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Portus Dubris

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Kastelle von Dover
a) Flottenkastell (FK),
b) Sachsenküstenkastell (SKK)
Alternativname a) Portus Novum,
b) Portus Dubris,
c) Dubris,
d) Douvrae
Limes Britannien
Abschnitt Litus saxonicum
Datierung (Belegung) a) 1. bis spätes 3. Jahrhundert n. Chr.,
b) 3. bis 5. Jahrhundert n. Chr.
Typ a) Flottenstation
b) Limitaneikastell
Einheit a) Classis Britannica,
b) Milites Tungrecanorum
Größe a) ca. 2 ha,
b) 5 ha
Bauweise a) Steinbauweise,
b) Steinbauweise
Erhaltungszustand a) quadratische Anlage mit abgerundeten Ecken,
b) trapezförmige Anlage mit vorkragenden Türmen,
oberirdisch teilweise noch sichtbar (Nordtor des FK, Zwischenturm des SKK)
Ort Dover
Geographische Lage 51° 7′ 43″ N, 1° 19′ 23″ OKoordinaten: 51° 7′ 43″ N, 1° 19′ 23″ O
hf
Vorhergehend Kastell Rutupiae nördlich
Anschließend Kastell Lemanis südlich
Die Sachsenküstenkastelle um 400 n. Chr.
Die Route Canterbury – Richborough – Dover – Lympne auf der Tabula Peutingeriana (4. Jahrhundert)
Lageskizze der römischen Bauten in Dover
Befundplan Kastelle und Hafen
Befundskizze des Horreums-Ost
Ruine des östlichen Leuchtturms, Ansicht aus SO
Feuerungsöffnungen an der NW-Seite
Innenansicht
Zeichnung des östlichen Leuchtturms, entstanden um 1875
Aufrissplan aus dem 19. Jahrhundert
Römischer Ziegel mit der Ritzzeichnung eines Leuchtturmes (Dover?), British Museum
Befundplan des Painted House mit Zwischenturm und Mauer des Sachsenküstenkastells nach dem Bau des Kastells und des äußeren Verteidigungsgrabens im späten 3. Jahrhundert

Portus Dubris (Dubris) ist der Sammelbegriff für einen römischen Hafen, eine Siedlung und zwei Kastelle auf dem Stadtgebiet von Dover, Grafschaft Kent, England.

In Dover kann die gesamte Geschichte des römischen Britannien nachverfolgt werden. Von den ersten Expeditionen Julius Caesars im Jahr 55 v. Chr. bis zum Abzug der letzten römischen Armee um 410 n. Chr. Einige der am besten erhaltenen römischen Überreste, von herausragenden archäologischen Mauerresten bis zum höchsten römischen Gebäude in Großbritannien finden sich dort. Portus Dubris besetzte eine Schlüsselstellung im Handelsverkehr und war Hauptquartier der Classis Britannica auf der britischen Seite des Ärmelkanals. Es war eines der beiden Haupttore zum römischen Britannien, bzw. eine der meistfrequentierten Anlaufstellen für den Schiffsverkehr und verband die Insel direkt mit Portus Itius bzw. Gesoriacum (heute Boulogne-sur-Mer) an der gallischen Küste. Die römische Flotte kontrollierte von hier aus die Gewässer des Ärmelkanals und der Nordsee.

Ab dem 3. Jahrhundert war Dubris Teil der Kastellkette des sogenannten Litus Saxonicum (Sachsenküste), ein Militärbezirk des spätantiken Limes Britannicus. Der Hafen verfügte über je einen Leuchtturm an der westlichen und östlichen Seite der Hafeneinfahrt. Der östliche ist noch gut erhalten und steht heute innerhalb der mittelalterlichen Burganlage. Er diente früher der Kirche St Mary in Castro als Glockenturm. Diese Kirche wurde mit Baumaterial aus der Ruine des spätrömischen Lagers erbaut.

Während viele Kanalhäfen des antiken Britannien im Laufe der Zeit durch Verlandung unbrauchbar wurden, konnte Dover bis heute seine Stellung als bedeutender Wirtschafts- und Reisehafen bewahren.

Name

Der antike Name bedeutet: „der Hafen am Dubras“. Dubras ist ein aus dem keltischen stammender Begriff (= das Wasser).

In angelsächsischer Zeit war der Ort unter dem Namen Douvrae bekannt. In angelsächsischen Texten wird es auch als Dofras, Dobrum, Doferum und Doferan bezeichnet.

