihre Familie, dass Hathloul eine Offerte der saudi-arabischen Justiz erhielt, ihre Freilassung aus dem Gefängnis durch eine Videoaussage, in der sie bestreitet gefoltert worden zu sein, zu erkaufen.[13]

Am 15. September 2020 forderten 29 Länder, meist westliche Länder, darunter Deutschland, Saudi-Arabien auf, die inhaftierte al-Hathloul zusammen mit vier weiteren inhaftierten Frauen, die sich für das Fahren von Frauen einsetzten, freizulassen.[14]

Am 8. Oktober 2020 forderte das Europäische Parlament Saudi-Arabien auf, alle Menschenrechtsaktivisten, insbesondere die Aktivistinnen für die Frauenbewegung einschließlich al-Hathloul, in einer gegen die Menschenrechtsverletzungen des Königreichs verabschiedeten Resolution freizulassen. Die Abgeordneten betonten die Situation dieser Dissidenten und Migranten in den Haftanstalten des Landes und forderten die Staaten der Europäischen Union auf, ihre Vertretung auf dem saudi-arabischen G20-Gipfel zu reduzieren.[15]

Ende Oktober 2020 begann al-Hathloul einen Hungerstreik, um wieder regelmäßigen Besuch im Gefängnis zu erreichen.[9] Am 10. November 2020 erklärte der saudi-arabische Botschafter in Großbritannien, sein Land erwäge, al-Hatloul vor dem G20-Gipfel im selben Monat freizulassen. Die Entscheidung wurde nach dem internationalen politischen Druck, sie freizulassen, geprüft, da sie sich in einem einwöchigen Hungerstreik befand.[16]

Im November 2020 wurde al-Hathloul nach dem Ende des G20-Gipfels in Riad angeklagt, sich für Frauenrechte engagiert zu haben, an internationalen Konferenzen über die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien teilgenommen zu haben sowie in Kontakt mit europäischen Diplomaten gewesen zu sein.[9] Am 29. November 2020 veröffentlichten sieben europäische Gesandte eine gemeinsame Erklärung, in der sie die fortgesetzte Inhaftierung von fünf Frauenrechtsaktivistinnen verurteilten, darunter al-Hathloul, deren Fall wegen terroristischer Straftaten an ein Sondergericht verwiesen wurde. Die Gesandten der Niederlande, Deutschlands, Großbritanniens, Estlands, Finnlands, Schwedens und Luxemburgs forderten die Freilassung al-Hathlouls.[17]

Im Dezember 2020 wurde sie schließlich in einem Schnellprozess von einem „Sondergericht für Terror-Bekämpfung“ zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt.[1] Das Urteil befand, sie unterhalte Kontakte zu »feindlichen« ausländischen Regierungen, um das politische System des Landes zu verändern.[13]

Im Februar 2021 wurde sie unter der Bedingung aus der Haft entlassen, sich bis zum Ende der Bewährungszeit nicht kritisch zu äußern. Außerdem wurde sie mit einer fünfjährigen Ausreisesperre belegt.[13][18] Die Ausreisesperre wurde auch für ihre Eltern angeordnet.[13] Ein Berufungsgericht bezeichnete die Haftstrafe und die fünfjährige Ausreisesperre am 10. März 2021 als rechtmäßig.[19]

Familie

Loujain al-Hathloul war von 2014 bis 2018 mit Fahad al-Butairi (arabisch: فهد البتيري) verheiratet, einem saudi-arabischen Komiker und Schauspieler. Al-Butairi war der erste Komiker, der in Saudi-Arabien und in den Golfstaaten professionell auf der Bühne auftrat, nachdem die strengen Gesetze gegen die Kritik an bestimmten Aspekten der saudi-arabischen Gesellschaft gelockert worden waren. Außerdem war er über YouTube bekannt. Im März 2018 wurde er in Jordanien festgenommen. In Handschellen und mit verbundenen Augen wurde er in einem Flugzeug nach Saudi-Arabien gebracht.[20] Dort soll er von den Behörden zur Scheidung gezwungen worden sein.[21]

Loujain al-Hathlouls jüngere Schwester Lina lebt als Juristin in Belgien und tritt ebenfalls öffentlich als Frauenrechtlerin und Kritikerin des saudischen Regimes in Erscheinung.[22]

Ehrungen

2015 wählte die Wirtschaftszeitung Arabian Business aus Dubai Loujain al-Hathloul auf Platz drei der weltweit einflussreichsten arabischen Frauen (Most Powerful Arab Women 2015).[23] Im März 2019 verlieh PEN America al-Hathloul, Nouf Abdulaziz und Eman al-Nafjan den 2019 PEN America/Barbey Freedom to Write Award.[24] Al-Hathloul wurde von der Zeitschrift Time unter die 11 einflussreichsten Personen 2019 (100 Most Influential People of 2019) gewählt.[25]

Am 5. Februar 2019 beschloss der Stadtrat von Mannheim, al-Hathloul mit dem Bertha-und-Carl-Benz-Preis 2019 der Stadt auszuzeichnen; wegen ihrer Inhaftierung konnte sie den Preis nicht entgegennehmen.[26] Bei der nachgeholten Übergabeveranstaltung am 20. September 2020 in Mannheim wurde sie durch ihre Schwester Lina al-Hathloul vertreten, die live aus Brüssel zugeschaltet war. Die Veranstaltung wurde im Internet auf Deutsch, Englisch und Arabisch übertragen.[27][28]

