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Thermodynamik

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Die Thermodynamik ist ein Teilgebiet der klassischen Physik. Sie entstand im Verlauf des 19. Jhds. auf der Grundlage der Arbeiten von James Prescott Joule, Nicolas Léonard Sadi Carnot, Julius Robert Mayer und Hermann von Helmholtz. Sie ist die Lehre der Energie, ihrer Erscheinungsform und Fähigkeit Arbeit zu leisten. Sie erweist sich als vielseitig anwendbar in der Chemie, Biologie und Technik. Mit ihrer Hilfe kann man z.B. erklären, warum bestimmte chemische Reaktionen freiwillig ablaufen und andere nicht.

Die Thermodynamik ist eine rein makroskopische Theorie, die davon ausgeht, dass sich die physikalischen Eigenschaften eines Systems hinreichend gut mit makroskopischen Zustandsgrößen beschreiben lassen.

Dabei werden intensiven Zustandsgrößen (wie Temperatur , Druck und chemische Potential ) von extensiven (wie inneren Energie , Entropie , Volumen und Teilchenzahl ) unterschieden.

Die Arbeit und die Wärme sind keine Zustandsgrößen, da sie das System nicht in eindeutiger Weise zu einem festen Zeitpunkt charakterisieren.

Die Gleichungen, die konkrete Zusammenhänge zwischen den Zustandsgrößen für spezielle physikalische Systeme (z.B. ideales Gas) liefern, heißen Zustandsgleichungen.

Die Thermodynamik kann vollständig auf vier Axiome, den vier Hauptsätzen, aufgebaut werden. Diese Axiome sind in ihrer ursprünglichen Formulierung - entsprechend ihrer Entstehung (sie beruhen auf einer großen Anzahl an konkreten Beobachtungen) - reine Erfahrungssätze. Die elegante mathematische Struktur erhielt die Thermodynamik durch die Arbeiten von Josiah Willard Gibbs, der als Erster die Bedeutung der Fundamentalgleichung erkannte und ihre Eigenschaften formulierte.

Durch die Statistische Mechanik nach James Clerk Maxwell und Ludwig Boltzmann können viele Aspekte der Thermodynamik anhand mikroskopischer Theorien bestätigt werden. In ihrer gesamten Darstellung behält sie allerdings weiterhin den ausgezeichneten Status einer eigenständigen physikalischen Theorie. Ihre Anwendbarkeit muss allerdings eingeschränkt werden auf geeignete Systeme: das sind solche, die sich aus genügend vielen Einzelsystemen zusammensetzten.


Nullter Hauptsatz

Wenn A sich mit B sowie B sich mit C im thermischen Gleichgewicht befindet, so befindet sich auch A mit C im Gleichgewicht.

Anders formuliert, das Gleichgewicht ist transitiv. Dies erlaubt es, eine neue Zustandsgröße, die empirische Temperatur einzuführen, so dass zwei Systeme genau dann die gleiche Temperatur haben, wenn sie sich im thermischen Gleichgewicht befinden. Dieses Gesetz wurde erst nach den drei anderen formuliert, obwohl es eine wichtige Basis bildet, deswegen die seltsame Nummerierung.

Erster Hauptsatz

Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik ist der Satz der Energieerhaltung: Jedes System besitzt eine extensive Zustandsgröße innere Energie . Diese kann sich nur durch den Transport von Energie in Form von Arbeit () und Wärme () über die Grenze des Systems ändern, d.h.

Die Energie eines abgeschlossenen Systems bleibt unverändert. Verschiedene Energieformen können sich demnach ineinander umwandeln, aber Energie kann weder aus dem Nichts erzeugt werden, noch vernichtet werden. Dadurch ist ein Perpetuum Mobile erster Art unmöglich.

Eine Einschränkung der Umwandelbarkeit von Wärme in Arbeit ergibt sich erst aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.

Zweiter Hauptsatz

Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass in einem abgeschlossenen System die Entropie niemals abnimmt. Für die Änderung der Entropie gilt also

Entropie ist in der Thermodynamik eine Zustandsgröße, die aus der Definition

über geeignete Ersatzprozesse berechnet werden kann. Die grundlegende Bedeutung des Satzes besteht darin, dass er den thermodynamischen Gleichgewichtszustand abgeschlossener Systeme eindeutig definiert () und damit auch spontan ablaufende thermodynamische Prozesse quantifizierbar macht.