Lage

Dubris stand an der Küste des Ärmelkanals, am Westufer der Mündung des Flusses Dour, und war 34 km von Cap Gris Nez, Calais, und 40 km von Bolougne-sur-Mer, beide im heutigen Frankreich gelegen, entfernt. Die Strecke Dubris-Gesoriacum war aufgrund ihrer geographischen Lage die kürzeste Verbindung zwischen dem europäischen Festland und der britischen Insel. Der Dour entspringt in den North Downs und hat im Laufe der Zeit ein steiles Tal durch das weiche Kreidegestein geschnitten, an der Südküste, an den weltberühmten weißen Kreidefelsen mündet er schließlich in den Ärmelkanal. Die Flussmündung, die gut von den Hochtalseiten geschützt wird, bietet daher der Kanalschiffahrt bis heute einen sicheren Hafen. Dubris war daher eine der wenigen Stellen in dieser Region, die den Schiffen eine problemlose Anlandung zwischen den steilen Klippen von durchschnittlich 100 m Höhe erlaubte. Neben Richborough (Rutupiae) war Dover einer der Ausgangspunkte der Watling Street (angelsächsisch: Wæcelinga Stræt), einer römischen Straße nach Canterbury (Durovernum Cantiacorum) und London (Londinium). Sie war eine der ersten großen Militärstraßen, die von den Römern in Britannien angelegt wurden. Von London aus führte sie über St. Albans (Verulamium), Dunstable (Durocobrivis), Towcester (Lactodurum) nach Wroxeter (Viroconium) im Norden, zweigte dann nach Wales und in die Metropole des Nordens, York (Eburacum) ab. Eine andere Straßen führte von Dover nach Lympne (Portus Lemanis) im Westen. Der Verlauf von kleineren Routen durch die Grafschaft Kent wurden aus der Lage von bekannten römischen und angelsächsischen Friedhöfen abgeleitet, die sich häufig an den Hauptstraßen und Siedlungsgrenzen konzentrierten. Die Routen von Richborough und Dover nach Canterbury werden auch im Itinerarium Antonini des zweiten Jahrhunderts und die von Canterbury – Richborough – Dover – Lympne auf der Tabula Peutingeriana (4. Jahrhundert) angeführt.

Forschungsgeschichte

Im 19. und 20. Jahrhundert wurden eine massive Steinmole und kleinere Anleger entdeckt. Diese Befunde belegten die Existenz eines größeren römischen Hafens. Das spätantike Kastell wurde erstmals im Jahr 1929 von Mortimer Wheeler untersucht und beschrieben. Eine Reihe von Nachgrabungen, um diese Identifizierung zu bestätigen, scheiterten jedoch. Eine detaillierte Analyse der bis dahin verfügbaren Befunde konnte erst Anfang der 1970er Jahre veröffentlicht werden. Die bisher umfangreichsten archäologischen Grabungen wurden von von Brian Philp und der Kent Archaeological Rescue Unit ab 1970 vorgenommen. Sie erbrachten eine große Menge an Informationen über die Entwicklung des römischen Hafens, des Vicus (extramurale Siedlung) und der römischen Befestigungsanlagen in Dover, obwohl die Schichtenfolge sehr komplex ist und es in Dover noch viel zu entdecken gibt. Die Rettungsgrabungen erfolgten im Zuge der Errichtung einer Umgehungsstraße und der Sanierung der Stadtmitte. Dabei wurde im Stadtzentrum ein Gelände in der Größe von ca. acht Hektar untersucht. Das Grabungsareal war teilweise von über sieben Meter hohen Schwemmsand- und Erosionsablagerungen von den benachbarten westlichen Anhöhen (Western Heights) bedeckt. Das Jahr 1970 markierte auch den Beginn einer – mehr als 30 Jahre andauernden – Serie von Rettungsgrabungen der KARU, die zur Entdeckung einer weiteren Fülle von Baustrukturen aus römischer und angelsächsischer Zeit führten. Bis 2010 wurden vom Sachsenküstenkastell 200 m des Süd- und des Westwalles, sieben seiner Türme, der Wehrgraben, der innere Erdwall und einige Abschnitte des Innenbereiches erforscht.

Die ältesten Funde aus der Region um Dover stammen aus der Bronzezeit. 1974 waren es bronzene Äxte, die wahrscheinlich aus Gallien stammen, 1992 fand man die Reste eines etwa 17 m langen antiken Bootes. Beide Funde sind im Dover-Museum zu besichtigen. Zum Fundspektrum gehören u. a. zwei römische Altäre, eine Statue, zwei Steinköpfe und eine große Anzahl römischer Schmucksteine. Auf einem von ihnen war eine Gladiatorenszene dargestellt.