Für den Friedensnobelpreis wurde sie 2019 und 2020 nominiert.[29]

Am 19. April 2021 zeichnete der Europarat sie mit dem Václav-Havel-Menschenrechtspreis 2020 aus.[30]

Einzelnachweise

  1. a b Loujain al-Hahtloul: Prominente Frauenrechtlerin kommt in Saudi-Arabien aus dem Gefängnis frei. In: spiegel.de. Abgerufen am 10. Februar 2021.
  2. Gericht bestätigt Haftstrafe für Frauenrechtlerin. SPON, 10. März 2021
  3. Michelle Ghoussoub: Concern grows for UBC grad after report Saudi Arabia tortured activists. In: CBC News. 22. November 2018, abgerufen am 21. Mai 2020.
  4. Moritz Baumstieger: Fragwürdiger Prozess in Saudiarabien – Mit aller Härte gegen eine Frauenrechtlerin. In: Der Bund. 27. November 2020, abgerufen am 28. November 2020.
  5. Caroline Mortimer: Saudi Arabia jails human rights activist who defied women's driving ban. In: The Independent. 8. Juni 2017, archiviert vom Original am 12. Oktober 2017; abgerufen am 8. Juni 2017.
  6. ‘Our Hands Can Reach You’: Khashoggi Case Shakes Saudi Dissidents Abroad New York Time vom 8. Oktober 2018, abgerufen am 12. Februar 2021.
  7. Aya Batrawy: Six women's driving advocates in Saudi Arabia arrested |. In: Toronto Star. Archiviert vom Original am 5. Juni 2018; abgerufen am 19. Mai 2018.
  8. Saudi Arabia: Chilling smear campaign against women's rights defenders. Amnesty International, archiviert vom Original am 5. Juni 2018; abgerufen am 19. Mai 2018.
  9. a b c Raniah Salloum: Saudi-Arabien: Loujain Alhathloul und ihr Kampf um Frauenrechte. In: spiegel.de. Abgerufen am 24. November 2020.
  10. She Wanted to Drive, So Saudi Arabia’s Ruler Imprisoned and Tortured Her. Abgerufen am 26. Januar 2019.
  11. Saudi women can now drive — but activists jailed. In: ABC News. 24. Juni 2018, abgerufen am 25. Juni 2018 (australisches Englisch).
  12. Saudi driving ban ends as women’s rights activists remain jailed. Abgerufen am 25. Juni 2018.
  13. a b c d DER SPIEGEL: Freigelassene Aktivistin Loujain al-Hathloub in Saudi-Arabien: 1001 Nacht Gefangenschaft. Abgerufen am 20. Februar 2021.
  14. https://www.dw.com/en/un-slams-saudi-arabia-in-rare-rebuke/a-54938264 UN slams Saudi Arabia in rare rebuke
  15. https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/RC-9-2020-0325_EN.html European Parliament resolution on the situation of Ethiopian migrants in detention centres in Saudi Arabia (2020/2815(RSP))
  16. https://www.theguardian.com/world/2020/nov/10/saudi-arabia-considers-clemency-for-female-activists-ahead-of-g20 Saudi Arabia considers clemency for female activists ahead of G20
  17. https://edition.cnn.com/2020/11/29/middleeast/saudi-arabia-loujain-hathloul-activist-court-intl/index.html European envoys urge Saudi Arabia to release women's rights activists
  18. Saudi-Arabien – Aktivistin Loujain al-Hathloul auf Bewährung aus Haft entlassen. Schweizer Radio und Fernsehen, 11. Februar 2021, abgerufen am 11. Februar 2021.
  19. Gericht bestätigt Haftstrafe für Frauenrechtlerin, Spiegel Online, 10. März 2021.
  20. ‘Our Hands Can Reach You’: Khashoggi Case Shakes Saudi Dissidents Abroad New York Times vom 8. Oktober 2018, abgerufen am 29. Dezember 2020.
  21. She Wanted to Drive, So Saudi Arabia’s Ruler Imprisoned and Tortured Her New York Times vom 26. Januar 2019, abgerufen am 12. Februar 2021.
  22. Lea Frehse: Lina al-Hathloul. "Der Kronprinz hat sie am lautesten diffamiert". In: Zeit Online. 3. März 2021, abgerufen am 11. März 2021.
  23. Sheikha Lubna Al Qassimi and Amal Clooney named most powerful Arab women in the world. In: independent.co.uk. 4. März 2015, abgerufen am 19. April 2021 (englisch).
  24. NOUF ABDULAZIZ, LOUJAIN AL-HATHLOUL, EMAN AL-NAFJANPEN America Homepage
  25. 100 Most Influential People of 2019Time Homepage 2019
  26. Bertha-und-Carl-Benz-Preis an Frauenrechtlerin. In: mannheim.de. 6. Februar 2019, abgerufen am 31. Dezember 2020.
  27. Saudische Frauenrechtlerin ausgezeichnet. In: WDR. 20. September 2020, abgerufen am 31. Dezember 2020.
  28. Bertha-und-Carl-Benz-Preis live im Internet. In: mannheim.de. 17. September 2020, abgerufen am 31. Dezember 2020.
  29. Saudi Arabia jails women’s rights activist Loujain al-Hathloul. In: dw.com. 28. Dezember 2020, abgerufen am 15. Januar 2021 (englisch).
  30. Vaclav-Havel-Preis für saudische Frauenrechtlerin. In: dw.com. 19. April 2019, abgerufen am 19. April 2021.