Hisba
Die Hisbah ist im Islam eine religiöse Institution unter der Autorität des Staates für die Wahrung der Ordnung nach den Gesetzen Allahs.
Hisbah als Pflicht eines Muslim
Hisbah (حسبة, DMG ḥisba) ist die Pflicht jedes Muslims, zu gebieten, was recht ist und zu verbieten, was verwerflich ist. Dies geschieht in Anlehnung an die im Koran mehrfach geforderte Norm von: al-amr bil-ma'rùf wal-nahy 'ani 'l-munkar (siehe Suren 7,157; 9,71; 9,112; 22,41). Wenn der Mitmensch sündigt, kann jeder eine Hisbah-Klage erheben, wie es in Ägypten in den 1990er Jahren auch formaljuristisch jedem Bürger möglich war.
In der islamischen Rechtstheorie hat der Rechtsgelehrte al-Mawardi (972-1058) in seinem Buch al-Aḥkām al-sultānīya diese moralische Verpflichtung des Muslims gegenüber seinem Mitmenschen und mit Hinweis auf die oben genannte koranische Norm erstmalig beschrieben. Ihm folgten dann al-Ghazālī und Ibn Taimiya mit jeweils kurzen Beiträgen moralischen Charakters.
Hisbah als islamische Institution im Staat
Der Islam versteht sich als eine unauflösbare Einheit von Religion, Staat und islamischem Recht, der Schari'a. Der Koran fordert in Sure 3, Vers 104[1]
وَلْتَكُن مِّنكُمْ أُمَّةٌ يَدْعُونَ إِلَى الْخَيْرِ وَيَأْمُرُونَ بِالْمَعْرُوفِ
وَيَنْهَوْنَ عَنِ الْمُنكَرِ وَأُوْلَـئِكَ هُمُ الْمُفْلِحُونَ
Und aus euch soll eine Gemeinde werden, die zum Guten einlädt und das gebietet, was Rechtens ist, und das Unrecht verbietet; und diese sind die Erfolgreichen.
Der Staat und die Hisbah schützen den Muslim einerseits vor Willkür und er kann klagen, wenn er die islamische Ordnung in Gefahr sieht. Andrerseits kommt es auf die Lesart der Schari'a an, die in einigen islamischen Staaten von Fundamentalisten besetzt ist.
Muhtasib als Hisbah-Amtsinhaber
Das Hisbah-Amt gab es schon zu Lebzeiten Mohammeds. Der Muhtasib (Al-Muhtasib) ist ein dem Kadi unterstellter Marktaufseher, der dafür sorgt, dass Kaufgeschäfte mit den Grundsätzen des islamischen Rechts übereinstimmen. Das älteste erhaltene Werk, in dem dieses Amt in diesem Sinne beschrieben wird, stammt aus der Mitte des 9. Jahrhunderts und ist in Kairouan unter dem Titel Aḥkām al-sūq ("Rechtsvorschriften des Marktes") verfasst worden. Ibn Chaldun beschreibt dieses Amt und dessen Bedeutung in seiner al-Muqaddima.
Der Muhtasib kümmert sich aber auch darum, dass die Gebetszeiten, Kleidungsvorschriften, Kopftuchpflicht und Kundgebungsverbote beachtet werden und Männer und Frauen im Umgang miteinander „Sitte und Anstand“ wahren.
Einige Klagen
- Der Schriftsteller Salman Rushdie wurde am 14. Februar 1989 vom iranische Staatschef Khomeini mittels einer Fatwa zum Tode verurteilt, weil sein 1988 erschienenes Buch „Die satanischen Verse“ „gegen den Islam, den Propheten und den Koran“ sei. Salman Rushdie war vogelfrei. Khomeini rief die Moslems in aller Welt zur Vollstreckung auf. Um die Durchführung zu beschleunigen, wurde ein Kopfgeld von drei Millionen US-Dollar ausgesetzt.
- Professor Nasr Hamid Abu Zaid hat den Koran literaturwissenschaftlich erforscht. Er wurde wegen seiner Auffassung über den Koran 1995 von einem Gericht in Kairo als Abtrünniger vom Islam betrachtet und zwangsweise geschieden. Er emigrierte deshalb mit seiner Frau in die Niederlande (Details siehe en:Nasr Abu Zayd).
Hisbah Gruppen in Nigeria
Die Hisbah Gruppen sind islamisch vigilante Gruppen im Norden Nigerias. Nach der Wahl des Christen Olusegun Obasanjo zum Präsidenten von Nigeria akzeptieren seit 2000 folgende Bundesstaaten die Schari'a als ihr Rechtssystem, werden damit zu islamischen Gottesstaaten und nutzen entsprechend die Institution Hisbah:
- Nordwesten: Zamfara, Sokoto, Kebbi, Kano, Jigawa, Katsina und Kaduna
- Nordosten: Yobe, Borno, Bauchi und Gombe im Nordosten,
- Mitte: Niger.
Die Hisbah Gruppen sind nicht wohlorganisiert und stehen auch nicht unter einem zentralen Kommando. Aber sie sind häufig Auslöser heftiger Konflikte mit Christen und sonstigen Ungläubigen. Die meisten Hisbah Gruppen werden von den Regierungen ihrer theokratischen Bundesstaaten protegiert[2].
Literatur
- The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden 1965-1971, Band 3, S. 485ff
- Michael Cook: Commanding Right and Forbidding Wrong in Islamic Thought, Cambridge UP, 2000 ISBN 0-521-66174-9
- Évariste Lévi-Provençal: Trois traités hispaniques l'hisba. Institut Français d'Archéologie Orientale, Kairo 1955 (Publications de l'Institut français d'archéologie orientale du Caire. Textes et traductions d'auteurs orientaux, 2).
- Muhammad Abdel-Wahhab Khallaf: Documentos sobre las ordenanzas del zoco en la España musulmana. Extraidos del manuscrito de "al-ahkam al-kubra" del Cadi Abu-l-Asbag Isa ibn Sahl. Kairo 1985 (in arabischer Sprache).
- Jörn Thielmann: Nasr Hamid Abu Zaid und die wiedergefundene Hisba. Scharia und Qanun im heutigen Ägypten. Ergon-Verlag, Würzburg 2003, ISBN 3-89913-290-4
Weblinks
- Human Rights Watch (2004) : Human Rights and Islamic Law in Northern Nigeria
- David Smock (September 2005) Applying Islamic Principles in the Twenty-first Century: Nigeria, Iran, and Indonesia (PDF, 500 KB) aus en:United States Institute of Peace, Special Report150
- Islamic-World.Net Hisbah Institution and Al-Muhtasib
Quellen und Anmerkungen
- ↑ Projekt Gutenberg - Koran: Sure 3
- ↑ NigeriaFirst (9.4.2003): Ethnic militia groups of Nigerian societies