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Varusschlacht

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Die Varusschlacht oder Schlacht im Teutoburger Wald fand im Jahre 9 n. Chr. statt. Die Soldaten der Römer erlitten eine vernichtende Niederlage gegen die Germanen. Die Schlacht stellte einen Einschnitt für die auch später noch fortdauernden Versuche des Römischen Reiches dar, Germanien zu einer römischen Provinz zu machen.

Historischer Hintergrund und Verlauf der Schlacht

Vorgeschichte

Die Vorgeschichte dieser für das deutsche Selbstverständnis entscheidenden Auseinandersetzung begann mit einer Landkarte des Marcus Vipsanius Agrippa, einem engen Vertrauten des Kaisers Augustus, über die Gebiete östlich des Rheines. Diese Landkarte stellte das damals bekannte geografische Wissen über die Erdoberfläche zusammen und wurde auch zu propagandistischen Zwecken innerhalb der regierenden Kreisen genutzt. Auf der Karte war die Entfernung über Land bis zum Chinesischem Meer mit umgerechnet 5.000 km angegeben - tatsächlich beträgt die Entfernung 12.500 km. Noch folgenschwerer war die Abweichung der Darstellung in Nord-Süd-Richtung: Sie betrug in der Karte nur 600 km und war damit gegenüber der Wirklichkeit von 6.000 km viel zu gering. Außerdem nahm man bei den Römern eine beinahe völlig unbesiedelte Gegend östlich des Rheines an, was sich in der Folge als unzutreffend erwies. So begann die Planung der Germanenfeldzüge mit einem Irrtum, der letztendlich in die Katastrophe führte.

Die Eroberung der Gebiete zwischen Rhein und Elbe

Nach der Unterwerfung Germaniens zwischen Rhein und Elbe in den Jahren 12 v. Chr. bis 9 v. Chr. durch Drusus, einem Stiefsohn des Augustus, errichteten die Römer eine Reihe von befestigten Legionslagern in Germanien und schlossen mit den Germanen Bundesverträge. Wenn auch der Landstrich zwischen Rhein und Elbe noch nicht als neue römische Provinz betrachtet werden konnte, sollte mit den errichteten Festungen die eroberten Landstriche gefestigt werden. Ziel von Augustus war es, die Reichsgrenze auf die Linie Elbe-Donau auszudehnen, da sie um einiges kürzer war als die bis dahin bestehende Rhein-Donau-Grenze. Im Jahre 9 v. Chr. schien es, als hätte Augustus dieses Ziel erreicht. Nach einigen Jahren der Ruhe wurde Publius Quinctilius Varus nach Germanien versetzt, um dort das römische Recht und insbesondere das römische Steuerrecht einzuführen. Varus wurde als erfahrener Militär und Verwaltungsfachmann dorthin versetzt.

Varus bringt die germanischen Stämme gegen sich auf

Varus wurde im Jahr 7 n. Chr. ernannt. Sein Amt übte er offenbar mit wenig Feingefühl und Rücksicht auf germanische Gepflogenheiten aus. Der griechische Historiker Cassius Dio beschreibt über die Situation der Römer vor Ort und die von Varus begangenen Fehleinschätzungen:

"Die Römer besaßen zwar einige Teile dieses Landes, doch kein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie es gerade zufällig erobert hatten ... Ihre Soldaten bezogen hier ihre Winterquartiere, Städte wurden gegründet und die Barbaren paßten sich der römischen Lebensweise an, besuchten die Märkte und hielten friedliche Zusammenkünfte ab. Freilich hatten sie auch nicht die Sitten ihrer Väter, ihre angeborene Wesensart, ihre unabhängige Lebensweise und die Macht ihrer Waffen vergessen. Solange sie alllmählich und behutsam umlernten, fiel ihnen der Wechsel ihrer Lebensweise nicht schwer - sie fühlten die Veränderung nicht einmal. Als aber Quinctilius Varus den Oberbefehl über Germanien übernahm und sie zu rasch umformen wollte, indem er ihre Verhältnisse kraft seiner Amtsgewalt regelte, ihnen auch sonst wie Unterworfenen Vorschriften machte und insbesondere von ihnen wie von Untertanen Tribut eintrieb, da hatte ihre Geduld ein Ende."

