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Elisabeth Gehrer

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Elisabeth Gehrer (* 11. Mai 1942 in Wien geb. Pokorny) ist österreichische Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (ÖVP) in der Bundesregierung Schüssel II.

Datei:Elisabeth gehrer.jpg
Elisabeth Gehrer im April 2005

Vita

1949 übersiedelte Elisabeth Pokorny mit ihren Eltern von Wien nach Innsbruck, wo sie das Gymnasium und die Lehrerbildungsanstalt besuchte. Nach Abschluss ihrer Ausbildung arbeitete sie von 1961 bis 1964 als Volksschullehrerin in Hart im Zillertal und anschließend zwei Jahre an der Volksschule Lochau. 1964 heiratete sie Fritz Gehrer, übersiedelte nach Bregenz und schied 1966 vorerst aus dem beruflichen Leben aus; der Ehe entstammen drei Söhne.

1980 begann Gehrer ihre politische Tätigkeit für die ÖVP als Stadträtin für Musik und regionale Zusammenarbeit in Bregenz und wurde ein Jahr später Vorsitzende der Regionalplanungsgemeinschaft Bodensee. In den Vorarlberger Landtag zog sie 1984 ein, wurde 1989 Obfrau des ÖVP-Klubs in der Stadtvertretung von Bregenz und im selben Jahr Vizepräsidentin des Landtages. 1990 wurde sie in die Vorarlberger Landesregierung entsandt, wo sie für die Bereiche Schule, Weiterbildung, Wissenschaft, Frauen, Jugend, Familie, Gemeindeentwicklung, Energiesparen und Entwicklungshilfe zuständig war. Daneben wurde sie als amtsführende Präsidentin des Landesschulrates eingesetzt und war ab 1994 Landesleiterin der Frauen der ÖVP-Vorarlberg.

1994 wurde Elisabeth Gehrer in der Bundesregierung Vranitzky IV, einer Koalition von SPÖ unter Bundeskanzler Franz Vranitzky und ÖVP unter Vizekanzler Wolfgang Schüssel, zur Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten ernannt und im Herbst 1995 auch zur Bundesobmann-Stellvertreterin des ÖAAB, der Arbeitnehmerorganisation der ÖVP, gewählt. Als Bundesministerin gehörte sie seither den Regierungen Vranitzky V (SPÖ/ÖVP, 1996 bis 1997), Klima (SPÖ/ÖVP, 1997 bis 2000) und Schüssel I (ÖVP/FPÖ, 2000 bis 2003), sowie der aktuellen Regierung Schüssel II (ÖVP/FPÖ-BZÖ, seit 2003) an; seit 2000 als Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Daneben ist sie seit 1999 stellvertretende Parteiobfrau der ÖVP.

Politische Schwerpunkte und aktuelle Themen

Ausbau von Fachhochschulen

Der Ausbau der Fachhochschulen als Alternative zu den Universitäten ist ein Schwerpunkt der aktuellen Bildungspolitik. Das Ziel sind 33.000 FH-Studierende bis zum Jahr 2010.[1] Die Einrichtung von Fachhochschulen hat der Ministerrat im Jänner 1993 auf Antrag von Wissenschaftsminister Erhard Busek beschlossen[2], wenig später hat der Nationalrat das Gesetz verabschiedet. 1994 begannen 674 Österreicher eine FH-Ausbildung. Seitdem ist diese Zahl auf das fast 40fache angestiegen. Im Wintersemester 2005/2006 betrieben 25.727 Personen ein Fachhochschulstudium, 42 Prozent davon Frauen. In mehr als 200 Studiengängen werden vor allem Ausbildungen in Wirtschaft, Technik und Computer/IT angeboten.[3]

Einführung Bakkalaureatsstudium

Im Rahmen der umstrittenen Universitätsreform 2002 wurde unter anderem auch das Bakkalaureatsstudium als verkürzte Form eines Universitätsabschlusses in Österreich eingeführt. Dieses ist auf die 1999 durchgeführte Einigung der EU-Staaten auf die Harmonisierung der Studienformen und das dreistufige System Bakkalaureat, Magisterium, Doktorat in der „Bologna-Erklärung“ zurückzuführen. Zuständiger Wissenschaftsminister war 1999 Caspar Einem (SPÖ).

