Anschlag in Hanau 2020
Beim Anschlag in Hanau (Hessen) am 19. Februar 2020 ermordete der 43-jährige Hanauer Tobias Rathjen (fortan: R.) insgesamt zehn Menschen. In und vor zwei Shisha-Bars, einem Kiosk und einer Bar erschoss er neun Bürger von Hanau mit Migrationshintergrund. Danach erschoss er in der elterlichen Wohnung seine Mutter und sich selbst.
Die Tat wurde als rechtsextremer Terrorakt aus rassistischen Motiven eingestuft, die untrennbar mit einer psychischen Störung des Täters verbunden waren. Er war deutschen Behörden seit Jahren mit paranoiden Wahnvorstellungen aufgefallen. Bis Februar 2021 blieb ungeklärt, warum er trotzdem seit 2002 legal Waffen besitzen konnte, warum in der Tatnacht Notrufleitungen fehlten, die Notrufzentrale unterbesetzt sowie Notausgänge einer Bar verschlossen waren.
Opfer
Der Täter erschoss zehn Menschen:
- Gökhan Gültekin, 37,
- Sedat Gürbüz, 30,
- Said Nesar Hashemi, 21,
- Mercedes Kierpacz, 35,
- Hamza Kurtović, 22,
- Vili Viorel Păun, 23,
- Fatih Saraçoğlu, 34,
- Ferhat Unvar, 22,
- Kaloyan Velkov, 33,
- Gabriele Rathjen, 72 Jahre alt.[1]
Neun Opfer hatten einen Migrationshintergrund. Fünf davon besaßen die deutsche Staatsangehörigkeit, einer zudem die Afghanistans, zwei waren Staatsbürger der Türkei, je einer Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina, Bulgarien und Rumänien.[2] Mindestens zwei Opfer waren Deutsche kurdischer Herkunft.[3] Drei weitere waren Roma.[4]
Gökhan Gültekin wurde in Hanau geboren. Seine kurdischen Eltern stammten aus Ağrı und lebten seit 1968 in Hanau.[5] Er war gelernter Maurer und arbeitete nebenberuflich als Kellner. Sedat Gürbüz war der Besitzer der Shishabar Midnight. Er hinterließ einen Bruder. Said Nesar Hashemi war Deutsch-Afghane und in Hanau aufgewachsen. Er war ausgebildeter Maschinen- und Anlagenführer.[6]
Mercedes Kierpacz war eine deutsche Romni mit polnischen Wurzeln.[4] Sie hatte am Tatabend in der Arena Bar gearbeitet. Sie hinterließ zwei Kinder.[6]
Hamza Kurtović wurde wie sein Vater und seine drei Geschwister in Deutschland geboren. Ihre Vorfahren stammten aus Prijedor in Bosnien-Herzegowina. Er hatte gerade seine Ausbildung abgeschlossen und wohnte in der Nähe des Täters. Dieser erschoss ihn in der Arena Bar, als er dort auf seinen Freund wartete.[6]
Vili Viorel Păun war ein Roma aus Rumänien und das einzige Kind seiner Eltern.[4] Er kam als 16-Jähriger nach Deutschland, um Geld für eine medizinische Behandlung seiner Mutter zu verdienen. Er arbeitete bei einem Kurierdienst.[6][7]
Fatih Saraçoğlu war drei Jahre zuvor aus Regensburg nach Hanau gezogen. Er starb in der Shishabar Midnight.[5]
Ferhat Unvar wurde als Kind kurdischer Eltern in Deutschland geboren und wuchs dort auf. Er hatte gerade eine Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur abgeschlossen und traf sich oft mit Freunden in der Arena Bar.[6][5] Seine Mutter Serpil Temiz Unvar gründete am 14. November 2020, seinem Geburtstag, die „Bildungsinitiative Ferhat Unvar“.[8]
Kaloyan Velkov war ein Rom aus Bulgarien[4] und lebte laut dem bulgarischen Außenministerium seit zwei Jahren in Deutschland.[6] Er war der Wirt der Bar La Votre neben der Shishabar Midnight[5] und hinterließ einen kleinen Sohn.[4]
Gabriele Rathjen war die Mutter des Täters. Sie war nach Angaben von Nachbarn bettlägerig und erhielt mehrmals täglich Besuch von einem Pflegedienst.[9]
Mindestens fünf weitere Personen wurden nach Angaben des Landeskriminalamts durch Schüsse des Täters verletzt.[10] Der 23-jährige Bruder von Hashemi überlebte schwer verletzt.[5] Muhammed B. wurde in der Arena-Bar die rechte Schulter durchschossen; er fiel auf einen tödlich getroffenen Freund und überlebte nach einer Notoperation.[11]
Tatverlauf

Am 19. Februar 2020 hielt sich R. ab etwa 21:00 Uhr nahe beim ersten Tatort auf, dem Heumarkt. Er parkte sein Fahrzeug auf einem Behindertenparkplatz, wurde dort wegen Falschparkens kontrolliert und parkte den Pkw dann an einer anderen Stelle. Dann erschoss er an zwei Tatorten innerhalb von zwölf Minuten neun Menschen. Dabei suchte er sich gezielt Menschen aus, die er für Ausländer hielt, und ging strategisch und planvoll vor. Dies berichtete der Generalbundesanwalt Peter Frank vom 27. Februar 2020 im Innenausschuss des Bundestages.[12]
Gegen 21:50 Uhr näherte sich R. am Hanauer Heumarkt zwei Lokalen, die beide vorwiegend von Menschen mit Migrationshintergrund besucht wurden. Mit zwei Schusswaffen begann er auf Anwesende zu schießen und erschoss zunächst drei Personen: in der Bar „La Votre“ den Mitarbeiter Kaloyan Velkov, auf der Straße vor der Bar Fatih Saraçoğlu, in der Shisha-Lounge „Midnight“ deren Eigentümer Sedat Gürbüz.[13] Zudem betrat er einen Kiosk am Heumarkt, verließ ihn aber wieder, weil gerade niemand im Raum war. Vili Viorel Păun beobachtete ihn dabei aus seinem Auto heraus und versuchte, sich ihm in den Weg zu stellen.[14]
Um 21:53 Uhr floh R. und schoss dabei auf ein sich ihm näherndes Fahrzeug, eventuell Păuns Auto. Dann fuhr er zum Kurt-Schumacher-Platz in Hanau-Kesselstadt. Gegen 22:00 Uhr erschoss er Vili Viorel Păun durch die Windschutzscheibe seines Pkw, der auf dem Parkplatz vor einem Wohnblock stand. Dann stürmte er in einen Kiosk im Erdgeschoss des Wohnblocks und erschoss dort Gökhan Gültekin, Mercedes Kierpacz und Ferhat Unvar. Im zugehörigen Lokal „Arena Bar & Café“ erschoss er dann Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović. Dann fuhr er zu seiner Wohnung in Kesselstadt zurück und erschoss dort seine Mutter und sich selbst.[13]
Der Notausgang der „Arena Bar“ und ein weiterer Ausgang des Lagerraums waren zur Tatzeit verschlossen, so dass den Anwesenden die Flucht unmöglich war.[15] Laut Augenzeugen wussten alle Gäste, dass der Inhaber die beiden Türen seit Jahren geschlossen hielt. Auch die Polizei habe dies gewusst, da sie regelmäßig Razzien in der Bar durchführte. Die Polizei Südosthessen bestätigte die Razzien, bestritt aber, dass sie das Verschließen der Tür angeordnet habe.[16]
Ab 21:56 Uhr riefen viele Tatzeugen den Notruf 110 an, kamen aber nicht durch. Nach den ersten beiden registrierten Anrufen waren die verfügbaren zwei Apparate der Notrufzentrale besetzt. Erst nachdem R. sein neuntes Opfer erschossen hatte und weggefahren war, nahm die Polizei einen dritten Anruf entgegen.[15] Vili-Viorel Păun war dem Täter wohl mit seinem silbernen Mercedes vom ersten zum zweiten Tatort gefolgt. Denn ein Überwachungsvideo vom Heumarkt von 21:53 Uhr zeigte einen silbernen Pkw, der auf den fliehenden Täter zufuhr, nach einem Schuss des Täters zurücksetzte und laut Scheinwerferlicht in seine Richtung wendete. Păun wählte laut seinen Handydaten zwischen 21:57 und 21:59 Uhr dreimal vergeblich den Polizeinotruf 110, kurz bevor der Täter ihn erschoss. Der Tote wurde in seinem Fahrzeug vor dem Kiosk aufgefunden; er hatte sich sonst nie in Kesselstadt aufgehalten.[17]