Arminius als Gegenspieler von Varus

Sein Gegenspieler war Arminius, ein Fürst der Cherusker. Arminius war in seiner Jugend als Geisel nach Rom gekommen und dort zum römischen Offizier ausgebildet worden. Er galt als verlässlicher Bundesgenosse und Vertrauter der Römer. Er wurde unter anderem in den römischen Ritterstand erhoben. Seine intensiven Kenntnisse des römischen Militärwesens befähigten ihn, dem römischen Heer eine der empfindlichsten Niederlagen beizubringen. Anders als sein Bruder, der Rom immer treu bleiben sollte, wandte sich Arminius gegen die römische Oberherrschaft in seinem Heimatland.

Da Varus durch sein ungeschicktes Taktieren das Ehrgefühl der germanischen Stämme verletzt hatte, gelang es Arminius, die verfeindeten Stämme der Cherusker, Marser, Chatten und Brukterer zu einem Bündnis zu bewegen. Arminius war auch in der Lage gewesen, den germanischen Stämmen die Schwachstellen der römischen Militärtechnik deutlich zu machen.

Arminius selber spielte ein gefährliches Doppelspiel. Er wiegte Varus in dem Glauben, er sei ein treuer Verbündeter Roms. Er war darin so überzeugend, dass noch nicht einmal die Warnung des Fürsten Segestes an Varus ernst genommen wurde, Arminius plane einen Verrat gegenüber Rom. Segestes war der Vater von Thusnelda, der Ehefrau von Arminius, der diese gegen den Widerstand ihres Vaters geheiratet hatte. Arminius konnte daher Varus davon überzeugen, dass Segestes Hinweis nur das Resultat eines internen Familienzwists sei. Seine Rolle als treuer Verbündeter Roms spielte Arminius so überzeugend, dass Varus ihm sogar die Führung von Hilfstruppeneinheiten an.

Die Falle für Varus

Ähnlich wie seine Vorgänger überwinterte Varus in Lagern am weiter westlich gelegenen Rhein und verbrachte den Sommer in vorgeschobenen Positionen weit im Inneren des neu erschlossenen Landes. Das Sommerhauptquartier für Varus und drei seiner Legionen lag tief im Gebiet der Cherusker, am Westufer der Weser. Die übrigen zwei Legionen waren am Rhein zurückgeblieben.

Die Schlacht fand statt, als Varus und seine Legionen sich auf dem Rückweg ins Winterhauptquartier befanden. Varus selber wollte die Militärstraße zurück nach Vetera, dem heutigen Xanten für den Rückmarsch nutzen. Doch mit der vermeintlichen Nachricht eines kleinen, regionalen Aufstands veranlasste ihn Arminius, einen Umweg durch ein den Römern weitgehend unbekanntes Gebiet zu nehmen. In unwegsamem Gelände gingen Arminius und seine Verschwörer voraus, angeblich um Verbündete zu bringen. Der weitermarschierende Varus geriet dabei in einen von Arminius sorgfältig geplanten Hinterhalt.

Als Sumpf, Wälder und Regen die materiell überlegenen Römer behinderten und die Römer in einer langgezogenen Marschkolonne sich durch das unwegsame Gelände bewegten, griffen Arminius und seine Verbündeten an. Arminius war bewusst, dass er die römischen Legionen in einem offenen Kampf nicht besiegen konnte. Für seine Angriffe wartete er jeweils die Zeitpunkte ab, an denen die Römer sich in langer Marschordnung befanden und die engen Täler und der Morast die übliche römische Kampftechnik gravierend einschränkte. Die Germanen attakierten in dichten Haufen die Flanken der Kolonne und versuchten vor allem die Reiter einzeln zu überwältigen und bis zum letzten Mann niederzumachen sowie die einzelnen Truppenteile voneinander zu trennen. Die Römer kämpften dabei nicht nur gegen germanische Krieger, sondern auch gegen abtrünnig werdenden germanischen Hilfstruppen in ihren eigenen Reihen. Drei Tage dauerte die Schlacht, in der Varus versuchte, sich zum Rhein zurückzuziehen. In zwei Nächten konnte er noch befestigte Lager errichten, doch am dritten Tag waren die Römer besiegt. Varus selbst beging mit seinen Offizieren Suizid. Der römische Historiker Tacitus beschreibt das Schlachtfeld, wie es noch im Jahre 15 von Germanicus vorgefunden wurde:

"Das erste Lager des Varus ließ an seinem weiten Umfang und an der Absteckung des Hautplatzes die Arbeit von drei Legionen erkennen. Danach sah man an dem halbeingestürzten Wall und dem niedrigen Graben die Stelle, an der sich die bereits zusammengeschmolzenen Reste gesammelt hatten. Mitten auf dem Felde lagen bleichende Knoche, zerstreut oder in Haufen, je nachdem ob sie von Flüchtigen oder von einer noch Widerstand leistenden Truppe stammten. Daneben lagen zerbrochene Waffen und Pferdegerippe, an Baumstämmen waren Schädel befestigt. In Hainen in der Nähe standen die Altäre der Barbaren, an denen sie die Tribunen und Zenturionen ersten Ranges geschlachtet hatten."

