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Andrew Bonar Law

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Andrew Bonar Law

Andrew Bonar Law (* 16. September 1858 in Rexton, New Brunswick; † 30. Oktober 1923 in London, England) war ein britischer Politiker und Premierminister.

Im nordamerikanischen New Brunswick geboren, wurde Andrew Bonar Law nach dem frühen Tod seiner Mutter mit zwölf Jahren von Verwandten mütterlicherseits nach Schottland geholt, wo er in mittelständischen Verhältnissen aufwuchs und früh mit Politikern der Conservative Party in Kontakt kam. Nach einer Ausbildung im Bankgeschäft seiner Verwandten wurde er 1885 Teilhaber eines Metallverarbeitungsunternehmens und kam zu Wohlstand. 1900 wurde er für die Konservativen ins britische Unterhaus gewählt. Er schloss sich dem von Joseph Chamberlain geführten Parteiflügel an, der für eine Abkehr des damals herrschenden Freihandelsdogmas und eine politische Union unter den Commonwealth-Staaten warb. Nach der verheerenden Niederlage bei den Unterhauswahlen von 1906 und dem gesundheitsbedingten Rückzug Joseph Chamberlains stieg er schnell zu einem der führenden Exponenten seiner Partei auf. 1911 wurde er zum Führer der Konservativen im Unterhaus gewählt.

In den folgenden Jahren führte er seine Partei in immer heftigere politische Auseinandersetzungen um die sozialen Reformvorhaben der regierenden Liberalen. Bei der leidenschaftlich umstrittenen Frage der Selbstverwaltung Irlands (Home Rule) führte Bonar Laws gemeinsame Agitation mit dem konservativen Demagogen Edward Carson Großbritannien bis an den Rand eines Bürgerkriegs, bis der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 zu einem Stillhalteabkommen in der Parteipolitik führte. 1915 traten Bonar Law und die Konservativen in eine Koalitionsregierung unter dem liberalen Premierminister H. H. Asquith ein. Nach Differenzen über die Fortführung des Krieges fanden sich Bonar Law, der liberale Kriegsminister David Lloyd George und Carson zusammen und stürzten Asquith. In der folgenden Koalitionsregierung unter dem neuen Premier Lloyd George avancierte Bonar Law zum zweiten Mann, bis ihn 1921 gesundheitliche Gründe zum Rücktritt vom Amt des Parteivorsitzenden und zum Ausscheiden aus der Regierung zwangen.

Im Oktober 1922 kehrte er jedoch auf die politische Bühne zurück und beteiligte sich beim Carlton-Club-Treffen an der erfolgreichen Parteirevolte gegen die konservative Parteiführung und die weitere Koalition mit den Liberalen um Lloyd George. Daraufhin wurde er zum Premierminister einer neu gebildeten konservativen (Allein–)regierung. An Krebs erkrankt, trat er bereits im Mai 1923 zurück und starb nur wenige Monate später.

Herkunft

Das Haus in New Brunswick, in den Bonar Law aufwuchs

Law wurde geboren in Rexton (damals noch Kingston genannt) in New Brunswick, welches damals noch kein Teil von Kanada war, als vierter Sohn von Reverend James Law und Elizabeth Annie Kidston Law.[1] Sein Vater war ein schwermütiger presbyterianischen Geistlicher, der aus der nordirischen Provinz Ulster stammte. Seine Mutter starb, als Bonar Law gerade zwei Jahre alt war. Seine unverheiratete Tante, Janet Kidston, übersiedelte daraufhin aus dem schottischen Glasgow und übernahm im Haushalt die weibliche Rolle. Als Bonar Law zwölf Jahre alt war, heiratete sein Vater erneut; Janet Kidston entschloss sich daraufhin nach Glasgow zurückzukehren, schlug jedoch vor, dass sie den jungen Bonar Law mit sich nehmen könnte, da die Familie mütterlicherseits finanziell bessergestellt sei.[2] Sowohl James Law als auch sein Sohn stimmten zu und der junge Bonar Law wuchs in der Folge in Schottland bei reichen Cousins aus der im Bankgeschäft tätigen Familie seiner Mutter auf. Sein Vater war 1877 aufgrund schlechter Gesundheit gezwungen, nach Ulster zurückzukehren, wo er regelmäßig von seinem Sohn besucht wurde. Fünf Jahre später starb er jedoch.[3] Auf seinen Sohn übten die Besuche in Ulster einen nachhaltigen Eindruck aus; zeitlebens blieb er Ulster emotional eng verbunden und stellte sich später instinktiv sofort auf die Seite Ulsters, als es um die politische Zukunft Irlands ging.