Bei spontan ablaufenden Prozessen, die man auch irreversibel nennt, findet immer eine Entropieproduktion statt. Beispiele sind die Vermischung von zwei unterschiedlichen Gasen und der Wärmetransport von einem heißen zu einem kalten Körper. Die Wiederherstellung des (oft 'geordneter' genannten) Anfangszustandes erfordert dann den Einsatz von Energie, oder Information (siehe Maxwell'scher Dämon).

Reversible Prozesse sind nicht mit einer Produktion der Gesamtentropie verbunden und laufen daher auch nicht spontan ab.

Durch die theoretische Beschreibung spontan ablaufender Prozesse zeichnet der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik eine Richtung der Zeit aus, die mit unserer intuitiven Erfahrungswelt übereinstimmt.

Beispiel: Ein am Boden liegender Stein springt nicht in die Luft, indem er die nach dem Ersten Hauptsatz dazu notwendige Energie aus seiner eigenen Wärme nimmt. Dazu müssten die Atome des Steins, die üblicherweise völlig beliebig um ihre Ruhelage schwingen, alle gleichzeitig nach oben schwingen, was zwar nicht völlig unmöglich ist, nur so unwahrscheinlich, dass die Lebensdauer des Universums nicht ausreichen würde, um diesen Prozess auch nur einmal zu beobachten.

Wie aus den zeitlich umkehrbaren mikroskopischen Gleichungen der klassischen Mechanik (ohne Reibung) die symmetriebrechende makroskopische Gleichung folgt, wird in der Statistischen Mechanik geklärt. Zudem erhält die Entropie dort eine anschauliche Bedeutung: sie ist ein Maß der Unordnung eines Systems.


Schlussfolgerungen

Es sind viele Schlussfolgerungen möglich. Einige davon sind:

  1. Alle spontan (in eine Richtung) ablaufende Prozesse sind irreversibel.
  2. Alle Prozesse bei denen Reibung stattfindet sind irreversibel.
  3. Ausgleichs- und Mischungsvorgänge sind irreversibel.
  4. Wärme kann nicht von selbst von einem Körper niedriger Temperatur auf einen Körper höherer Temperatur übergehen. Dazu ist eine Kompensation durch andere irreversible Prozesse notwendig (z. B. Kühlschrank, Wärmepumpe).
  5. Das Gleichgewicht isolierter thermodynamischer Systeme ist durch ein Maximalprinzip der Entropie ausgezeichnet.
  6. Wärme kann nicht vollständig in Arbeit umgewandelt werden. Dies wäre eine Realisierung eines Perpetuum Mobile zweiter Art.

Statistische Interpretation

Die statistische Interpretation des Zweiten Hauptsatzes ist: ein abgeschlossenes System, sich selbst überlassen, wird immer den Zustand größter Unordnung anstreben.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Nehmen wir zunächst eine Kiste und teilen ihren Boden durch zwei zueinander senkrechte Striche in vier gleichgroße Zonen ein, die wir von 1 bis 4 durchnummerieren. Nun legen wir 5 Dominosteine in die Zone 1 und legen die Kiste in den Kofferraum eines Fahrzeuges. Nach kurzer Fahrt sehen wir uns die Lage der Steine wieder an. Im Prinzip gibt es jetzt 216 verschiedene Möglichkeiten, wie die Steine liegen können, z.B.

  • 2 Steine in Zone 1, 2 Steine in Zone 2, 1 Stein in Zone 3
  • 2 Steine in Zone 1, 2 Steine in Zone 2, 1 Stein in Zone 4
  • 2 Steine in Zone 1, 2 Steine in Zone 4, 1 Stein in Zone 2
  • usw.

Nur eine von diesen 216 Möglichkeiten entspricht der Ausgangssituation. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle 5 Dominosteine nach längerem Rütteln wieder in Zone 1 zurückkehren ist also 1:216.

Rechnet man nun ein ähnliches Beispiel mit Milliarden von Gasmolekülen, die sich in einer Kammer verteilen können, dann ist anschaulich klar, dass diese sich kaum in einer Ecke ansammeln werden, weil dies nur eine Möglichkeit von Trilliarden anderer ist. Und die überwiegende Zahl der Konfigurationen sehen so aus, dass sich in jedem Raumbereich ungefähr gleichviele Gasmoleküle aufhalten.

Andere Formulierungen

Bei Systemen, die nicht abgeschlossen sind, die also einen Wärme- und Arbeitsübertrag zulassen, gilt die ursprüngliche Formulierung nicht mehr. Es gibt, je nach äußeren Bedingungen unterschiedliche Formulierungen. Äquivalent zum Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik ist zum Beispiel die Aussage, dass bei einem an ein Wärmebad angeschlossenen System die freie Energie minimal wird.

