Montagsdemonstrationen
Die Montagsdemonstrationen waren ein bedeutender Bestandteil der friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989. Sie schlossen sich an die Friedensgebete an der Leipziger Nikolaikirche von Pfarrer Christian Führer an, der diese Veranstaltung seit den frühen 1980ern leitete. Mit dem Ruf "Wir sind das Volk" meldeten sich Woche für Woche Hunderttausende DDR-Bürger zu Wort und protestierten gegen die politischen Verhältnisse. Ziel war eine friedliche, demokratische Neuordnung, insbesondere das Ende der SED-Herrschaft.
Der Begriff wird gerne durch Medien und Politik bei montags stattfindenden Demonstrationen wieder verwendet, selbst wenn es mit dem historischen Ereignis weder inhaltlich noch in der Art und Weise Zusammenhänge gibt.
Chronologie
Dabei erwies sich der traditionelle Termin der Friedensgebete montags um 17 Uhr als geschickt gewählt: Er erlaubte einerseits die Teilnahme an Gebet und Demonstration, ohne von der Arbeit fernbleiben zu müssen. Andererseits lag er auch vor der Ladenschlusszeit der Leipziger Innenstadt, so dass es relativ gefahrlos war, sich dort aufzuhalten und die Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte auf sich zu ziehen.
Die Sicherheitskräfte der DDR gingen in Leipzig teilweise mit Gewalt gegen die Demonstranten vor, vor allem am 2. Oktober 1989 und auch während der Feierlichkeiten zum 40. Republikgeburtstag der DDR am 7. und 8. Oktober 1989.
Wendepunkt der Montagsdemonstrationen war der 9. Oktober 1989 - die erste Montagsdemonstration mit echter Massenbeteiligung, bei der viele Beteiligte aller Seiten das Massaker vom Platz des himmlischen Friedens im Hinterkopf hatten, aber letztlich nichts geschah. Nachdem sich die Sicherheitskräfte an diesem Tag komplett aus der Leipziger Innenstadt zurückzogen, konnte sich die Demonstration zum legendären Zug um den Leipziger Innenstadtring entwickeln. Der Zug der 70.000 führte auch an der Leipziger Stasizentrale, der "Runden Ecke" vorbei.
Die Gründe, die zum Rückzug der Sicherheitskräfte führten, sind bis heute nicht endgültig geklärt. Fest steht aber, dass die Darstellung des SED-Generalsekretärs Egon Krenz falsch ist, der später behauptet hatte, er habe persönlich den Befehl zum Rückzug gegeben. Die Entscheidung war statt dessen auf Leipziger Ebene gefallen: Der amtierende 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung und Vorsitzende der Bezirkseinsatzleitung Helmut Hackenberg hatte sich mit einer Lagebeschreibung nach Berlin gewandt, erhielt aber erst lange nachdem sich die Demonstration von selbst aufgelöst hatte eine Antwort von Krenz. Da sie nicht die Verantwortung für das drohende Blutbad übernehmen wollten, trafen Hackenberg als politisch Verantwortlicher und der Leipziger Polizeichef Generalmajor Gerhard Straßenburg als Einsatzleiter die Entscheidung zum Rückzug der Kräfte. Weitere verantwortliche Befehlshaber in Leipzig waren damals Generalleutnant Manfred Hummitzsch, Leiter der Bezirksverwaltung des MfS und Generalmajor Klaus Wiegant, Chef des NVA-Militärbezirks III, Leipzig.
Diese Entscheidung fiel offenbar in grober Fehleinschätzung der Dynamik, welche die Ereignisse in den vergangenen Wochen entwickelt hatten.
Der 9. Oktober wurde so zu einem Wendepunkt in zweierlei Hinsicht: Einerseits markiert er im Rückblick das Datum, zu dem die Bürgerinnen und Bürger der DDR ihren Anspruch auf politische Mitbestimmung so lautstark durchgesetzt hatten, dass die politische Führung Reformen nicht länger verhindern konnte. Andererseits war der 9. Oktober aber auch der Wendepunkt zur Gewaltlosigkeit.