Nach dem Besuch der Gilbertfield-Vorbereitungsschule[4] besuchte Bonar Law die High School of Glasgow, wo er sich unter anderem durch sein Talent in Sprachen auszeichnete.[5] 1875 verließ er die Schule, da seine Cousins ihm einen Posten in ihrem Büro in Glasgow offerierten.[6] Durch sie kam Law auch früh in Kontakt mit diversen Größen der Konservativen Partei, denn die Kidstons waren, im Gegensatz zur Mehrheit ihres Handelsstandes in Glasgow, begeisterte Anhänger der „Tories“.[7] Sein Interesse an Politik stellte er jedoch in den nächsten Jahren zurück, da unter den damaligen Bedingungen finanzielle Unabhängigkeit eine fast unerlässliche Voraussetzung für eine politische Karriere war – politische Ämter waren in fast allen Bereichen nahezu unbezahlt. Schließlich wurde Bonar Law im Jahr 1885 Teilhaber eines schottischen Metallverarbeitungsunternehmens, welches schnell prosperierte.[8]

Ehe & Familie

Im Jahr 1890 lernte Bonar Law Annie Pitcairn Robley kennen, die er im März 1891 heiratete. Seine Frau wird als lebensfrohe Frau beschrieben, die auf den als nüchtern und hart beschriebenen Charakter einen mildernden Einfluss hatte und ihn erstmals für soziale Anlässe wie Tanzveranstaltungen und Bälle verpflichten konnte.[9] Bonar Law selbst, ein Abstinenzler in Fragen des Alkoholkonsums, verbrachte ansonsten seine Freizeit vor allem mit Schach und Golf.

Aus der Ehe gingen 7 Kinder hervor, von denen das erste eine Totgeburt war: James Kidston (1893–1917), Isabel Harrington (1895–1969), Charles John (1897–1917), Harrington (1899–1958), Richard Kidston (1901–1980) und Catherine Edith (1905–1992). Charles wurde als Infanteriesoldat im Ersten Weltkrieg bei der Zweiten Schlacht um Gaza im April 1917 getötet; im September 1917 fiel auch sein besonders geliebter Sohn James an der Westfront. Der jüngste Sohn Richard trat in die Fußstapfen seines Vaters und wurde später konservatives Unterhausmitglied und Minister. Die Tochter Isabel heiratete Frederick Sykes, nachdem sie eine zuvor bestehende Verlobung mit Keith Murdoch gelöst hatte. Die jüngste Tochter Catherine war zweimal verheiratet, zunächst mit Kent Colwell, danach mit George Archibald.

1909 verstarb seine Frau nach einer Operation an der Gallenblase. Der Verlust bedeutete einen schweren Schlag für Bonar Law, von dem er sich nie ganz erholte.[10] Er blieb für den Rest seines Lebens Witwer.[11]

Erste politische Schritte

Karikatur Bonar Laws im Spy-Magazin (1905)

1897 wurde er gefragt, ob er ein Kandidat der Konservativen Partei werden wolle.[12] 1898 wurde er offiziell als Kandidat für einen der sieben Wahlkreise von Glasgow vorgestellt. Er wurde bei den vorzeitig ausgerufenen Unterhauswahlen im Jahr 1900 als Parlamentsabgeordneter gewählt.[13] Seine erste Rede hielt er im Februar 1901. Während die meisten Tories der damaligen Zeit eher einen klassischen Hintergrund hatten und somit die Eliteschulen und renommierten Universitäten durchlaufen hatten,[14] war Bonar Law mit seinem rein wirtschaftlichen Hintergrund beinahe sofort prädestiniert für ein Amt; von 1902 bis 1905 wurde er parlamentarischer Staatssekretär im Handelsministerium.

