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Kölner Schöffenkrieg

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Friedrich von Saarwerden (Denkmal in Zons)
Papst Gregor XI.
Figur von Bürgermeister Hilger Quattermart von der Stesse am Kölner Rathausturm

Der Kölner Schöffenkrieg war eine Machtprobe zwischen der Stadt Köln und Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden in der Zeit vom April 1375 bis zum Februar 1377, nur wenige Jahre, nachdem der Kölner Weberaufstand für Unruhe in der Stadt gesorgt hatte. Dabei kam es zu kriegerischen Aktionen im rechtsrheinischen Deutz und im linksrheinischen Kölner Umland.

Geschichte

Auslöser für die Streitigkeiten

Im ausgehenden 14. Jahrhundert gab es auf städtischer Ebene in Köln drei Gremien, die die Macht unter sich aufteilten und um sie stritten: Das Schöffenkollegium, dem die Gerichtsbarkeit in der Stadt unterlag, die Richerzeche, ein Verbund der mächtigen Familien, der unter anderem die Zunftrechte verwaltete, sowie der Rat, der für die Verwaltung und die Finanzen der Stadt zuständig war. Kompetenzen und Zusammensetzung der Gremien waren nicht klar abgegrenzt und deshalb oftmals Gründe für Konflikte. Während die Mitglieder des Schöffenkollegiums und der Richerzeche ihre Ämter lebenslang innehatten, wechselten die Ratsherren – zumindest formal – jährlich. Durch die städtische Neuordnung nach dem Weberaufstand waren Schöffen nur noch eingeschränkt zum Rat zugelassen, wodurch der Einfluss der 15 führenden mächtigen Familien, die sich selbst „edle Geschlechter“ nannten, zurückgedrängt wurde.[1][2]

Die Erzbischöfe von Köln hatten nach der Niederlage von Siegfried von Westerburg in der Schlacht von Worringen im Jahre 1288 ihre weltliche Macht über Köln verloren und durften die Stadt nur noch zum Zwecke religiöser Handlungen betreten, weshalb sie in Bonn residierten. Jedoch waren ihnen einige Rechte in der Stadt verblieben. So waren sie unter anderem die Herren des „Hohen weltlichen Gerichts“,[3] wo die vom Erzbischof ernannten Schöffen aus den alten Familien dem erzbischöflichen Burggrafen beisaßen oder ihn vertraten.[4] Auf Bitten des Erzbischofs durften Juden ab 1372 wieder in Köln ansässig sein; dieser hatte am 3. Oktober 1372 seinen für zehn Jahre gültigen Judenschutzbrief ausgestellt, die Stadt ihr Judenprivileg rund zwei Monate später.[1]

Auslöser des „Schöffenkriegs“ war die Verhaftung von zwei Juden – Simon von Siegburg und dessen Schwager David, Sohn des Vivus von Xanten – durch den Greven Rembold Scherfgin im Auftrag des Kölner Erzbischofs Friedrich von Saarwerden.[4] Angeblich hatten die beiden Männer, die in Köln wie in Siegburg als Händler und Geldverleiher tätig waren, Glaubensgenossen an die „Brüder von Oefte“, Engelberg und Heinrich, verraten, so dass diese „berüchtigten adligen Straßenräuber“ reisende Juden zwischen Köln und Bonn überfallen konnten.[5] Mutmaßlich war die Anschuldigung vorgeschoben, um einen Konflikt mit der Stadt zu inszenieren.[6]

Während sich der Erzbischof auf seinen Schutzbrief berief, der ihm auch die Gerichtsbarkeit über die Juden zusicherte, sah der Rat mit Bürgermeister Hilger Quattermart von der Stesse in der Verhaftung einen Eingriff in seine den Juden gewährten Privilegien. Friedrich von Saarwerden versuchte offensichtlich durch die Verhaftung der beiden jüdischen Männer, seine für Köln verbliebenen herrschaftlichen Rechte zu betonen.[3]

Gegenseitige Strafmaßnahmen

Der Rat ließ den Greven Scherfgin festnehmen und erzwang die Freilassung der beiden jüdischen Männer.[4] Der Erzbischof wiederum ließ das Hohe Gericht schließen, und 13 von 17 Schöffen gingen am 4. April 1375 an seinen Hof in Bonn. Zudem ließ er den Rhein und alle nach Köln führenden Straße sperren. Im Gegenzug plünderten und brandschatzten städtische Söldner kurkölnische Dörfer im Kölner Süden.[7]