Entwicklung

Die Siedlungsspuren in Dover reichen fast 4000 Jahre zurück. Seine Nähe zum europäischen Kontinent war schon seit jeher von großer Bedeutung für Reisen über den Kanal und den Warenaustausch. Die Entdeckung der Überreste eines bronzezeitlichen Bootes in den frühen Sedimenten des Dour und des Langdon-Wracks etwas außerhalb der Flussmündung unterstreichen die langwährende Bedeutung dieses Platzes für die Kanalschiffahrt. Während es Hinweise auf prähistorische Aktivitäten und eine gewisse Besetzung im Dour-Tal gibt, gibt es in der Eisenzeit erste Hinweise auf eine Siedlung, die den Castle Hill und das heutige Stadtzentrum bedeckte. Es gibt auch Hinweise darauf, dass damals auf dem Festungsberg schon ein sog. Hillfort stand, aber dies konnte archäologisch noch nicht nachgewiesen werden. Gaius Iulius Caesar versuchte im Sommer des Jahres 55 v. Chr. mit seiner Flotte und zwei Legionen bei Dubris zu landen, scheiterte jedoch, da die britischen Stämme auf den umliegenden Felsenklippen die ganze Masse ihrer Streitkräfte konzentriert hatten. Daraufhin landete die römische Expeditionsarmee an einem Strand an der Ostküste von Kent, von dem allgemein angenommen wird, dass er sich in der Nähe von Deal oder Walmer Castle befindet. Die Stadt Deal steht daher für den Ort des ersten schriftlich aufgezeichneten Großereignisses der britischen Historie.

43 n. Chr. wurde die Region um die Mündung des Dubras durch die Invasionsarmee des Aulus Plautius besetzt. Nach der römischen Invasion und der Gründung der neuen Provinz etablierte Rom in Kent für die Cantiaci-Stämme ein Verwaltungsgebiet ein (Civitas Cantiacorum), das sich um dessen Metropole Durovernum Cantiacorum, Canterbury konzentrierte. Über die römischen Aktivitäten an der Dour-Mündung bis in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts ist nur wenig bekannt. Wahrscheinlich wurde aber schon in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts am Westufer eine römische Siedlung und ein Hafen errichtet. Der Anstoß für den Bau eines Hafens in Dover war sicher der römischen Hafen in Boulogne, der genau auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals lag. Schon früh im 2. Jahrhundert möglicherweise um 117 n. Chr. wurde am Westufer des Dour von der römischen Kanalflotte ein erstes Kastell gegründet. Dubris zählte, neben Rutupiae, bald zu den wichtigsten Hafenorten Britanniens, da sie am östlichen Ende des römischen Straßennetzes lagen, das sich bis zur wichtigen Handelsmetropole Londinium und den äußersten Norden und Westen der Provinz erstreckte. Westlich von Portus Lemanis befanden sich die Erzminen der South Downs, sie wurden wahrscheinlich von Dubris aus verwaltet.

Im späten 3. Jahrhundert errichtete das römische Militär im Zuge des Ausbaues des Wash-Solent-Limes zum Schutz vor Überfällen der Angeln und Sachsen über dem ehemaligen Flottenlager ein neues Kastell. Bei der Erbauung des Sachsenküstenkastells in Dubris nahm man keinerlei Rücksicht mehr auf die älteren Strukturen, was annehmen lässt, dass es auf dem Areal zwischen dem Hafen und der spätantiken Festungsanlage keine Siedlungskontinuität gab. Die Schiffe der Classis Britannica wurden vor allem in den südlichen und östlichen Häfen der Insel stationiert. Ihre Patrouillen überwachten den Oceanus Britannicus, um gegen potenzielle Seeräuber rasch reagieren zu können, sie abzufangen und ihre Schiffe zu zerstören, sobald sie im Ärmelkanal auftauchten. In dieser Zeit gab es aus den verschiedensten Gründen verstärkte Bestrebungen der Barbarenvölker, auf die Insel zu gelangen, dort zu plündern oder sich auf Dauer anzusiedeln. Konnte man ihre Landung nicht verhindern, versuchte die Flotte den Plünderern den Rückzug über das Meer abzuschneiden.

