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Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz

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Die Stadt Mainz, heute auf dem linken Ufer des Rheins gegenüber der Mainmündung gelegen, besaß bis 1945 sechs Stadtteile auf der rechten Rheinseite: Amöneburg, Kastel, Kostheim, Bischofsheim, Gustavsburg und Ginsheim. Sie umfassten den kleineren Teil der Mainzer Bevölkerung, aber 53% des Stadtgebietes. Alle Stadtteile gehören seit Kriegsende zu Hessen; die drei nördlich des Mains gelegenen Stadtteile Amöneburg, Kastel und Kostheim, auch als AKK bezeichnet, gehören seitdem zu Wiesbaden.

Administrative Ausgangslage

Das Mainz der Vorkriegszeit gehörte zum Volksstaat Hessen und war dort Hauptstadt der Provinz Rheinhessen. Die auf dem rechten Rheinufer etwas nördlich liegende Nachbarstadt Wiesbaden, ehemalige nassauische Residenz, gehörte dagegen zur preußischen Provinz Hessen-Nassau. Der Stadtkern Wiesbadens liegt einige Kilometer vom Rhein entfernt, nur die Stadtbezirke Biebrich und Schierstein liegen direkt am Fluss. Die Mainzer Altstadt liegt direkt am linken Rheinufer.

Die Ausbreitung des rechtsrheinischen Mainz

Die hessischen, aber rechtsrheinischen Nachbargemeinden Kastel und Amöneburg wurden am 1. April 1908 in die Stadt Mainz eingemeindet. Kastel ist der historische Mainzer Brückenkopf unmittelbar gegenüber der Altstadt und seit römischer Zeit mit Mainz verknüpft. Diese Gebiete waren also schon deutlich vor der eigentlichen Eingemeindung eng mit Mainz verbunden. Heutige Mainzer Stadtteile wie z. B. Weisenau sind erst später eingemeindet worden.

Amöneburg besaß bedeutende chemische Industrie, das Industriegebiet ging nahtlos in das der Nachbarstadt Biebrich über (Werk Kalle/Albert). Nach der Eingemeindung von Biebrich nach Wiesbaden (1926) lief die Grenze zwischen beiden Großstädten, gleichzeitig die preußisch-hessische Landesgrenze, also mitten durch das Gelände der inzwischen fusionierten Großbetriebe.

Am 1. Januar 1913 wurde die unmittelbar vor dessen Mündung am Nordufer des Mains gelegene Gemeinde Kostheim Stadtteil von Mainz. Am 1. Januar 1930 folgte schließlich die Eingemeindung der südlich des Mains gelegenen Orte Ginsheim, Gustavsburg und Bischofsheim. Das Mainzer Stadtgebiet lag damit sowohl beiderseits des Rheins als auch beiderseits des Mains, die Mainmündung (Mainspitze) gehörte ganz zur Mainzer Gemarkung.

Die Teilung der Stadt

1945 wurde Mainz, wie zahlreiche andere deutsche Städte, von den Besatzungsmächten geteilt: der Rhein wurde zur Grenze zwischen der französischen westlich und der amerikanischen Besatzungszone östlich des Flusses. Ähnlich wie etwa in Frankfurt an der Oder, Guben oder Görlitz interessierten sich die ausländischen Besatzer wenig dafür, dass durch diese Grenzziehung ein Stadtgebiet in zwei Hälften getrennt wurde. Im Gegensatz zu den anderen genannten Städten konnten die Bürger in Mainz nach einiger Zeit immerhin wieder relativ einfach zwischen den beiden Besatzungszonen hin und her reisen.

Von französischen Truppen besetzt zu sein, war für Mainz im übrigen nichts Neues. Die letzte, sehr harte Besetzung durch den westlichen Nachbarn lag noch nicht allzu lang zurück (1919-1930), und war auch nur eine von vielen französischen Besatzungszeiten. Die amerikanischen Truppen auf dem östlichen Rheinufer waren dagegen zum ersten Mal in Deutschland.

Im September 1945 gründeten die Militärregierungen der Besatzungsmächte, jede in ihrer eigenen Zone, neue Bundesländer als Grundlage des demokratischen Neuaufbaus in Deutschland. Aus den größten Teilen von Hessen und Hessen-Nassau gründeten die Amerikaner das Land Groß-Hessen. Die Franzosen errichteten aus dem abgetrennten Rheinhessen, dem ebenfalls zur französischen Zone gefallenen westlichen Teil Nassaus, dem südlichen Teil der Rheinprovinz und der vormals bayerischen Pfalz ein völlig neues Bundesland Rheinland-Pfalz.

