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Fabel

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Wilhelm von Kaulbach: Illustration (1857) zu Goethes Reineke Fuchs

Der Begriff Fabel bezeichnet eine in Vers oder Prosa verfasste Erzählung mit belehrender Absicht, in der vor allem Tiere, aber auch Pflanzen, Dinge oder fabelhafte Mischwesen menschliche Eigenschaften besitzen (Personifikation). Die Dramatik der Fabelhandlung zielt auf eine Schlusspointe hin, an die sich meist eine allgemeingültige Moral anschließt. Wichtige Fabeldichter sind Hans Sachs, Jean de La Fontaine, Jean-Pierre Claris de Florian, Christian Fürchtegott Gellert, Magnus G. Lichtwer und Wolfhart Spangenberg.

Geschichte

Altertum

Fabeln zählen zum volkstümlichen Erzählgut. Bekannt sind die altindische Fabelsammlung Panchatantram, sowie die Fabeln des Arabers Lokman. Als Schöpfer der europäischen Fabel gilt Äsop, dessen Werk über Phaedrus, Babrios und Avianus Eingang in das mittelalterliche Europa fand.

In der Antike wird die Fabel nicht als literarische Gattung angesehen, sie ist eher den niederen Schichten zugehörig und wird höchstens als rhetorisches Element verwendet. So schreibt Aristoteles in einer rhetorischen Schrift über Beispiele in Reden und nennt die Fabel (als fingierte Beispiele) und das historische Ereignis. Die älteste überlieferte Fabel findet sich bei Hesiod. Beispiele für die Verwendung in der lateinischen Literatur finden sich bei: Horaz (serm. 2. 6. 79ff.): "Die Fabel von der Haubenlerche" und Livius (2. 32. 8ff.): "Die Fabel vom Magen und von den Gliedern".

Erst Phaedrus schreibt Fabelbücher, die vor allem durch eine Prosabearbeitung, den Romulus-Corpus, verbreitet werden.

Seite aus: Der Edelstein, gedruckt von Albrecht Pfister, Bamberg 1461

Mittelalter und Humanismus

Als ältester Fabeldichter in deutscher Sprache kann der mittelhochdeutsche Dichter Der Stricker gelten, dessen Werke ab Mitte des 13. Jahrhunderts definiert werden. Die älteste Fabelsammlung ist wohl Ulrich Boners Edelstein (etwa 1324). Die Fabelliteratur etabliert sich vor allem im Zeitalter des Humanismus, so nutzt auch Luther nach eigener Aussage die Fabel, um im "lustigen Lügenkostüm" Wahrheiten zu verbreiten, die die Menschen normalerweise nicht hören wollen.

Neuzeit

Gotthold Ephraim Lessing bildet gemeinhin den Abschluss der klassischen deutschen Fabeltradition. Er nutzt die Fabel im Sinne der Aufklärung, wobei er durch geringfügige Änderungen des Inhalts zu neuen Nutzanwendungen gelangt. In Russland ist Iwan Krylow der bedeutendste Fabeldichter. Der Franzose La Fontaine (1621-1695) ersetzt die allzu belehrenden Fablen und die damit verloren gegangene Einfalt und Natürlichkeit durch geistigen Witz und spielerische Anmut.

In den 1950er Jahren tut vor allem James Thurber (Fables of Our Time, New York 1940; New Fables of Our Time, New York 1956) viel zur Wiederbelebung der seit dem Biedermeier marginalisierten Gattung. In Deutschland unternimmt Hartwig Stein (IN DUBIO PRO LEOne. Fünfzig Fabeln für Verwachsene, Norderstedt 2005) derzeit einen ähnlichen Versuch, indem er den klassischen Tierkreis mit dem ökonomischen Krisenzyklus kurzschließt, altbekannte Topoi und Konflikte konsequent modernisiert und kulturkritisch modifiziert.


siehe auch Fabliaux, Facetie

Charakteristische Merkmale einer Fabel

Reineke Fuchs
  • Im Mittelpunkt der Handlung stehen oft Tiere, denen menschliche Eigenschaften zugeordnet sind.
  • Die Tiere handeln, denken und sprechen wie Menschen.
  • Die Fabel will belehren und unterhalten (fabula docet et delectat).
  • Nach Lessing soll die Fabel einen allgemeinen moralischen Satz auf einen besonderen Fall zurückführen und an diesem dann in Form einer Geschichte darstellen.
  • Die Personifikation der Tiere dient dem Autor häufig als Schutz vor Bestrafung o.Ä., denn er übt keine direkte Kritik aus.
  • Häufiges Fabelthema sind auch Ständeordnungen.

