Cluster-Kopfschmerz
Clusterkopfschmerz | |
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ICD-10-Code | G44.0 |
IHS/ICHD-II Code | 3.1 |
Clusterkopfschmerz ist eine primäre Kopfschmerzerkrankung (engl. Cluster „Büschel, Haufen, Anhäufung“), die sich durch heftigste, streng einseitig und in Attacken auftretende extremste Schmerzen[1] in Schläfe und Auge äußert. Clusterkopfschmerz ist der stärkste bekannte, primäre Kopfschmerz. Weitere Namen: Bing-Horton-Neuralgie, Histaminkopfschmerz, Erythroproposalgie.
Symptome

by JD Fletcher
Die heftigen und einseitigen Attacken dauern meist zwischen 15 und 180 Minuten und treten unvermittelt vornehmlich aus dem Schlaf heraus bis zu achtmal täglich auf. Die Kopfschmerzen sind bei den meisten Patienten immer auf der gleichen Seite (78 %)[2]. Der Clusterkopfschmerz zeigt eine ausgeprägte Tagesrhythmik, am häufigsten kommt es ein bis zwei Stunden nach dem Einschlafen, in den frühen Morgenstunden und nach der Mittagszeit zu Anfällen. Die Häufigkeit beträgt zwischen einer Attacke jeden zweiten Tag und acht Attacken täglich.
Der Kopfschmerzcharakter wird als unerträglich reißend, bohrend, manchmal auch als brennend geschildert. Seine Haupt-Lokalisation ist meist um das Auge herum, seltener auch im Bereich des Hinterkopfs. Besonders typisch ist ein während der Kopfschmerzattacken bestehender Bewegungsdrang. Anders als Menschen mit Migräne neigen Patienten mit Clusterkopfschmerz nicht dazu, sich ins Bett zurückzuziehen, sondern wandern umher oder schaukeln mit dem Oberkörper. Weitere typische Symptome sind ein gerötetes Auge, Tränenfluss, hängendes Lid, laufende Nase oder verstopfte Nase. Diese Symptone erscheinen nur auf der schmerzenden Seite.
Auch vermeintlich untypische Symptome wie Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit kommen nach neueren Studien regelmäßig vor. Ein Viertel Der Patienten erlebt vor dem Anfall eine Aura, was die klinische Abgrenzung zur Migräne erschwert. [3]
Man unterscheidet den episodischen Clusterkopfschmerz (ECH) mit Remissionsphasen von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren und den chronischen Clusterkopfschmerz (CCH) mit Remissionsphasen von höchstens zwei Wochen. Bei etwa 80 % der Betroffenen tritt der Clusterkopfschmerz episodisch (nur gelegentlich) auf.
Die Attacken können durch Trigger ausgelöst werden. Hierunter fallen vor allem Alkohol, Nitroglycerin (diagnostisch verwertbar), Glutamat, gelber Käse, Schokolade, Aufenthalt in großen Höhen.
Epidemiologie
Die Häufigkeit des Clusterkopfschmerzes liegt zwischen 0,1 % und 0,9 % der Bevölkerung. Das Verhältnis von Männern zu Frauen liegt bei 3:1. Vererbungsfaktoren sind bislang nicht bekannt, es wird jedoch eine familiäre Belastung von etwa zwei bis sieben Prozent angenommen.
Der Kopfschmerz beginnt im Mittel mit 28–30 Jahren, kann aber in jedem Lebensalter anfangen. Im Regelfall leiden bis zu 80 % der Patienten nach 15 Jahren noch immer an Cluster-Episoden. Allerdings remittiert der Schmerz bei einigen Patienten in höherem Alter. Bei bis zu 12 % geht eine primär-episodische in eine chronische Verlaufsform über, seltener ist dies auch umgekehrt. [1]

Ursache
Bis heute ist noch nicht endgültig geklärt, wodurch Clusterkopfschmerzen verursacht werden. Bisher vermutete man eine sterile Entzündung im Bereich des Sinus cavernosus, aber die Anfallshäufigkeit zu immer wiederkehrenden Zeiten spricht dagegen, dass dies die einzige Ursache ist. Man vermutet inzwischen, dass eine Fehlregulation biologischer Rhythmen vorliegt. Indiz hierfür waren Ergebnisse bildgebender Untersuchungsverfahren, mittels derer Gehirnaktivitäten nachgewiesen werden können.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt durch eine Befragung des Patienten und durch Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Spezielle Laboruntersuchungsmethoden stehen nicht zur Verfügung. Clusterkopfschmerz ist also eine Erkrankung, die auf Basis der Beschwerden diagnostiziert wird. Apparative Untersuchungsmethoden tragen nicht zur Diagnose bei, sondern sind nur dann erforderlich, wenn eine andere Erkrankung zweifelsfrei ausgeschlossen werden soll. Mit Hilfe der cranialen Computertomographie (CCT), der Kernspintomographie, der Dopplersonographie und der Elektroenzephalographie (EEG) können andere Krankheiten, wie zum Beispiel Tumore, Hirnblutungen und Entzündungen ausgeschlossen werden. Weiterhin ist zwischen Clusterkopfschmerz und anderen Kopfschmerzformen wie Migräne, Spannungskopfschmerz, Trigeminusneuralgie, paroxysmaler Hemikranie (CPH), Hemicrania continua und weiteren möglichen Kopfschmerzarten zu unterscheiden. Siehe dazu auch Differentialdiagnose.