Nach Abzug der Römer im Jahre 410 und den Niederlagen der Romano-Briten bei Aylesford 455 und 457 bei Crecganford fiel Dover zusammen mit Canterbury und Richborough in die Hände der Sachsen unter Hengest. Er gründete das erste sächsische Königreich auf britischen Boden. In den nächsten 200 Jahren entstanden sieben angelsächsische Königreiche. Dubris wurde zu Dorfa, später Dofris. Im 6. Jahrhundert etablierte sich eine sächsische Siedlung (Douvrae) innerhalb des Kastells. Im 7. Jahrhundert erbaute Widred, der König von Kent (690–725), dort ein Kloster und eine Kapelle. Sie war dem Heiligen Martin von Tours geweiht und stand an der Westseite des heutigen Marktplatzes. Nach der Schlacht bei Hastings 1066 brannten die Normannen Douvrae und sein Kloster nieder. Herzog Wilhelm befahl danach, das Kloster und seine Kirche wieder aufzubauen. Es wird behauptet, dass St. Martin-le-Grand damals die prächtigste Kirche Englands war. Im Domesday Book von 1086 scheint der Name der Stadt als Dovere auf.

Flottenkastell

Das mehrphasige mittelkaiserzeitliche Kastell stand nahe der Küste, an den Abhängen der Western Heights und liegt heute größtenteils unter dem Stadtzentrum von Dover (etwa im Bereich York Street (A 268) und Queen Street). Es bedeckte eine Fläche von rund 2 ha und war vermutlich einer der bedeutendsten Stützpunkte der Classis Britannica in Britannien. Es war die einzige römische Marinebasis in Großbritannien, die bisher systematisch untersucht wurde. Die erste Bauphase (wahrscheinlich zwischen 110 und 117) blieb anscheinend unvollendet. Von ihr konnte die KARU im Jahr 1970 die Überreste der Kastellmauer und drei Kasernenblöcke freilegen. Ein zweites Kastell (am selben Standort, Größe 1,5 ha) ersetzte es zwischen 125 und 130 und war zunächst bis 155 belegt. In dieser Zeit wurden die Umfassungsmauer, ein Graben, zwei Tore, bis zu 14 Innengebäude, Lagerstraßen und eine Kanalisation errichtet. Das Kastell scheint danach wieder aufgegeben worden zu sein. Von 190 bis 208 wurde es noch einmal mit römischen Truppen belegt, danach aber endgültig dem Verfall preisgegeben oder abgetragen. Um 270 waren viele seiner Gebäude schon eingestürzt und mit einer Erdschicht bedeckt. Brian Philp, vermutet, dass der Grund für seine Aufgabe die Verlegung der Flotte in den Norden der Provinz war.

Zwei begrenzte Grabungskampagnen vermittelten einen ungefähren Eindruck vom Aussehen und Ausbreitung der Festungsanlage. Sie war mit Sicherheit – wie die meisten römischen Kastelle dieser Zeit – quadratisch mit abgerundeten Ecken, da am Süd- und Westwall jeweils ein Winkel von 90 Grad beobachtet werden konnte. Die Lagermauer war von vier Toren durchbrochen, Nord- und Südtor waren leicht nach Osten verschoben. Von der Umwehrung ist die Lage des Nordtores (beim Discovery Centre) bekannt. Es verfügte über zwei Durchfahrten und war von zwei rechteckigen, innen angesetzten Türmen flankiert. Das Osttor wurde von zwei hufeisenförmigen Türmen gesichert deren Fronten über die Lagermauer vorkragten. Ecktürme scheinen keine vorhanden gewesen sein. Die Innengebäude umfassten die Principia mit Verwaltungsbüros (Officia), zehn Kasernen mit je acht Kontubernien, zwei Getreidespeicher (horreum) und eine Latrine. Einige der Mauerzüge standen bei ihrer Freilegung noch bis zu drei Meter hoch. Es handelte sich um die am besten erhaltenen römischen Militärgebäude im südlichen Britannien. Bei den Grabungen konnten auch etwa 800 Ziegelstempel der Classis Britannica geborgen werden. Obwohl es sehr groß war, diente es dennoch nicht als um die Hauptbasis der britischen Flotte, von der angenommen wird, dass sie sich in Boulogne befand, aber es war sicherlich eine wichtige Versorgungsbasis, die wahrscheinlich die in Richborough ersetzen sollte.[2]

Sachsenküstenkastell

Dieses zwischen 250 und 270 n. Chr. erbaute, mehrphasige und fünf Hektar große Lager befand sich am Westufer der Dourmündung. Es stand teilweise auf dem Areal des Flottenkastells (NO-Ecke). Die leicht nach Nordwesten verzogene, trapezförmige Anlage bestand aus einer massiven Steinmauer mit halbrunden, weit vor die Mauer vorkragenden Bastionen. Der Grundriss erinnert stark an jenen von Kastell Burgh Castle. Bislang wurden nur die südwestliche Ecke und Teile der Süd- und Westmauer ergraben. Dabei konnten vier Türme genauer untersucht werden. Wann es von der römischen Armee aufgegeben wurde, ist unklar. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es ab dem 6. Jahrhundert von Angelsachsen besetzt wurde, die darin eine Siedlung gründeten.