Bonar Law schloss sich schnell dem protektionistischen Flügel der Partei an, der von Joseph Chamberlain angeführt wurde und den er offen bewunderte.[15] Chamberlain propagierte eine Abkehr vom Freihandelsdogma und Errichtung von Zollhandelschranken, von denen die Dominions (unter dem Schlagwort “Imperialer Präferenz”) ausgenommen sein sollten. Dahinter stand seine Vision einer weitergehenden Union zwischen Großbritannien und seinen Dominions (Kanada, Südafrika, Australien und Neuseeland), die er mit einer Zollunion begründen wollte; diese würde in seinen Augen irreversibel sein und zu einer politischen Union führen.[16] Bonar Law war sofort offen für die Idee von Zollschranken und wurde zu einem starken Befürworter von Chamberlains Ideen.[17] Als Chamberlain sich 1906 aufgrund eines schweren Schlaganfalls aus der Politik zurückzog, führte Law zusammen mit Chamberlains Sohn Austen diesen Parteiflügel an. Während Chamberlains Ideen innerhalb der Konservativen bald mehrheitsfähig waren, wurde das Thema bei Wahlen niemals mehrheitsfähig. Bei einem großen Teil der Arbeiterklasse waren Zölle ungemein unbeliebt, da sie die Zufuhr von günstigen Lebensmitteln eingeschränkt hätte; ebenso fühlten sich die Rentner der Mittelschicht von der Idee bedroht, da sie eine Verminderung der Kaufkraft ihrer fixen Renten befürchteten. Ebenso einte Chamberlains Kampagne die zuvor zerstrittene Liberale Partei, traditionell ein starker Befürworter des Freihandels.[18] Bei den Wahlen von 1906 – die letzte Unterhauswahl, die sich noch über mehrere Wochen erstreckte –, gewannen die Liberalen in einem erdrutschartigen Sieg die Unterhauswahl.[19]

1910 folgte Law dem Ruf der Partei, gab seinen sicheren Sitz in Dulwich auf und trat im umkämpften Wahlkreis von Nordwest-Manchester an, um als Spitzenkandidat die Position der Tories in Lancashire zu stärken. Er forderte Winston Churchill heraus, gegen ihn in einem Kampf um den Parlamentssitz anzutreten – der Verlierer sollte sich in einem Gentleman’s Agreement bereitfinden, sich während der ganzen folgenden Parlamentssession aus der Politik zurückzuziehen. Churchill lehnte dies jedoch ab.[20] Auch wenn die Tories in Lancashire Boden gutmachen konnten, verlor Law in Nordwest-Manchester. Sechs Wochen später gewann Law jedoch eine Nachwahl in Bootle und zog erneut ins Unterhaus ein.[21] 1911 trat Arthur Balfour als Parteichef der Konservativen zurück. Aufgrund einer Pattsituation zwischen den beiden führenden Kandidaten für die Nachfolge, Austen Chamberlain und Walter Long, wurde Law als Kompromisskandidat beim kurzfristig anberaumten Treffen im Londoner Carlton Club von den konservativen Unterhausmitgliedern zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt.

Parteiführer

Bonar Laws Aufstieg kam zu einem Zeitpunkt, als sich das britische Parteiensystem in einer Krise schien und der normale parlamentarische Prozess zunehmend kritisch hinterfragt wurde. Diverse große Problemfelder schienen das Parteiensystem vor unlösbare Aufgaben zu stellen: Militante Gewerkschaften, die eine Serie von großen Streiks initiierten, radikale Sufragetten, die auf zum Teil militanten Wegen ein Frauenwahlrecht erzwingen wollten, die schwebende Frage um die irische Selbstverwaltung, dazu zunehmende internationale Krisen und das andauernde Flottenwettrüsten mit dem aufstrebenden kaiserlichen Deutschland. All dies sorgte für den Ruf nach ungewöhnlichen Lösungen. So hatte es teils die Idee nach einer großen Koalition gegeben; im März 1910 hatte Lloyd George diese auch vorgeschlagen, war jedoch schließlich von Balfour zurückgewiesen worden. Gleichzeitig gab es das Verlangen nach einem Caesarismus, der die Probleme lösen könnte und sich an der Person Alfred Milners festmachte.[22] Nach drei verlorenen Wahlen in Folge war die Unruhe besonders in der Konservativen Partei groß und führte zu einer teilweisen Radikalisierung des rechten Parteiflügels, der zunehmend nach radikaleren Maßnahmen strebte und auch außerparlamentarische Prostete und Aktionen befürwortete, um die Gesetzgebungsmaßnahmen der Liberalen zu bekämpfen. Die beiden Parteiführer Bonar Law und Lord Lansdowne konnten sich dadurch ihrer Position nicht sicher sein. Obwohl nun Führer der Konservativen im Unterhaus, musste er sich die Parteiführung mit Lord Lansdowne (dem Führer der Konservativen im Oberhaus) teilen.[23]