Friedrich von Saarwerden selbst reiste in Begleitung von zwei Schöffen – Gerhard Benesis und Johann Gir – zu Kaiser Karl IV., um eine Vorladung der Stadt vor dessen Hofgericht einzufordern.[8] Die Situation war günstig, da Karl die Wahl seines Sohnes Wenzel zum König vorbereitete und die Stimme des Kölner Erzbischofs benötigte. Zudem sicherten sich Erzbischof und Schöffen gegenseitig weitergehende Rechte zu, was für den Rat die Aufgabe aller Funktionen und Rechte bedeutet hätte, den er sich mühsam gegen die „edlen Geschlechter“ der Stadt erkämpft hatte. Angesichts dieser machtvollen Front versuchte die Stadt, den Prozess vor dem Hofgericht zu verschleppen, doch sprach der Kaiser dem Erzbischof einen Schadensersatz in Höhe von 200.000 Goldmark zu, was diesem den Zugriff auf Vermögenswerte der Stadt und der Bürger erlaubte.[9] Der Kaiser forderte zudem verschiedene Landesherren und andere Städte auf, sich auf die Seite Friedrichs von Saarwerden zu stellen.[10]

Der eigentliche „Krieg“

Der eigentliche „Schöffenkrieg“ begann vermutlich Mitte September des Jahres 1375 mit einem Überfall der Schöffenpartei und einer vom Erzbischof angeheuerten Söldnertruppe. Dieser Überfall wurde wahrscheinlich schon während des Prozesses vor dem Hofgericht vorbereitet, und es wurde versucht, die Anstiftung durch den Erzbischof zu verschleiern. Zwei Parteigänger der Schöffen sollten die Söldner in die Stadt einlassen, die das Rathaus und umliegende Gebäude besetzen und die Ratsherren gefangen nehmen sollten; die Stadt wurde mit Brandpfeilen attackiert.[7] Der Plan wurde jedoch bekannt und der Angriff zurückgeschlagen; zwei Kleriker, die den Angriff mitorganisiert hatten – der Domkeppler Godart von Wevelinghoven und der Rentmeister des Erzbischofs Johann von Kelse – wurden inhaftiert. In Reaktion auf diese Gefangennahmen belegte Friedrich von Saarwerden die Stadt mit einem Interdikt, dem Verbot von gottesdienstlichen Handlungen.[9][11]

Das Tauziehen ging zunächst auf diplomatisch-politischer Ebene weiter: Beide Seiten versicherten sich der Unterstützung durch Verbündete aus dem Rheinland und Umgebung. Der Kaiser bestätigte die Privilegien des Erzbischofs und verhängte die Reichsacht über Köln. Die Stadt entsandte Constantine von Horne als Sonderbeauftragten zu Papst Gregor XI. mit der Bitte um Unterstützung.[12] Dieser exkommunizierte den Erzbischof, der ihm ohnehin Geld schuldete, und bestätigte alle Rechte und Privilegien der Stadt. Weiterhin wies der zu dieser Zeit in Avignon ansässige Papst seinen Nuntius an, vor Ort in Köln zu prüfen, inwieweit ein päpstlicher Richter in den Streitigkeiten vermitteln könne. Der Erzbischof wiederum exkommunizierte im April 1376 alle Kölner Bürger, die an der Verhaftung und Folterung von Godart von Wevelinghoven und Johann von Kelse beteiligt gewesen waren. Er befahl allen Geistlichen in Köln, die Stadt zu verlassen; dieser Anweisung kamen die Kleriker der Kölner Stifte jedoch nicht nach, sondern ließen sich von der Stadt zusichern, gegen den Erzbischof geschützt zu werden.[13]