Institute for Science and Technology - Austria

Auf Initiative des Wiener Experimentalphysikers Anton Zeilinger wurde das Konzept einer „Elite-Uni“ entworfen, in der Wissenschafter naturwissenschaftlich-technische Forschungen auf höchstem Niveau betreiben sollen. Im Februar 2006 entschied sich Elisabeth Gehrer, entgegen dem Wunsch der von ihr eingesetzten Expertenkommission, für den Standort Maria Gugging bei Klosterneuburg. Daraufhin legte Zeilinger seine Mitarbeit an dem Projekt zurück. Der Plan, die Elite-Uni „Wittgenstein-Institut“ zu nennen, musste nach Protesten der Wittgenstein-Nachkommen verworfen werden. Ebenso protestierten in einem offenen Brief alle Wittgensteinpreisträger gegen diese Entscheidung. Der Name wurde auf „Institute for Science and Technology - Austria“ (ISTA) geändert. Am 29. März 2006 wurde das Projekt im Nationalrat mit den Stimmen der Regierungsparteien (ÖVP/BZÖ) und der oppositionellen SPÖ beschlossen. In der Zwischenzeit ist Anton Zeilinger zu dem Projekt zurückgekehrt und hat einen Sitz im Kuratorium des ISTA angenommen, weil sich die Politik zurückgezogen habe und der "Wagen in die richtige Richtung fährt".[4]


PISA-Studie

Die Ergebnisse der ersten PISA-Studie 2001 waren für Österreich auf Grund der noch vorhandenen Vorgaben im internationalen Durchschnitt noch recht gut (11. Platz). Bei der Studie 2004 erfolgte jedoch ein Absturz auf den 19. Rang. Dieser Absturz wird auf einschneidende finanzielle Kürzungen zurückgeführt: So hat Ministerin Gehrer zum Beispiel genau in jenen Bereichen, in denen die Studie 2004 große Mängel aufgezeigt hat, einige Jahre zuvor die Lehrpläne und -stunden gekürzt. Noch dramatischer zeigt sich die Situation bei den Schülern der Polytechnischen Lehrgänge sowie der Berufsschulen, in denen sich gezeigt hat, dass die Lesekompetenz unter der von Thailand, Mexiko und Brasilien liegt. Das bisherige Argument Gehrers, das schlechte Gesamtergebnis wäre nur auf die Ergebnisse aus den berufsbildenden Schulen zurückzuführen, wurde inzwischen widerlegt. Auch die Gymnasien stehen im mitteleuropäischen Vergleich an hinterer Stelle.

Um eine, für das Ansehen österreichischer Bildungspolitik wichtige Verbesserung des Pisa-Rankings zu erreichen (Österreich steht an 19. Stelle), hat die Gewerkschaft öffentlicher Dienst gemeinsam mit Ministerin Gehrer und der Bundeswirtschaftskammer ein Projekt gestartet, mittels eines Prospekts die zu prüfenden Schüler auf die Tücken solcher Tests vorzubereiten. Die Umsetzung versprochener, bildungspolitischer Verbesserungen ist trotz aller Ankündigungen nicht erfolgt. Diese Kritik wird vor allem, aber nicht nur, vom österreichischen Koordinator für die PISA-Studie, Günter Haider geäussert.

Von Seiten des Bildungsministeriums wird der österreichische Teil der PISA-Studie kritisiert, da bei der Auswahl der Schulen, dem Datenvergleich und dem Vergleich österreichischer Bildungseinrichtungen mit nicht analogen internationalen Bildungseinrichtungen derart schwerwiegende Fehler begangen worden wären, dass das Ergebnis nicht mehr als wissenschaftlich seriös bewertet werden könne. Dem Leiter der PISA-Studie wird seine parteipolitische Nähe zur SPÖ, der größten österreichischen Oppositionspartei, vorgeworfen und damit mangelnde Objektivität unterstellt.