Bei den einfachen Parteimitgliedern wurde er bald populär, da er – im Gegensatz zu Balfour, der oft eher zu vergeistigten Ausführungen neigte – im Unterhaus einen harschen, kämpferischen Ton anschlug und die Liberale Regierung hart anging.[24] Inwieweit dies wirklich Bonar Law entsprach, ist unklar. Sein Biograf Robert Blake charakterisiert Bonar Law als einen Kämpfer; auf der anderen Seite beschrieb Asquith eine Episode zu Beginn der Parlamentseröffnung im Februar 1912, als beide von der Thronrede des Königs ins Unterhaus zurückkehrten und Bonar Law sich entschuldigend äußerte: „Es tut mir leid, aber ich muss mich in dieser Session sehr brutal zeigen, Mr. Asquith. Ich hoffe, sie verstehen dies.“[25]

Bereits im Januar 1912 kam es zu einer ersten großen Konfrontation, als die Liberalen die Entstaatlichung der Walisischen Kirche – ein wichtiges liberales Reformprojekt – im Unterhaus ankündigten. Da in Wales nur eine Minderheit der Bevölkerung der Anglikanischen Kirche angehörte, erhoben Dissenter und Nonkonformisten die Forderung, dass die walisische Anglikanische Kirche ihren Status als Staatskirche verlieren solle. Ein gleichartiger Schritt war 1869 in Irland erfolgt, was eine ähnliche Lösung für Wales logisch erscheinen ließ.[26] Bonar Law und die Konservativen sahen in dem konkreten Liberalen Gesetzesentwurf (der das Eigentum der Staatskirche umwandeln sollte) für Wales allerdings einen Angriff auf das Privateigentum.[27] Bonar Law klagte die Liberalen deshalb „destruktiver Gewalt“ an und verurteilte scharf ihren Angriff auf die Besitztümer der Staatskirche.

Sticker von Ulster-Loyalisten, die damit gegen die irische Selbstverwaltung protestieren wollten.

Der Streit um die Frage der irischen Home Rule, das eine Selbstverwaltung Irlands vorsah, war für Bonar Law eine Herzensangelegenheit. Er war ein erbitterter Gegner dieser umstrittenen Vorlage.

Nach den beiden Unterhauswahlen von 1910 waren Asquiths Liberale aufgrund ihrer reduzierten Mehrheit auf die Unterstützung von Labour und auch der irischen Nationalisten (IPP) um John Redmond angewiesen. Letztere wollten eine irische Selbstverwaltung in Irland (Home Rule) einführen. Gegen dieses Anliegen wehrten sich einerseits die anglo-irischen Lords, die über umfangreichen Landbesitz in Irland verfügten. Zum anderen opponierte auch die schottisch-protestantische Bevölkerung, die seit Jahrhunderten die große Mehrheit in den meisten Counties der nordirischen Provinz Ulster stellten.[28] Die dortige Bevölkerung machte im Fall einer Selbstverwaltung Irlands für sich eine eigenständige Lösung, also eine Abtrennung Ulsters vom Rest Irlands, geltend. Dies wollten jedoch sowohl die Liberalen wie auch die irischen Befürworter einer irischen Selbstverwaltung aus ökonomischen Gründen nicht akzeptieren – ohne den generierten Wohlstand aus dem industriell geprägten Belfast und Umgebung erschien der Rest Irlands ökonomisch zum Scheitern verurteilt.[29]