Therapie und Prophylaxe
Clusterkopfschmerz ist eine Erkrankung, die derzeit durch medizinische Maßnahmen nicht heilbar ist. Die Intensität der Schmerzattacken und die Attackenhäufigkeit können durch geeignete vorbeugende Behandlung meistens vermindert werden. Patienten die auf bestimmte Auslöser reagieren, sollten diese meiden.
Akutbehandlung

- Inhalation von 100 % medizinischem Sauerstoff über eine Hochkonzentrationsmaske (Non-Rebreather-Mask) mit Reservoirbeutel, Durchflussrate 7–15 l/min. über eine Dauer von 15–20 min. Sauerstoffbrillen sind nicht geeignet, da die Betroffenen während der Attacken meist nicht durch die Nase atmen können. Zudem kann mit Sauerstoffbrillen nicht der erforderliche Durchfluss von 7-15 l/min. erreicht werden. Aus letztgenanntem Grund sind auch Sauerstoffkonzentratoren ungeeignet, diese erreichen nur eine maximale Durchflussrate von 5,5 l/min. Medizinischer Sauerstoff ist in Druckflaschen (200 bar) mit zehn Litern oder mit zwei Litern Volumen erhältlich.
- Triptane (Sumatriptan, subcutan oder nasal). Bisher ist Sumatriptan das einzige Triptan, das offiziell zur Behandlung von Clusterkopfschmerzen zugelassen ist. Zolmitriptan als Nasenspray oder oral werden ebenfalls von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie empfohlen.[1]
- Intranasale Zufuhr von vierprozentigem Lidocain.
Mittel der ersten Wahl |
Inhalation Sauerstoff |
Sumatriptan s.c. 6mg |
Zolmitriptan Nasenspray |
Sumatriptan Nasenspray |
Mittel der zweiten Wahl |
Lidocain Nasenspray |
bei langen Attacken: |
Sumatriptan nasal |
oder Zolmitriptan 5 mg oral |
Sumatriptan (6 mg subcutan) und Zolmitriptan (5–10 mg nasal) sind die Substanzen mit der besten Wirksamkeit in der akuten Clusterkopfschmerzattacke (75%). Die Inhalation von Sauerstoff ist bei 60–70% der Clusterpatienten wirksam. Die Anwendung von Lidocain (Erfolg bei 25-30 %) wie auch die von Sauerstoff hilft nur einem Teil der Patienten und auch nicht immer. Trotzdem sollte jeder Patient mit Clusterkopfschmerzen einmal im Leben diese Therapien ausprobiert haben, da bei Wirksamkeit Nebenwirkungen vermieden werden.[1][2]
Unwirksam sind alle herkömmlichen Schmerzmittel (Analgetika) wie Aspirin, Paracetamol, Diclofenac, Ibuprofen sowie Akupunktur, Massagen, Biofeedback, alternative Heilmethoden wie Aloe vera, Nonisaft, Magnetfeldtherapie, „Sauerstoffwasser“.
Vorbeugende Behandlung
Bei wiederkehrenden Kopfschmerzen ist ein „Kopfschmerzkalender“ wichtig. Dazu reicht ein Blatt Papier oder Heft, in dem Datum, Uhrzeit, Dauer, Stärke, mögliche Auslöser und weitere Beobachtungen eingetragen werden. Im Internet oder bei Ärzten gibt es entsprechende Vordrucke. Der Kopfschmerzkalender unterstützt den Arzt bei der Diagnose und bei der Behandlung und kann auch dabei helfen, persönliche Auslöser (Trigger) zu erkennen.
