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Online Misogynie ist ein abstrakter Begriff für Erscheinungsformen von Misogynie, welche im digitalen Raum auftreten. Die United Nations Broadband Commission und das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) nehmen sich dieser weltweiten Problematik unter dem Begriff „cyber violence against women and girls“ (cyber VAWG) an. Forschungen des EIGE gehen davon aus, dass eine von zehn Frauen seit ihrem sechzehnten Lebensjahr bereits zum Ziel von Online Misogynie wurde[1]. Online Misogynie beschränkt sich somit nicht auf Einzelfälle[2]. Online Misogynie hat System und wird als solches untersucht.[3]
Erscheinungsformen von Online Misogynie haben einerseits Folgen im digitalen Raum[4][5]:
„Geschlechtsspezifischer digitaler Hass hat einen chilling effect, indem manche Frauen sich selbst zensieren, anonym schreiben und sich teilweise oder komplett aus dem Internet zurückziehen.“[6]
Anderseits hat Online Misogynie signifikante Folgen für die Betroffenen im analogen Raum[7]:
„Frauen leiden sozial, psychologisch, professionell, finanziell und politisch."[6]
Erscheinungsformen von Misogynie, welche im digitalen Raum beginnen, gehen zudem immer mehr in den analogen Raum über. Beispielsweise sind die Praktiken des doxings, swattings und des Rachepornos zu nennen.[6]
Abgrenzung zu Offline Misogynie
Im Gegensatz zu Offline Misogynie tritt Online Misogynie nicht im analogen, sondern ausschließlich im digitalen Raum auf. Im digitalen Raum treten oft schwerere Erscheinungsformen von Misogynie auf als im analogen Raum. Beispielsweise finden sich in vielen Online-Bereichen bildliche Vergewaltigungsdrohungen [8]. Online Misogynie trifft die Betroffenen somit oftmals härter als Offline Misogynie. Die United Nations Broadband Commission nennt fünf Merkmale, welche die Online Misogynie von der Offline Misogynie unterscheiden[9]:
- Anonymität: Eine beleidigende Person kann dem Opfer unbekannt bleiben
- Aktion aus Distanz: Missbrauch kann ohne physischen Kontakt und von überall aus erfolgen.
- Automation: Beleidigende Aktionen benötigen durch technologische Hilfsmittel weniger Zeit und Bemühungen.
- Zugänglichkeit: Die Vielfalt und Erschwinglichkeit vieler Technologien machen sie für die Täter leicht zugänglich.
- Ausbreitung und Beständigkeit: Texte und Bilder vermehren sich und existieren für eine lange Zeit oder auf unbestimmte Zeit.
Zielgruppen
Online Misogynie richtet sich gegen verschiedene Zielgruppen, mit unterschiedlichen Folgen.
Frauen in der Politik
Online Misogynie gegenüber Politikerinnen stellt in unserer Gesellschaft eine aktuelle Problematik dar.[10] Sie geht mit spezifischen Merkmalen einher, woraus sich individuelle und gesamtgesellschaftliche Folgen ergeben. Online Misogynie gegenüber Politikerinnen ist unter anderem in den USA und Deutschland zu beobachten.
Merkmale
Grundsätzlich lasse sich beobachten, dass politische Diskussionen in sozialen Medien zunehmen. [11] Dabei machen beispielsweise beleidigende Tweets durchschnittlich 18% aller Tweets aus, in denen Abgeordnete erwähnt werden. [12] Bei kontroversen politischen Debatten und politischen Events liegt der Prozentsatz an beleidigenden Tweets sogar bei über 18%.[12]
In einer Studie haben Rheault et. al. herausgefunden: je höher der Status und der Bekanntheitsgrad einer Politkerin, umso stärker ist diese online von misogynen Nachrichten betroffen.[13] Als Erklärungsmuster verweisen Rheault et. al. auf die Theorie der Geschlechterrollen[14], wonach gewisse Normen und Rollen wahrgenommen und mit dem jeweiligen Geschlecht in Verbindung gebracht würden. Misogyne Nachrichten gegenüber Politikerinnen würden somit als Werkzeug fungieren, die bestehenden Rollen und Normen aufrechtzuerhalten. In diesem Fall bestehe die zu verteidigende Norm darin, dass politische Ämter mit hohem Bekanntheitsgrad von Männern zu bekleiden sind.