Das rechtsrheinische Deutz gehörte zu Kurköln und stellte sich auf die Seite seines Landesherrn, des Erzbischofs. Am 30. April 1376 brannte eine Gruppe rheinischer Adliger (darunter offenbar die nämlichen „Brüder von Oefte“[14]), „Feinde des Erzbischofs“, wie die Kölner angaben, den gerade neubefestigten Ort, nieder, wenn nicht unter Beteiligung der Stadt, so doch in ihrem Sinne. Der Kaiser, der weiterhin auf die Stimme des Erzbischofs für die Wahl seines Sohnes Wenzel angewiesen war, bestätigte daraufhin die Reichsacht gegen Köln. Als Friedrich von Saarwerden ein militärisches Kontingent nach Lechenich schickte, das dort bis Februar 1377 lagerte, schloss Köln dreimonatige Dienstverträge mit Angehörigen des niederen Adels ab, die am 19. Juni 1376 die Abtei Deutz erneut verwüsteten.[15]

Am 6. Juli des Jahres wurde Wenzel in Aachen zum König gekrönt und erneuerte tags drauf die Reichsacht über Köln, im Gegenzug bestätigte der päpstliche Nuntius die Exkommunikation von Friedrich von Saarwerden. Am 12. Juli versicherte sich der Erzbischof seiner Verbündeten durch die Initiierung eines Landfriedens.[16] Er ließ weitere Truppen aufstellen, woraufhin die Stadt das Kloster in Deutz gänzlich zerstören ließ. Die Kölner Truppen kamen mit großen Lastkähnen über den Rhein, überfielen den Ort, zerstörten viele Häuser, die Abteikirche und die Pfarrkirche St. Urban. Die Gebeine von Heribert von Köln, die in der Abteikirche ruhten, waren vorsorglich von den Deutzern nach Siegburg gebracht worden.[14] Anschließend verlagerten sich die militärischen Aktionen in das ländliche Umfeld von Köln. Obwohl die Stadt Graf Engelbert von der Mark und Söldner verpflichtete und es zu weiteren Auseinandersetzungen kam – so wurden der Ort Urfeld und umliegende Dörfer in Brand gesetzt –, konnte keine Seite nennenswerte Fortschritte erzielen.[17]

Ende des Konfliktes und Folgen

Im Januar 1377 kam es zu Sühneverhandlungen auf der Rheininsel bei Hersel (vermutlich die Herseler Werth), bei denen Köln von Hilger Quattermart von der Stesse vertreten wurde, und ein Waffenstillstand geschlossen wurde. Inzwischen war der gesamte Handel zum Erliegen gekommen, und die Kassen waren leer.[18] Papst und Erzbischof nahmen ihre jeweiligen Sanktionen zurück, und in der Stadt kehrte man zum rechtlichen Status zurück, der schon vor dem Krieg bestanden hatte (Status quo ante).[17][3]

Der Ausgang des Schöffenkrieges zeigte allen Beteiligten, dass es dem Erzbischof, trotz Unterstützung durch den Kaiser und andere, nicht möglich war, „Köln wieder unter seine Herrschaft zu zwingen“.[19] Auch der Versuch der Schöffen, mit Hilfe des Erzbischofs ihre alte Machtposition, die sie bis zum Weberaufstand innegehabt hatten, wieder zu erlangen, war gescheitert.[20]

Ende März 1377 kehrten die Schöffen aus Bonn zurück nach Köln und mussten einen Eid auf die neuen vertraglichen Abmachungen ablegen. Die 1375 ausgesprochene Verbannung von Gerhard Benesis und Johann Gir wurde aufrecht erhalten.[21] Die beiden Juden, deren Verhaftung den Schöffenkrieg ausgelöst hatten, wurde vom Hochgericht zum Tode verurteilt und am 5. August 1377 auf offenem Feld hingerichtet; nach Einschätzung von Cluse ein „Justizmord“.[6] Simons Frau sollte lebendig begraben werden, entging aber auf Fürbitte des Grafen von Kleve dem Tod, nachdem sie sich hatte christlich taufen lassen. Die jüdischen Männer wurden offenbar von der Stadt Köln „geopfert“, damit der Sühnevertrag zum Tragen kam; Stadt und Erzbischof teilten sich – wie damals üblich – Simons umfangreichen Nachlass. Nach einer Aufstellung der Stadt hatte er 126 offene Schuldverträge mit einer Gesamtsumme von 27.000 Kölnische Mark, die nun von Stadt und Erzbischof eingetrieben wurden. Hauptschuldner war der Graf von Berg, der seine Schulden offenbar niemals zurückzahlte.[22] Unter den Schuldnern befanden sich auch die Brüder aus Oefte, deren Rolle in diesem Konflikt unklar ist.[5]