Umwehrung und Graben

Bei der Ausgrabung präsentierten sich einzelne Abschnitte der Mauer noch in einem relativ guten Erhaltungszustand. Es konnten auch mehrere Ausbauphasen unterschieden werden. Sie wurden hauptsächlich aus Kalk- und Tuffstein erbaut, der wahrscheinlich größtenteils aus dem Abbruchmaterial des Flottenkastells stammt. Ein sieben Meter langer Abschnitt der Westmauer durchschnitt die Räume 3 und 4 der Mansio aus dem 2. Jahrhundert (Painted House). Beim Bau der Kastellmauer wurde hauptsächlich lokal verfügbares Steinmaterial verwendet. Ihre Breite liegt zwischen 2,3 und 2,6 Metern. Sie wurde zusätzlich durch eine innere Erdrampe (Intervallum) abgestützt und verstärkt, die zugleich als Wehrgang diente. Die äußere Verschalung setzte sich aus zugehauenen Tuffsteinquadern, die Innenfüllung meist aus nur grob zugerichteten Kreidekalkblöcken zusammen. Ihr Fundament bestand aus einem vermörtelten Bruchstein-Ziegelkonglomerat. Letztere stammten aus abgerissenen Vorgängerbauten in der näheren Umgebung. Auch der Mauerkern enthielt viel wiederverwendetes Material. Abgesehen von einer geringfügigen Abstufung im Fundament an der Außenseite konnte man ansonsten keine weiteren Besonderheiten feststellen.

Etwa fünf Meter vor der Mauer (Süd- und Westseite) verlief als Annäherungshindernis ein 7,5 m breiter, V-förmiger Wehrgraben, der am Haupttor von einer Brücke überspannt wurde.

Türme

Insgesamt konnten bisher in Abständen von 23 bis 30 Metern sieben halbrunde Türme oder Bastionen lokalisiert werden. Dabei wurden zwei Bautypen identifiziert. Einige waren in die Mauer integriert, andere offensichtlich erst nachträglich angebaut worden; möglicherweise deshalb, da ansonsten die Abstände dazwischen viel zu groß gewesen wären. Einer davon stand auf den Überresten der Mansio (Räume 5 und 6), das Mauerwerk war bei der Freilegung noch vier bis sechs Meter hoch erhalten. Auch in der Zusammensetzung des Baumaterials konnten erhebliche Unterschiede festgestellt werden. Die zuerst angelegten Turmbauten bestehen aus Kalk- und Tuffstein. Die später hinzugefügten Exemplare wurden aus Flintbruchstein errichtet und waren an ihrer Außenseite mit Ziegelbändern versehen.

Innenbebauung

Im Kastell wurden die Reste von 11, in spätrömischer Zeit errichteten, Holzgebäuden mit kreisförmigen, quadratischen und ovalen Grundrissen sowie Grubenhäuser, Öfen und Gruben entdeckt. Die Therme des Vicus aus dem 2. Jahrhundert wurde in das Sachsenküstenkastell integriert, umgebaut und weiterverwendet. Man fand gut erhaltene Reste eines großen Ofens und eine Reihe von Räumen mit Hypokaustenheizung und Wasserbecken. Die Räume waren alle um einen großen Innenhof gruppiert. Die Südwest-Ecke des Kastells war aufgeschüttet, danach planiert und mit kleineren, ovalen, Hütten und Holzständerbauten bebaut worden.

Die Innenbebauung der angelsächsischen Zeit bestand hauptsächlich aus Grubenhäusern in Holzbauweise mit Lehmböden in verschiedenen Größen. Insgesamt konnten Spuren von rund 18 hölzernen Gebäuden bzw. ihre verkohlten Wandplanken in situ gefunden werden. Sie lieferten neue Erkenntnisse über die Bauweise im 7. Jahrhundert. Darüber hinaus gab es Anzeichen für einen größeren Hallenbau mit Steinboden und eine gepflasterten Straße, die vom 7. bis zum 10. Jahrhundert benutzt wurde.