Drei Legionen (die XVII, XVIII, XIX) mit zusammen etwa 20.000 Soldaten sowie viele Hilfstruppen und Begleiter kamen ums Leben. Der Kopf des Varus wurde abgeschnitten und gelangte über Umwege nach Rom. Kaiser Augustus soll angesichts der Niederlage ausgerufen haben:

Vare, legiones redde (Varus, gib die Legionen zurück).

Die besiegten Legionen wurden nach der Katastrophe nicht wieder aufgestellt, was einen in der römischen Militärgeschichte einzigartigen Tatbestand darstellt.

Nachwirkung der Schlacht

Germanen

Die germanische Kampfkraft war zwischen der Lolliusniederlage (16 v. Chr.) und der Varusschlacht (9 n. Chr.) gewaltig gesteigert worden. Da dies nicht vorherzusehen war, fühlte sich Varus mit seinen 3 Legionen sehr sicher und konnte keineswegs erahnen, dass ein germanischer Aufstand gerade seiner Armee eine so vernichtende Niederlage bereiten konnte. Rom hatte daher Glück, dass die Gallier die für sie günstige Situation nicht zu einem Aufstand nutzten. Aber diese sahen richtig, dass die Katastrophe des Varus keine erfolgversprechende Basis für einen Aufstand war.

Das strategische Ziel des Arminius war der Sturz der römischen Herrschaft im heutigen Nordwestdeutschland, das operative die Vernichtung der römischen Besatzungstruppen und das taktische Ziel das Locken der römischen Marschsäule in einen Hinterhalt. Der Sieg bei Kalkriese war das Ergebnis einer geschickten Planung, die sämtliche Schritte der Römer mit einkalkulierte. Ein besonderer Erfolg war aber das Schmieden einer standfesten Koalition aus mindestens 11 Stämmen sowie das Einbinden des selbstbewussten und stets auf seine Unabhängigkeit bedachten germanischen Adels und dieses über viele Jahre hinweg. Selbst einige militärische Rückschläge unter Germanicus konnten diese Arminius-Koalition nicht ernsthaft erschüttern. Das germanische Bündnis brach erst zusammen, als der neu ernannte Kaiser Tiberius im Jahre 16 n. Chr. die Germanenfeldzüge für beendet erklärte.

Römer

Die katastrophale Niederlage des Jahres 9 n. Chr. hatte den fast völligen Rückzug Roms auf die Ausgangspositionen vor der Offensive von 12 v. Chr. zur Folge. Die Vernichtung der 3 Legionen, 6 Cohorten und 3 Alen war identisch mit dem Verlust römischer Kastellen zwischen Rhein und Weser sowie gleichbedeutend mit der Preisgabe aller darüber hinausgehenden Ambitionen.

Im Jahre 14 n. Chr. begann Germanicus erneut mit Feldzügen in Germanien. Gegenspieler des Germanicus war erneut Arminius. Die Feldzüge wurden durch den neu ernannten Kaiser Tiberius im Jahre 16 n. Chr. beendet, weil der Aufwand an Menschen und Material für die Römer zu hoch wurde. Damit sorgte der Ausgang der Varusschlacht dafür, dass Germanien weitgehend außerhalb des römischen Machtbereichs blieb und eine andere Entwicklung erfuhr als beispielsweise das keltische Gallien. Bei den Römern begann man andererseits die gewaltigen Ausdehnungen des europäisch-asiatischen Raumes zu erahnen und in eine Politik umzusetzen, die diesen Gegebenheiten Rechnung trug. Beides mündete schließlich in eine Entwicklung, die in der Völkerwanderung endete und im 3. und 4. Jahrhundert zu eigenständigen germanischen Reichen auf römischem Boden führte.