Asquith brachte das Gesetz zur Selbstverwaltung Irlands Anfang April 1912 im Unterhaus ein.[30] Bonar Law als Oppositionsführer beantwortete Asquith in seiner Rede äußerst feindselig. Zwei radikale rechte Pressure Groups, die Union Defense League und die British League for the Support of Ulster and the Union, gewannen zunehmend an Einfluss. Während erster von Walter Long 1907 gegründet worden war, war letztere durch Lord Willoughby de Broke (einem extrem rechtsgerichteten Peer) ins Leben gerufen worden.[31]

Erster Weltkrieg

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs einigte sich Bonar Law mit Asquith, dem Parteiführer der regierenden Liberalen, auf eine nichtkonfrontative Politik für die Dauer des Krieges.[32] Infolge der Munitionskrise des Frühjahrs 1915 (shell crisis) und dem durch die sogenannte Dardanellenstrategie (mit dem Ziel, das Osmanische Reich vorzeitig aus dem Krieg zu drängen) verursachten Rücktritt des Ersten Seelords John Fisher kam dieses Stillhalteabkommen immer mehr an seine Grenzen. Asquith willigte im Mai 1915 in die Bildung einer Koalitionsregierung ein. Während Law von einigen einfachen Parteimitgliedern (erfolglos) bestürmt wurde mit Bitten um ein Amt, verzichteten er und andere namhafte Parteigänger darauf, mit Asquith um wichtige Posten zu kämpfen und gaben sich im Interesse der Sache zumeist mit weniger wichtigen Kabinettsposten zufrieden.[33] Er selbst erhielt den untergeordneten Posten des Kolonialministers (Secretary of State for the Colonies), ferner wurde er Mitglied des Dardanellen-Komitees, welches den maßgeblichen Kriegsrat darstellte. Umgekehrt forderten Law und die Konservativen das Ausscheiden von Churchill und Asquiths Freund Richard Haldane aus dem Kabinett.

Andrew Bonar Law, Gemälde von 1924. Porträtstudie von James Guthrie für Statesmen of World War I.

1916 hatte Law die Chance, Premierminister zu werden, als er entscheidend am Sturz Asquiths mitwirkte. Vorerst entschloss er sich aber, David Lloyd George als neuen Premier zu fördern. In dessen Regierung war er zunächst Schatzkanzler und zugleich Mitglied des inneren Kriegskabinetts. Gleichzeitig übernahm die Rolle des Leader of the House of Commons. Während Lloyd George sich auf die unmittelbare Kriegspolitik konzentrierte, organisierte Law die meisten übrigen Politikfelder. Im Verlauf des Krieges wurden seine beiden älteren Söhne im Krieg getötet; Law, zuvor bereits durch den Tod seiner Frau tief getroffen, erholte sich niemals von diesem Verlust, verblieb jedoch aus Pflichtgefühl im öffentlichen Leben.[34][35] Bei Kriegsende trat er als Schatzkanzler zurück und übernahm den weniger anspruchsvollen Posten des Lordsiegelbewahrers.

Rücktritt

1921 zwang ihn sein schlechter Gesundheitszustand zum Rücktritt aus der Regierung und als Parteichef; sein Arzt hatte anhaltenden hohen Blutdruck attestiert. Austen Chamberlain übernahm sein Amt als konservativer Führer im Unterhaus. Bonar Law behielt lediglich seinen Sitz im Unterhaus, zog sich aber für einige Monate zurück und reiste zur Rekonvaleszenz nach Paris.

Im Zuge der Chanakkrise schrieb Law einen Leserbrief an die Times, in dem er äußerte, Großbritannien könne nicht der Weltpolizist sein.[36] Damit versetzte er der Koalition, die ohnehin bei den konservativen Hinterbänklern äußerst unbeliebt war, einen schweren Schlag.

Premierminister

Im Oktober 1922 wurde Law überraschend Premierminister, als beim sogenannten Carlton-Club-Treffen von 1922 von Stanley Baldwin angeführte Hinterbänkler der Konservativen mit Laws Unterstützung die Koalitionsregierung von David Lloyd George zu Fall brachten.