Weberei

Während der Ausgrabung im Raum 1 der Mansio wurden auch Reste eines etwa 7 m × 4 m großen, hölzernen Grubenhauses aus der angelsächsischen Periode (ca. 800 n. Chr.) entdeckt, das durch einen Brand zerstört worden war. Es handelte sich um eine einfache, aus Brettern und Pfosten zusammengezimmerte Hütte, typisch für angelsächsische Häuser des 5. bis 8. Jahrhunderts. In dem Gebäude war wohl die Werkstatt eines Webers untergebracht. Bei der Ausgrabung wurden fast 200 runde Ton- und Webgewichte geborgen.

Garnison

Die Besatzung des Flottenkastells in Dubris bestand aus Angehörigen der Classis Britannica, die mit ihren Schiffen die Gewässer rund um Britannien und vor allem den Ärmelkanal überwachen sollte. Im spätantiken Kastell war am Ende des 4. Jahrhunderts laut der Notitia Dignitatum ein Praepositus militum Tungrecanorum Dubris, „Kommandeur der Soldaten der Tungrecani in Dubris“, unter dem Oberbefehl des Comes litoris Saxonici per Britanniam, stationiert.[3]

Hafen

Der aufgrund der natürlichen Gegebenheiten gut geschützte Hafen wurde um das Jahr 50 an der Mündung des Dour gegründet. Er war anfangs relativ klein dimensioniert und bestand hauptsächlich aus einer hölzernen Kai, dem Lager, in dem die Flottensoldaten der Classis Britannica untergebracht waren, und der Mansio. Die Mündung des Dour war zu dieser Zeit noch 3,4 km breit, der Tidenhub betrug bis zu drei Meter. Zum Schutz vor den Gezeiten wurde sie später von einer massiven, von Ost nach West verlaufenden Mole gesperrt die wahrscheinlich aber die Sedimentation der Flussmündung erheblich beschleunigte. Die Kriegsschiffe sowie diverse Hilfs- und Frachtschiffe machten an Anlegern fest, die sich am Westufer der Flussmündung aufreihten. Die anschließende Verengung der Flussmündung zur Landgewinnung veranschaulichten die Expansion der Stadt und der Festungen. Auf den Hügeln, die die beiden Seiten der Hafeneinfahrt flankieren, wurden zwei Leuchttürme errichtet um ankommende Schiffe sicher in die Mündung zu führen, vielleicht dienten sie auch als Wachtposten.

Leuchttürme

Schon bald nach ihrer Landung in Britannien (43 n. Chr.) errichteten die Römer in Dubris einen Leuchtturm (Pharos). Dieser und der spätere zweite Turm standen auf den beiden – das Hafenbecken flankierenden – Hügeln (Eastern Heights und Western Heights) über der – damals noch wesentlich breiteren – Flussmündung. Durch die Leuchttürme wurde die Navigation wesentlich erleichtert, da ihr Feuerschein von beiden Seiten des Kanals – bei wolkenlosem Wetter – gut sichtbar waren. Bei Nacht wurde er von einem Reflektor aus poliertem Kupfer noch zusätzlich verstärkt. Am Tag leitete die Rauchsäule die Schiffe. Die Türme wurden wahrscheinlich von Soldaten aus dem Flottenkastell betrieben. Die beim Bau verwendeten Ziegel der Classis Britannica (Stempelaufdruck Cl BR) waren von derselben Beschaffenheit wie die der Mansio und des Flottenkastells. Die Gebäude dürften also alle zur selben Zeit entstanden sein. Später wurde der östliche Turm in einen Wachturm umgewandelt. Die Kirche Saint Marys in Castro wurde Ende des 10. oder Anfang des 11. Jahrhunderts erbaut. Ihre Mauern enthalten eine große Menge wiederverwendete römische Ziegel. Seit ca. 1252 diente der Ostturm als Glockenturm der Schlosskirche. Man glaubt, dass er im Jahr 1259 umfassend repariert und zusätzlich mit einer Lage aus Feuerstein ummantelt wurde. Vermutlich im Auftrag von Richard de Codnore, Constable von Dover Castle. Sein Wappen ist an der der Nordseite des Pharos eingelassen. Als Teil eines weiteren umfassenden Sanierungsprogramms wurde er von 1580 bis 1582 nochmals renoviert, dabei u. a. mit einem neuen Boden und Dach versehen, um ihn zusätzlich als Pulvermagazin verwenden zu können. Im Jahre 1724 berichtete William Stukeley, dass das Ordnance Office (Waffenamt) das Dach wieder entfernen ließ. Es ist jedoch unklar, ob Stukeley damit das des östlichen Pharos gemeint hat, ist aber sehr wahrscheinlich.[4]