Bei chronischem Clusterkopfschmerz und bei länger als drei Monate dauernden episodischen Kopfschmerzen ist das Mittel der ersten Wahl die verschreibungspflichtige Substanz Verapamil. Die Tagesdosis muss individuell eingestellt werden. Bei besonders hohen Dosierungen sind Kontrollen der Herztätigkeit (EKG) nötig. Das Medikament ist auf Dauer gut verträglich. Die Wirkung tritt jedoch bei schrittweiser Dosissteigerung erst nach zwei bis drei Wochen ein.
Bei Clusterepisoden, die kürzer als zwei Monate dauern, sind Methysergid oder Prednisolon Mittel der ersten Wahl. Bei Methysergid tritt die Wirkung schon nach drei bis sieben Tagen ein. Weil es jedoch zu Wucherungen von Bindegewebe führen kann, sollte es nur bis zu drei Monate eingenommen werden. Das Medikament ist in Deutschland nicht zugelassen und nur über die internationale Apotheke zu beziehen.
Prednison und Prednisolon gehören zur Gruppe der Kortikoide. Diese Abkömmlinge der in der Nebennierenrinde gebildeten Steroidhormone sollten wegen ihrer Nebenwirkungen nicht dauerhaft eingenommen werden.
Mittel der ersten Wahl |
Verapamil bis 480 mg |
Kortikoide (Prednisolon) 100-250 mg |
Mittel der zweiten Wahl |
Lithium nach Spiegel |
Methysergid 8–12 mg |
Topiramat 100–200 mg |
Lithiumkarbonat ist in Deutschland die einzige zur Vorbeugung von Clusterkopfschmerz zugelassene Substanz und das Mittel der zweiten Wahl bei Clusterkopfschmerz. Siehe dazu auch Artikel Lithiumtherapie. Wenn Verapamil und Lithiumkarbonat versagen, kann auch ein Versuch mit den ebenfalls verschreibungspflichtigen Substanzen Topiramat, Pizotifen oder Valproinsäure unternommen werden. Ergotamin oder lang wirksame Triptane wie Naratriptan und Frovatriptan können in der Kurzprophylaxe (bis eine andere vorbeugende Therapie greift) abends eingesetzt werden, vor allem bei Patienten, die unter nächtlichen Attacken leiden. Einzelberichte beschreiben einen positiven Effekt von Topiramat und Melatonin [1]. Wenn eine Substanz allein nicht wirkt, muss unter ärztlicher Kontrolle eine Kombination ausprobiert werden [4].
Denn meisten Patienten kann mit den obigen Medikamenten entsprechend der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie geholfen werden. Weitere mögliche Medikamente enthält die US Leitlinie zur Behandlung von Clusterkopfschmerz [5]. Die aktuelle Forschung und klinische Praxis entdecken gelegentlich weitere Mittel, die eine Wirkung gegen Clusterkopfschmerz haben.
In einigen wenigen Fällen ist die unspezifische Blockade des Nervus occipitalis major (Hinterhauptsnerv) mit einem Lokalanästhetikum erfolgreich und daher auf jeden Fall vor einer operativen Therapie zu versuchen [1]. Ebenfalls nicht invasiv ist die endoskopische Blockade des Ganglion pterygopalatinum mittels Lokalanästhetikum und Kortikosteroiden [6].
Erst nach Versagen aller medikamentösen Maßnahmen sind in absoluten Ausnahmefällen operative Verfahren zu erwägen. Deren Risiken überwiegen jedoch oft den Nutzen [1]. Ein neues, noch experimentelles vorbeugendes Verfahren ist die Tiefenhirnstimulation. Dabei werden mittels fest implantierter elektrischer Sonden im Hypothalamus die gestörten Strukturen beeinflusst. In der Therapie des Morbus Parkinson (Schüttellähmung) seit einigen Jahren fest etabliert wird das Verfahren in wenigen Zentren (Mailand, Lüttich und Kiel) verfeinert und ist als letztes Mittel eine Option für chronische Clusterpatienten, denen nicht anders geholfen werden kann.[7]
Umstrittene alternative Methoden
Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft rät: Eine Selbstbehandlung ist bei Clusterkopfschmerz nicht sinnvoll, da die Medikamente verschreibungspflichtig sind und auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten sein müssen.[4] Für die folgenden Mittel gibt es bisher keine zuverlässigen wissenschaftlichen Untersuchungen über deren Wirkungen gegen Clusterkopfschmerzen.

