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Corpus Hermeticum

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Das Corpus Hermeticum ist eine Sammlung von griechischen Traktaten in Brief-, Dialog- und Predigtform über die Entstehung der Welt, die Gestalt des Kosmos sowie menschliche und göttliche Weisheit. Als Verfasser galt schon in der Antike Hermes Trismegistos, dem eine Vielzahl von religiösen, astrologischen und magischen Schriften zugeschrieben wurde. Das Corpus Hermeticum entstand zwischen dem 2. und 3. Jahrhundert, die Autoren dürften Griechen gewesen sein, die populäres philosophisches Gedankengut der Epoche verarbeiteten, "eine Mixtur aus Platonismus und Stoizismus, kombiniert mit jüdischen und möglicherweise einigen persischen Elementen" (Yates 1991, S. 3). Umstritten ist, ob der Hintergrund ägyptischer Mysterien auf die Beteiligung ägyptischer Neuplatoniker hinweist, oder ob es sich um reine Fiktion handelt, die auf die zeittypische Begeisterung für orientalische Kulte abzielte.

Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte

Das besondere Ansehen des Corpus Hermeticum beruhte auf dem Glauben, dass es sich um Zeugnisse uralten Wissens handle, da man den sagenhaften Verfasser zumindest für einen Zeitgenossen des Moses hielt, womöglich sogar für einen Vorgänger. Diese Ansicht wurde gestützt durch Cicero, der in De natura deorum einen ägyptischen Merkur mit dem Gott Thot identifizierte, der den Ägyptern lange vor den Griechen und Römern die Schrift und Gesetze gebracht hätte:

Mercurius ... quintus, quem colunt Pheneatae, qui Argum dicitur interemisse ob eamque causam in Aegyptum profugisse atque Aegyptiis leges et litteras tradidisse: hunc Aegyptii Theyt appellant eodemque nomine anni primus mensis apud eos vocatur. (Cicero, De natura deorum III, 22, 56)

In seinem apologetischen Werk Divinarum institutionum libri VII (304-311/326) versucht Lactantius im ersten Buch, die Wahrheit des Christentums anhand der Schriften heidnischer Dichter, Philosophen und "göttlicher Zeugen" zu untermauern. Hierbei nimmt Hermes Trismegistos noch vor den Sibyllen und den apollinischen Orakeln eine prominente Rolle ein: Nunc ad diuina testimonia transeamus. Sed prius unum proferam, quod est simile diuino et ob nimiam uetustatem et quod is quem nominabo ex hominibus in deos relatos est. (Nun schreiten wir weiter zu den göttlichen Zeugnissen. Aber zuerst führe ich eins an, das den göttlichen gleich ist, sowohl aufgrund seines großen Alters als auch, weil der, den ich nennen werde von den Menschen zu den Göttern erhoben wurde. Div. inst. I, 6, 1). Lactantius zitiert Ciceros Textpassage über den ägyptischen Mercurius und führt diesen daraufhin als Zeugen für die Existenz eines einen höchsten Gottes an, womit nicht nur Autorität und Altere der hermetischen Schriften für die kommenden Jahrhunderte beglaubigt, sondern auch der Weg für eine christliche Interpretation des C.H. gebahnt ist:

Qui tametsi homo fuit, antiquissimus tamen et instructissimus omni genere doctrinae adeo ut ei multarum rerum et artium scientia Trismegisto cognomen imponeret. Hic scripsit libros et quidem multos ad cognitionem diuinarum rerum pertinentes, in quibus maiestatem summi ac singularis Dei asserit, isdemque nominibus appellat quibus nos dominum ac patrem. (Lactantius, Div. inst. I, 6, 3-5)

Durch die Kirchenväter Laktanz (Div. inst. I, 6, 1-5; De ira Dei XI), Augustinus (De civ. Dei VIII, 23-26) und Clemens von Alexandria (Stromata VI, 4, 35-38) waren also Hermes Trismegistos und auszugsweise das Corpus Hermeticum bekannt. Ein griechisches Manuskript wurde jedoch erst gegen 1460 von einem Mönch im Dienst des Cosimo de Medici aus Macedonien nach Florenz gebracht (Laurentianus LXXI 33 (A)). Mit der Übersetzung wurde Marsilio Ficino im Jahr 1463 beauftragt, sie wurde im Folgejahr fertiggestellt und 1471 erstmals als Pimander (eigentlich der Titel des ersten Traktats) gedruckt.

Den größten Bruch in der Rezeptionsgeschichte des C.H. brachten Isaac Casaubons Exercitationes von 1614. Selbst wenn es einen ägyptischen Weisen namens Hermes Trismegistos gab, erklärt Casaubon, kann er nicht der Autor gewesen sein, da nicht nur Stil und Wortwahl auf hellenistische Verfasser hinweisen, sondern auch Zitate griechischer und christlicher Literatur eine Entstehung vor dem 2. Jahrhundert ausschließen. Sein abschließendes Urteil, das noch einmal zeigt, wie prägend die fast dreizehn Jahrhunderte währende christliche Sicht ist, lautet: das Corpus Hermeticum hat nichts mit ägyptischen Altertümern zu tun sondern ist eine christliche Fälschung, die der Heidenmission dienen sollte (S. 73-75).

Dennoch dauerte es über ein Jahrhundert, bis der Glaube an den ägyptischen Weisen weitgehend aufgegeben wurde. Viele Esoteriker halten bis heute daran fest.

Quellen

  • Hermès trismégiste. Texte etabli par A. D. Nock et traduit par A.-J. Festugière. 4 Bde, griech.,lat., frz. Paris: 1945 u. 1954.
  • Das Corpus Hermeticum. Übersetzung, Darstellung und Kommentierung in drei Teilen, im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften bearbeitet und herausgegeben von Carsten Colpe und Jens Holzhausen. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 1997 (=Clavis Pansophiae. Eine Bibliothek der Universalwissenschaften in Renaissance und Barock, hg. von Charles Lohr und Wilhelm Schmidt-Biggemann).
  • Asclepius - Lateinischer Text der Ausgabe Paris: Henricus Stephanus 1505.
  • Asclepius-Fragmente aus den Nag Hammadi-Codices. Engl. Text nach James M. Robinson, ed.: The Nag Hammadi Library. Revised edition. San Francisco: HarperCollins 1990.
  • Pimander - Lateinische Übersetzung von Marsilio Ficino, Text nach der Edition Mailand: Damianus de Mediolano 1493.
  • Englische Übersetzung von G. R. S Mead
  • Deutsche Übersetzung (ohne Quellenangabe)

Literatur

  • Casaubon, Isaac: De rebus sacris et ecclesiasticis exercitationes XVI. Ad Cardinalis Baronii Prolegomena in Annales. London 1614. S. 70-87.
  • Festugière, A.-J.: La révélation d' Hermès Trismégiste. 2e éd., 3 vol., Paris 1981.
  • Mulsow, Martin: Das Ende des Hermetismus. Tübingen: Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 2002. ISBN 3161477782.
  • Yates, Frances Amelia: Giordano Bruno and the Hermetic Tradition. London/New York 1964. Paperback London/Chicago 1991.