Insgesamt registrierte die Notrufzentrale nach Recherchen des Magazins Monitor nur fünf Anrufe aus Hanau. Die zwei Apparate waren nicht durchgängig besetzt. Eine Rufumleitung zu einer Leitstelle war nicht eingerichtet. Viele Anrufe wurden weder registriert noch aufgezeichnet noch die Anrufer zurückgerufen. Sebastian Fiedler (Bund Deutscher Kriminalbeamter) kritisierte dies als schweres Versäumnis, da die Polizei in Kenntnis weiterer Zeugenaussagen eventuell einige der Morde hätte verhindern können.[18] In der Polizeiwache der Innenstadt war nur ein Beamter da, um Notrufe anzunehmen. Dies widersprach laut Fiedler der üblichen Praxis, wonach immer mindestens zwei Polizisten Notrufe annehmen können müssten. Hätte Vili-Viorel Păun die Polizei erreicht, hätte man ihm höchstwahrscheinlich geraten, sich in Sicherheit zu bringen und den Attentäter nicht zu verfolgen; das hätte ihm das Leben retten können.[19]
Ermittlungen
Nach eigenen Angaben erfuhr die Hanauer Polizei um 21:58 Uhr am Tatabend von den Schüssen am Heumarkt. Einsatzkräfte trafen demnach ab 22:00 Uhr dort ein, versorgten Verwundete und begannen nach dem Täter zu fahnden. Um 22:05 Uhr erhielt die Polizei erste Notrufe vom Kurt-Schumacher-Platz. Um 22:09 Uhr trafen weitere Einsatzkräfte dort ein, darunter ein Notinterventionsteam. Der Täter war jedoch bereits weitergefahren. Meldungen über angebliche Schüsse im Stadtteil Lamboy sowie in Bruchköbel stellten sich als falsch heraus. Um 22:50 Uhr konnte die Polizei einen an beiden Tatorten gesichteten Pkw dem Täter zuordnen und fand den Wagen gegen 23:00 Uhr bei seinem Wohnhaus in Hanau-Kesselstadt. In den nächsten vier Stunden beobachtete die Polizei das Haus und erwog, den Täter zur Aufgabe zu bewegen oder das Haus zu stürmen. Ab 1:00 Uhr am 20. Februar übernahm das Polizeipräsidium Frankfurt den Einsatz, ließ beide Tatbereiche weiträumig absperren und begann mit der Spurensicherung. Ab 3:03 Uhr drang ein Spezialkommando vorsichtig in das Wohnhaus des Täters ein, in dem Sprengfallen vermutet wurden. In der nächsten Stunde fand die Polizei in seiner Wohnung zwei Tote: den Täter und seine Mutter. Um 5:55 Uhr gab die Polizei bekannt, dass ein Attentäter neun Menschen erschossen habe. Bis dahin hatten erste Pressemeldungen fälschlich von einer „Schießerei“ gesprochen.[13]
Der Vater des Täters wurde in der Wohnung unverletzt aufgefunden, vernommen, kurz psychiatrisch untersucht und freigelassen: Man fand keine Hinweise auf seine Tatbeteiligung.[20]
Die Spurensicherung ergab, dass der Täter an den Tatorten mindestens 52 Schüsse abgegeben hatte. In seinem Pkw lagen eine Ceska-Pistole, zusätzliche Magazine und ein Rucksack voller Munition. In seiner Wohnung fanden sich weitere 346 Patronen und zwei weitere Handfeuerwaffen, die er legal besaß.[21] Zudem fand die Polizei ein Bekennerschreiben und ein Tätervideo. Wegen der Funde und Bedeutung des Falls übernahm der Generalbundesanwalt am 20. Februar 2020 die Ermittlungen.[22]
Der hessische Innenminister Peter Beuth verwies am 20. Februar 2020 auf mögliche fremdenfeindliche Motive des Täters. Er sei bis dahin weder dem Landesamt für Verfassungsschutz Hessen noch der Polizei bekannt gewesen.[23] Hinweise über mögliche Mitwisser oder Unterstützer gebe es bislang nicht.[12] Nach einem Zwischenbericht des Bundeskriminalamts (BKA) vom März 2020 wurden die Ermittlungen fortgesetzt.[24]
Täter
Ausbildung und Berufstätigkeiten
R. wurde 1977 in Hanau geboren und ging dort zur Schule. In den 1980er Jahren spielte er einige Jahre Fußball in der Jugend von Eintracht Frankfurt. 1996 machte er Abitur an der Hohen Landesschule in Hanau. Mitschülern fiel er nicht als rechtsradikal auf, nahm aber nicht an ihren Jahrgangstreffen teil. Nach Eigenangaben auf seiner Webseite leistete er Zivildienst und ließ sich dann in Frankfurt am Main zum Bankkaufmann ausbilden. Von 2000 bis 2007 studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und erreichte ein Diplom.[25] Von 2008 bis 2011 arbeitete er als Kundenberater, zuerst für einen Finanzdienstleister in Trier, dann bei Check 24 in München. Dort wohnte er von 2013 bis 2018 als Untermieter im Stadtteil Obermenzing. Nach Angaben von früheren Arbeitskollegen arbeitete er bis zu zwölf Stunden täglich, war sehr ehrgeizig und zeigte kein Interesse an anderen. Er zeigte offen seine Ansichten, lehnte die deutsche Nationalmannschaft wegen der „Ausländer“ darin ab und fand die Alternative für Deutschland (AfD) nicht radikal genug.[9]
Schusswaffen und Schießtraining
Seit 2012 war R. Mitglied im Frankfurter Schützenverein „Diana Bergen-Enkheim“, wo er regelmäßig etwa zwei- bis dreimal in der Woche Sportschießen trainierte.[25] Seit 2014 war er zudem Mitglied der „Königlich Privilegierten Hauptschützengesellschaft München 1406“. In beiden Schützenvereinen fiel er nach Angaben der Vorsitzenden nie als gefährlich oder rassistisch auf.[26]
Im April 2013 beantragte R. zwei Waffenbesitzkarten, eine zum Erwerb und Besitz von Schusswaffen, eine für sein Hobby als Sportschütze. Er erlaubte der Waffenbehörde die Nachfrage beim Gesundheitsamt, ob psychische Erkrankungen oder Suchterkrankungen vorlägen. Das Antragsformular war veraltet; die Überprüfung unterblieb. Gemäß einer bundesweiten Verwaltungsvorschrift hatte der hessische Innenminister die Waffenbehörden im März 2012 angewiesen, nur noch „bei konkretem Anlass“ bei Gesundheitsämtern nachzufragen. Im Juli 2013 erhielt R. daher eine Waffenbesitzkarte, irrtümlich für „Jäger“. Im Mai 2014 kaufte er sich legal eine Pistole SIG Sauer, Modell 226. Nach einer Kontrolle seines Waffentresors im März 2018 vermerkte die Münchner Polizei, dass er die Pistole ordnungsgemäß aufbewahrte. Die Waffenbehörde fand im Bundeszentralregister keine Vorstrafen R.s und beurteilte Vermerke zu Ermittlungen wegen Drogenschmuggels als „verwaltungsrechtlich nicht verwertbar“. Daher erhielt er die zweite Waffenbesitzkarte für Sportschützen. Damit kaufte er sich eine Pistole Walther PPQM2. Im August 2019 erhielt er den Europäischen Feuerwaffenpass.[15]
Bis 2019 bewahrte R. seine Schusswaffen an seinem Münchner Wohnsitz auf. Er teilte dem Main-Kinzig-Kreis seinen Umzug mit. Die Waffenbehörde des Kreises mahnte ihn nur, sich in München anzumelden. Er unterließ dies, teilte dem Main-Kinzig-Kreis aber im Juni 2017 und Juni 2018 schriftlich mit, dass er seine Waffen in München aufbewahre, da er dort hauptsächlich schieße, aber seinen Hauptwohnsitz weiterhin in Hanau habe. Die Mainzer Waffenbehörde informierte die Münchner Waffenbehörde nicht darüber; auch das Münchner Polizeipräsidium erfuhr nichts davon. Laut Eigenangaben überprüfte die Mainzer Behörde die Aufbewahrung der Waffen bei R. bis Mai 2017 viermal.[27] Im August 2019 führte die Mainzer Waffenbehörde eine angemeldete Kontrolle bei R. durch, bei der sie nichts Auffälliges feststellte.[9]
Laut Ermittlern absolvierte R. im Juli und September 2019 mindestens zwei Gefechtstrainings in der Slowakei. Sie wurden von einer slowakischen Sicherheitsfirma ausgerichtet und von Ausbildern ehemaliger Militäreinheiten und Spezialeinsatzkräfte geleitet.[28] Vom zweiten Kurs namens „Sturmgewehr“ wurde R. ausgeschlossen, weil er sich seltsam verhalten und auffällig geschwitzt haben soll. Insgesamt meldete er sich fünfmal für Schieß- und Gefechtstrainings jener Sicherheitsfirma in der Slowakei an.[14]
Im Herbst 2019 mietete R. eine Wohnung in der Innenstadt von Hof (Saale) und beobachtete dort Shisha-Bars. Kurz darauf kündigte er die Wohnung jedoch wieder.[29]
Knapp zwei Wochen vor der Tat lieh er sich bei einem Waffenhändler die Tatwaffe, eine Czeska 75 Shadow. Mit einer Waffenbesitzkarte durften Sportschützen eine Waffe vier Wochen lang ausleihen und testen. Der Waffenhändler sah keinen Grund, dies R. zu verweigern; er habe korrekte Papiere vorgezeigt, sei seriös gekleidet gewesen und habe „völlig normal“ auf ihn gewirkt. Somit besaß R. zur Tatzeit legal drei Handfeuerwaffen.[30]