Ort der Schlacht

Vermuteter Ort der Schlacht bei Kalkriese

Es ist lange gerätselt worden, wo die Schlacht stattgefunden haben könnte. Da der Geschichtsschreiber Gaius Cornelius Tacitus vom saltus teutoburgensis schrieb, hat sich der Begriff von der Schlacht im Teutoburger Wald ergeben. Der heute als Teutoburger Wald bekannte Höhenzug trägt diesen Namen allerdings erst seit dem frühen 19. Jahrhundert, als Arminius-Begeisterte meinten, den Ort der Schlacht im damals noch "Osning" genannten Gebirgskamm lokalisieren zu können. Nur auf Grund seiner Benennung hat der Teutoburger Wald mit der Ortsangabe des Tacitus also nichts zu tun.

Das einzige archäologische Zeugnis vom Stattfinden der Schlacht fand sich um 1900 im Xantener Ortsteil Birten in Form eines Grabsteines für den dabei ums Leben gekommenen römischen Centurio Marcus Caelius. Das lebensgroße Bildnis zeigt den römischen Offizier in seiner vollen Uniform zwischen seinen beiden Adjudanten, die bei dem Unternehmen ebenfalls zu Tode gekommen sind.

Archäologische Funde lassen jedoch auf Kampfhandlungen bei Kalkriese schließen, einem Stadtteil der niedersächsischen Stadt Bramsche im Landkreis Osnabrück. Kalkriese liegt etwa 10 km östlich von Bramsche. Die Art der archäologischen Befunde lassen den mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Schluß zu, dass es sich hierbei um die Varusschlacht handelt.

Die Indizien für Kalkriese

Die drei Schleuderbleie als zentrales Beweisstück

Theodor Mommsen hatte aufgrund der relativ großen Anzahl gefundener Goldmünzen mit dem Bildnis des Augustus bereits Ende des 19. Jahrhunderts vermutet, dass in dem Gebiet nördlich von Osnabrück zwischen Kalkrieser Berg und Großem Moor im Wiehengebirge in augusteischer Zeit wahrscheinlich Kampfhandlungen stattgefunden haben. Seit 1987 sind in dem Gebiet viele archäologische Funde wie Münzen, militärische Ausrüstungsgegenstände und Wallanlagen gemacht worden. Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei den Funden um kleine Stücke und Fragmente, die entweder der systematischen Plünderung des Schlachtfeldes entgangen sind, oder die den Germanen des Aufhebens nicht wert waren. Zu den wichtigsten Funden zählen:

  • die Entdeckung von drei Schleuderbleien durch den britischen Offizier und Hobbyarchäologen Tony Clunn im Jahre 1988, denn damit war eindeutig die Anwesenheit der Legionäre an diesem Ort bewiesen.
Eiserne Maske eines Gesichtshelms, der in Kalkriese gefunden wurde
  • die Krieger- oder Prunkmaske (siehe Abbildung)
  • verschiedene Teile der Ausstattung von Reit- und Zugtieren wie beispielsweise eine als Deichselende umfunktionierte Kuhglocke oder ein bronzener Anhänger eines Pferdegeschirrs, der gleichzeitig die Funktion eines Amueltts hatte.
  • Fundstücke aus verschiedenen handwerklichen Bereichen. So weisen ein bronzener Knochenheber und ein bronzener Skalpellgriff auf die Anwesenheit von Ärzten und die gefunden bleiernen Senklote auf anwesende Landvermesser hin.
  • die Entdeckung von drei Wallanlagen, vor denen besonders viele Kleinteile wie Kupfermünzen oder Fragmente gefunden wurden sowie die Überreste eine angeschirrten Maultiers, das offenbar von einer während des Kampfes zusammenbrechenden Wallanlage verschüttet wurde. Die Wallanlagen sind so angelegt, dass von ihnen aus der Weg besonders gut angegriffen werden konnte. Die hinter den Wällen lagernden konnten auf diese Weise den Hangfuß des Kalkrieser Berges kontrollieren, der im Norden durch die meist unpassierbaren Feuchtniederungen abgeschlossen war.
  • die Entdeckung von mehreren grubenartigen Vertiefungen, die mit menschlichen und tierischen Knochen gefüllt waren. Die menschlichen Knochenreste gehören durchweg zu Männern im Alter zwischen 25 und 45 Jahren. Einige Knochen weisen eindeutige Hiebspuren auf (beispielsweise ein menschlicher Schädel, der durch einen Schwerthieb gespalten wurde). Der anthropologische Befund weist auch daraufhin, dass die Skelette mehrere Jahre an der Erdoberfläche gelegen haben (Schlußfolgerung aufgrund der Trockenrisse der Knochen sowie der ungeordneten Einbringung von nicht vollständigen Skeletten in die Gruben).
  • 1500 römische Münzen, die überwiegend aus der Regierungszeit des Kaisers Augustus stammen (die übrigen sind historisch älter, zur Einordnung des Fundes interessieren nur die historisch jüngsten Münzen). Es lassen sich dabei keine römischen Münzen finden, die 10 n. Chr oder später geprägt wurden. Zu finden sind dagegen Kupfermünzen mit dem Gegenstempel des Varus, die nur in den Jahren 7 bis 9 n. chr. aufgebracht worden sein können.