Filipovic weist darauf hin, dass Politikerinnen regelmäßig als „shrill, bitchy, ball-busting, or hysterical“[15] bezeichnet werden. Sie würden zudem als manisch und lesbisch angesehen werden. Diese Arten von sexualisierten Beleidigungen stellen laut Filipovic einen Versuch dar, Frauen zurecht zu weisen, ebenso wie Vergewaltigungsdrohungen versuchen, Frauen ängstlich zu machen, um sie in den häuslichen Bereich zu verbannen.[15]
Funk/Coker verweisen auf die Theorie der Objektifizierung.[16] Diese betont die Wirkungsmacht von Äußerungen, welche eine Frau lediglich auf ihr objektives Erscheinungsbild reduzieren. Sie kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass vor allem Aspekte der Glaubwürdigkeit und Eignung für ein politisches Amt, durch objektivierende Kommentare beeinflusst werden. [17] Demnach würden Politikerinnen, im Zuge von objektivierenden Kommentaren, für weniger glaubwürdig und geeignet gehalten werden.
Beispiele aus Deutschland
Laut einer Umfrage von Der Spiegel geben 69% der befragten Politikerinnen an, als Bundestagsabgeordnete frauenfeindlichen Hass zu erleben.[18] Auch hier falle auf: Je bekannter das politische Amt, umso extremer die misogynen Anfeindungen.[18]
Einen prominenten Fall von Online Misogynie gegenüber deutschen Politikerinnen stellt die Debatte um die Grünen-Politikerin Renate Künast dar. Sie erhält seit Jahren online misogyne Anfeindung, angefangen im Jahr 2016.[10] 2019 zog Künast gemeinsam mit der Hilfsorganisation HateAid vor Gericht. Beleidigungen, wie "Stück Scheiße" und "Drecksfotze", wurden von dem Berliner Landgericht jedoch zunächst als zulässige Meinungsäußerung betrachtet.[19][20] Daraufhin legten Künast und HateAid beschwerde ein. Sie bekamen in 12 von 20 Fällen Recht. Mit diesen verbliebenen Anfeindungen sind sie Ende 2020 vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Künast betont in diesem Zusammenhang den maßgeblichen Einfluss rechtsextremer Bewegungen:
"Rechtsextremismus beinhaltet eine massive Frauenfeindlichkeit. Für diese Leute sind Frauen nicht gleich, sondern ihre Dienerinnen. Frauen haben nicht in der ersten Reihe zu stehen und ihre Meinung zu sagen, sondern sie sollen eingeschüchtert sein, wenn ein Mann eine Ansage macht."[10]
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth verweist in diesem Zusammenhang auf die AfD:
„Die AfD bereitet diesen Hassfantasien den Boden, sie ist wie ein Lautsprecher, der nicht nur offenen Rassismus sondern auch Frauenfeindlichkeit nach außen trägt.“[18]
"Je mehr Hass man zulasse, desto schlimmer werde es, das zeige das Beispiel USA." (Günther)
Beispiele aus den USA
Folgen
Lösungsansätze
klarere Haltung der männlichen Kollegen (Suding)
+ Es geht auch um Prävention und zivile Organisationen wie Nichtregierungsorganisationen oder Antifa-Gruppen. Die müssen alle zusammen unterstützt werden – sonst breitet sich der Hass aus wie eine Epidemie. (Künast)
+ Der zentrale Weg gegen Hate Speech ist für mich der rechtliche, denn nur der hat persönliche Konsequenzen für die Täter und kann gleichzeitig dazu beitragen, dass sich Justiz und Strafverfolgungsbehörden in diesem Themenbereich weiterentwickeln. Ich verlange also zuerst eine Unterlassungserklärung und überlege dann zivil- oder strafrechtliche Schritte. (Künast)
+ HateAid-Chefin fordert mehr Courage im Netz
Frauen im Sport
In verschiedenen, männerdominierten Sportarten werden Frauen Opfer von Online Misogynie. Im Fußball löste etwa der Einsatz von Claudia Neumann, als erste Kommentatorin eines EM-Spiels, eine Debatte über misogyne Angriffe im Sport aus.[21]
Frauen in der Gaming-Szene
In der Gaming-Szene werden Frauen gezielt Opfer von Online Misogynie.[22] Einen weitreichenden Angriff auf Frauen in der Gaming-Szene stellt beispielsweise die GamerGate-Kampagne dar[23].