Strafanzeigen und Akteneinträge
R. stellte dreimal wahnhafte Strafanzeigen. Im Januar 2002 zeigte er beim Polizeipräsidium Oberfranken eine „psychische Vergewaltigung“ an: Er werde „durch die Wand und durch die Steckdose abgehört, belauscht und gefilmt“. Daraufhin diagnostizierte ein Arzt des Gesundheitsamts eine „Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, paranoide Inhalte“ und empfahl, R. sofort in eine psychiatrische Klinik zu bringen. Er griff einen Polizisten an, um zu fliehen, wurde überwältigt und in Handschellen ins Krankenhaus gebracht, aber am selben Abend mit dem Vermerk „ungeheilt“ entlassen. R.s Vater hatte einen Anwalt eingeschaltet. Nach seiner Beschwerde notierte ein Arzt, der Vater glaube ebenfalls, sein Sohn werde überwacht; beide hätten eine gemeinsame psychische Störung. Bei einer Nachuntersuchung im April 2002 wertete ein Arzt R.s vorigen Gewaltausbruch als „situative Wahnperiode“ und erklärte sie aus universitärem Prüfungsdruck. 2004 stellte R. die gleiche paranoide Anzeige bei der Polizei in Offenbach. Auch diesmal wurde er nicht behandelt. 2007 griff er einen Wachmann der Universität Bayreuth an und erhielt deshalb Hausverbot. 2010 ermittelte das Zollfahndungsamt Essen wegen Drogenschmuggels gegen ihn. Einige Monate später klagte die Stadtverwaltung Hanau Vater und Sohn an, sie hätten sich Sozialhilfe erschlichen. Beide Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. Im März 2018 wurde auch in München wegen Drogenschmuggels sowie fahrlässiger Brandstiftung gegen R. ermittelt. Er hatte nachts im Wald Pornohefte verbrannt und gab dies zu. Wegen eines Formfehlers (man hatte ihn erst nach seiner Aussage aufgeklärt, er sei Beschuldigter) wurde das Verfahren eingestellt. Bis 2020 tauchte R. in 15 polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Akten auf, fünfmal als Beschuldigter, erhielt aber keine Einträge ins Bundeszentralregister.[15]
Im November 2019 sandte er dem Generalbundesanwalt eine 19 Seiten lange schriftliche Strafanzeige gegen eine „unbekannte geheimdienstliche Organisation“. Teile davon tauchten in seinem Pamphlet vom Januar 2020 wieder auf.[9] Diese Teile hatte er wohl schon 2019 verfasst. Ende 2019 schrieb er dem Leiter eines österreichischen Instituts für Fernwahrnehmung per E-Mail, er fühle sich beobachtet und bespitzelt. Er sprach von einer „ständigen Ausländerkriminalität“ und „Hochverrat“ an den Deutschen. Der Adressat antwortete nicht, da ihm der Absender mental gestört erschien.[31]
R.s Vater hatte oft Beschwerden an Behörden geschrieben und galt daher als Querulant.[28] 2004 erstattete er mit dem Sohn gemeinsam Strafanzeige wegen Bespitzelung durch einen unbekannten Geheimdienst. Im März 2017 wollte er im Bürgerbüro der Stadt Hanau nur von deutschen Mitarbeitern betreut werden und beklagte sich über „Afrikaner, Polen und Türken“ bei der Behörde. Zudem beantragte er einen Hund zum Schutz gegen Ausländer.
In einer handschriftlichen Abschiedsnotiz hatte R. den Vater gebeten: „Halte meine Webseite unter allen Umständen aufrecht.“ Dieser behauptete im Verhör der Tatnacht, sein Sohn sei Opfer einer weltweit agierenden Geheimdienstorganisation geworden. Agenten hätten ihn getötet und seine Leiche im Elternhaus abgelegt; zugleich habe ein als sein Sohn verkleideter Agent die Morde verübt. In den folgenden Monaten stellte er viele Strafanzeigen, etwa gegen die Hausdurchsuchung, den Einsatz eines Sondereinsatzkommandos, seine vorläufige Inhaftierung und Behandlung im Krankenhaus. Er nannte die Opfer „Täter“ und die städtische Trauerfeier, Ehrenplakette, Beflaggung und Gedenkstätten für die Opfer „Volksverhetzung“ und forderte, sie alle zu entfernen. Er forderte die Tatwaffen und Munition seines Sohnes zurück und verlangte, dessen Internetseite wieder freizuschalten. Er zeigte eine „Störung der Totenruhe“ an, weil die Stadt Hanau seinen Sohn ohne seine Zustimmung auf See bestattet habe. Er nannte die Bundesanwaltschaft eine „politische Organisation“, die wie beim NSU und Walter Lübcke „sämtliche Wahrheiten unterdrücken“ wolle. Die Entlassung durch seinen ehemaligen Arbeitgeber benachteilige „seine Rasse als Bestandteil des Deutschen Volkes“. In E-Mails an eine Verwandte schrieb er, der Name seines Sohnes und seiner Familie werde zu Unrecht beschmutzt. Grundrechte würden „zielstrebig“ verletzt; es werde „mehrere Menschenleben erfordern“, sie wiederherzustellen. Gemäß der „Fachliteratur des Herrn Thilo Sarrazin“ sei davon auszugehen, „dass diesbezüglich mein Land abgeschafft ist“. Die Empfängerin meldete die Mails bei der Polizei und sagte aus, das auffällige Verhalten des Vaters ähnele dem seines Sohnes. Die Bundesanwaltschaft sah jedoch darin kein strafbares Verhalten und ermittelte auch nicht wegen psychischer Mordbeihilfe gegen den Vater.[20]
Tatplanung
R. kaufte über das Internet bei rechten Verlagen Bücher über Geheimgesellschaften, Außerirdische, die Zeit des Nationalsozialismus und Reden Adolf Hitlers. Daraus bezog er einige seiner Verschwörungstheorien.[28] Im Frühjahr 2019 legte er eine Datei voller rechtsextremer und verschwörungstheoretischer Inhalte für seine geplante Homepage an. Er informierte eine Detektei über seine Theorien und traf sich mit Illustratoren und anderen Experten zur Gestaltung der Homepage. Im Oktober 2019 stellte er diese online. Parallel dazu recherchierte er auf Seiten wie www.militaria.net oder www. 1944shop.com. Am 22. Januar 2020 lud er eine Datei mit dem Titel „Begründung“ hoch, die er bis zum 13. Februar mit Texten und Videos vervollständigte. Ende Januar 2020 recherchierte er im Internet über Schulen, möglicherweise als Anschlagsziele. Ab Februar 2020 begann er, intensiv Tatorte auszukundschaften. Auf einem Flipchart-Blatt notierte er sich Anschlagsziele und Vorgehen. Danach wollte er am Heumarkt insgesamt „mind. 10“ Menschen töten und „drin anfangen“. Auf einer Skizze des Heumarkts zeichnete er die Bars „La Votre“ und „Midnight“, auf der anderen Seite eine weitere Bar und einen Kiosk ein. Dort wollte er „1-2“ sowie „3-4“ Morde verüben. Demnach wollte er am Heumarkt weit mehr Menschen töten als ihm gelang.[14]
Am 15. Februar 2020 betrat R. in Kesselstadt ein Wettbüro und spähte es aus. Auf einem Video davon trug er eine Jacke mit stark ausgebeulten Taschen, kann also bewaffnet gewesen sein. Er bestellte ein Wasser und fragte dabei, ob und wann die angrenzende Bar geöffnet sei. Sie blieb zwei Wochen wegen Renovierung geschlossen. R. hatte diese Bar und andere Treffpunkte von Migranten in Kesselstadt öfter besucht, eventuell auch das Jugendzentrum „k.town“ neben seiner Wohnung. Dort waren einige seiner späteren Mordopfer Stammgäste. Sie waren in den letzten Jahren öfter beleidigt und bedroht worden. Einmal habe ein jüngerer Mann ihnen angedroht, sie zu erschießen.[32] Wochen vor den Morden war die Adresse von R.s Webseite nahe der „Arena Bar“ an eine Wand gesprüht worden.[33]
Tatmotive