Wesentlicher weiterer Befund ist die Streuung der archäologischen Zeugnisse, die entlang einer mehrkilometrigen Wegstrecke gefunden wurden.

Die Befunde legen den Schluß nahe, dass in der augusteischen Zeit römische Legionen, die von einem Troß begleitet waren, in massive Kampfhandlungen verwickelt waren. Aufgrund der Datierung der gefundenen Münzen und der Tatsache, dass in den Jahren der Statthalterschaft des Varus keine weiteren kriegerischen Ereignisse überliefert sind, in die römische Legionen involviert waren, deuten die Funde von Kalkriese daraufhin, dass man den Ort der Varusschlacht gefunden hat. Die Streuung der Funde paßt zu dem mehrteiligem Schlachtgeschehen, das sich über drei Tage an unterschiedlichen Orten hinstreckte; die gefundenen Bestattungsgruben stimmen mit der Überlieferung überein, dass Germanicus im Jahre 15 n. Chr. am Ort des Schlachtgeschehens seinen gefallenen Kameraden ein ehrenvolles Begräbnis gab und die Topographie des Geländes paßt zur schriftlichen Überlieferung.

Geländemerkmale und ihre Auswirkung auf den Schlachtverlauf

Geländemodell des Schlachtfeldes

Die 20 km nordöstlich von Osnabrück liegende Kalkrieser-Niewedder Senke ist die einzige Passage in ost-westlicher Richtung, die über ebenes und trockenes Gelände führt, will man nicht große Umwege in Kauf nehmen. Das 6 km lange Engstelle wurde im Norden durch ein riesiges Hochmoor, im Süden durch das sich schräg zulaufende Wiehengebirge sanduhrartig eingeschnürt. Die Hangsandzone verengt sich an den Ost- und den Nordhängen des Kalkrieser Berges auf weniger als 100 m. Der Weg, der nicht mit einer gut ausgebauten Römerstraße verwechselt werden darf, war natürlich noch schmaler. Das galt ebenso für die Brücken, die über Bäche und Flüsse führten oder die zum Teil erst noch von der marschierenden Truppe gebaut werden mussten. Solche Engstellen lösten bei größeren Truppenverbänden unweigerlich Rückstaueffekte aus. Die Breite einer Kolonne hängt immer von der schmalsten Stelle des zu passierenden Weges ab. Die Marschlänge wird bei 3 Legionen, 3 Alen und 6 Kohorten sowie einem außergewöhnlich großen Tross und einer unbekannten Zahl von begleitenden Zivilisten mindestens 15-20 km betragen haben. Um eine optimale Wirkung zu erzielen, empfiehlt sich zuerst ein Angriff auf die Nachhut. Wenn diese stehen bleibt, um den Angriff zu erwidern, geht der Zusammenhalt mit der restlichen Marschkolonne verloren. Der im Extremfall in einigen Kilometern vom Kampfort Entfernung befindliche Oberbefehlshaber erfährt nur durch Gerüchte von den Vorgängen und kann so die Lage nicht übersehen, geschweige denn die richtigen Befehle erteilen. Die Gerüchte über einen Feind, den der Legionär nicht von vorne sieht, sondern der hinter dem eigenen Rücken angreift, verschlechtern die Kampfmoral. Die gleichzeitig einsetzenden heftigen Regengüsse machen den Gebrauch der Waffen unmöglich, beispielsweise werden die Schutzschilde aus Leder derartig vom Wasser durchtränkt, dass sie wegen ihres Gewichtes nicht mehr gehalten werden können. Die Legionäre waren darüberhinaus durch ihr Marschgepäck behindert, das bis zu 50 kg betrug.

Weil die Marschkolonne mit dem Tross und den vielen Unbewaffneten durchsetzt war, konnten die Römer außerdem nicht ohne weiteres dicht aufschließen. Ihre einzelnen Abteilungen waren aufgrund der Taktik des "zerstreuten Gefechts" jeweils quantitativ schwächer als die angreifenden Stoßtrupps der Germanen. So erlitten die Legionäre erhebliche Verluste, ohne ihrerseits den Germanen nennenswerte Schläge zufügen zu können, denn diese zogen sich schon nach kurzer Zeit wieder auf die bewaldeten Anhöhen zurück. Die Möglichkeit zu einer offensiven Verteidigung ergab sich daher für die Römer nicht.