Zum Beispiel die Erde ist auch kein abgeschlossenenes System und wird durch die Sonneneinstrahlung ständig geheizt. Für sie gilt der Zweite Hauptsatz in der ursprünglichen Fassung auch nicht.

Wärmekraftmaschinen

Ein technischer Aspekt, der mit dem Zweiten Hauptsatz zusammenhängt, ist die Umwandelbarkeit thermischer Energie in andere Energieformen. Der Ingenieur Carnot hat erstmals Untersuchungen über die Umwandelbarkeit thermischer Energie an Dampfmaschinen vorgenommen. Heute liefert der nach ihm benannte Modellprozess den theoretisch maximalen Wirkungsgrad einer Umwandlung thermischer Energie in andere Energieformen.

Da thermische Energie nicht vollständig in andere Energieformen (z.B. Strom, mechanische Energie) umgewandelt werden kann, haben sich die Begriffe Anergie und Exergie entwickelt, die kennzeichnen, welcher Teil der thermischen Energie umgewandelt werden kann (Exergie) und welcher als thermische Energie verbleiben muss (Anergie). Es gilt damit

thermische Energie = Anergie + Exergie

und der Wirkungsgrad der realen Wärmekraftmaschine ist immer kleiner oder gleich dem der idealen Wärmekraftmaschine:

wobei die Wärmebäder, an denen die Wärmekraftmaschine angeschlossen ist, die Temperaturen und aufweisen.

Der Zweite Haupstatz hat somit erhebliche technische Auswirkungen. Da viele Maschinen, die mechanische Energie liefern, diese über einen Umweg aus thermischer Energie erzeugen (z.B. Dieselmotor: Chemische Energie -> thermische Energie -> mechanische Energie), gelten für ihre Wirkungsgrade immer die Beschränkungen des 2. Hauptsatzes. Im Vergleich dazu bieten Elektromotoren, die bei der Umwandlung keine Zwischenstufe über thermische Energie gehen, erheblich höhere Wirkungsgrade.

Dritter Hauptsatz

Der Vorschlag für diese Hypothese geht auf Walther Nernst im Jahr 1905 zurück und wird auch Nernst'scher Wärmesatz genannt.

Am absoluten Nullpunkt der Temperatur ist die Entropie eines perfekten Kristalls gleich Null.

Der Dritte Hauptsatz wird auch mit "Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunktes" beschrieben. Mit der Entropie geht nämlich auch die Wärmekapazität gegen 0 was bedeutet es müssen immer größere Energiemengen aufgewendet werden um die Temperatur zu erniedrigen.

Eine andere Formulierung des Dritten Hauptsatz besagt, dass die Entropie im Falle einer Temperatur beliebig nahe Null gegen einen festen Grenzwert strebt:

wobei die Restentropie eines perfekten Kristalles im Grundzustand darstellt. ist die Boltzmann-Konstante, die Anzahl möglicher unterschiedlicher Mikrozustände im Grundzustand des Kristalls.

Zum Beispiel würde sich für einen n-atomigen Kristall, dessen Atome im Energiegrundzustand zwei mögliche Spineinstellungen haben, ergeben: .

Siehe auch

Literatur

  • Allgemein
    • H. B. Callen, Thermodynamics and an Introduction to Thermostatistics, Wiley Text Books, 2 edition 1985, ISBN: 0471862568
    • K. Stephan, Franz Mayinger, Thermodynamik, 2 Bde., Bd. 1 Einstoffsysteme, Bd. 2 Mehrstoffsysteme und chemische Reaktionen, Springer Verlag 14. Auflage 1999, ISBN: 3540642501 und 3540644814
  • Chemische Thermodynamik:
    • W. Wagner, Chemische Thermodynamik, 4. Auflage, Akademie Verlag, Berlin 1982
    • H.-H. Möbius, Chemische Thermodynamik, VEB Verlag für Grundstoffindustrie, 1973
    • H.-W. Kammer, K. Schwabe, Einführung in die Thermodynamik irreversibler Prozesse, Akademie Verlag Berlin, 1984
    • H.-J. Bittrich, Leitfaden der chemischen Thermodynamik, Verlag Chemie, Weinheim 1971
  • Technische Thermodynamik:
    • K.Langeheinecke, Thermodynamik für Ingenieure, Vieweg Verlag, Wiesbaden 2003
  • Thermodynamik in der Biologie:
    • D. Leuschner, Thermodynamik in der Biologie, Akademie Verlag, Berlin 1989