Am 20. Januar 2020 erstellte R. eine „Botschaft an das gesamte deutsche Volk“, die er dann auf seiner Webseite veröffentlichte. Er erwartete, dass dieser Text nach seinem Tod bekannt werde, kündigte aber keinen Anschlag darin an. Am 14. Februar 2020 lud er ein englischsprachiges Video auf seinem YouTube-Kanal hoch, den er als Enthüllungsplattform bezeichnete. Er setzte keine Links darauf und bezog sich nicht auf andere Rechtsterroristen und von diesen genutzte Kanäle, etwa Imageboards. Sein Video wurde erst nach dem Anschlag einige Tage lang im Netz verbreitet.[34] Sein Bekennertext war bis 20. Februar 2020 als PDF mit dem Titel „Skript mit Bildern“ auf seiner Webseite verlinkt.[35]
Das Pamphlet enthielt einen kurzen Lebenslauf R.s und beschrieb auf 24 Seiten seine Weltsicht:
- Rassismus und Vernichtungsziele: Die Völker von mehr als 24 Ländern, die er auflistete, müssten „komplett vernichtet“ werden. Bestimmte Volksgruppen seien „äußerlich instinktiv abzulehnen“ und hätten sich historisch „nicht als leistungsfähig erwiesen“.[36] Die meisten „Rassen und Kulturen“ seien „destruktiv - vor allem der Islam“.[37] Er würde mehrere Milliarden Menschen „alle eliminieren“, um „ein ultimatives Ziel zu erreichen“, „nämlich die 'Lösung des Rätsels'.“ Dagegen seien die Deutschen und ihr Land „das Beste und Schönste“ der Welt und hätten „die Menschheit als Ganzes emporgehoben“. Doch nicht alle Bundesbürger seien „reinrassig und wertvoll“. Er könne sich „eine Halbierung der Bevölkerungszahl“ vorstellen.[36] Dabei unterschied er „reinrassige“ Deutsche von „Passdeutschen“. Deutsche, die zu ignorant seien, alle straffälligen Ausländer auszuweisen, begingen Hochverrat.[37]
- Verschwörungstheorien: Er werde seit dem Säuglingsalter von einem unbekannten Geheimdienst überwacht. Dessen Mitarbeiter könnten sich in die Gedanken anderer Menschen „einklinken“ und „eine Art Fernsteuerung“ vornehmen. Zugleich würden sie mit dieser Fähigkeit seine Ideen umsetzen, etwa den Bau einer Mauer an der US-Südgrenze und die Parole “America First”. Hier zeigte sich R. als Anhänger von US-Präsident Donald Trump: Ein Milliardär könne am ehesten „die wirtschaftlichen Weichen für die USA“ stellen.[36] Die USA hätten die Terroranschläge am 11. September 2001 „selbst ausgeführt“. Die Menschheit werde „von einer ganz kleinen Elite für dumm verkauft, welche über ein Geheimwissen verfügt“.[37]
- Verfolgungswahn: R. machte Geheimdienste dafür verantwortlich, dass er keine Frau fand, und verdächtigte die Eltern einer Mitstudentin, sie hätten ihn überwachen lassen. Auch die Entlassung seines Vaters führte er auf Geheimdienstintrigen zurück. Seine Strafanzeigen habe er gestellt, weil er „in den Fängen einer Geheimorganisation“ gewesen sei.[37]
- Frauenhass: In einem „Thema Frauen“ betitelten Teil sprach R. von seinen hohen Ansprüchen an eine Partnerin, die nie erfüllt worden seien. Er habe seit 18 Jahren keine Freundin gehabt. Damit griff er Motive der Incel-Subkultur heterosexueller Männer auf, die keine Partnerin finden und ihren Hass auf alles Weibliche ausleben.[38] Seine „extreme Anspruchshaltung“ gegenüber Frauen ähnelte den Selbsterklärungen von Stephan Balliet und weiteren Rechtsterroristen.[39]
- Er sprach von einem Rassenkrieg: „Dieser Krieg ist als Doppelschlag zu verstehen, gegen die Geheimorganisation und gegen die Degeneration unseres Volkes! Menschen kommen und gehen. Das was bleibt ist das Volk!“[37]
Das englischsprachige Video richtete R. „an alle Amerikaner“ und warnte sie vor unterirdischen Militärbasen: „In manchen davon wird der Teufel persönlich angebetet. Sie missbrauchen, foltern und töten kleine Kinder.“[36] Damit griff er die in den USA entstandenen Pizzagate- und QAnon-Thesen einer angeblichen satanischen Elite auf, die Kinder missbrauche und einen Kinderhändlerring betreibe, und die als D.u.m.bs abgekürzte These, die US-Armee baue unterirdische, mit einem Tunnelsystem verbundene Städte. R. rief die imaginären Adressaten auf: „Wacht auf und kämpft jetzt“. Mit Text und Video wollte er also ein großes Publikum und mögliche Nachahmer erreichen. Direkte Bezüge zu anderen Attentätern fehlten. Doch wie Anders Breivik und Stephan Balliet hatte R. seine Ideologie aus dem Internet zusammengestellt, seine Anschläge allein vorbereitet und durchgeführt und mit einer „PR-Strategie“ zu verbreiten versucht. Das verband ihn laut Experten mit anderen „einsamen Wölfen“, die als ihre Mission ansahen, einen Teil der Welt auszulöschen, um das Ganze zu retten.[9]
Die forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh deutete die paranoiden Motive in R.s Aussagen als Hinweise auf eine mögliche paranoid-halluzinatorische Schizophrenie und schwere narzisstische Persönlichkeitsstörung. In sein Wahnsystem habe er ein detailliertes fremdenfeindliches und rechtsextremes Weltbild fest verankert und sich auserkoren gewähnt, „das Rätsel“ der Welt durch die Auslöschung von „Rassen“ zu lösen, die er als „destruktiv“ ansah. Damit habe er sich öffentliche Anerkennung verschaffen und Vergeltung für empfundene Kränkungen üben wollen.[40] Die Verknüpfung von wahnhaften mit rechtsextremen Motiven sei untypisch für Rechtsterroristen; diese seien in der Regel nicht krank.[41] Die Kriminologin Britta Bannenberg sah R.s „wahnhafte Vorstellungen“ als Ursache seiner Taten. Seine rechtsextreme Einstellung habe die Art seiner Radikalisierung und Opferauswahl beeinflusst.[42]
Laut Medienberichten vom März 2020 schrieb das BKA im Entwurf seines Abschlussberichts, der Täter habe zwar eine rassistische Tat verübt, sei aber keiner rechtsextremen Ideologie gefolgt. Er habe „größtmögliche Aufmerksamkeit für seinen Verschwörungsmythos von der Überwachung durch einen Geheimdienst“ erreichen wollen. Befragungen von Nachbarn, Bekannten und ehemaligen Kollegen hätten keine Anhaltspunkte ergeben, dass er sich mit rechter Ideologie, Rechtsterroristen oder deren Taten befasst oder eine „typisch rechtsextreme Radikalisierung durchlaufen“ habe. Er sei nie durch rassistische Äußerungen oder Verhalten aufgefallen, habe vielmehr einem dunkelhäutigen Nachbarn mehrfach geholfen. Man nehme an, dass er seinem Pamphlet „das Kapitel zu Ausländern und seinen Vernichtungsfantasien erst spät hinzugefügt“ habe.[43] BKA-Präsident Holger Münch widersprach den Berichten und stellte klar: „Das BKA bewertet die Tat als eindeutig rechtsextremistisch. Die Tatbegehung beruhte auf rassistischen Motiven.“[44]
Laut dem Auftragsgutachten des forensischen Psychiaters Henning Saß für die Bundesanwaltschaft (November 2020) litt R. unter einer paranoiden Schizophrenie und hing zugleich einer „rechtsradikalen Ideologie“ an. Krankheit und Ideologie seien untrennbar miteinander verschmolzen gewesen. Sein Denken sei eine Mischung aus „krankheitsbedingten Fantasien“ und einem „politisch-ideologischen Fanatismus“ gewesen. Dieser habe „fremdenfeindliche, rassistische und völkische Elemente“ enthalten. Neben Wahnvorstellungen, Opfer einer Verschwörung zu sein, seien „zunehmend ausgeprägter Rassismus und Fantasien über die Auslöschung ganzer Völker und Kulturen“ getreten. Die Fähigkeit „sich reflektierend mit der eigenen krankhaft verformten Weltsicht“ auseinanderzusetzen, sei massiv eingeschränkt gewesen. Gleichwohl habe er die Morde „planvoll“ vorbereitet.[45]
Reaktionen

Trauer und Gedenken