Das Ausgrabungsfeld

Eine Ausgrabungsstelle auf dem Schlachtfeld

Die heutige Tätigkeit der Archäologen konzentriert sich im wesentlichen auf ein Gebiet namens Oberesch, das im wesentlichen vom Zug des Varus durchquert wird. Der Name des Gebietes deutet im übrigen auf eine Methode der Bodenverbesserung hin, die in Norddeutschland seit Jahrhunderten angewendet wird: Aus den nahen Moorgebieten sowie aus den eigenen Ställen wird immer wieder Material herangeschafft, um dem vom Anbau von Getreide ausgelaugten Boden zu düngen. Die heransgeschafften Mengen reichten aus, die ursprüngliche Erdoberfläche unter einer meterhohen Schicht verschwinden zu lassen und über 2000 Jahre hinweg zu konservieren.

Kennzeichnent für den Weg der Legionäre waren die besagten Münzfunde, bei denen sich interessanterweise immer wieder kleinere Siegelstücke fanden, mit denen normalerweise das Säckchen von Schreibutensilien verschlossen wurden. Ihr gehäuftes Auftreten in der Gegend von Kalkriese lässt die Vermutung aufkommen, dass das Vergraben der persönlichen Besitztümer der römischen Soldaten vor einem Gefecht von der Armee organisiert wurde, um je nach Ausgang des Gefechtes Eigentumskonflikte zu vermeiden und den beteiligten Soldaten ihre persönliche Habe zurückerstatten zu können. Für Verwundete und Tote werden demnach ähnliche Regeln vorhanden gewesen sein. Art, Menge und Verbreitung von aufgefundenen Münzen lassen allerdings den Schluss zu, dass es sich bei Kalkriese um eines unter vielen Kampffeldern der untergegangenen Legionen handelt. Die großräumige Streuung des gesamten Fundmaterials sowie der Münz-, Einzel- und Hortfunde macht die Interpretation als Verlustgut unwahrscheinlich. Die Gabelung des Fundstranges etwa 500 m westlich der Ausgrabungsstätte deutet dagegen auf ein unkoordiniertes und planloses Vorgehen der Römer während der Schlacht hin.

Die Schlacht von Barenau

Germanicus besuchte im Jahre 15 n. Chr. das Schlachtfeld und bestattete die Gefallenen. Ganz in der Nähe fand eine unentschiedene Schlacht statt, die auch als "Schlacht von Barenau" bezeichnet wird. Beide Schlachtfelder können sich durchaus überlappt haben. Nur wenig später stellte Arminius den römischen General Caecina an den pontes longi (Bohlenweg), einer Stelle, die topographische Ähnlichkeiten mit dem Ort der Varusschlacht aufweist. Die Caecina-Schlacht ist von Tacitus bewusst als ein für die Römer positiv ausgehendes Gegenstück zur Varusschlacht gestaltet. Tatsächlich ist die Caecina-Schlacht in ihrem Verlauf der Varusschlacht ähnlich, weil sie viele Gemeinsamkeiten mit ihr aufweist. In kaum 10 km Luftliniendistanz zu Kalkriese haben Archäologen einen Bohlenweg aufgefunden, der dendrochronologisch in das Jahr 15 n. Chr. datiert werden kann, und wo man germanische Waffen mit Kampfspuren gefunden hat. Caecina konnte schließlich eine Wiederholung der Niederlage verhindern, in dem er den Tross und den Fahrzeugpark den Germanen zur Plünderung überließ und sich gleichzeitig mit seinen Truppen in Richtung Rhein absetzte.

Neueste Forschungsergebnisse

Ein rekonstruierter germanischer Wall auf dem ausgegrabenen Schlachtfeld

In der neueren Zeit wurde der Versuch unternommen, bei dem jetzigen Stand der Forschung die schriftlichen Quellen und die archäologischen Überreste miteinander zu vergleichen. Der Schlachtbericht des Cassius Dio trifft im wesentlichen zu, seine Glaubwürdigkeit wurde dadurch ganz enorm gestärkt. Einzelheiten wie die Gabelung der römischen Marschsäule 500 m westlich von Kalkriese und die Anlage von Rasensodenmauern, die bereits von den Archäologen örtlich aufgefunden wurden, konnten neu gewonnen werden. Besonders wichtig ist, dass der römische Einfluss auf die Germanen größer war, als bisher zugegeben wird. Die Erhebung erfolgte also aus dem römischen Herrschaftsapparat selbst heraus und ohne diesen Rückhalt wäre weder die Logistik des Anschlages noch die Reichweite der Verschwörung zu erklären. Die Quantität der Armee des Arminius dürfte sich dabei in der Größenordnung von etwa 50.000 Mann bewegt haben.