Bildungsevidenz

Eine Bildungsevidenz als Gesetz das vorsieht, dass alle Noten, Verhalten und Umgangsformen im Unterricht, Unterrichtsfächer, Teilnahme an Schulveranstaltungen, Bezug von Schülerfreifahrt und Schulbüchern sowie bei Berufsschülern Dienstverhältnisdaten einer zentralen Datenbank übermittelt werden, wo sie, scheinbar über die Sozialversicherungsnummer verschlüsselt und damit völlig offen, die gesamte Lebenszeit (mindestens aber 75 Jahre) gespeichert bleiben, wofür Gehrer im Jahre 2004 einen Big Brother Award erhielt.

Kritik

Kritiker werfen Gehrer vor, dass ihre Entscheidungen im Bildungsbereich sich insgesamt negativ auf die Qualität des österreichischen Bildungswesens ausgewirkt hätten. Daneben wird auch ihre Qualifikation in Frage gestellt, da sie, mit einer Ausbildung zur Volksschullehrerin, als Ministerin für die gesamte Bildungspolitik, darunter auch die Hochschulen, verantwortlich ist. Die unter ihrer Ägide durchgeführten Reformen seien zudem lediglich auf die Interessen von Lobbys aus der Wirtschaft zugeschnitten.

Studiengebühren, Ausgliederung und Stundenkürzung

In den letzten Jahren wurden unter Leitung von Ministerin Gehrer zahlreiche heftig umstrittene Reformen durchgeführt, so unter anderem eine Stundenkürzung an den österreichischen Schulen und die Einführung der Studiengebühren, die sie noch wenige Tage vor dem Beschluss der Gebühren kategorisch ausgeschlossen hatte. Auch die Ausgliederung der österreichischen Universitäten wurde von Seiten der Opposition und der Universitäten kritisiert, da die finanzielle Situation der Hochschulen sich sichtbar verschlechterte.

Trivia

  • Im August 2003 sagte Elisabeth Gehrer in einem Interview mit der Tageszeitung Die Presse:[5] "Nach meinem Verständnis hat die ältere Generation den Generationenvertrag erfüllt. Sie hat für ihre Eltern gesorgt, und sie hat Kinder bekommen." Jetzt solle man sich öffentlich damit auseinandersetzen, was die Aufgabe der Jungen sei. "Kinder sind die beste Zukunftssicherung, darüber muss man reden. Was macht das Leben lebenswert? Etwa wenn man von Party zu Party rauscht, ist es das Single-Leben?" Dieses Zitat wurde auf den Slogan "Kinder statt Partys" reduziert, bescherte Gehrer heftige Kritik und verursachte eine emotionale Wertediskussion in Österreich. Der Slogan "Kinder statt Partys" wurde von 1100 Journalisten und Privaten zum Spruch des Jahres 2003 gewählt.[6]
  • Der bei den Big Brother Awards verliehene Lifetime Achievement-Award wurde in Österreich 2004 kurzerhand in „Lebenslanges-Ärgernis-Elisabeth-Gehrer-Preis für die nachhaltigste Annäherung an die Romanvorlage 1984 umbenannt, nachdem Elisabeth Gehrer diesen Preis 3 Jahre hintereinander gewonnen hatte.
  • Im ersten APA/OGM-Vertrauensindex für Bundespolitiker 2006 belegte Gehrer den drittschlechtesten Platz nach Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Jörg Haider (BZÖ) (letzter).
  • Kritik erregte auch, dass während ihrer Ministerzeit ihr Sohn Stefan Gehrer in die Redaktion der "Zeit im Bild" (der Nachrichtensendung des gesetzlich ans Neutralitätsgebot gebundenen staatlichen Rundfunksenders ORF) aufgerückt ist und da lange Zeit vorwiegend innenpolitische Berichte gestaltete. Im Zuge der Wahlberichterstattung 2002 erstellte er u.a. auch Beiträge, die zur Wählerinformation eine Bilanz der Politik der Regierung, der seine Mutter angehörte, präsentierten.

Quellen

  1. FH-Entwicklungsplan III, 2004
  2. BGBl.Nr. 340/1993
  3. Statistik Austria, Pressetext 8.547-56/06 vom 24.3.2006
  4. ORF-Radio-Mittagsjournal, 20.6.2006
  5. Die Presse, 23.8.2003
  6. Die Presse, 18.12.2003, S.10

Elisabeth Gehrer auf den Webseiten des österreichischen Parlaments