Am Vormittag des 20. Februar 2020 trafen sich Freundeskreise an den Tatorten, in Kulturvereinen und Bars, trauerten gemeinsam und tauschten persönliche Erinnerungen an die Mordopfer aus. Bewohner Hanaus teilten deren Fotografien in sozialen Medien, um der medialen Fixierung auf den Täter entgegenzutreten. Am Nachmittag fand eine Trauerkundgebung für die Opferangehörigen am Heumarkt und ein Schweigemarsch zur Kesselstadt statt, organisiert vom Kurdischen Kulturverein und mitgetragen von Moschee-Gemeinden und Migrantenvereinen. Vor rund 400 Teilnehmern nannte die Sprecherin Newroz Duman Hanau „Stadt der Migration“ und sprach die Angst der Migranten aus: „Bin ich vielleicht die Nächste, weil ich schwarze Haare habe? […] Ich bin Hanauerin, Wir sind Hanauer, wir haben das hier mit aufgebaut, das Leben hier.“ Sie verlas die Namen der Toten und versprach, alles zu tun, damit sie nie vergessen werden. Im Kulturverein AYDD trauerten 300 Menschen mit dem 77-jährigen krebskranken Behçet Gültekin um seinen Sohn Gökhan. Viele stammten wie die Familie Gültekin aus der osttürkischen Provinz Ağrı. Bei der offiziellen Trauerfeier am Abend durfte der Vater von Ferhat Unvar nicht neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und anderen Amtsträgern auf der Bühne stehen.[46]
In seiner Rede vor rund 5000 Zuhörern in Hanau erinnerte Steinmeier dann an den Mord an Walter Lübcke und den Anschlag in Halle (Saale) 2019. Er rief zu Rücksichtnahme und Solidarität auf: Diese seien das „stärkste Mittel gegen den Hass“. In vielen deutschen Städten fanden Mahnwachen für die Opfer statt.[47] Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte den Anschlag als Hassverbrechen und betonte, die Bundesregierung werde sich allen, die Deutschland zu spalten versuchten, mit aller Kraft entgegenstellen. Politiker und Amtsträger aller Parteien zeigten sich erschüttert; viele betonten, nun müssten alle Rassismus und Rechtsextremismus noch stärker entgegentreten.[48] Bundesinnenminister Horst Seehofer ordnete Trauerbeflaggung an allen öffentlichen Gebäuden in Deutschland an und stellte politische Konsequenzen in Aussicht, eventuell auch Gesetzesänderungen.[49]
Am 4. März 2020 fand im Kongresszentrum eine zentrale Trauerfeier mit den Hinterbliebenen und politischer Prominenz statt, darunter Bundespräsident und Bundeskanzlerin.[50] Die Veranstaltung wurde auf Großbildleinwänden auf zwei Plätzen in der Innenstadt übertragen. Die Stadt plant eine Gedenkstätte für die Opfer auf dem Hauptfriedhof Hanau.[51]
In einem Brief an die Bundeskanzlerin vom selben Tag forderte Ferhat Unvars Mutter Serpil Temiz eine vollständige Aufklärung der Tat, die Vermeidung der gleichen Fehler wie nach den NSU-Morden, einen offiziellen Ansprechpartner und eine lebenslange Unterstützung für die Opferfamilien. Zudem brauche es eine staatlich geförderte Stiftung zur Aufklärungsarbeit gegen Hass und Rassismus. Die Namen der Opfer von Hanau dürften nie vergessen werden, sollten in der Schule gelernt werden und auf den Straßen lesbar sein.[52]
Im Mai 2020 lud der Landtag Hessen die Opferfamilien erstmals ein und gab ihnen im Innenausschuss Auskunft zum Ermittlungsstand. Die Betroffenen zeigten sich unzufrieden. Armin Kurtovic verlangte, „dass man offen sagt, wer versagt hat“.
Am 2. Februar 2021 hielt der Landtag für die Opferfamilien eine Gedenkstunde. Dabei nannte Landtagspräsident Boris Rhein (CDU), der einzige Redner, die Nacht vom 19. auf den 20. Februar „ein unauslöschbares Datum“ und versicherte: „Die Morde von Hanau haben uns wachgerüttelt“, sie seien „eine Zäsur“ und „ein Anschlag auf uns alle“. Ein „Wehret den Anfängen“ sei nun fehl am Platz: „Wäre der Anfang abgewehrt worden, wären wir nicht da, wo wir sind“. Er prangerte Hass, Hetze und Alltagsrassismus an. Er dankte den anwesenden Opferangehörigen dafür, „dass Sie Ihre starke und mahnende Stimme erheben“, „die notwendige Auseinandersetzung mit rassistischen Strukturen in unserer Gesellschaft wieder klar auf die Tagesordnung in allen Parlamenten gesetzt“ und „zu Recht Solidarität eingefordert“ hätten. Der Landtag werde „immer offen für den Dialog mit Ihnen sein“. Hinterbliebene und Überlebende hatten allerdings im Landtag kein Rederecht. Nach der Feier äußerten sie gegenüber Journalisten erneut Kritik an den Ermittlungen und der geplanten Opferhilfe: Deren Umfang von zwei Millionen Euro sei „lächerlich gering“. Innenminister Peter Beuth sei nach ihrem Eindruck nicht zur Aufklärung von Polizeifehlern bereit.[53] Angehörige und ihre Unterstützer kritisierten unter anderem, dass der Täter trotz seines auffälligen Verhaltens vor der Tat die Lizenz für mehrere Schusswaffen erhalten hatte und einzelne Opferangehörige nach der Tat zuerst Gefährderansprachen ausgesetzt waren.[54]
Politik und Gesellschaft

UN-Generalsekretär António Guterres sprach den Opferfamilien sein Beileid aus und forderte einen verstärkten Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Hass gegenüber Muslimen.[55] Ähnlich äußerten sich Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, der EU-Ratspräsident Charles Michel und der Präsident des Europäischen Parlaments David Sassoli.
Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in Deutschland und Josef Schuster vom Zentralrat der Juden in Deutschland kritisierten eine jahrzehntelange Untätigkeit von Politik und Sicherheitsbehörden zum Schutz deutscher Minderheiten. Die Gefahr rechter Gewalttäter sei zu lange verharmlost worden.[56] Romani Rose vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma erklärte, alle Sinti und Roma in Deutschland trauerten mit den Angehörigen um alle Opfer des Anschlags. Dieser zeige auf brutale Weise auf, wie weit die Hemmschwelle unter Rechtsradikalen und Rassisten gesunken sei, auch dadurch, dass die etablierten Parteien der AfD immer mehr Raum gäben.[57] Die Kurdische Gemeinde Deutschland ermutigte dazu, keine Angst zu haben und Farbe zu bekennen. Für die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland traten die politischen Verantwortlichen dem Rechtsterrorismus und rechten Netzwerken nicht entschlossen genug entgegen.[58]
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan telefonierte mit einigen türkischstämmigen Verletzten. Türkische Verbände organisierten am 23. Februar 2020 eine Großdemonstration in Hanau.[59] Regimekritische Türken und Kurden sahen darin eine nationalistische Vereinnahmung des Anschlags, die dem Appell der Bundesregierung zum Zusammenhalt zuwiderlaufe. Erdogans Anhänger waren der von Kurden, Antifaschisten und Linken organisierten Gedenkveranstaltung am 22. Februar 2020 ferngeblieben.[60]
Vertreter der AfD bestritten rechtsextreme und rassistische Tätermotive. AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen meinte, die Morde seien „weder linker noch rechter Terror“, sondern die „wahnhafte Tat eines Irren“ gewesen. Andere führende AfD-Politiker sprachen von einem „massiv psychisch gestörten Einzeltäter“ und versuchten, seine Morde als Folge von Angela Merkels Politik darzustellen. Auf die rassistischen Eigenaussagen des Täters gingen sie nicht ein.[61] Der AfD-Bundesvorstand distanzierte sich auf Twitter vom Gedankengut des Täters, verbreitete dieses aber zugleich mit einem Link auf sein Pamphlet und seine archivierte Webseite. CDU-Vertreterin Annegret Kramp-Karrenbauer bekräftigte daher, mit der AfD dürfe keine andere Partei zusammenarbeiten: Die AfD dulde Rechtsextreme in ihren Reihen und schaffe „eine Grundlage für genau jenes Gedankengut, das zu Hanau geführt hat.“[62] Katharina Nocun und Pia Lamberty kritisierten, die Pathologisierung des Täters verharmlose seine Tat. Verschwörungsideologien seien nicht nur „irre Hirngespinste“, sondern Teil der Radikalisierung.[63] Die NdM-Vorsitzende Sheila Mysorekar machte die AfD für den Anschlag mitverantwortlich. Die AfD Hessen habe mit ihren Internet-Memes über mehrere Wochen explizit gegen Shishabars gehetzt und diese mit „Ausländerkriminalität“ in Verbindung gebracht.[64]
