Zum Inhalt springen

Liste meldepflichtiger Ereignisse in deutschen kerntechnischen Anlagen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 31. August 2006 um 23:46 Uhr durch Farino (Diskussion | Beiträge) (Linkfix). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Diese Liste behandelt Vorfälle in deutschen Atomanlagen. Hier sind auch und vor allem Ereignisse eingeordnet, die unter INES < 3 fallen, und dabei zu den meldepflichtigen Betriebsstörungen oder Störfällen in Deutschland gehören. Die Einträge sollen vor allem Betriebsstörungen aufzeigen, bei denen eine Gefährdung der Reaktorsicherheit direkt oder indirekt bestand. Einträge wie: Brennelementwechsel, Revision, Arbeitsunfälle etc. sind hier nicht zu finden. Vorkommnisse der INES-Kategorie 3 (Ernster Störfall) sowie Unfälle sind in der Liste von Unfällen in kerntechnischen Anlagen aufgeführt.

  • 13. Januar - Gundremmingen – Im Kernkraftwerk Gundremmingen, Block A, kam es zum Großunfall mit Totalschaden. Bei kaltem und feuchtem Wetter traten an zwei stromabführenden Hochspannungsleitungen Kurzschlüsse auf. Bei der dadurch eingeleiteten Schnellabschaltung kam es zu Fehlsteuerungen. Nach ca. zehn Minuten stand im Reaktorgebäude das radioaktive Wasser etwa drei Meter hoch und die Temperatur war auf rund 80 Grad Celsius angestiegen. Anfangs hieß es, der Reaktor werde in einigen Wochen wieder in Betrieb gehen können. Über Monate und Jahre wurde dann langsam bekannt, dass der Reaktor nicht mehr repariert wurde, da die Kontaminierung keine wirtschaftliche Reparatur mehr zuließ.
  • 16. Dezember - Biblis Störfall im Block A des KKW Biblis. Beim Anfahren des Reaktors klemmte ein Ventil und blieb offen. Erst nach 15 Stunden nahm das Betriebspersonal die aufleuchtende Warnlampe ernst, vermutlich hielt man die Lampe für defekt. Das Personal fuhr den Reaktor nicht sofort herunter, sondern öffnete ein zweites Sicherheitsventil, um das verklemmte Ventil durchzuspülen. Das Ventil schloss nicht und 107 Liter radioaktives Kühlwasser liefen aus. Glücklicherweise hielt das Sicherheitsventil, das Sekunden später schloss, dem hohen Druck stand. [1]
  • Garching bei München. In der örtlichen Kläranlage wurde 1997 eine Konzentration von radioaktivem Kobalt festgestellt, die sich bis 1998 um das fünffache erhöhte. Als Quelle stellte sich im Rahmen einer Untersuchung das Zyklotron und die angeschlossenen Forschungseinrichtungen der TU München heraus. Bei einer Fehlbedienung am 7.12.1998 kam es hier zu einer weiteren, auf Labor und Mitarbeiter sowie Angehörige begrenzten Freisetzung. Messungen des Landesamtes für Umweltschutz zeigten darüber hinaus und unabhängig davon Grenzwertüberschreitungen auch auf den umliegenden Flächen und im Abwassersystem. Betroffen waren auch Wohnungen von Mitarbeitern der Forschungsanlage, darunter des Strahlenschutzbeauftragten. Sie waren auch nach einer ersten Dekontamination noch kontaminiert. Es stellte sich heraus, dass Sicherheitsvorschriften fortgesetzt missachtet wurden. Notwendige Messgeräte funktionierten oft nicht oder waren nicht vorhanden, Reinigungsgerät wurde für Anlagenteile wie für Büros gleichermaßen genutzt, Wasch- und Abwasser auf Anordnung per Einleitung entsorgt. [2]
  • August - Philippsburg Im Kernkraftwerk Philippsburg übersah die Bedienmannschaft beim Anfahren von Block 2, dass das Notkühlsystem nicht die Anforderungen des Betriebshandbuches erfüllte. Nach zwei Wochen wurde der Fehler entdeckt. Die Betreibergesellschaft entschied, den Reaktor nicht abzuschalten. Stattdessen wurde das Notkühlsystem bei laufendem Betrieb entsprechend den Anforderungen des Betriebshandbuches ertüchtigt. Als der Vorfall drei Monate später publik wurde, verloren der Kraftwerksleiter und zwei Vorstandsmitglieder des Betreibers ihre Posten.
  • 14. Dezember - Brunsbüttel Im Kernkraftwerk Brunsbüttel kam es zu einem schweren Zwischenfall. Wie erst einige Monate später bekannt wurde, hatte sich eine Wasserstoffexplosion in direkter Nähe zum Reaktordruckbehälter ereignet. Dabei sind zwar keine radioaktiven Stoffe ausgetreten; hätte sich die Explosion allerdings 3-4 Meter näher am Kern befunden, wäre eine Kernschmelze nicht zu verhindern gewesen, so das BMU. Der Betreiber HEW versuchte den Vorfall weitestgehend zu verschleiern; so wurde er lediglich mit der Betitelung „spontane Dichtungsleckage“ an das zuständige Ministerium gemeldet. Erst nach zwei Monaten gelang es den Aufsichtsbehörden, das „Leck“ bei abgeschaltetem Reaktor zu besichtigen, wobei das Ausmaß des Störfalles entdeckt wurde. Wäre der Reaktor gleich nach der Explosion vorschriftsmäßig abgeschaltet worden, hätte der Betreiber zu Beginn des Winters für mehrere Millionen Euro Ersatzstrom zukaufen müssen.
  • 18. Februar - Biblis Im Kernkraftwerk Biblis ereignete sich eine Störung, bei der nacheinander mindestens fünf der Stromversorgungssysteme ausfielen. Während eines Sturms gerieten zwei Hochspannungsleitungen in der Nähe des KKW aneinander und verursachten einen Kurzschluss. Daraufhin fiel im Kraftwerk ein Hauptnetzanschluss aus, kurz darauf der zweite. Der Reserveanschluss funktionierte ebenfalls nicht. Die Notstromversorgung von Block A und die Eigenbedarfsversorgung von Block B versagten. Somit bestand die Gefahr, dass die Steuerungs- und Sicherheitssysteme nicht mehr mit Energie versorgt werden konnten. Die ordnungsgemäß arbeitenden Notstrom-Dieselgeneratoren verhinderten letztendlich Schlimmeres. In der Vergangenheit waren diese Notstromaggregate mehrmals gestört.

Siehe auch

  • Liste von Störfällen deutscher Atomanlagen ("Anti-Atom-Lexikon", Aktualisierungen 2003 eingestellt)
  • Meldepflichtige Ereignisse seit 1965 (Bundesamt für Strahlenschutz)

Einzelnachweise

  1. Jahresbericht 1987 zu besonderen Vorkommnissen in Kernkraftwerken, S. 14
  2. B. Meier vom Physik Department E17 und J. Fait 2 vom Physik Department – Sicherheitsabteilung Z 62 der Technische Universität München: „Umweltkontamination als Folge einer unkontrollierten Freisetzung von radioaktivem Kobalt