Puppe

Eine Puppe ist eine figürliche Nachbildung eines Menschen oder übernatürlichen Wesens. Puppen gehören zu den ältesten und häufigsten Spielzeugen, sind aber auch als Sammelobjekt und Souvenir beliebt. In manchen Kulturen haben Puppen auch magische und religiöse Bedeutung. Puppen sind seit der Frühzeit der Menschheit in allen Kulturen in den unterschiedlichsten Materialien und Formen anzutreffen. Heute variiert ihre Größe meist von wenigen Zentimetern (z. B. für Puppenhäuser und Puppenstuben) bis zu Puppen in Lebensgröße (z. B. Säuglingspuppen).
Figürliche Menschendarstellungen der Bildhauerei, die zu künstlerischen, repräsentativen oder dekorativen Zwecken ohne Bezug zu Spiel oder Religion gefertigt wurden (etwa Statuen oder Büsten), werden gemeinhin nicht zu den Puppen gezählt. Puppenähnliche Nachbildungen von Tieren werden im Deutschen meist als „Plüschtier“ oder „Kuscheltier“ bezeichnet.
Historisches


Die frühesten Puppen waren zunächst keine Spielobjekte. Sie dienten verschiedenen kultischen Zwecken und hatten magische und religiöse Bedeutung. Im antiken China wurden sie aus Stroh gefertigt und als Idole oder Fetische verwendet. Im 8. Jahrhundert vor Christus und später wurden sie als Heilpuppen verwendet. Frühe Puppen waren auch aus Ton, Papiermaché, Holz, Kuhfladen, Pflanzenfasern, Stoff oder Bronze.
Aus Zeit des späten Mittelalters bis zur Neuzeit sind Puppen aus weniger vergänglichen Materialien erhalten geblieben so aus Terrakotta und Alabaster. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Ausstattungen hinzu: Puppenkleidchen, Hosen für männliche Puppen, Puppenhäuser und -stuben mit Einrichtung und im 20. Jahrhundert Puppenautos und -motorräder. Größere Puppen (etwa in Größe eines Babys) werden oft in Puppenwagen herumgefahren, bekocht, schlafen gelegt etc.
Im 15. Jahrhundert gewann die gewerbliche Herstellung an Bedeutung. In Nürnberg tauchen die ersten Dockemacher auf. (Docke zunächst ein Synonym für Spielzeug, später für Puppe). Etwa zur selben Zeit oder wenig später hat sich die Spielwaren- und Puppenproduktion nach Sonneberg ausgebreitet.

1815 ist die früheste Puppenproduktion im thüringischen Waltershausen nachgewiesen, das sich im 19. Jahrhundert rasch zum Zentrum der deutschen Puppenindustrie entwickelte. Insgesamt stellten dort von 1815 bis heute etwa 50 Produzenten Puppen, Puppenmöbel, Spielzeug, Zubehör und Verpackungen her. Darunter waren neben Kleinbetrieben so bedeutende Unternehmen wie das von Johann Daniel Kestner jun., Heinrich Handwerck, Max Handwerck, Kämmer & Reinhardt, König & Wernicke, Bruno Schmidt, Otto Gans, Seyfarth & Reinhardt. Waltershausen exportierte in über 30 Länder der Erde, die Führungsrolle seiner Puppenindustrie war in Deutschland unumstritten.
International dominierte im 19. Jahrhundert neben den Waltershäuser Herstellern die französische Puppenproduktion, die in der Qualität den deutschen Puppen vergleichbar und zeitweise überlegen war. Neuerungen des 19. Jahrhunderts waren die Einführung von Drechselmaschinen, Porzellanköpfen, Kugelgelenken, die ersten Babypuppen, der Einsatz von Gummi für Puppenkörper und Kugelgelenke als Verbindung der Glieder.
Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert begannen Künstler anspruchsvolle Puppen zu entwerfen und selbst herzustellen, die unter ihrem Namen ausgestellt und verkauft wurden, so genannte Künstlerpuppen. Die industrielle Antwort auf die Künstlerpuppenbewegung ließ indes nicht lange auf sich warten: 1909 schuf das Unternehmen Kämmer & Reinhardt die „Charakterpuppe“, die dem lebendigen Vorbild sehr ähnlich war.
Käthe Kruse sorgte ab 1910 für Aufsehen, indem sie Künstlerpuppen schuf, die zugleich den Ansprüchen der Spielpuppen gerecht wurden. Mit den pädagogischen Reformen des frühen 20. Jahrhunderts setze eine Diskussion über die Gestalt der Puppen ein, die ihr Erscheinungsbild betraf und die das Aussehen der Puppen bis heute beeinflusste.
Die Weltkriege unterbrachen die Blüte der Puppenindustrie, und nur langsam erholte sich dieser Industriezweig wieder. So auch in Thüringen und Franken, die noch immer wichtige Puppen- und Spielzeugstandorte waren. Die Umbrüche des ausgehenden 20. Jahrhunderts und die voranschreitende Globalisierung führten zum rapiden Rückgang der Puppenproduktion in diesen Regionen. Die Bedeutung der Puppen als Kunstobjekte hat seit den 1980er Jahren zugenommen. Russland, Kroatien, Deutschland, die Niederlande, England u. a. weisen hier interessante Entwicklungen auf und haben einige viel versprechende Puppenkünstlerinnen und -künstler hervorgebracht.
Formen und Arten