In sozialen Medien wurden Verschwörungsthesen zur vermeintlichen „Wahrheit über Hanau“ verbreitet, etwa, dass: es eine „Geheimdienstoperation“ gewesen sei, um der AfD zu schaden.[65] Das Magazin Compact behauptete beleglos, vor den Morden habe ein „Bandenkrieg“ mit „den Russen aus Frankfurt am Main“ in der Luft gelegen. Chefredakteur Jürgen Elsässer verglich die Tat in Hanau mit dem Reichstagsbrand von 1933. Wegen solcher Thesen stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz Elsässers Magazin seit März 2020 als rechtsextremen Verdachtsfall ein.[66]
Politikwissenschaft
Der Terrorismusexperte am King’s College London Peter R. Neumann sah in dem Pamphlet des Täters ein „Muster von sozial isolierten Männern, die sich im Internet aus verschiedenen Elementen selbst eine Ideologie zusammenbasteln.“ Der Mann habe eindeutig einer rechtsextremen Ideologie angehangen und der Text weise zudem darauf hin, dass der Täter erheblich psychisch gestört gewesen sei. Er wies darauf hin, dass es ähnliche Fälle von politisch motivierten Taten in der Vergangenheit häufig gegeben habe und viele Täter „in virtuellen Subkulturen aktiv“ gewesen seien. Die Sicherheitsbehörden müssten in solchen Subkulturen „noch viel stärker unterwegs sein und diese Online-Foren überwachen und infiltrieren“. Was im Bereich Dschihadismus bereits passiere, müsse auch im Bereich Rechtsextremismus umgesetzt werden. Das Internet werde noch zu wenig „als Ort verstanden, in dem sich Extremisten vernetzen.“ Zur These des „einsamen Wolfes“ sagte der Politikwissenschaftler, dass sich in den meisten Fällen später herausstelle, dass es ein soziales Umfeld gegeben habe, mit dem kommuniziert worden sei.[67]
Der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent wies auf die Ähnlichkeit mancher Aussagen des Täterpamphlets zur Ideologie führender AfD-Vertreter hin.[68] Der Rechtsextremismus-Experte Frank Jansen verglich R.s Bekennertext mit der Mentalität von Reichsbürgern: „Verfolgungswahn trifft Größenwahn.“ Dies sei eine gefährliche, durch narzisstische Kränkungen des Täters angereicherte Kombination, die bei Rechtsextremisten oft Gewalt legitimiere.[37] Der Rechtsextremismusforscher Jan Rathje erklärte, dass das Ziel der Täter sei, durch ihre Videos und Manifeste Nachahmer anzuregen. In rechtsextremen Foren würden sie als Helden gefeiert. Daher müsse der Repressionsdruck auf den Rechtsextremismus erhöht werden.[69]
Der Politikwissenschaftler Rüdiger Schmitt-Beck bezeichnete rechte Hetze sowie Björn Höckes Aufruf zum politischen Umsturz als „Lizenz für Anschläge“.[70]
Auch der Rechtsextremismusforscher Hajo Funke verwies auf Höcke-Äußerungen wie dessen Appell für eine „Politik wohltemperierter Grausamkeit“. So schaffe man „das Milieu, die Bereitschaft, die Atmosphäre“ und „die Entfesselung von Ressentiments“. „Über Jahrzehnte bis weit in die Aufarbeitungsversuche des NSU“ sei vom BKA und dem Verfassungsschutz „eher verdrängt worden“, was von rechts gekommen sei. Von Seiten der Sicherheitsbehörden käme es jedoch mittlerweile „immer öfter zu verschärften, präventiven Reaktionen“.[71]
Laut dem Soziologen Sebastian Wehrhahn ist das „klassisch rassistische Weltbild“ des Täters „keineswegs nur für die Extreme Rechte wichtig“, vielmehr weist es „viele Überschneidungen und Berührungspunkte mit einem gesellschaftlich weit verbreiteten Rassismus auf“. Verwirrung und Rassismus schlössen sich nicht aus. Es dränge sich auch die Frage auf, „warum bei rechten Anschlägen die geistige Verfassung des Täters gegen den ideologischen Hintergrund aufgerechnet“ werde.[72]
Der Kulturkritiker Georg Seeßlen warf die Frage auf, wie gesund oder krank eine Gesellschaft ist, die solche Täter hervorbringt. Hierzu schrieb er: „Die Täter tun wirklich, wovon zu schwadronieren längst erlaubt, gewohnt und hingenommen ist.“ Seeßlen zog eine Analogie zwischen Rechtsextremismus und einer Droge und zeigte hierfür mehrere Parallelen auf, so unter anderem: „Das Euphorisierende, das Sich-stark-und-unbesiegbar-fühlen, […] die Abfolge von Rausch und Entzug, die zur Notwendigkeit führt, die Dosis zu erhöhen“. Er betonte zugleich, dass dies nichts an der persönlichen Verantwortung der Täter, ihrer Helfer und Anstifter ändere.[73]
Laut dem Kulturwissenschaftler Michael Butter enthielten das Manifest und die Videos des Täters keine Bezüge zu den derzeit bei Rechtsextremen populärsten Verschwörungstheorien. R.s Glaube, dass ein angeblicher Geheimdienst seine Gedanken abhöre, könne als eine Art private Verschwörungstheorie begriffen werden. Diese Idee sei jedoch widersinnig, weil Veröffentlichung und größere Anhängerschaft Verschwörungstheorien kennzeichne. Mit diesem Kriterium grenze man sie üblicherweise von paranoiden Wahnvorstellungen ab.[74]
Staatliche Maßnahmen
In den Tagen nach dem Anschlag erfolgten eine Brandstiftung nahe einer Shisha-Bar und einem Döner-Imbiss in Döbeln (21. Februar), Schüsse auf eine Shisha-Bar in Stuttgart (22. Februar) und Schüsse auf ein Haus in Heilbronn (23. Februar 2020), als der Generalsekretär des Moscheeverbandes DITIB Abdurrahman Atasoy dort eintraf. In allen drei Fällen übernahm der Staatsschutz die Ermittlungen, weil politische Motive und Nachahmungstaten möglich waren.[75]
Das deutsche Waffengesetz war nur Tage vor der Tat verschärft worden und verpflichtet die Waffenbehörden seit 20. Februar 2020 auf eine Regelanfrage bei Verfassungsschutzämtern und eine psychologische Begutachtung von unter 25-jährigen Antragstellern. Da R. den Waffenbehörden weder als rechtsextrem noch psychisch krank aufgefallen war und zu keiner verfassungsfeindlichen Vereinigung gehört hatte, wurde fraglich, ob die Verschärfung genügt. Bundesinnenminister Horst Seehofer erwog, Antragsteller jeden Alters zur Vorlage eines ärztlichen Gesundheitsgutachtens zu verpflichten. Allgemeine Psychotests für Waffenbesitzer schloss er aus. Dagegen forderte der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, jeder Antragsteller solle künftig auf eigene Kosten ein amts- oder fachärztliches psychologisches Zeugnis über seine Eignung vorlegen. Die SPD und Bündnis 90/Die Grünen erwogen, eine Waffenerlaubnis nur noch bei Vorlage eines psychologischen Gutachtens oder Tests zu erteilen und Waffenbesitzer zu regelmäßiger psychologischer Begutachtung zu verpflichten.[76] Die Grünen forderten zudem, die private Lagerung von Sportwaffenmunition zu verbieten und die Munition nur noch bei Schützenvereinen und Schießständen zu lagern. Roman Grafe hatte 2009 nach dem Amoklauf von Winnenden und Wendlingen die Initiative Keine Mordwaffen als Sportwaffen! gegründet. Er verlangte erneut, den Privatbesitz von Sportwaffen generell zu verbieten, da dieses Risiko nicht regulierbar sei. Mehr als 270 Opfer von Sportschützen seien dokumentiert; hinzu komme eine Dunkelziffer.[77] Die ebenfalls 2009 gegründete Stiftung gegen Gewalt an Schulen sprach sich für die regelmäßige Überprüfung von Waffenbesitzern und Zusammenführung der Behördenkenntnisse zu ihnen aus.[78]
