Gehörbildung
Gehörbildung ist das Kernfach der musikalischen Erziehung. Die in diesem Fach erworbenen Kompetenzen haben eine elementare Relevanz für ein großes Spektrum des Musiklebens, von den Laienchören bis zu nahezu allen professionell in der Musikbranche tätigen Personen.
Das gesangspädagogische Bedürfnis nach einem Brückenschlag zwischen dem Gesang und der musikalischen Notation, war das ursprüngliche Hauptanliegen. Dieser Bedarf bestand ebenfalls in der - zunächst ausschließlich improvisierten -Instrumentalmusik und dann auch in der Musiktheorie. Inzwischen wird der Begriff weiterhin für das Beschreiben von Musik verwendet, die nicht in konventioneller Notation vorliegt oder die man auf andere Weise darstellen oder analysieren möchte (Höranalyse). Auch für die eigene Musikproduktion sind Gehörbildungskompetenzen bei der Realisation eigenener musikalischer Vorstellungen gefragt, denn diese bedarf einer Kontrolle durch ein geschultes Gehör, sei die Musikproduktion eine Improvisation, ein konventionell notiertes bzw. elektronisch aufgezeichnetes Werk oder ein in sonstiger Weise künstlerisch realisiertes Projekt.
Der Begriff Gehörbildung wird gelegentlich gleich gesetzt mit anderen Begriffen wie beispielsweise Hörerziehung. Im fachlichen Diskurs ist eine Verwendung beider Begriffe üblich.[1] In maßgeblichen Lexika erscheint Gehörbildung als Oberbegriff für die Vielfalt der Methoden des Faches.[2]
Pädagogik
Anfangs trainiert man das Gehör, Intervalle sukzessiv und simultan zu bestimmen. Rhythmusdiktate und das Hören von Tonfolgen münden in das Melodiediktat. Im fortgeschrittenen Stadium können mehrstimmige Sätze notiert werden. Es besteht die Möglichkeit, viele Aufgaben von geeigneten Computerprogrammen gestellt zu bekommen. Des Weiteren beinhaltet die Gehörbildung auch die Erfassung verschiedener Akkordgruppen. Im fortgeschrittenen Stadium können auch komplexe Vielklänge und Toncluster bestimmt werden.
An Musikhochschulen werden die Melodiediktate zum Bestehen der Aufnahmeprüfung vorausgesetzt. Ein polyphoner Satz muss hierbei möglichst fehlerfrei nach dem Vorspielen auf dem Klavier notiert werden. Seit 2010 wird diese traditionelle Praxis vor dem Hintergrund der aufkommenden Forderung nach einer kompetenzorientierten Vermittlung von Inhalten sowohl an Schulen als auch an Musikhochschulen und Universitäten hinterfragt.[3] Ebenso ist Gehörbildung ein fester Bestandteil der Abiturprüfung im Leistungskurs Musik einiger Bundesländer.
Siehe auch
Literatur
- Ulrich Kaiser: Gehörbildung. Satzlehre, Improvisation, Höranalyse.
- Grundkurs. Bärenreiter, Kassel 1998, ISBN 3-7618-1159-4
- Aufbaukurs. Mit einem Formkapitel von Hartmut Fladt. Bärenreiter, Kassel 1998, ISBN 3-7618-1160-8
- Wissenschaftliche und pädagogische Beiträge zur Gehörbildung (Open Access)
- Art. Gehörbildung, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York: 2016 ff.
- Clemens Kühn: Gehörbildung im Selbststudium. dtv, München 1983, ISBN 3-423-30047-7
- John Leigh: Orlando. Ein multimediales Gehörbildungsprogramm Fahnauer, Dresden 2009, ISBN 978-3-941436-00-8
- Benjamin Lang (Hg.): Ganz Ohr? Neue Musik in der Gehörbildung. Con Brio, Regensburg 2013, ISBN 978-3940768-39-1
- Roland Mackamul: Lehrbuch der Gehörbildung.
- Band 1: Elementare Gehörbildung. 9. Auflage. Bärenreiter, Kassel 2005, ISBN 3-7618-0095-9
- Band 2: Hochschul-Gehörbildung. 5. Auflage. Bärenreiter, Kassel 2002, ISBN 3-7618-0096-7
- Herbert Nobis: Durch Singen zum Hören – ein Übungsbuch zur Hörerziehung, 2 Bände; Karl Heinz Möseler, Wolfenbüttel, Zürich, 1986
- Monika Quistorp: Die Gehörbildung – Das Kernfach musikalischer Erziehung, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1970
- Ute Ringhandt: Crashkurs Gehörbildung. Melodik – Harmonik – Rhythmus – Kadenz – Sequenz. Ausgabe mit mp3-CD. Schott Music, Mainz 2018, ISBN 978-3-7957-1194-8
Einzelnachweise
- ↑ Fachgemeinschaft Hörerziehung Gehörbildung
- ↑ MGG Artikel Gehörbildung
- ↑ A. Wolf, Kopiez, R., und Platz, F.: Der Status Quo der musiktheoretischen Zulassungsprüfung an Musikhochschulen: Eine testtheoretische Analyse. In: Beiträge empirischer Musikpädagogik. 3. Jahrgang, Nr. 2, Oktober 2012 (b-em.info ( des vom 4. März 2016 im Internet Archive) [abgerufen am 26. April 2013]). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.