Nach dem Rücktritt von Lloyd George beriet sich Chamberlain mit seinen Anhängern und schloss sich bald Lloyd George an. Die Gruppe – neben Chamberlain auch Balfour und Lord Birkenhead, Sir Robert Horne und der Earl of Crawford – baute darauf, dass ohne sie keine Regierung gebildet werden könne. Durch diese Weigerung vieler prominenter Koalitionsanhänger, in die neue Regierung einzutreten, stützte sich Bonar Law bei seiner Kabinettsbildung vor allem auf Außenminister George Nathaniel Curzon und Stanley Baldwin als Schatzkanzler. Dazu beförderte er einige ehemalige Juniorminister aus der letzten Regierung, die gegen die Koalition gestimmt hatten, welche hauptsächlich dem linken Flügel der Konservativen zuzurechnen waren. Zudem suchte er einen internen Fraktionsausgleich und berief er mit Lord Salisbury den Anführer des aristokratischen rechten Parteiflügels, der „Die-hard“-Gruppe, als Lordpräsident des Rates (Lord President of the Council) in sein Kabinett.[37] Da Chamberlain und seine Anhänger die Regierungsbildung boykottiert hatten, war Bonar Laws Kabinett nur mit wenigen erfahrenen Politikern besetzt.[38] Der zusammen mit Lloyd George gestürzte Winston Churchill nannte die Regierung deshalb abschätzig „eine Regierung der zweiten Elf“,[39] während Lord Birkenhead die Riege der Minister „als zweitklassige Köpfe“ abtat.[40]

Im Gegensatz zu Lloyd George, der die Außenpolitik für sich reservieren wollte, zeigte sich Bonar Law zufrieden, Curzon die Außenpolitik allein zu überlassen. Da dieser jedoch im Nachgang zur Chanakkrise auf der Konferenz von Lausanne die britischen Interessen vertrat, musste sich Bonar Law mit der Frage der deutschen Reparationen auseinandersetzen; der französische Präsident Raymond Poincaré drängte auf eine Lösung und drohte anderenfalls mit einer Besetzung des Ruhrgebiets.[41] Bei zwei Konferenzen (zunächst in London, gefolgt von Paris) der alliierten Mächte versuchte Bonar Law eine Begrenzung der deutschen Reparationen zu erreichen, scheiterte an jedoch an Poincarés Widerstand, der sich bereits auf eine französische Ruhrbesetzung festgelegt hatte.[42] Auch mit grundlegenden Problemen wie der großen Arbeitslosigkeit wurde Law in dieser späten Phase seines politischen Schaffens nicht mehr fertig. In der Zwischenzeit war Law an Kehlkopfkrebs erkrankt; nicht mehr in der Lage, im Unterhaus zu sprechen, trat er am 22. Mai 1923 zurück.

Tod

Ende Oktober 1922 zog er sich als Resultat seiner Erkrankung eine septische Lungenentzündung zu; wenige Tage später, am 30. Oktober 1923, verstarb er.[43] Seine Urne wurde in der Westminster Abbey beigesetzt. Der anwesende Asquith äußerte dabei, es sei „passend, dass der unbekannte Premierminister gleich neben dem unbekannten Soldaten beerdigt werde“.[44]

Forschungsgeschichte

Aufgrund seiner kurzen Zeit als Premierminister gilt Bonar Law heute als vergessener Premierminister. Im Jahr 1932 erschien erstmals eine Biographie von H. A. Taylor (The Strange Case of Andrew Bonar Law, London, 1932) über ihn, die ebenfalls schnell in Vergessenheit geriet. 1955 gab Lord Beaverbrook als Nachlassverwalter den Anstoß für Robert Blakes Biografie über Andrew Bonar Law; Blake wählte als Titel seiner hochgelobten Biographie Asquiths abschätziges posthumes Urteil. Blake attestierte, dass Bonar Law weder ein brillanter noch besonders origineller Kopf gewesen sei; dennoch sei er Dank einer schnellen Auffassungsgabe und einer klaren Darstellungskraft, vor allem aber auch seiner Fähigkeit, Respekt und Zuneigung durch seine Zeitgenossen zu gewinnen als Politiker der höchsten Klasse anzusehen. Zudem habe er in seiner späteren Karriere die Debatten dank seiner Debattenstärke im Unterhaus mit zunehmender Kraft beherrscht.[45]