Ostturm

Der östliche Leuchtturm steht heute innerhalb von Dover Castle und ist das höchste der heute noch erhaltenen römischen Gebäude in Großbritannien. Er war jenem Exemplar sehr ähnlich, das Kaiser Caligula anlässlich seiner – gescheiterten – Invasion Britanniens erbauen ließ. Er soll in Lugdunum Batavorum gestanden haben. Das früher in diesem Zusammenhang des Öfteren erwähnte Boulogne-sur-Mer scheidet vermutlich aus diesen Überlegungen aus, da es dort keinerlei Belege für eine römische Präsenz in der Zeit des Caligula gibt. Der äußere Grundriss ist achteckig. Seine ursprünglich acht Etagen verjüngten sich stufenförmig nach oben und gaben der Struktur damit ein teleskopartiges Aussehen. Heute sind nur mehr die ersten vier erhalten, allerdings stark verwittert, eine Folge seiner exponierten Lage auf der Anhöhe. Die Innenräume sind im Gegensatz dazu quadratisch. Er ist zwölf Meter breit und erreicht heute noch eine Höhe von 13 m. Seine ursprüngliche Höhe dürfte um die 25 m betragen haben. Die Mauern sind bis zu vier Meter dick. Sie bestehen aus Feuerstein, Ziegeln und Tuffstein. Fenster und Eingangstor sind gewölbt, in den Bögen wurde abwechselnd Tuffstein und Ziegel vermauert, um so einen polychromen Effekt zu erzeugen. Die 5,8 m hohe Turmkrone stammt aus dem 15. Jahrhundert.

Westturm

Ein in den 1860er Jahren wiederentdeckter Mauerrest des westlichen Leuchtturms wird als „Bredenstone“, „Cäsars Altar“ oder auch als „Teufelstropfen“ bezeichnet und befindet sich heute innerhalb der Mauern der sogenannten Drop Redoubt (Western Heights), eines Küstenschutzforts aus dem 18. Jahrhundert. Nach den wiederverwendeten Dachziegeln der Classis Britannica zu urteilen, dürfte der Turm allerdings erst im 4. Jahrhundert entstanden sein.

Vicus

Das etwas abschüssige Areal des römischen Vicus von Dover bedeckte vermutlich mindestens eine Fläche von zehn Hektar. Er befand sich am Westufer der Flussmündung des Dour bzw. an der Nordseite des Flottenkastells. Die Zivilsiedlung entstand wohl im späten 1. Jahrhundert. Sie umfasste Gebäude von hoher baulicher Qualität. Die meisten Häuser waren aus Holz und Stein errichtet und mit Mosaikböden und bemalten Stuck dekoriert. Nördlich des Kastells stand ein großes Badehaus, das vermutlich zwischen 140 und 160 n. Chr. erbaut wurde und auch von der Zivilbevölkerung genutzt wurde. Sie wurde wahrscheinlich von Flottensoldaten errichtet. Obwohl auch noch einige andere größere Steingebäude, wie Basilika, Forum, Tempel, nachgewiesen werden konnten, scheint sie nie städtische Ausmaße erreicht zu haben.

Mansio/Painted House

Nördlich des Flottenkastells stand ein zweistöckiges Gebäude, das zwischen 150 und 160 n. Chr. entstand und später noch mehrmals umgebaut wurde. Die Teile der letzten Ausbauphase – um 200 – waren besonders gut erhalten, da sie in der Spätantike von der Westmauer und dem inneren Erdwall des Sachsenküstenkastells bedeckt wurden. Das „Painted House“ umfasste ursprünglich wohl 80 oder noch mehr Räume und ist eines der bekanntesten römischen Gebäude in Großbritannien. Die Motive seiner Wandmalereien und die Nähe des Gebäudes zum Kastellbad, dem Hafen und dem Flottenstützpunkt führten zuerst zu der Annahme, dass es sich nur um ein gewöhnliches Bordell handelte. Diese These wurde jedoch wieder verworfen, da Fresken in römischen Bordellen eher alle Variationen der dort angebotenen Dienstleistungen darstellten, wie in Pompeji ersichtlich war. Bacchusmotive fanden sich allerdings sehr häufig in Wohnhäusern. Die meisten Wissenschaftler glauben auch, dass die Räumlichkeiten für ein Bordell viel zu klein dimensioniert waren.

