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Bilderverbot

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Das Bilderverbot oder Abbildungsverbot ist ein Verbieten bildlicher Darstellungen, sei es zwei- oder dreidimensionaler, statischer oder dynamischer Art (Bilder und Statuen, Filme und Roboter). Das Verbot kann religiös motiviert sein, es gibt aber auch nicht religiöse Abbildungsverbote (Entfernen der Bilder und Symbole politischer Gegner, Verbot sittenwidriger Abbildungen, etc.). In den letztgenannten Fällen spricht man von Zensur.

Unterschiedliche Auslegungen von Abbildungsverboten innerhalb einer Kultur können sich aus historischen Gründen, verschiedenen Interpretationsschulen oder auch aus einer Diskrepanz zwischen Gesetz und Praxis entwickeln. Das Ausmaß des Verbotes kann die Abbildung von Göttern und Götzen, spezifischen Individuen (Propheten, Persönlichkeiten), Lebewesen aller Art (eine Art Bildervegetarismus), oder sogar alle Geschöpfe betreffen. Die bekanntesten Vorschriften entspringen monotheistischen Religionen, wo die Abbildungsverbote der Bilderverehrung entgegenwirken sollen und Gott als einziger Schöpfer respektiert werden soll.

Verschiedene Religionen und Kulturen

In Judentum, Islam und einigen (wenigen) Teilen des Protestantismus (vor allem in der kalvinistisch geprägten Reformierten Kirche), der Assyrischen Kirche wurde das Bilderverbot eng ausgelegt. Der Zoroastrismus und der Islam lehnen die Bilderverehrung aus den selben Motiven wie das moderne Judentum ab. Im Islam sind kalligraphische Schriftzüge und geometrische Muster und Pflanzenornamentik verbreitet. Bis auf sehr wenige Ausnahmen finden sich in Synagogen und Moscheen weder Darstellungen Gottes, noch von Religionsstiftern, Menschen oder Tieren.

Am Anfang der Zehn Gebote der Hebräischen Bibel heißt es: „Ich bin der Herr, dein Gott (...). Du sollst Dir kein Götterbild machen, auch keinerlei Abbild dessen, was oben im Himmel oder was unten auf der Erde oder was in den Wassern unter der Erde ist. Du sollst dich vor ihnen nicht niederwerfen und ihnen nicht dienen.“[1]

Das mosaische Gebot ist:

  • der historische Versuch der Abgrenzung der als Hirtenreligion konzipierten mosaischen Religion gegenüber der Bauernreligion im kanaanitischen Umfeld, die keine derartigen Verbote kennt. Es soll der Bilderverehrung entgegenwirken und Gott als einzigen Schöpfer erhalten.
  • der erste bekannte Versuch, die bis dahin auf bildhafte Darstellungen (als Hiero- und Piktogramme) angewiesene Religion auf Wortüberlieferung bzw. die etwa zeitgleich erfundene, auch abstrakte Gedanken wiedergebende Buchstabenschrift festzulegen bzw. zu reduzieren, wodurch die mosaische Religion zur Buchreligion wurde.

Der älteste monotheistische Versuch des Pharao Echnaton setzte die vorherigen bildlichen Darstellungsformen mit Stiländerungen fort und bildet ein Beispiel einer monotheistisch konzipierten Religion ohne Abbildungsverbot.

Bei Tacitus heißt es zwar von den Germanen, die wie die Römer und Griechen im Altertum eine polytheistische Religion hatten: „Übrigens finden sie es der Größe der Himmlischen nicht angemessen, die Götter in Tempelwände zu bannen oder sie irgendwie menschlichen Zügen ähnlich darzustellen.“[2] Tatsächlich findet man aber bei den Stämmen und Völkern im Norden (bevor sich das Christentum durchsetzte) über die Jahrhunderte Bildnisse und Skulpturen ihrer Götter.

Frühes Christentum

Über die Einstellung der frühen Christen gegenüber Bildern im religiösen Brauch gibt es wenig Nachrichten, von den frühen Kirchenvätern existieren kaum Stellungnahmen für oder gegen Bilder. Nach Ausgrabungen zu schließen, hatten die damaligen Kirchen weder den reichen Statuen- oder Ikoneenschmuck der späteren Katholiken und Orthodoxen, noch die schmucklose Kahlheit der reformierten Protestanten. Vielmehr findet sich eine reichhaltige Ornamentik mit Tier- und Pflanzendarstellungen sowie verschiedenen symbolhaften Bildern (Pfau, Taube, Fisch, Anker, Kreuz, Hirte, etc.)

Byzanz

Die erste große Auseinandersetzung des Christentums über ein Abbildungsverbots fand im byzantinischen Bilderstreit des 8./9. Jahrhunderts statt, der nach umfangreichen Zerstörungen schließlich zugunsten der Bilder beendet wurde.