Die rechtsrheinischen Stadtteile von Mainz waren, anders als der Rest der Stadt, bei Hessen verblieben, hatten aber ihre kommunale „Mutter“ verloren. Die drei Stadtteile nördlich des Mains, Amöneburg, Kastel und Kostheim, wurden deshalb in die Stadt Wiesbaden eingegliedert, obwohl sie teilweise sehr weit vom dortigen Stadtzentrum entfernt liegen. Die noch weiter südlich gelegenen Stadtteile Gustavsburg, Ginsheim und Bischofsheim erhielten deshalb ihre Eigenständigkeit zurück und wurden Gemeinden im Landkreis Groß-Gerau. Die beiden ersteren schlossen sich dabei zur Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg zusammen.

Kastel und Amöneburg waren damit 37 Jahre lang, Kostheim 32 Jahre und Gustavsburg, Ginsheim und Bischofsheim 15 Jahre lang Bestandteil von Mainz.

Die heutige Situation

Nach wie vor tragen die drei nördlich des Mains gelegenen Stadtteile den Namen der alten Mutterstadt Mainz, heißen also Mainz-Kastel, Mainz-Kostheim und Mainz-Amöneburg, der Name Wiesbaden ist im Ortsnamen nicht vorhanden. Die Bahnhöfe und S-Bahn-Stationen der Gemeinden Bischofsheim und Ginsheim-Gustavsburg tragen interessanterweise immer noch den Namen Mainz-... und sind im Tarifsystem dem Mainzer Hauptbahnhof gleichgestellt, was auch laut Ortsnamen nicht mehr stimmt. Die Frage der abgetrennten Mainzer Stadtteile vor allem nördlich des Mains ist Gegenstand heftiger lokalpolitischer Debatten. Die Tatsache, dass der Ruf nach einer Rückkehr nach Mainz in den südmainischen Gemeinden weit leiser ist als in den zu Wiesbaden gehörenden AKK-Vororten, legt den Schluss nahe, dass nicht nur die Trennung von der „Mutter“ Mainz, sondern vor allem auch die Zuordnung zur ungeliebten Nachbarin Wiesbaden Auslöser der Trauer ist. Dieses Trauma wird bis heute in der auch rechts des Rheines gefeierten Mainzer Fastnacht immer wieder aufgearbeitet.

Im alltäglichen Leben ist die administrative Zugehörigkeit zu Wiesbaden wenig wahrnehmbar. Die Wiesbadener Innenstadt liegt rund 10 km entfernt, die Mainzer dagegen gleich auf der anderen Rheinseite. Hinsichtlich der technischen Infrastruktur und dem Öffentlichen Nahverkehr werden die AKK-Vororte nach wie vor von den Mainzer Netzen versorgt, allerdings führt auch die beide Innenstädte verbindende, gemeinsam betriebene Stadtbuslinie durch Amöneburg und Kastel.

Die Stadt Wiesbaden ist inzwischen bestrebt, zumindest nach außen den Eindruck zur Wiesbadener Zugehörigkeit der AKK-Orte zu fördern. So wurden 2006 Ortsschilder, auf denen zuvor nur „Mainz-Kastel“ stand, in „Wiesbaden, Stadtteil Mainz-Kastel“ ausgewechselt.

Es finden relativ regelmäßig Umfragen bezüglich der „gefühlten“ Zugehörigkeit statt. Dabei ist der Trend zu beobachten, dass Amöneburg auch bei den Bürgern eher in Wiesbaden „angekommen“ ist, vielfach wird auch (unkorrekt) von Wiesbaden-Amöneburg gesprochen. Dieser Stadtteil grenzt nicht nur direkt an Biebrich, sondern ist weiter von Mainz entfernt als Kastel und Kostheim. Man müsste daher treffender von den KK-Vororten sprechen. Die Bewohner von Kastel, noch mehr von Kostheim, fühlen sich zu großen Teilen Mainz zugehörig. Die Bewohner der Stadtteile südlich des Mains hegen keine derartige Zwiespältigkeit.

Ausblick

Da die mittlerweile über 60 Jahre alte Landesgrenze für jede kommunale Neugliederung ein unüberwindliches Hindernis darstellt, wird sich an der Situation des geteilten Mainz auch in Zukunft wenig ändern können. Die benachbarten Landeshauptstädte arbeiten auch jetzt schon in vielen kommunalen Angelegenheiten eng zusammen, auch wenn zwischen ihren jeweiligen Bevölkerungen nicht von inniger Freundschaft gesprochen werden kann. Eine Änderung der Grenzen und damit eine Wiedervereinigung des Mainzer Stadtgebiets wäre aber erst nach einer (freilich seit Jahrzehnten diskutierten) Neugliederung des Bundesgebietes gemäß Artikel 29 GG und einer Vereinigung von Hessen und Rheinland-Pfalz möglich. Eine Vereinigung der sechs ehemaligen rechtsrheinischen Mainzer Stadtteile untereinander zu einem „Hessischen Mainz“ war während der hessischen Gebietsreform (1972-78) nicht Bestandteil der Diskussion.

Siehe auch