Projekte & Organisationen
Es gibt verschiedene Organisationen und Projekte, deren Ziel es ist, Online Misogynie entgegenzuwirken und Betroffenen zu helfen:
Einzelnachweise
- ↑ EIGE: Cyber violence against women and girls. 2017, S. 1, abgerufen am 17. Februar 2021.
- ↑ Inga Barthels: Das Geschäft mit der Demütigung hat eine lange Tradition. In: Der Tagesspiegel. 2021, abgerufen am 17. Februar 2021.
- ↑ Broadband Commission: CYBER VIOLENCE AGAINST WOMEN AND GIRLS. A WORLD-WIDE WAKE-UP CALL. 2015, S. 5
- ↑ Jill Filipovic: Blogging While Female: How Internet Misogyny Parallels "Real-World" Harassment. In: Yale Journal of Law & Feminism. 2007, S. 303, abgerufen am 12. Februar 2021.
- ↑ Anne Höhn: Hassrede lässt junge Frauen online verstummen. In: DW. 2018, abgerufen am 18. Februar 2021
- ↑ a b c Emma A. Jane: Misogyny online. A short (and brutish) history. London 2019, S. 4
- ↑ Forschungszentrum Menschenrechte der Universität Wien/WEISSER RING Verbrechensopferhilfe: Gewalt im Netz gegen Frauen & Mädchen in Österreich. 2018, S. 11
- ↑ Emma A. Jane: Misogyny online. A short (and brutish) history. London 2019, S. 3
- ↑ Broadband Commission: CYBER VIOLENCE AGAINST WOMEN AND GIRLS. A WORLD-WIDE WAKE-UP CALL. 2015, S. 23
- ↑ a b c Meike Laaf/Lisa Hegemann: "Hetze trifft irgendwann jeden: Verwandte, Bekannte, Sie selbst". In: Zeit Online. 2020, abgerufen am 18. Februar 2021
- ↑ E. Vraga et. al.: How individual sensitivities to disagreement shape youth political expression on Facebook. In: Computers in Human Behavior 45. 2015. S. 281–289
- ↑ a b Yannis Theocharis et. al.: The Dynamics of Political Incivility on Twitter. In: SAGE Open 10 (2). 2020. S. 1)
- ↑ Ludovic Rheault et. al.: Politicians in the line of fire: Incivility and the treatment of women on social media. In: Research & Politics 6 (1). 2019. S. 2
- ↑ Ludovic Rheault et. al.: Politicians in the line of fire: Incivility and the treatment of women on social media. In: Research & Politics 6 (1). 2019. S. 5
- ↑ a b Jill Filipovic: Blogging While Female: How Internet Misogyny Parallels "Real-World" Harassment. In: Yale Journal of Law & Feminism. 2007, S. 303, abgerufen am 12. Februar 2021.
- ↑ Michelle E. Funk, Calvin R. Coker: She’s Hot, for a Politician: The Impact of Objectifying Commentary on Perceived Credibility of Female Candidates. In: Communication Studies. 67:4. 2016. S. 455-473.
- ↑ Michelle E. Funk, Calvin R. Coker: She’s Hot, for a Politician: The Impact of Objectifying Commentary on Perceived Credibility of Female Candidates. In: Communication Studies. 67:4. 2016. S. 466.
- ↑ a b c Tanja Brandes: Sexismus: Wie Politikerinnen zu Hassobjekten gemacht werden. In: Berliner Kurier. Berliner Verlag, 15. Februar 2021, abgerufen am 24. Februar 2021.
- ↑ Tom Waurig: HateAid hilft Betroffenen von digitaler Gewalt. In: FrankfurterRundschau. 11. Dezember 2020, abgerufen am 24. Februar 2021.
- ↑ Philipp Jedicke: Renate Künast: "Hate Speech ist eine Zersetzungsstrategie". In: Deutsche Welle. 27. Oktober 2020, abgerufen am 24. Februar 2021.
- ↑ Katharina Riehl: Was passiert, wenn 2016 in Deutschland eine Frau ein Fußballspiel kommentiert. In: Süddeutsche Zeitung. 2016, abgerufen am 18. Februar 2020
- ↑ Marie-Julie May: Im Abseits. In: Spiegel Online. 2020, abgerufen am 18. Februar 2021
- ↑ Zoë Quinn: Crash Override: How Gamergate (Nearly) Destroyed My Life, and How We Can Win the Fight Against Online Hate, PublicAffairs, 2017