Typischer Aufbau einer Fabel

  1. Promythion - vorangestellte Nutzanwendung /Lehre
  2. Ausgangssituation der Handlung
  3. Auslösung der Handlung (actio, Rede, 1. Handlungsteil)
  4. Reaktion des Betroffenen (reactio, Gegenrede, 2. Handlungsteil)
  5. Ergebnis der Handlung (eventus)
  6. Epimythion - Nachgestellte Nutzanwendung /Moral

Die einzelnen Teile sind nicht alle in jeder Fabel enthalten, da die Lehre bzw. Moral manchmal gar nicht explizit genannt wird, damit der Leser sie selbst herausfindet oder weil sie so offensichtlich ist. Wenn sie genannt wird, so kann sie am Anfang (Promythion) oder am Ende (Epimythion) der Fabel stehen. Die Fabel dient im ersten Fall als plastische Verdeutlichung einer Lehre, im häufiger vorkommenden zweiten Fall ist sie die Geschichte, die den Leser auf ein Problem stößt. Dann kann die gleiche Fabel auch unterschiedliche Nutzanwendungen haben, zum Beispiel bei Aesop und Lessing.

Tierfabel

Tierfabeln sind Fabeln, in denen Tiere wie Menschen handeln. Dabei kommen manche Tiere recht oft vor, wie beispielsweise der Wolf, die Eule, der Fuchs.

Diese Tiere haben meist Eigenschaften, die sich in fast allen Fabeln gleichen. Der Fuchs ist dort der Schlaue, Listige, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist. Die Eule ist die weise und kluge Person. Die Gans gilt als dumm, der Löwe als mutig, die Schlange als hinterhältig, die Maus als klein. Die Eigenschaften der Fabeltiere sind vertauschbar. Fabeltiere stellen bestimmte Charakterzüge von Menschen dar.

In der Tierfabel wird der personifizierte Charakter des Fabeltieres durch einen charakteristischen Fabelnamen unterstrichen.

Petz ist der altdeutsche Kosename für Bernhard.

Tiernamen nach der germanischen Fabeltradition

Name Tier Charakter
Adebar Storch stolz
Adelheid Gans geschwätzig
Arbnora Igel introvertiert
Äugler Kaninchen vorlaut, frech
Bellyn Widder
Bokert Biber arbeitswütig
Boldewyn Esel störrisch
Braun Bär Siehe Meister Petz
Ermelyn Füchsin listig und schlau
Gieremund Wölfin böse dem Bauch gehorchend
Grimbart Dachs
Henning Hahn eitel und schlau
Hinze Kater eigenwillig
Hylax Hund treu und gutherzig
Isegrim Wolf Dem Bauch gehorchend
Kratzefuß Henne
Lampe Hase Siehe Meister Lampe
Lupardus Leopard
Lütke Kranich bürokratisch
Lynx Luchs
Markart Häher
Martin Affe Clown
Meister Lampe Hase vorlaut und ängstlich
Meister Petz Bär gutmütig
Merkenau Krähe
Metke Ziege
Murner Katze schläfrig
Nobel Löwe stolz
Petz Bär Siehe Meister Petz
Pflückebeutel Rabe eitel und dumm (siehe Fabel Fuchs und Rabe)
Reineke Fuchs schlau und hinterlistig
Reinhart Fuchs Siehe Reineke
Swinegel Igel
Tybbke Ente
Wackerlos Hündchen

Fabeldichter

Literatur

  • Weil, Bernd A.: Fabeln: Verstehen und Gestalten, Frankfurt/M. 1982. ISBN 388323379X
  • Klaus Doderer: Fabeln, Formen, Figuren, Lehren, München 1982. ISBN 3423042761