Bezüglich der Datierung des Varusschlachtfeldes muss berücksichtigt werden, dass Germanicus es zweimal besuchte und dass im Jahre 15 n. Chr. zwei Schlachten in der näheren Umgebung geschlagen wurden, wobei sich die Schlachtfelder zum Teil überlappt haben könnten. In diesem Zusammenhang ergab sich natürlich auch die Möglichkeit des Münzverlustes und nicht des kontrollierten Vergrabens der persönlichen Besitztümer der Soldaten.

Die historische Quellenlage

Der katastrophale Ausgang dieses militärischen Unternehmens wurde bereits von den damaligen Zeitgenossen aufgenommen und kommentiert. Sueton, Velleius Paterculus, Tacitus, Lucius Annaeus Florus und Cassius Dio berichten über diese Schlacht, die der römischen Expansionspolitik in Germanien ein Ende bereitete. Keiner dieser Autoren waren Zeuge der Schlacht, Velleius Paterculus war immerhin Zeitgenosse der Ereignisse und er kannte Germanien aus eigener Anschauung. Alle römischen Autoren fällen ein einhellig negatives Urteil über Varus. Dieses Urteil könnte nicht unwesentlich davon geprägt sein, einen eindeutig Schuldigen für den Untergang der römischen Legionen zu finden. Den lebhaftesten Bericht von der Schlacht lieferte der römische Historiker Cassius Dio Cocceianus:

"Denn das Gebirge war voller Schluchten und Unebenheiten, und die Bäume standen so dicht und waren so übergroß, daß die Römer auch schon ehe die Feinde über sie herfielen, sich, wo nötig, abmühten, die Bäume zu fällen, Wege zu bahnen und Dämme zu bauen."
"Und wenn dazu noch Regen und Sturm kam, zerstreuten sie sich noch weiter. Der Boden aber, schlüpfrig geworden um die Wurzeln und Baumstümpfe, machte sie ganz unsicher beim Gehen, und die Kronen der Bäume. abgebrochen und herabgestürtzt, brachte sie in Verwirrung."
"... umstellten die Germanen sie plötzlich von überall her gleichzeitig durch das Dickicht hindurch, da sie ja die Pfade kannten, und zwar schossen sie zuerst von fern, dann aber als sich keiner wehrte, doch viele verwundet wurden, gingen sie auf sie los."
" Es war unmöglich, 1. in irgendeiner Ordnung zu marschieren ... , 2. konnten sie sich auch nur schwer zusammenscharen, und waren Schar für Schar immer weniger als die Angreifer, ...
"Daher schlossen sie die Römer mühelos ein und machten sie nieder, so daß Varus und die Angesehensten aus Furcht, gefangen genommen oder getötet zu werden - denn verwundet waren sie schon - sich zu einer furchtbaren, aber notwendigen Tat entschlossen. Sie töteten sich selbst."
"Als dies bekannt wurde, wehrte sich auch keiner mehr, auch wenn er noch kräftig war, sondern die einen taten es ihrem Anführer nach, die anderen warfen die Waffen weg und überließen sich dem , der sie töten wollte. Denn fliehen konnte keiner, wenn er es auch noch so gerne wollte."

Die Ausgrabungsergebnisse bei Kalkriese haben diesen dramatischen Bericht weitestgehend bestätigt. Quellen, die den Hergang aus germanischer Sicht oder zumindest aus neutraler Sicht schildern, fehlen dagegen völlig.

Das Schlachtfeld heute

Übersichtstafel am Eingang des Museums

Die erfolgreiche archäologische Untersuchung eines antiken Schlachtfeldes stellt eine eine besondere wissenschaftliche Leistung dar. Das besondere Interesse, das die Varusschlacht immer noch auslöst, hat dazu geführt, das sehr frühzeitig die immer noch laufenden Ausgrabungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bereits 1993 - also eine verhältnismäßig kurze Zeit nach der Entdeckung der ersten archäologischen Funde, wurde in unmittelbarer Nähe zum Ausgrabungsfeld ein Informationsraum auf einem Bauernhof eröffnet. Im Rahmen der Expo 2000 in Hannover entstand der Ausgrabungspark, der im Jahre 2001 durch ein eigenständiges Museum ergänzt wurde.