Das Kloster Deutz klagte die erlittenen Schäden ein: Die Stadt Köln musste 10.000 Goldgulden Schadenersatz leisten sowie die Gebäude neu errichten lassen. Uneins war man sich über die Dauer der Bauarbeiten und über eine Ratenzahlung, so dass sich die endgültige Erledigung hinzog. Erst 1389 erhielt die Stadt eine Quittung der Abtei über die abgeschlossenen Arbeiten.[23]

Literatur

  • Carl Dietmar/Werner Jung: Kleine illustrierte Geschichte der Stadt Köln. Bachem, 1996, ISBN 3-7616-1188-9.
  • Wolfgang Herborn: Die politische Führungsschicht der Stadt Köln im Spätmittelalter (= Rheinisches Archiv. Band 100). Roehrscheid, Köln 1977, ISBN 3-7928-0402-6
  • Wolfgang Herborn, Carl Dietmar: Köln im Spätmittelalter 1288–1512/13. Geschichte der Stadt Köln. Band 4: Köln im Spätmittelalter 1288–1512/13. Greven Verlag, Köln 2019, ISBN 978-3-7743-0444-4.
  • Hubert Kruppa: Deutz. Ein Kölner Stadtteil mit großer Geschichte. 2., von Carl Dietmar neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Bachem, Köln 2001, ISBN 3-7616-1459-4.

Einzelnachweise

  1. a b Herborn, Die politische Führungsschicht, S. 111.
  2. Dietmar/Jung, Kleine illustrierte Geschichte, S. 68.
  3. a b c Frank Engel: Friedrich III. von Saarwerden. rheinische-geschichte.lvr.de, abgerufen am 6. Oktober 2020.
  4. a b c Herborn/Dietmar, Köln im Spätmittelalter, S. 111.
  5. a b Franz Irsigler: Juden und Lombarden am Niederrhein des 14. Jahrhundert. In: Alfred Haverkamp (Hrsg.): Zur Geschichte der Juden in Deutschland. Anton Hiersemann, Stuttgart 1918, S. 128/29.
  6. a b Christoph Cluse: Juden am Niederrhein während des Mittelalters. In: Monika Grübel/Georg Möhlich (Hrsg.): Jüdisches Leben im Rheinland: vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Böhlau, Köln 2005, ISBN 978-3-412-11205-9, S. 21.
  7. a b Dietmar/Jung, Kleine illustrierte Geschichte, S. 88.
  8. Herborn, Die politische Führungsschicht, S. 115.
  9. a b Herborn/Dietmar, Köln im Spätmittelalter, S. 114.
  10. Herborn/Dietmar, Köln im Spätmittelalter, S. 112/13.
  11. Herborn, Die politische Führungsschicht, S. 116.
  12. Herborn, Die politische Führungsschicht, S. 117.
  13. Herborn/Dietmar, Köln im Spätmittelalter, S. 115 f.
  14. a b Kruppa, Deutz, S. 24.
  15. Herborn/Dietmar, Köln im Spätmittelalter, S. 116.
  16. Volker Henn: „... vmb Orbar, nutticheit‚ Raste vnd Vrede onser und anderer Stede‘. Zur Bündnispolitik der westfälischen Städte im späten 14. und 15. Jahrhundert“. Abruf: 25. Februar 2021. (PDF-Datei)
  17. a b Herborn/Dietmar, Köln im Spätmittelalter, S. 118/19.
  18. Herborn, Die politische Führungsschicht, S. 120.
  19. Herborn/Dietmar, Köln im Spätmittelalter, S. 120.
  20. Bernd Dreher: Hilger Quattermart von der Stesse (um 1340–1398). In: Hiltrud Kier (Hrsg.): Köln: Der Rathausturm. Seine Geschichte und sein Figurenprogramm. Stadtspuren – Denkmäler in Köln. Band 21. Bachem, Köln 1996, ISBN 3-7616-1156-0, S. 454.
  21. Herborn, Die politische Führungsschicht, S. 122.
  22. Herborn/Dietmar, Köln im Spätmittelalter, S. 119/20.
  23. Herborn/Dietmar, Köln im Spätmittelalter, S. 119/20.