Literatur

Biographien

  • R.J.Q. Adams: Bonar Law. Stanford University Press, 1999, ISBN 978-0-8047-3716-6.
  • Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955.
  • Andrew Taylor: Bonar Law. (20 British Prime Ministers of the 20th Century). Haus Publishing, London 2006, ISBN 978-1-904950-59-2.
  • Sil-Vara: Englische Staatsmänner. Ullstein, Berlin 1916, S. 183–191

Sonstige Literatur

  • Robert Blake: The Conservative Party from Peel to Major. Faber and Faber, London 1997, ISBN 0-571-28760-3.
  • Michael Kinnear: The Fall of Lloyd George: The Political Crisis of 1922. Macmillan, London 1973, ISBN 1-349-00522-3.
  • David Powell: British Politics, 1910–1935: The Crisis of the Party System. Routledge, Abingdon 2004, ISBN 978-0-415-35106-5.
  • Daniel Ziblatt: Conservative Parties and the Birth of Democracy. Cambridge University Press, Cambridge 2017, ISBN 978-0-521-17299-8.

Enzyklopädieartikel

Commons: Andrew Bonar Law – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Andrew Bonar Law – Zitate (englisch)

Einzelnachweise

  1. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 17.
  2. R.J.Q. Adams: Bonar Law. Stanford University Press, 1999, S. 6.
  3. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 22.
  4. Andrew Taylor: Bonar Law. (20 British Prime Ministers of the 20th Century). Haus Publishing Ltd., London 2006, S. 6.
  5. R.J.Q. Adams: Bonar Law. Stanford University Press, 1999, S. 7.
  6. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 24.
  7. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 28.
  8. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 32.
  9. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 35 f.
  10. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 60 f.
  11. R.J.Q. Adams: Bonar Law. Stanford University Press, 1999, S. 17.
  12. R.J.Q. Adams: Bonar Law. Stanford University Press, 1999, S. 18.
  13. R.J.Q. Adams: Bonar Law. Stanford University Press, 1999, S. 19.
  14. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 45.
  15. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 42.
  16. Robert Blake: The Conservative Party from Peel to Major. Faber and Faber, London 1997, S. 176 f.
  17. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 47 ff.
  18. Robert Blake: The Conservative Party from Peel to Major. Faber and Faber, London 1997, S. 180 f.
  19. Roy Jenkins: Mr. Balfour’s Poodle. Bloomsbury Reader, London 2012, S. 9.
  20. Roy Jenkins: Churchill. Macmillan, London/Basingstoke/Oxford 2001, S. 192.
  21. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 24.
  22. Robert Blake: The Conservative Party from Peel to Major. Faber and Faber, London 1997, S. 190 f.
  23. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 92.
  24. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 93 f.
  25. Stephen Bates: Asquith. (20 British Prime Ministers of the 20th Century). Haus Publishing, London 2006, S. 86.
  26. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 138.
  27. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 138 f.
  28. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 122 f.
  29. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 124.
  30. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 127.
  31. Daniel Ziblatt: Conservative Parties and the Birth of Democracy. Cambridge University Press, Cambridge 2017, S. 150.
  32. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 227.
  33. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 253 f.
  34. Andrew Taylor: Bonar Law. (20 British Prime Ministers of the 20th Century). Haus Publishing Ltd., London 2006, S. 12.
  35. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 225.
  36. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 448.
  37. Maurice Cowling: The Impact of Labour 1920–1924: The Beginning of Modern British Politics. Cambridge University Press, Cambridge 1971, S. 238 f.
  38. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 461 f.
  39. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 463.
  40. David Powell: British Politics, 1910–1935: The Crisis of the Party System. Routledge, Abingdon 2004, S. 118.
  41. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 483 f.
  42. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 485 f.
  43. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 530.
  44. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 531.
  45. Robert Blake: The Unknown Prime Minister: The Life and Times of Andrew Bonar Law, 1858–1923. Eyre and Spottiswoode, London 1955, S. 534.
VorgängerAmtNachfolger
David Lloyd GeorgeBritische Premierminister
1922–1923
Stanley Baldwin