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Rudolf Kelterborn

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Rudolf Kelterborn 2009

Rudolf Kelterborn (* 3. September 1931 in Basel; † 24. März 2021 in Basel) war ein Schweizer Komponist, Dirigent, Pädagoge und Musikpublizist und gehörte als „Musicus universalis“[1] zu den einflussreichsten Figuren der internationalen Klassikszene.

Leben

Ausbildung

Rudolf Kelterborn wurde am 3. September 1931 in Basel geboren. Sein Entschluss, die Musikerlaufbahn einzuschlagen, stand früh fest, und so erhielt er bereits während der Schulzeit Klavier-, Dirigier- und Theorieunterricht und machte erste kompositorische Versuche. 1950 legte sein Abitur am Humanistischen Gymnasium am Münsterplatz ab und besuchte danach Dirigierkurse bei Igor Markevitch in Salzburg. Von 1950 bis 1953 studierte er Dirigieren bei Alexander Krannhals, Musiktheorie bei Gustav Güldenstein und Walter Müller von Kulm, Klavier bei Eduard Henneberger und Komposition bei Walther Geiser an der Musik-Akademie der Stadt Basel sowie Musikwissenschaften bei Jacques Handschin an der Universität Basel. Weitere Kompositionsstudien folgten 1953 bei Willy Burkhard (Zürich) und Boris Blacher (Salzburg) sowie 1955 bei Günter Bialas und Wolfgang Fortner an der Nordwestdeutschen Musikakademie in Detmold. In den Jahren 1956 und 1960 besuchte er die Darmstädter Ferienkurse.

Lehrtätigkeit

Von 1956 bis 1960 lehrte Kelterborn Musiktheorie an der Musik-Akademie der Stadt Basel. Von 1960 bis 1968 unterrichtete er Musiktheorie, Musikanalyse und Komposition an der Nordwestdeutschen Musikakademie Detmold. 1963 wurde er zum Professor ernannt. Von 1968 bis 1975 und von 1980 bis 1983 lehrte er am Konservatorium und der Musikhochschule Zürich. Von 1980 bis 1983 dozierte er dann an der Hochschule für Musik Karlsruhe. 1983 kehrte Kelterborn nach Basel zurück und amtete bis 1994 als Direktor der Musik-Akademie der Stadt Basel, wo er in der Folge von 1994 bis 1996 auch nochmals als Dozent für Komposition und Musiktheorie unterrichtete.

Als Gastdozent wirkte er Kelterborn u. a. in den USA (1970 und 1980), in England (1981), Japan (Kunitachi Music College Tokyo, 1986 und 1990), Südkorea (1986), China (Shanghai Conservatory of Music, 1993), Litauen (Musik- und Theaterakademie Litauens, 1998), Russland (Sankt Petersburger Konservatorium, 2001) und Deutschland (Musikhochschule Münster, 2007).

Zu seinen Schülern gehören u. a. Hartmut Fladt, Lukas Langlotz, Martin Jaggi, Christoph Neidhöfer, Andreas Pflüger, Martin Christoph Redel, Andrea Lorenzo Scartazzini, Martin Schlumpf und Alfons Karl Zwicker.

Sonstiges

Von 1969 bis 1974 war Kelterborn Chefredakteur der Schweizerischen Musikzeitung und von 1974 bis 1980 leitete er die Hauptabteilung Musik Radio des Schweizer Radio DRS. 1987 lancierte er mit Heinz Holliger und Jürg Wyttenbach das Basler Musik Forum (und war bis 1997 auch dessen Leiter). 1992 war er Composer in Residence beim Cheltenham Festival.

Seine Werke werden in ganz Europa, in den USA und in Japan aufgeführt. Daneben war Kelterborn bis 1996 auch als (Gast-)Dirigent tätig, v. a. als Interpret eigener Werke, und veröffentlichte zahlreiche musiktheoretische und analytische Aufsätze und Bücher. Sein kompositorisches Schaffen wurde in vielen Aufsätzen und Schriften gewürdigt und mit diversen Preisen ausgezeichnet.

Der Komponist und Dirigent Louis Kelterborn war sein Grosscousin.