Dagegen sah der Deutsche Schützenbund durch solche Verbote und Forderungen das „immaterielle Kulturerbe des deutschen Schützenwesens“ in Gefahr und lehnte weitere Verschärfungen des Waffenrechts ab.[77] Josef Kelnberger (Süddeutsche Zeitung) kommentierte: Da Schützenvereine jahrzehntelang politisch unterstützt worden seien, müssten sie nun über eine Verschärfung des Waffenrechts mit sich reden lassen. Sie seien verpflichtet, sich am Kampf der Gesellschaft gegen Rechtsextremismus und Waffengewalt zu beteiligen. Angesichts immer wiederkehrender Morde, die Sportschützen mit großkalibrigen Waffen begehen, seien wirksame Gegenmaßnahmen zu erörtern. Die Schützen selbst sollten solche Maßnahmen freiwillig vorschlagen: „Die Gesellschaft darf mehr erwarten als ein beleidigtes Nein.“[79]
Das Bundesinnenministerium schlug der Innenministerkonferenz einige Maßnahmen vor, um die Kommunikation zwischen Gesundheitsämtern, Polizei und Waffenbehörden der Länder zu verbessern. Diese wurden bis Februar 2021 nicht umgesetzt. Das Waffengesetz erlaubt den Waffenbehörden zwar, Waffenbesitzer nach eigenem Ermessen persönlich vorzuladen, verlangt weiterhin aber keine Standardüberprüfung der psychischen Gesundheit. Die zuständigen Gesundheitsminister wollten weitergehende Regelungen, die die ärztliche Schweigepflicht berühren, erstmals im Juni 2021 diskutieren. Die Linksfraktion des hessischen Landtags wollte den Generalbundesanwalt und Innenminister Peter Beuth (CDU) im Innenausschuss befragen, warum der Täter legal Waffen besitzen konnte, obwohl er „seit 2002 immer wieder mit Wahnvorstellungen aggressiv und straffällig in Erscheinung getreten“ war. FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser kritisierte die Regelabfrage bei Verfassungschutzämtern als unzureichend und bürokratisch: Die Ämter sollten „proaktiv ihre Erkenntnisse über bekannte Rechtsextremisten an die Waffenbehörden melden“ und nicht auf deren Nachfragen warten. Ende 2020 besaßen rund 1200 den Sicherheitsbehörden bekannte deutsche Rechtsextreme legal Waffen, und die Gesamtzahl der erlaubnispflichtigen Waffen in Privatbesitz war von 5,36 (2017) auf 5,57 Millionen gestiegen.[80]
Bundesinnenminister Horst Seehofer wollte auch die Sicherheitsvorkehrungen für Muslime und Moscheen in Deutschland verstärken.[81] Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul ließ Polizeistreifen an Moscheen und anderen Aufenthaltsorten von Muslimen verstärken, etwa beim Freitagsgebet.[82]
Ein vom Kreistag Main-Kinzig beschlossenes Angebot zum Rückkauf von Privatwaffen bei freiwilliger Rückgabe kleiner Waffenscheine blieb weitgehend erfolglos. Im November 2020 gaben nur 13 von 5000 Waffenbesitzern im Landkreis ihre Waffen und Waffenscheine ab.[83]
Schon im November 2017 hatten Polizeibeamte dem Gewerbeamt der Stadt Hanau mitgeteilt, dass der Notausgang der Arena-Bar verschlossen war. In den Tatortberichten der Hanauer Polizei fehlte diese Mitteilung. Daher sah auch die Bundesanwaltschaft keinen Anfangsverdacht einer fahrlässigen Tötung. Erst nachdem die Opferangehörigen im November 2020 Strafanzeige gegen den Inhaber der Arena-Bar stellten, begann die Staatsanwaltschaft Hanau dazu zu ermitteln.[15]
Ende Januar 2021 leitete die Staatsanwaltschaft Hanau ein Prüfverfahren zu den fehlenden Notrufleitungen und zur Unterbesetzung der Notrufzentrale in der Tatnacht ein. Das Polizeipräsidium Südosthessen räumte ein, dass Notrufe bei vielen gleichzeitigen Anrufen „im Einzelfall nicht direkt angenommen werden können“, und teilte mit, ein „Überleitungssystem“ für Notrufe sei „geplant“.[19]
Zum Jahrestag des Anschlags forderte der Vorsitzende des Vereins DeutschPlus Farhad Dilmaghani als Vertreter der Migrantenorganisationen: Um weitere Anschläge dieser Art zu verhindern, brauche Deutschland „ein antirassistisches Klima in unserer Gesellschaft: mehr Wissen und Aufklärung über Rassismus. Strukturelle Veränderungen in der Durchlässigkeit unseres Landes und neue Instrumente wie ein Ministerium für Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Antidiskriminierung und Migration oder ein Bundesantidiskriminierungsgesetz.“[84]
Weblinks
- Initiative 19. Februar Hanau
- Marcin Wierzchowski: Hanau: Eine Nacht und ihre Folgen. ARD Mediathek, Dokumentation und Reportage, 19. Februar 2021
- Der letzte Tag: Das Attentat von Hanau. Hörspiel und Feature. Deutschlandfunk, 16. Februar 2021
- Özlem Gezer, Timofey Neshitov: Überlebende des Attentats berichten über ihre Entfremdung von Deutschland: Die Hanau-Protokolle. Spiegel, 12. Februar 2021
- Jan Schiefenhövel, Alexander Jürgs, Luise Glaser-Lotz, Katharina Iskandar, Helmut Schwan: Das Trauma von Hanau. FAZ, 9. Februar 2021
- Rassismus: Wir sind hier. Es reicht! Deutschland hat ein Rassismusproblem. Hier sprechen 142 Menschen, die der Hass trifft. Zeit, 26. Februar 2020
- Sinem Taşkın: Rechter Terror: Die Mütter von Hanau. Spiegel, 22. Februar 2020
- Georg Seeßlen: Das Making-of eines Rechtsterroristen. Zeit Online, 21. Februar 2020
Einzelnachweise
- ↑ Matthias Quent: Rechtsextremismus: 33 Fragen – 33 Antworten. Piper, München 2020, ISBN 978-3-492-99740-9, S. 99
- ↑ LKA nennt Staatsangehörigkeiten der Hanauer Opfer. Süddeutsche Zeitung (SZ), 21. Februar 2020
- ↑ Juri Auel: Anschlag in Hanau: Die Opfer des Amoklaufs. SZ, 21. Februar 2020
- ↑ a b c d e Rechter Terror in Deutschland. Roma Antidiscrimination Network, 24. Februar 2020
- ↑ a b c d e Matthias Drobinski, Christiane Schlötzer, Jan Willmroth: Tränen statt Träume. SZ, 21. Februar 2020.
- ↑ a b c d e f Alina Leimbach: Opfer des Anschlags: Neun junge Hanauer, mitten aus dem Leben gerissen. Hessenschau, 21. Februar 2020
- ↑ Juri Auel: Die Opfer des rechten Terrors. SZ, 21. Februar 2020
- ↑ Bildungsinitiative Ferhat Unvar.
- ↑ a b c d e Rechtsterrorist Tobias Rathjen und seine Welt: Irre gefährlich. Spiegel Online, 21. Februar 2020
- ↑ Ticker: Anschlag in Hanau. Hessenschau, 24. Februar 2020
- ↑ Matthias Drobinski, Christiane Schlötzer, Jan Willmroth: Wie Hanau die Trauer bewältigt. SZ, 21. Februar 2020
- ↑ a b Hanauer Todesschütze hatte noch 350 Patronen. Hessenschau, 27. Februar 2020
- ↑ a b c 100 Tage nach dem rassistischen Terror: Der Anschlag von Hanau – eine Chronologie. Hessenschau, 12. Juni 2020
- ↑ a b c Gregor Haschnik: Attentäter von Hanau wollte noch mehr Opfer. FR, 11. Februar 2021
- ↑ a b c d e Özlem Gezer, Bertolt Hunger, Timofey Neshitov: Mord an neun Menschen: Attentäter von Hanau besaß zwei Waffenbesitzkarten – trotz Zwangseinweisung. Spiegel Online, 28. Januar 2021
- ↑ Erik Scharf: Anschlag in Hanau: Kostete verschlossener Notausgang Menschenleben? Schwere Anschuldigungen gegen Polizei. Hanauer Anzeiger, 23. Januar 2021
- ↑ Anschlagsopfer soll Täter verfolgt haben: Der Held, der nicht durchkam. Hessenschau, 29. Mai 2020
- ↑ Terroranschlag von Hanau: Tödliche Versäumnisse beim Notruf? Tagesschau.de, 21. Januar 2021
- ↑ a b Hinweise liefen ins Leere: Notruf der Polizei während Anschlag von Hanau unterbesetzt. Hessenschau, 28. Januar 2021
- ↑ a b Özlem Gezer, Timofey Neshitov: Anschlag in Hanau: Vater des Attentäters stellt rassistische Anzeigen – und fordert Tatwaffen zurück. Spiegel Online, 15. Dezember 2020
- ↑ Matthias Bartsch: Anschlag in Hanau: Attentäter schoss mindestens 52-mal. Spiegel Online, 29. Februar 2020