Patienten berichten unter anderem [8] von positiven Wirkungen durch
- eine Ernährungsumstellung
- das Trinken von viel Wasser
- die Einnahme von Vitamin B Präparaten
- das Trinken von Energy Drinks zur Attackenkupierung
- Taurin
- die Einnahme von Extrakten oder Tee aus der Pflanze Kudzu
- die Halluzinogene Psilocybin, LSA oder LSD.
Die angebliche Wirkung von Psilocybin in Form der „Zauberpilze“ und von LSD hat im Juni 2006 erste wissenschaftliche Beachtung gefunden.[9] Es handelt sich jedoch um hochpotente Halluzinogene, die schon bei geringen Dosierungen Psychosen auslösen können. Siehe auch: Drogenpsychose. In Deutschland sind die Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin als nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel in der Anlage des Betäubungsmittelgesetzes erfasst. Besitz von diesen Stoffen und den Pilzen, die diese Stoffe enthalten, und auch der Handel mit ihnen sind daher in Deutschland strafbar. In den Niederlanden sind frische Pilze im Handel. Der Besitz von LSD und anderen Drogen und auch der Handel damit sind sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden verboten.
Nur wenige Patienten berichten von erfolgreicher Behandlung durch Heilpraktiker [8].
Quellen
- ↑ a b c d e f g h i Leitlinie Clusterkopfschmerz der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
- ↑ a b Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Therapie und Prophylaxe von Cluster Kopfschmerzen und anderen Trigemino-Autonomen Kopfschmerzen (PDF)
- ↑ Schurks M. et al.: Cluster headache: clinical presentation, lifestyle features, and medical treatment. Headache. (2006) 46(8):1246-54 PMID 16942468.
- ↑ a b Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Cluster-Kopfschmerz, Informationen für Patientinnen und Patienten, Juli 2005 (PDF-Datei) Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „DM“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ CK-Wissen Artikel US Leitlinie zur Behandlung von Clusterkopfschmerzen
- ↑ Felisati et al., Sphenopalatine endoscopic ganglion block: a revision of a traditional technique for cluster headache, Laryngoscope. 2006 Aug. (Zusammenfassung) PMID 16885751
- ↑ CK-Wissen Artikel Tiefenhirnstimulation
- ↑ a b CK-Wissen Artikel Behandlung
- ↑ Sewell RA, Halpern JH, Pope HG Jr: Response of cluster headache to psilocybin and LSD, Neurology. 2006 Jun 27;66(12):1920-2. PMID 16801660 (Zusammenfassung)
Original: hier (PDF-Datei)
Literatur
- Busch, Volker: Kopf- und Gesichtsschmerzen Urban & Fischer, 2002. ISBN 3-437-23070-0
- Göbel, Hartmut: Die Kopfschmerzen. Ursachen, Mechanismen, Diagnostik und Therapie 2. bearb. Auflage, 2004. - Springer Verlag, ISBN 3-540-03080-8 (Wissenschaftliche Grundlagen)
- Göbel, Hartmut: Erfolgreich gegen Kopfschmerzen und Migräne 4. Aufl. 2004. XIV, 448 S. m. 99 Abb. Springer, Berlin. ISBN 3540407774 (Patienten-Ratgeber)
- Limmroth, Volker: Leitfaden Kopf- und Gesichtsschmerz Schattauer, 2006. ISBN 3-7945-2319-9
Siehe auch
- Neurologie
- Schmerz
- Kopfschmerz
- Migräne
- Spannungskopfschmerz
- Neuralgie
- Trigeminusneuralgie
- Paroxysmale Hemikranie (CPH)
- Hemicrania continua
Weblinks
- Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Cluster-Kopfschmerz, Informationen für Patientinnen und Patienten, Juli 2005 (PDF)
- Clusterkopfschmerz - Informationen der Schmerzklinik Kiel (PDF)
- Leitlinie Clusterkopfschmerz der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
- Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Therapie und Prophylaxe von Cluster Kopfschmerzen und anderen Trigemino-Autonomen Kopfschmerzen (PDF)
- Weitere Informationen und Weblinks für Betroffene
Videos
Video einer Schmerzattacke aus dem Dokumentarfilmprojekt von Justin Douglas Ott (Englisch):