Ehrungen und Preise

  • 1961: Förderpreis der Stadt Stuttgart
  • 1962: Bernhard-Sprengel-Preis
  • 1973: Zürcher Radiopreis (für die Sendereihe »Musik bewußt hören – Musik verstehen«)
  • 1984: Komponistenpreis des Schweizerischen Tonkünstlervereins
  • 1984: Kunstpreis der Stadt Basel
  • 1987: Mitglied der Freien Akademie der Künste Mannheim
  • 2020: Schweizer Musikpreis

Werke

Kelterborn schuf rund 200 Kompositionen aller Gattungen, darunter fünf Opern (Die Errettung Thebens, Kaiser Jovian, Ein Engel kommt nach Babylon, Der Kirschgarten und Ophelia), die Kammeroper Julia, das Ballett Relations, Orchesterwerke auch mit Soloinstrumenten, Singstimme, Elektronik, Kammermusik und Vokalwerke.

„Für mich drückt meine Musik die Fülle meines Lebens aus, die alles, was ich erlebe und fühle umfasst, vom Entsetzlichen bis zum Wunderbaren.“[2] (Rudolf Kelterborn)

„In meiner Musik spielen verschiedene Techniken von seriellen Verfahren bis hin zu einer begrenzten Aleatorik eine Rolle. In manchen Werken werden die Ausdrucksbereiche schon durch die Titel angedeutet: Nachtstücke, Phantasmen, Traummusik, Erinnerungen an Orpheus, Chiaroscuro. Der Bogen spannt sich von meditativer oder lyrischer Verhaltenheit bis zu dramatischer Expressivität, von auch kompositorisch-konstruktiv bedingter Distanziertheit bis zu elementarer Direktheit. Der ‚Inhalt‘ meiner Musik wird bestimmt durch die oft schier unerträgliche Spannung zwischen den Schönheiten dieser Welt, den unerhörten Möglichkeiten des Lebens einerseits und den Ängsten, Schrecken und Nöten unserer Zeit andrerseits.“[3] (Rudolf Kelterborn)

In einem Interview mit classicpoint.net (2013) erklärt Kelterborn, dass er seine Kompositionen in seinen inneren (Hör-)Vorstellungen entwickle, von der übergeordneten Architektur bis hin zu klanglichen Details, bevor er mit der Niederschrift beginne. Dabei halte er einzelne Aspekte in verbalen Notizen oder Noten-Skizzen fest. Bei Kompositionen mit Texten oder gar bei musiktheatralischen Stücken sei der Vorgang komplexer. Digitale Hilfsmittel benutze er keine. Weiter erläutert er, dass er für seine Werke sozusagen zwei Titel-Kategorien habe. Viele Stücke nenne er „Musik für...“, „Konzert“, „Quartett“, „Ensemble-Buch“, „Kammersonate“ usw. – das seien quasi neutrale Titel, die über Inhalt, Charakter, Ausdrucksklima nichts aussagen. Dann gebe es aber auch Überschriften wie „Traummusik“, „Phantasmen“, „Nachtstück“, „Adagio con interventi“, „Fantasien + Flashes“, welche die Assoziations-Fantasie der Zuhörerschaft in eine bestimmte Richtung lenken möchten. Ferner erwähnt Kelterborn, dass er bei jeder Kompositionsanfrage zunächst eine Bedenkzeit von einigen Wochen beanspruche. Während dieser Zeit teste er, ob ihm zum Auftrag etwas Überzeugendes einfalle, ansonsten lehne er ab.[2]

Bereits zu einem früheren Zeitpunkt erzählte Kelterborn, dass er zu neuen Einfällen und Ideen komme, indem er unnachgiebig seine Fantasie herausfordere und dabei alles sehr kritisch überprüfe. Er würde daher weniger von ‚erfinden‘ als von ‚sich-einfallen-lassen‘ sprechen – und dies betreffe alle Ebenen: von der übergeordneten Grossform und deren Gliederung über räumliche Aspekte bis hin zur kompositorischen Gestaltung der inneren Strukturen. Genaueres könne er allerdings nicht erklären.[4]

Literatur

Schriften von Rudolf Kelterborn

  • Der Komponist und seine Umwelt. In: Basler Stadtbuch 1960, S. 59-69.
  • Etüden zur Harmonielehre (in Zusammenarbeit mit Gustav Güldenstein), Bärenreiter, Kassel 1967. (vergriffen)
  • Zum Beispiel Mozart. Ein Beitrag zur musikalischen Analyse (Zwei Bände: Textteil / Notenteil). Bärenreiter, Basel 1981. (vergriffen)
  • Musik im Brennpunkt. Positionen – Analysen – Kommentare (Gesammelte Aufsätze). Bärenreiter, Kassel 1988. (vergriffen)
  • Analyse und Interpretation. Amadeus, Winterthur 1993.
  • Musiktheatermusik in unserer Zeit. In: Musiktheater heute, S. 33–46. Schott, Mainz 2003.
  • Exquisite Einfälle und meisterliche Routine. In: Nähe aus Distanz. Bach-Rezeption in der Schweiz, S. 307–319. Amadeus, Winterthur 2005.
  • Hier und Jetzt: Reflexionen und Gespräche zur kompositorischen Gestaltung. Michael Kunkel (Hrsg.). Pfau, Friedberg 2016, ISBN 3-89727-535-X.