- ↑ Bekennerschreiben und Video gefunden – Generalbundesanwalt übernimmt Ermittlungen. Spiegel Online, 20. Februar 2020
- ↑ Hessischer Landtag: Plenarprotokoll 20/35: 35. Sitzung, 20. Februar 2020. (PDF)
- ↑ Johannes Boie: Wie rechts war der Täter? Das BKA muss die komplizierte Wahrheit ermitteln. Welt, 6. April 2020
- ↑ a b Christian Fuchs et al.: Was wir über den Angriff von Hanau wissen. Zeit Online, 20. Februar 2020
- ↑ Peter Maxwill: Hinter der bürgerlichen Fassade: Psychogramm eines Terroristen. Spiegel Online, 21. Februar 2020
- ↑ Andreas Ziegert: Nach rechtsradikalem Anschlag in Hanau: Eine Spur führt nach Bayern. Hanauer Anzeiger, 16. Juli 2020
- ↑ a b c Jörg Diehl, Sven Röbel, Wolf Wiedmann-Schmidt: Hanau-Attentäter: Zum Gefechtstraining in die Slowakei. Spiegel Online, 3. April 2020
- ↑ Joachim Dankbar, Ann-Kristin Schmittgall, Sören Göpel: Hanauer Attentäter mietete Wohnung in Hof. Frankenpost, 20. Februar 2020 (kostenpflichtig)
- ↑ Hanau: Attentäter lieh sich Pistole kurz vor der Tat bei Waffenhändler. Spiegel Online, 27. Februar 2020
- ↑ Björn Widmann: Report Mainz: Teile von „Manifest“ schon 2019 verfasst. Südwestrundfunk, 21. Februar 2020
- ↑ Gregor Haschnik: „Wir sind eins“: Aufruf zur Einigkeit nach dem Anschlag in Hanau. FR, 25. Februar 2020
- ↑ Sebastian Schilling: Terror in Hanau: Tiefe Verunsicherung bei Anwohnern: „Ich werde Deutschland verlassen“. FR, 24. Februar 2020
- ↑ Gewalttat in Hanau: Was über den mutmaßlichen Täter bekannt ist. SZ, 20. Februar 2020
- ↑ Hanau: Das mutmaßliche Schreiben des Tobias R. Bayerischer Rundfunk (BR), 20. Februar 2020
- ↑ a b c d Peter Maxwill: Tödliche Schüsse in Hanau: Die Wahnwelt des mutmaßlichen Attentäters. Spiegel Online, 20. Februar 2020; Hinter der bürgerlichen Fassade: Psychogramm eines Terroristen. Spiegel Online, 21. Februar 2020
- ↑ a b c d e f Frank Jansen, Sven Lemkemeyer: Wer war Tobias Rathjen? Was über den Täter von Hanau bekannt ist. Tagesspiegel, 21. Februar 2020
- ↑ Yassin Musharbash, Tom Sundermann: Täter von Hanau: Rassismus, Verschwörungen und Paranoia. Zeit Online, 20. Februar 2020
- ↑ Meredith Haaf: Was hinter dem Frauenhass rechter Attentäter steckt. SZ, 23. Februar 2020; Auch Frauenhass ist Motiv rechtsextremistischer Attentäter. Deutschlandfunk, 21. Februar 2020
- ↑ Karin Truscheit: „Es spricht vieles für eine Schizophrenie“. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 20. Februar 2020
- ↑ Sabine am Orde: Forensische Psychiaterin zum Anschlag – Terroristen sind meist nicht krank. Taz, 20. Februar 2020
- ↑ Dagny Lüdemann: „Man kann psychisch krank und rechtsextrem sein.“ Zeit Online, 22. Februar 2020
- ↑ Georg Mascolo, Florian Flade: Anschlag von Hanau: Rechte Tat, aber kein rechter Täter? Tagesschau.de, 27. März 2020; Georg Mascolo, Florian Flade: Anschlag in Hanau: Gefährliche Botschaften. SZ, 28. März 2020
- ↑ BKA hält Attentat von Hanau weiterhin für rassistisch motiviert. Zeit Online, 31. März 2020
- ↑ Psychisch krank – und ein Rassist. Spiegel Online, 28. November 2020
- ↑ Matthias Drobinski, Christiane Schlötzer, Jan Willmroth: Rechtsterroristischer Anschlag: Wie Hanau die Trauer bewältigt. SZ, 21. Februar 2020
- ↑ Gedenkfeiern nach Gewalttat in Hanau: Bundespräsident Steinmeier: „Wir lassen uns nicht einschüchtern“. Hessenschau, 20. Februar 2020
- ↑ Merkel zum Anschlag von Hanau: „Rassismus ist ein Gift, Hass ist ein Gift“. Spiegel Online, 20. Februar 2020
- ↑ Hanau: Seehofer ordnet Trauerbeflaggung an. SZ, 20. Februar 2020; Thorsten Fuchs: Die Opfer des Terroranschlags – “Er war ein Sohn Hanaus”. RND, 21. Februar 2020
- ↑ „Wir stehen zusammen“. SZ, 4. März 2020
- ↑ Deutschland gedenkt der Toten von Hanau. Tagesschau.de, 4. März 2020
- ↑ Gedenken in Hanau: „Als würde mein Sohn ein zweites Mal ermordet“. Zeit, 4. März 2020
- ↑ Pitt von Bebenburg: Landtagspräsident in Hessen: „Die Morde von Hanau haben uns wachgerüttelt“. FR, 2. Februar 2021
- ↑ Johannes Dudziak, Fabian Ritter: Sie klagen an. Zeit Magazin, 28. Januar 2021, S. 16–18 (kostenpflichtig).
- ↑ UN-Generalsekretär „entsetzt“ über rassistischen Angriff. SZ, 20. Februar 2020
- ↑ Elf Tote nach Schüssen in Hanau - Auch mutmaßlicher Täter tot. Deutsche Welle, 20. Februar 2020
- ↑ Zentralrat Deutscher Sinti und Roma trauert um die Opfer des Mordanschlags in Hanau. 20. Februar 2020; Hanau. Hagalil, 21. Februar 2020
- ↑ Kurdische Gemeinden: Wut und Trauer über Gewalttat von Hanau. SZ, 20. Februar 2020
- ↑ „Hallo, Abi!“: Erdogan ruft Hanau-Opfer an. HR-Inforadio, 26. Februar 2020
- ↑ Canan Topcu: Rechter Terror in Hanau: In der Türkei instrumentalisieren Nationalisten die Opfer. FR, 27. Februar 2020
- ↑ Tim Schulze: Wie die AfD das Attentat von Hanau relativiert. Stern, 20. Februar 2020
- ↑ Alexandra Leistner: AfD verbreitet Manifest des Täters von Hanau im Internet. Euronews, 20. Februar 2020
- ↑ Katharina Nocun, Pia Lamberty: Nach Hanau: Wie Verschwörungstheorien rechte Gewalt befeuern. Braunschweiger Zeitung, 22. Februar 2020
- ↑ Sheila Mysorekar: Rassistischer Terror in Deutschland – „Nie wieder“? Hoffentlich! Qantara.de, 24. Februar 2020
- ↑ Patrick Gensing: Volkmarsen: Gezielte Falschmeldungen über Amokfahrt. Tagesschau.de, 25. Februar 2020
- ↑ Jan Petter: Das Magazin, das jetzt auch der Verfassungsschutz liest. Spiegel Online, 12. März 2020
- ↑ Frederik Schindler: Hanau: „Täter sieht sein Publikum in der ganzen Welt“. Welt Online, 20. Februar 2020
- ↑ David Gebhard: Nach dem Anschlag in Hanau – Die Rhetorik der AfD: Die Saat des Rassismus. Heute.de, 21. Februar 2020
- ↑ Experte nach Anschlag: „Täter werden in Foren als Helden gefeiert.“ Watson.de, 20. Februar 2020
- ↑ SPD fordert Beobachtung der AfD durch Verfassungsschutz. Zeit Online, 21. Februar 2020
- ↑ Hagen Strauß: Täter von Hanau durch „paranoiden Rassismus“ angetrieben. Westdeutsche Zeitung, 21. Februar 2020
- ↑ Soziologe über den Anschlag von Hanau: „Das ist kein Zufall“. Taz, 21. Februar 2020
- ↑ Georg Seeßlen: Hanau: Das Making-of eines Rechtsterroristen. Zeit, 26. Februar 2020
- ↑ „Alles ist so, wie du denkst“. Zeit Online, 23. Februar 2020
- ↑ Nach Hanau: Wieder Schüsse und Brandanschläge auf Shisha-Bars. Belltower News, 24. Februar 2020
- ↑ Ricard Breyton: Hanau und die Folgen: „Sehr ernsthaft prüfen, ob wir das Waffenrecht wieder nachjustieren müssen“. Welt Online, 22. Februar 2020
- ↑ a b Andreas Bellinger: Nach Hanau: Diskussion um Waffenrecht für Sportschützen. NDR, 23. Februar 2020
- ↑ Winnenden-Angehörige fordern Konsequenzen beim Waffenrecht. DLF, 24. Februar 2020
- ↑ Waffenrecht: Die Verantwortung der Sportschützen. SZ, 28. Februar 2020
- ↑ Neues Waffenrecht: Regelung zu psychisch Kranken fehlt noch. dpa /SZ, 6. Februar 2021; Frank Jansen: Können legal Pistolen kaufen: 1203 Neonazis besitzen eine waffenrechtliche Erlaubnis. Tagesspiegel, 2. Februar 2021
- ↑ Christian Schwerdtfeger: Herbert Reul im Interview: „Da hat sich was in der Republik verändert“. RP-online, 21. Februar 2020; Nach Anschlag in Hanau: NRW verzichtet auf Karnevalsempfänge. Aachener Zeitung, 20. Februar 2020
- ↑ Liveblog zum Nachlesen: Der Tag nach dem Anschlag in Hanau. Tagesschau.de, 20. Februar 2020
- ↑ Nach Anschlag in Hanau: Nur 13 von 5000: Rückkaufaktion für kleine Waffenscheine im Kreis läuft schlecht. OP-Online, 26. November 2020
- ↑ Martin Knobbe: Das ungeklärte Attentat. Spiegel Online, 16. Februar 2021