Reformation

Der Umgang mit Bildern war in der Reformation heftig umstritten. Zunächst stellte sich bei der Aneignung altgläubiger Gotteshäuser durch die Protestanten die Frage, ob man nur „ärgerliche“ Bilder wie Heiligenfiguren und -darstellungen entfernen oder die Kirchen völlig ausräumen solle. Während Martin Luther und seine Anhänger besonders nach ihrer Erfahrung mit den Verheerungen und Exzessen des Bildersturms solche Bilder, die mit den reformatorischen Glaubensinhalten konform gingen, religiös legitimierten, verwarfen Zwingli und Calvin sämtliche bildlichen Darstellungen. Die reformierte Kirche verzichtet auf jegliche religiöse Darstellung (Schmuck und Bilder), weil sie das 2. Gebot (2. Moses 20,4) in einem erweiterten Sinn auslegten. In einem reformierten Gottesdienst steht allein das Wort Gottes in Form der Predigt im Vordergrund.

Siehe auch

Literatur

Allgemein

  • Jack Goody: Representations and Contradictions: Ambivalence Towards Images, Theatre, Fiction, Relics and Sexuality. Blackwell Publishers, London 1997 ISBN 0631205268

Judentum und Christentum

  • Lexikon der christlichen Ikonographie. 8 Bände. Herder, Freiburg i.Br. 1994 ISBN 3-451-22568-9
  • Schlosser: Geschichte der bilderstürmenden Kaiser. Frankfurt 1812
  • v. Wessenberg: Die christlichen Bilder. 2 Bde. Konstanz 1845
  • Lüdtke: Die Bilderverehrung in den ersten christlichen Jahrhunderten. Freiburg 1874
  • Christoph Dohmen: Das Bilderverbot: Seine Entstehung und seine Entwicklung im Alten Testament. Bonner biblische Beiträge 62. Athenäum, Frankfurt a.M., 2. Aufl. 1987 ISBN 3-610-09100-2
  • Michael J. Rainer u.a. (Hrsg.): Bilderverbot. Jahrbuch politische Theologie 2. Lit-Verl., Münster 1997 ISBN 3-8258-2795-X
  • Ingo Baldermann (Hrsg.): Die Macht der Bilder. Jahrbuch für biblische Theologie 13. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 1999 ISBN 3-7887-1685-1
  • Kalman P. Bland: The Artless Jew: Medieval and Modern Affirmations and Denials of the Visual. University Press, Princeton NJ 2000 ISBN 0-691-01043-9
  • Jérôme Cottin: Das Wort Gottes im Bild. Eine Herausforderung für die protestantische Theologie. Übers. aus dem Franz. von Marianne Mühlenberg. Mit e. Geleitw. von Horst Schwebel. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001 ISBN 3-525-56195-4
  • Eckhard Nordhofen (Hrsg.): Bilderverbot: Die Sichtbarkeit des Unsichtbaren. Ikon Bild + Theologie. Schöningh, Paderborn u.a. 2001 ISBN 3-506-73784-8 Inhaltsverzeichnis
  • Günter Frankenberg u.a. (Hrsg.): Bilderverbot. Recht, Ethik und Ästhetik der öffentlichen Darstellung. Artikel 5/1. LIT-Verl., Münster 2004 ISBN 3-8258-6986-5
  • Tallay Ornan: The Triumph of the Symbol. Pictorial Representation of Deities in Mesopotamia and the Biblical Image Ban. Orbis biblicus et orientalis 213. Academic Press, Fribourg / Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005 ISBN 3-7278-1519-1 Inhaltsverzeichnis
  • Matthias Krieg, Martin Rüsch, Johannes Stückelberger, Matthias Zeindler (Hrsg.): Das unsichtbare Bild. Zur Ästhetik des Bilderverbots. Theologischer Verl., Zürich 2005 ISBN 3-290-17365-8
  • Andreas Wagner u.a. (Hrsg.): Gott im Wort - Gott im Bild. Bilderlosigkeit als Bedingung des Monotheismus? Neukirchener-Verl., Neukirchen-Vluyn 2005 ISBN 3-7887-2111-1

Islam

  • Rudi Paret: Das islamische Bilderverbot und die Schia, in: Erwin Gräf (ed.), Festschrift Werner Caskel, Leiden 1968, S. 224-232
  • Rudi Paret: Schriften zum Islam. Volksroman, Frauenfrage, Bilderverbot. Stuttgart 1981
  • Ibric Almir: Das Bilderverbot im Islam. Eine Einführung. Tectum-Verl., Marburg 2004 ISBN 3-8288-8766-X
  • Ibric Almir: Islamisches Bilderverbot vom Mittel- bis ins DigitalzeitalterLit Verl., Wien/Münster ISBN: 3-8258-9597-1

Quellen

  1. (Elberfelder Bibel, 1995).
  2. Publius Cornelius Tacitus, 9. Götterverehrung, Germania (De origine et situ Germanorum liber), Reclam, Stuttgart, 2000. Lateinisch/Deutsch. ISBN 3-15-009391-0 (online-Version einer anderen Übersetzung)