Schriften über Rudolf Kelterborn

  • Dino Larese: Rudolf Kelterborn. eine Lebensskizze. Amriswiler Bücherei, Amriswil 1970.
  • Dino Larese: Begegnung mit Schweizer Komponisten. Amriswil 1974. S. 43–48.
  • Martin S. Weber: Die Orchesterwerke Rudolf Kelterborns. Gustav Bosse Verlag, Regensburg 1981, ISBN 3-7649-2203-6.
  • Andres Briner (Hrsg.): Rudolf Kelterborn. Komponist, Musikdenker, Vermittler. Zytglogge Verlag und Pro Helvetia, Bern/Zürich 1993, ISBN 3-7296-0452-X.
  • Sigfried Schibli: Ein Kämpfer für die Belange der Kunst. Zum Rücktritt Rudolf Kelterborns. In: Basler Stadtbuch 1994, S. 118-119.
  • Anton Haefeli: Rudolf Kelterborn. In: Komponisten der Gegenwart (KDG). Edition Text & Kritik, München 1996, ISBN 978-3-86916-164-8.
  • Hanspeter Renggli: Rudolf Kelterborn. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 2, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 985 f.
  • Susanne Kübler: Frequenzen 2. Vier Schweizer Komponisten. Rudolf Kelterborn, Ernst Pfiffner, Rolf Urs Ringger, Peter Wettstein. Rüffer + Rub, Zürich 2005.
  • Christoph Neidhöfer: Energetik und Form. Analytische Reflexionen über Rudolf Kelterborns "Four Pieces for Four Players" (2005). In: Dissonance 115 (2011), S. 18–31.

Diskografie

  • GRAMMONT CTS-P 35-2: Relations (Ballett-Konzertfassung); Streichquartett V; Fünf Gesänge (auf Gedichte von Herbert Meier; Sonata for winds)
  • MGB CTS-M 135 (Musiques Suisses): Das Ohr des Innern – Musik mit japanischen Haikus
  • MGB CTS-M120 (Musiques Suisses): Kammersinfonie Nr. 3
  • New Horizons GENUIN 14315: Kammersonate für Saxophon, Cello und Akkordeon
  • MGB CTS-M 142: Sinfonie Nr. 5 "La Notte"
  • NEOS 11118: Rudolf Kelterborn, Latest Works (Hommage à FD; Kammersinfonie 3; Ich höre mich; Konzert für Viola und Orchester).
  • MGB CD 6069 (Musikszene Schweiz): Sinfonie Nr. 4; Sonate für Cello und Klavier; Nuovi canti für Flöte und Kammerorchester.
  • MGB CD 6182 (Musikszene Schweiz): Konzert für Cello und Orchester; Namenlos; Kammerkonzert für Klarinette und 14 Instrumente.
  • Sony col legno CD 31 878: Changements pour grand orchestre; Ensemble-Buch I für Bariton und Ensemble (mit Gedichten von Erika Burkart); Fantasia a tre; Visions sonores für 6 Schlagzeuger und 6 Instrumente
  • Guild Music GMCD 7318: Klavierstücke 1-6, Solist: See Siang Wong
  • NEOS 11506: Kelterborn – Moser – Roth: Ensemble Works (Four Pieces for Four Players; Mondrian Ensemble)
  • NEOS 11903: Ensemble-Buch I; Musik mit 5 Trios; Gesänge zur Nacht; Musikkollegium Winterthur

Einzelnachweise

  1. Rudolf Kelterborn. Bundesamt für Kultur, 2020, abgerufen am 8. April 2021.
  2. a b Florian Schär: Rudolf Kelterborn im Interview. In: Classicpoint.ch. 8. Juli 2013, abgerufen am 7. April 2021.
  3. Rudolf Kelterborn. In: baerenreiter.com. Abgerufen am 8. April 2021.
  4. Marie Luise Maintz: Rudolf Kelterborn zum 80. Geburtstag. In: [t]akte. 2010, abgerufen am 8. April 2021.