Die Darstellung von Menschen in Puppenform reicht vom Säugling und Kleinkind (häufigste Form) über Teenager und junge Erwachsene (Barbie) bis zu meist nur Sammelzwecken dienenden Oma- und Opapuppen.
Puppenvariationen

- Künstlerpuppen sind nach dem Entwurf eines mit Namen bekannten Künstlers gefertigt. Künstlerpuppen wurden zuerst 1908 im Kaufhaus Tietz in München ausgestellt. Berühmte Vertreter und Vertreterinnen der Künstlerpuppenbewegung waren Marion Kaulitz, Käthe Kruse, Dora Petzold, Paul Klee und die Lenci-Puppen der Italienierin Elena Scavini.
- Modepuppen stellen erwachsene Frauen (seltener Männer) dar, die mit verschiedenen Puppenkleidern eingekleidet werden. Die bekannteste Puppe dieser Art ist die Barbie des Herstellers Matell, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weltweit zum Massenspielzeug wurde. Auf Gemälden sind auch historische Puppen dieser Art als Kinderspielzeug in begüterten Kreisen belegt, etwa auf einem Familienporträt des 18. Jahrhunderts von Tibout Regters.
- Die Matroschka, auch Puppe in der Puppe, russische Puppe oder fälschlich Babuschka ist ein Satz von ineinander verschachtelten, ausgehöhlten Holzpuppen, in die immer wieder kleinere Figuren passen.
- Voodoopuppen sind einfache selbstgefertigte Menschendarstellungen, die in der westafrikanisch/karibischen Voodooreligion zu Zauberzwecken dienen.
- Der Golliwog, ein schwarzer Gnom, stellt eine Figur aus dem gleichnamigen Kinderbuch (1895) von Florence Upton dar. Die einst sehr beliebte, auf die Tradition der Minstrel Shows anspielende Figur geriet im späten 20. Jahrhundert außer Mode, als ihre rassistische Bedeutung öffentlich bewußt wurde.
- Das Monchhichi ist eine Mischung aus Stofftier und Kinderpuppe, die ab den 1970er Jahren weltweit populär wurde.
Puppen als geschlechtsspezifisches Spielzeug
Puppen galten (und gelten teilweise immer noch) als typisches Mädchenspielzeug. Ursprünglich sollten die jungen Mädchen damit auf ihre spätere Rolle aus Hausfrau und Mutter vorbereitet werden, heute dienen sie zum Spiel. Noch immer werden auch in deutschsprachigen Ländern Jungen, die gerne mit Puppen spielen oder solche sammeln, von der öffentlichen Meinung diskriminiert.
Reparatur von Puppen
Beschädigungen an Puppen werden von so genannten Puppendoktoren repariert.
Literatur
- Die Puppenwelt. Eine neue Bilderlust für kleine Mädchen. Zeh, Nürnberg 1844 (Digitalisat)
- Georgine Anka, Ursula Gauder: Die deutsche Puppenindustrie. 1815–1940. Verlag Puppen und Spielzeug, Stuttgart 1978, ISBN 3-9800172-0-6
- Manfred Bachmann, Claus Hansmann: Das grosse Puppenbuch. 6., veränderte Auflage. Edition Leipzig, Leipzig 1991, ISBN 3-361-00381-4
- Ursula Brecht: Kostbare Puppen. Kunstverlag Weingarten, Weingarten 2004, ISBN 3-8170-1026-5 (Bildband)
- Jürgen Cieslik, Marianne Cieslik: Cieslik's Lexikon der deutschen Puppenindustrie. 2. überarbeitete Auflage. Cieslik, Jülich 1984, ISBN 3-921844-20-7
- Gloria Ehret, Ulrike Heuss-Gräfenhahn, Maria-Anna Kopp: Puppen. Mit Freude sammeln. Bechtermünz, Augsburg 2001, ISBN 3-8289-0784-9 (Neuausgabe des Battenberg-Antiquätenkatalogs Puppen)
- Caroline Goodfellow: Das grosse Buch der Puppen. Über 400 Puppen aus zwei Jahrhunderten. Orbis, München 1998, ISBN 3-572-00900-6
- Martin Hoppe (Bearb.): Unikate und Kostbarkeiten aus Waltershausen. Musterbücher, Musterblätter, Puppen und Spielzeug. Hessisches Puppenmuseum, Hanau 1999, ISBN 3-9804785-10-7 (ungültige ISBN), Veränderter Auszug auch als Sonderdruck: Thomas Reinecke: Zur Geschichte der Waltershäuser Puppen- und Spielzeugindustrie. Museum Schloss Tenneberg, Waltershausen 1999
- Martin Andersen Nexø: Die Puppe und andere Erzählungen. (= Reclams Universal-Bibliothek; 293). 3. Auflage. Reclam, Leipozig 1983 (ohne ISBN)
- Marco Tosa: Puppen. Spielzeug, Kunstwerk, Sammelobjekt. Orbis, München 1997, ISBN 3-572-00829-8
Weblinks
- Hessisches Puppenmuseum in Hanau Museum mit umfangreichen Ausstellungen von der Antike bis zur Gegenwart
- Rottweiler Puppenmuseum
- Villacher Puppen- und Künstlerpuppenmuseum
- Puppenmuseum für Käthe-Kruse-Puppen in Wels
- [1] Museum Schloss Tenneberg in Waltershausen mit verschiedenen detaillierten Ausstellungen zur Geschichte der Puppenindustrie