Am 16. Oktober 1989 nahmen bereits 120.000 Demonstranten teil, eine Woche später wuchs die Zahl auf 320.000. Dies war die größte Montagsdemonstration in Leipzig. Die Protestmärsche endeten im März 1990, kurz vor oder nach den Volkskammerwahlen.
Seither finden zu unterschiedlichen Anlässen in den fünf neuen Bundesländern einige als "Montagsdemo" bezeichnete Kundgebungen statt, die jedoch weder in der Motivation noch in Umfang oder Bedeutung mit den eigentlichen Montagsdemonstrationen vergleichbar sind.
Hartz-Reform und Montagsdemonstrationen
Im August 2004 wurden in der Bundesrepublik Deutschland als Reaktion auf die durch das Hartz-Konzept bedingte Arbeitsmarktreformen erneut Montagsdemonstrationen begonnen. Der Begriff Montagsdemonstration ist dabei umstritten. Von den Kritikern wird vor allem darauf hingewiesen, dass die Montagsdemonstrationen 1989 zur Überwindung einer Diktatur beigetragen hätten. Vera Lengsfeld sagte beispielsweise: „Es ging um Freiheit!“ Besonders scharf weist Wirtschaftsminister Clement den Begriff zurück. Die Proteste sind gegen die geplante Art der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum sogenannten Arbeitslosengeld II (ALG2) gerichtet, bei der es nach Ansicht der Kritiker zu großen sozialen Härten für die Betroffenen und ihren Familien kommen wird. Insbesondere die unterschiedliche Wirkung der Reformen in Ost und West sei ein Problem, ebenso die fehlende Gerechtigkeit bei der Lastenverteilung der notwendigen Sozialreformen. Pfarrer Christian Führer von der Leipziger Nikolaikirche kündigte neue Friedensgebete an. Renommierte Volkswirte, das ifo-Institut und die OECD halten die Reformen hingegen für dringend erforderlich, um die Wirtschaftskrise Deutschlands zu überwinden. Andere, vor allem aus Kreisen der Gewerkschaften, befürchten, dass die Krise eher verschärft wird. Einige Kritiker sehen in den Demonstrationen Gewerkschaftspopulismus. Befürworter für die Demonstrationen kommen aus fast allen Oppositionsparteien, die Regierungsvertreter bemängelten in Interviews, dass die selben Parteien über die Ländervertreter im Bundesrat zugestimmt haben und einige Oppositionsparteien dies für den Wahlkampf im Herbst ausnutzen wollen.
Siehe auch
Geschichte der DDR. Krise und Ende 1981-1990
Literatur
- Wolfgang Schneider et al. (Hrsg.), Leipziger Demontagebuch. Demo – Montag – Tagebuch – Demontage, Leipzig/Weimar: Gustav Kiepenheuer 1990
- Norbert Heber, Keine Gewalt! Der friedliche Weg zur Demokratie – eine Chronologie in Bildern, Berlin: Verbum 1990
- Jetzt oder nie – Demokratie. Leipziger Herbst 1989, Leipzig: C. Bertelsmann 1989
- Ekkehard Kuhn, Der Tag der Entscheidung. Leipzig, 9. Oktober 1989, Berlin: Ullstein 1992
- Karl Czok, Nikolaikirche – offen für alle. Eine Gemeinde im Zentrum der Wende, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 1999
- Tobias Hollitzer, Der friedliche Verlauf des 9. Oktober 1989 in Leipzig – Kapitulation oder Reformbereitschaft? Vorgeschichte, Verlauf und Nachwirkung, in: Günther Heydemann, Gunther Mai und Werner Müller (Hrsg.) Revolution und Transformation in der DDR 1989/90, Berlin: Duncker & Humblot 1999, S. 247–288