Es wurde während des Baus der Umgehungsstraße A256 in den 1970er Jahren entdeckt. Der Kent Archaeological Rescue Unit unter der Leitung von Brian Philp gelang es, fünf Räume (jeder ca. 18 × 16 m) sowie einen davorliegenden Flur freizulegen und zu konservieren. Es handelte sich um eine – teilweise mit Wand- und Fußbodenheizungen (Hypokausten) ausgestattete römische Mansio. Drei der Räume wurden mittels eines außen angelegten Bogenofen beheizt. Bei den Ausgrabungen stieß man auf – an manchen Stellen noch sechs Meter hohe – Wände mit hervorragend erhaltene Wandmalereien, die umfangreichsten, die jemals nördlich der Alpen gefunden wurden. Sie zeigten auf mehrfarbigen gerahmten Tafeln im 3D-Effekt Architekturmotive wie z. B. kannelierte Säulen. Auf 28 Platten finden sich vor allem Darstellungen des Bacchus, des römischen Gotts für Lebensfreude und Weingenuss, und der Ariadne (etwa fünf Stück pro Wand).

Inschriften

Aus Dover sind drei römische Inschriften bekannt. Eine wurde von einem römischen Beamten aus der Provinzhauptstadt den Matronen gewidmet.[5] Ein anderer Text (EVSEB III IV IV [ius?]... VSI ... ... ST ...) war schwer beschädigt.

Hinweise

Ein kleiner Teil der spätantiken Festung wurde konserviert und kann auf Anfrage in der Dover Bibliothek und im Discovery Centre (ehemaliges White Cliffs Experience) besichtigt werden. Die umfangreichsten – öffentlich zugänglichen – römischen Überreste sind die des Painted House, wo die Mauern der Mansio, des Sachsenküstenkastells und des Flottenkastells besucht werden können.

Literatur

  • Brian Philp: The Excavations of the Roman Forts of the Classis Britannica, Dover 1970–1977, 1981.
  • Brian Philp: The Roman House with Bacchic Murals at Dover, Kent 1989.
  • Brian Philp: The discovery and excavation of the Roman shore-fort at Dover, Kent (= Kent monograph series. 11). Kent Archaeological Rescue Unit, Dover 2012.
  • Brian Philp/John Willson: The discovery and excavation of Anglo-Saxon Dover, Detailed report on fourteen of the major Anglo-Saxon structures and deposits discovered in the centre of ancient Dover, during large scale rescue-excavation 1970–1990 (= Kent monograph series. 9). Kent Archaeological Rescue Unit, 2003.
  • Nic Fields: Rome’s Saxon Shore Coastal Defences of Roman Britain AD 250–500 (= Fortress. 56) Osprey Books, 2006.
  • Anthony David Mills: Oxford Dictionary of English Place-Names. Oxford University Press 1998.
  • Robin George Collingwood/Richard Pearson Wright: The Roman Inscriptions of Britain. Oxford 1965.
  • David E. Johnston: The Saxon Shore. The Council for British Archaeology, London 1977 (Research Report. Nr. 18).pdf
  • Mortimer Wheeler: The Roman lighthouses at Dover. In: Archaeological Journal. Band 86, 1929, S. 29–58 (Separatdruck 1930).
  • Stephen Scoffham: The Romans in East Kent; a brief guide. North Kent Books, Rochester 1982, ISBN 0-9505733-7-X.
  • Thomas Fischer: Die Armee der Caesaren. Archäologie und Geschichte. Mit Beiträgen von Ronald Bockius, Dietrich Boschung und Thomas Schmidts. Pustet, Regensburg 2012, ISBN 978-3-7917-2413-3; 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2014, ISBN 978-3-7917-2413-3.
  • George Clinch: English coast defences from roman times to the early years of the nineteenth century. G. Bell & Sons Ltd., London 1915.

Anmerkungen

  1. „Die Route von Londinium nach Portus Dubris - 66000 Schritte“ und Portum Dubris, 13 Meilen entfernt von Durovernum Cantiacorum (Canterbury, Kent).
  2. Fischer 2014, S. 364–365
  3. Notitia Dignitatum occ. XXVIII, 14.
  4. George Clinch 1915, S. 52.
  5. AE 1977, 497: St(rator) co(n)s(ularis) / Ol(us) Cor[dius] / Candid(us) [Mat]/rib(us) Italic[is] aedem [fe]cit v(otum) s(olvens) [l(ibens) m(erito)] „der Bote des Statthalterbüros (in London), Olus Cordius Candidus, hat für die italischen Muttergöttinnen diesen Tempel erbaut, um bereitwillig und verdientermaßen sein Gelübde zu erfüllen“.
Klippen von Dover