Ein Link zur Museums-Webseite steht bei Weblinks.

Alternative Theorien

Über Jahrhunderte war der Ort der Schlacht umstritten und insbesondere ein beliebtes Forschungsthema für Lokalforscher, da die schriftlichen Zeugnisse zur Varusschlacht keine genaue Lokalisierung zulassen. Man schätzt, dass weit über tausend verschiedene Theorien entwickelt wurden, die überwiegende Zahl davon ohne ernstzunehmende Indizien (praktisch alle Orte im westfälischen Raum wurden schon von dort ansässigen Hobbyforschern als Schlachtort vermutet). Die bis zu den Funden und Ausgrabungen bei Kalkriese von vielen Wissenschaftlern am ehesten ernstgenommene Lokalisierung legte die Schlacht an den (heutigen) Teutoburger Wald, wo bei Detmold als Symbol des erwachenden deutschen Nationalismus im 19. Jahrhundert das Hermannsdenkmal errichtet wurde. Die Überlegungen von Theodor Mommsen aufgrund der Münzfunde, die von den aktuellen Ausgrabungen bestätigt werden, waren dagegen zu ihrer Zeit eine Minderheitsmeinung.

Auch die Lokalisierung in Kalkriese wird nicht von allen Wissenschaftlern anerkannt, und es treten weiterhin Lokalforscher auf, die den Ort der Schlacht z. B. an den Harz, in die Nähe von Halberstadt oder nach Hildesheim (aufgrund des Hildesheimer Silberfunds) verlegen.


Literatur

  • Frank Berger: Aktuelle Varusschlachten. In: Numismatisches Nachrichtenblatt. 53/2004, S. 267-273 (auch als online-Version).
  • Frank Berger: Kalkriese. - 1. Die römischen Fundmünzen. von Zabern, Mainz 1996 ISBN 3-8053-1917-7
  • Tony Clunn: Auf der Suche nach den verlorenen Legionen, 1998 ISBN 3-932147-45-6
  • Mamoun Fansa (Hrsg.): Varusschlacht und Germanenmythos. Eine Vortragsreihe anlässlich der Sonderausstellung Kalkriese - Römer im Osnabrücker Land in Oldenburg 1993. 3. Aufl. Isensee, Oldenburg 2001 (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 9) ISBN 3-89598-235-0
  • Gisela Graichen: Wo Arminius die Römer schlug. In: Gisela Graichen, Hans Helmut Hillrichs (Hrsg.): C 14 - Vorstoß in die Vergangenheit. Archäologische Entdeckungen in Deutschland. Goldmann, München 1999 ISBN 3-442-15043-4
  • Joachim Harnecker: Arminius, Varus und das Schlachtfeld von Kalkriese. Eine Einführung in die archäologischen Arbeiten und ihre Ergebnisse. 2. Aufl. Rasch, Bramsche 2002 ISBN 3-934005-40-3
  • Ralf G. Jahn: Der Römisch - Germanische Krieg (9-16 n. Chr.). Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Bonn 2001
  • Hansulrich Labuske (Hrsg.): Von Tacitus bis Ausonius. (2. bis 4. Jh. u. Z.). Akademie Verlag, Berlin 1991 (Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u.Z, Band 3) ISBN 3-05-000571-8 (In dieser Sammlung findet man die römischen Quellen zur Varusschlacht)
  • Gerhard Perl (Hrsg.): Germania. lateinisch und deutsch. Akademie Verlag, Berlin 1990 (Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u.Z, Band 2) ISBN 3-05-000349-9 (In dieser Sammlung findet man die römischen Quellen zur Varusschlacht)
  • Wolfgang Schlüter (Hrsg.): Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese. Internationaler Kongress der Universität Osnabrück und des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e.V. vom 2. bis 5. September 1996. In: Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 1. Osnabrück 1999 ISBN 3-932147-25-1
  • Wolfgang Schlüter (Hrsg.): Römer im Osnabrücker Land. Die archäologischen Untersuchungen in der Kalkrieser-Niewedder Senke. Rasch, Bramsche 1991 ISBN 3-922469-57-4
  • Rainer Wiegels / Winfried Woesler (Hrsg.): Arminius und die Varusschlacht - Geschichte - Mythos - Literatur, Paderborn 1995, ISBN 3-506-79751-4

Siehe auch

Aliso, Liste von Kriegen, Liste von Schlachten